Die größten und gelungensten Wiederaufbauprojekte zerstörter Städte

  • Diese Thesen wurde vor allem von einem gewissen youngwoerth vertreten

    An youngwoerth musste ich auch sogleich denken bei der betreffenden Pasage in königsbaus Beitrag.

    Der aus Karlsruhe stammmende (und nach Freiburg gezogene) Youngwoerth bemängelte seinerzeit am Stadtbild Erfurts recht scharf das Fehlen von grossen und prächtigen Gründerzeitquartieren im Anschluss an das historische Stadtzentrum.

    Königsbau stammt ja aus Stuttgart und insofern ist sein Fokus, weg vom historischen Stadtkern und hin zu gründerzeitlicher Stadterweiterung, mehr als nachvollziehbar.

  • Es wäre ja nichts dagegen zu sagen, nur ist das keine Frage des Wiederaufbaus. Stuttgart hat Gründerzeitviertel, weil diese verschont blieben und nicht, weil sie wiederaufgebaut wurden.

    Wir sollten in diesem Zusammenhang auch den Strangtitel beachten. Der Anteil von Gründerzeitvierteln bzw der Übergang zwischen der ehem. Altstadt zu diesen ist definitiv nicht davon umfasst. Es geht auch nicht um den Wiederaufbau einer bestimmten Stadt als Ganzes, sondern um (konkrete) Projekte. Dh um DD-Neumarkt ODER um DD- Pragerstraße ODER (vernichtendes Beispiel) DD-Neustädter Markt. Jedenfalls um keine Gesamtsumme.

    Hier Wiederaufbauprojekte, die mir zusagen:

    DD-Neumarkt (jedenfalls meine Nummer eins, man muss sagen: bei wenig Konkurrenz)

    FF-Römer-Dom-Bezirk

    FF-Römer-Ostzeile

    Ulms Neue Mitte (natürlich mit Abstand dahinter)

    Hildesheimer Marktplatz

    Münster Prinzipalmarkt

    Chemnitz Neue Mitte

    Chemnitz sozialistische Ensembles (Marxkopf, Stadthalle, Hotel Kongress)

    Hamburg Peterstraße

    Donauwörth Altstadt

    Noch nicht abgeschlossene und abgeschlossene Projekte:

    Potsdam Mitteschön

    Lübeck Gründerviertel

    Wiederaufbauprojekte, die ich weniger kenne bzw wahrnehme:

    Rothenburg östl. Altstadterweiterung

    Freudenstadt Altstadt

  • Gewiss. Worauf ich allerdings hinaus wollte ist, dass königsbaus Gewichtung jenseits des historischen Stadtkerns in der Beurteilung des Stadtbildes darin begründet liegen mag, dass der Wiederaufbau des historischen Zentrums am konkreten Beispiel Stuttgarts doch recht miserabel ausfiel.

  • So Leute, nun habe ich mir den ganzen Strang nachträglich durchgelesen, und mache mal ein Fazit bzw eine Wiedergabe, wie beide "Parteien" den Wiederaufbau der (West-)BRD so betrachten

    Die eine Seite, also Zeno, Guiglio, und vlt noch Königsbau, ist mehr oder weniger zufrieden mit dem aktuellen Wiederaufbau, da er in gewisser Weise sich wie in Würzburg, aufgrund der roten Dächer ins frühere Stadtbild wieder angepasst hat und die Kleinteiligkeit und der Grundriss zt beibehalten wurde. Auch wird die Gesamtheit dieser Altstadt und des Wiederaufbaus betont, der zwar nicht perfekt sei, aber besser als nur punktuell.

    Die andere Seite, allen voran Ursus, Leonhard, Niederländer, etc... sehen dies kritischer. Sie wollen in der Not kleinere "Brötchen" backen und sind mit einem Bereich schon zufrieden, der richtig rekonstruiert wurde, und so oder ähnlich auch vor dem Krieg war. Ansonsten kann die Stadt aber auch abstoßend sein und Modernismus pur wie in Dresden westl und östl,. der Altstadt. Sie sehen den angepassten Wiederaufbau Würzburgs als "verlogen" an, da er durch faule Kompromisse die Seele der Stadt wenn man genau hinsieht abseits des Gesamtbilds geraubt hatte.

    Hm schwierig wie ich mich da positioniere. Generell bin ich auch für einen möglichst authentischen Wiederaufbau mit vielen Rekos. Das sollte schon drin sein, damit man wieder das lokaltypische der Stadt erleben kann, gerade bei den einfachen bürgerlichen Häusern, und nicht nur bei den bedeutenden Denkmälern, wie Kirchen, Schlösser, Paläste, Geburtshäuser, etc...

    Gleichwohl sehe ich aber auch, dass aktuell (seit 20 Jahren nun schon ) die Architekten, wenn sie was neu bauen überhaupt nicht in unsere Richtung gehen, sondern es nur noch ins Gegenteil verschlimmern durch die Kubismus-Krankheit. Und da in absehbarer Zeit dieser Trend noch nicht überwunden zu sein scheint, und es auch in der Bevölkerung besonders im Westen der BRD noch kein Umdenken überhaupt, sei es im Großen und Ganzen eben in gesellschaftspolitischer Natur als Oberbegriff, der dann auch als Untergruppierung die Baukultur beinhaltet, gibt, wähle ich vorübergehend eher das "geringere" Übel, dh wenn möglich Erhalt der Nachkriegsbebauung., da einfach nichts Besseres nachkommt.

    Ja da wirst du mir wohl widersprechen Ursus. Und da frage ich dich: also du würdest am Liebstes alles "Unerhliche" der 50er abreissen, um es dann weil aktuell nichts mehr drin ist, dann von den "Arschitekten" mit Schuhkartons zustellen, damit eines Tages, die Ottonormalos aufwachen und diese Ödnis verachten werden, um dann endlich eine mehr oder weniger 1:1 Reko zu fordern?

  • Da muß ich präzisieren:

    Ich bin mit dem Wiederaufbau im Allgemeinen extrem unzufrieden und habe nur zwischen völlig katastrophal wie in Pforzheim und vergleichsweise annehmbar wie in Würzburg unterschieden.

    Unter "größte und gelungenste Projekte" habe ich Würzburg aufgeführt, weil es vergleichsweise besser als das meiste andere und vor allem viel größer ist. Wenn nur die Qualität eine Rolle spielen würde, dann wäre die neue Frankfurter "Altstadt" an der Spitze.

    Generell ist mir eine richtige Stadt mit gemischter, ziemlich annehmbarer Bebauung wie die Berliner Innenstadt rund um Unter den Linden lieber als eine einzige große Ödnis, wo dann noch auf 1 % ein schöner Platz herumsteht.

    sou perfeito porque / igualzinho a você / eu não presto

  • Ich möchte bitte nicht missverstanden werden. Natürlich würde ich mir wünschen, eine Stadt wie Stuttgart hätte eine intakte historische Altstadt. Mir ist bewusst, dass die gründerzeitlichen Vorstadtquartiere das Fehlen derselben nicht aufwiegen können. Allerdings widerspreche ich auch dem Standpunkt, eine Altstadt genüge, alles darüber hinaus wäre unbedeutend. Das ist nämlich das Problem einer Stadt wie Dresden, die zwar ein rekonstruiertes Zentrum erhalten hat, dem aber die Impulse und Bezüge nach außen fehlen. Es gibt keinen ganzheitlichen Stadtorganismus (Zentrum - Vorstadt - Peripherie) mehr. So wie wenn man einem Körper, dessen Herz noch schlägt, die Arme und Beine amputiert hat. Das kann auch nicht funktionieren.

  • Was wäre zu Osnabrück zu sagen? Ich war dort, und der Eindruck war - wie üblich - recht gemischt. Ganz gut war die Gestaltung des Markt/Rathausplatzes. ob die Giebelhäuser Rekos waren oder erhalten geblieben sind, weiß ich nicht. Grundsätzlich positiv ist das Streben nach "Traditionsinseln", wie in Niedersachsen eher noch üblich.

    Braunschweig hat ein frühes, mE nicht genug hochzulobendes Wiederaufbauprojekt aufzuweisen:

    den Altstadtmarkt nämlich.

    Die Gestaltung der Gewandhausseite mit dem transozierten FWH war geradezu genial und hätte richtungsweisend sein können.

    https://www.braunschweig.de/leben/einkaufe…tstadtmarkt.php

    https://www.braunschweig.de/leben/einkaufe…tstadtmarkt.php

    damit hat man drei gute Seiten. Die vierte ist natürlich enttäuschend, aber jetzt mal auch noch gerade erträglich - dieser Platz "funktioniert".

    Die Wiederherstellung der Alten Waage fällt eher in die Zeit der Hildesheimer Rekos.

    Das Schloss wurde auch schon diskutiert. Letztlich hebt die Reko nicht ganz den Skandal des Abrisses auf.

    Der Normalfall des Braunschweiger Wiederaufbaus gilt als trostlos, was natürlich zutrifft. Für mich ist er nicht schlechter als anderswo, er hat halt hier keine Fürsprecher. Die Rekonstruktion niedersächsischer FWH war halt die allerschwierigste Aufgabe, überhaupt im Vergleich zu den schlichten Sandsteinfassaden Nürnbergs. Die mitunter zu beobachtende Herstellung "falschen FW", also rein ornamentalen, fassadistischen (va um Michaelskirche), wird zwar harsch kritisiert, ist aber in meinen Augen immer noch "besser als nichts."

    Unterm Strich würde ich BS daher als weitaus überdurchschnittlich gelungen ansehen.

  • BS fand ich noch schlimmer als N und das mag was heissen. Ist aber eben schwierig, solche grandiosen älteren Fachwerkhäuser insbesondere in grösserer Zahl wiederaufzubauen. Wobei mir der Wiederaufbau der Alten Waage schon sehr zugessgt hat, wie auch im Falle des Hildesheimer Knochenhaueramtshauses. Und wenn man diese gewaltigen Gebäude wieder einigermassen sinnvoll wiedererstehen lassen kann, dann sollte das mit weiteren Gebäuden eigentlich erst recht möglich sein.

    Mit dem Wiederaufbau von M, A und N kann ich, wie bereits mehrfach geschrieben, wenig bis gar nichts anfangen, den finde ich insgesamt einfach nur grauenvoll und in den zerstörten Bereichen herumzulaufen ist die allerhöchste Qual oder Bestrafung, die man sich vorstellen kann. In Würzburg war ich bisher wenig, an sich geht es mir dort wie von Ursus geschrieben und trotzdem habe ich mich dort irgendwie nicht so unwohl gefühlt.

    Bezüglich Bayern hat Zeno bereits die positiveren Wiederaufbauleistungen hier entsprechend "gewürdigt", wobei ich besonders den Wiederaufbau von Rothenburg als besonders annehmbar, wenn nicht sogar gelungen, bezeichnen würde.

    Ansonsten finde ich Freiburg, wie schon erwähnt, noch annehmbar. Hannover zB fand ich ganz besonders schrecklich, Magdeburg sowieso.

  • München hat, finde ich, auch seine guten Seiten und vermag insgesamt eine doch erfreuliche Wirkung auszuüben. Augsburg auch, weil halt noch vieles steht, was an der inferioren Wiederaufbauleistung natürlich nichts ändert. In Wü reagiere ich halt so, wie ich es tue, weil ich bei Barockstädten ein Sensibelchen bin, und weil hier doch ein enormes Potential bestanden hätte. Was heißt auch schon ... unwohl gefühlt... ich bin dort auf Urlaub. Erhebende Einzelmonumente gibt es genug, und auch Elemente wie "Türme", "Brücke", Burg... tun ihr übriges.

    N ist nur schmerzhaft, ich habe allen Ernstes vor, dort nicht mehr hinzufahren.

    Und wenn man diese gewaltigen Gebäude wieder einigermassen sinnvoll wiedererstehen lassen kann, dann sollte das mit weiteren Gebäuden eigentlich erst recht möglich sein.

    Na ja, weißt, es macht halt eben doch auch die Menge... Mit einem oder zwei ist nichts getan. Eine Zukunft für BS könnte ich in alternativen Modellen wie FF erblicken. Die Stadt hat keine besondere Silhouette, da ist viel "Luft nach oben". Es wird drauf ankommen, dem wilden Nebeneinander aus Alt und Neu Qualitäten abzugewinnen, ein wirklich schicke moderne Stadt draus zu machen mit gar nicht kleinen, aber irre bedeutenden Fachwerkbeständen. So etwas wäre einmalig. Rekos werden hier niemals zum flächenfüllenden Mittel werden. Man sollte mE eher trachten, bestehende Teilensembles zu vervollkommnen (Kohlmarkt). Eine richtige großflächige Fachwerkaltstadt kann da nicht mehr draus werden.

  • Um diesen Strang nochmals zu beleben - ich wollte in die Oberpfalz fahren, einiges besichtigen und fotografieren - wie sieht es mit Schwandorf aus?

    Wurde zu meiner Überraschung auch weitgehend zerstört, sieht im Luftbild aber wieder überraschend gut aus. Das gilt erst recht für Neumarkt, das mich an eine Mini-Ausgabe der Ingolstädter Fußgängerzone erinnert und bei dem ich nie von 92 % Zerstörung ausgegangen wäre.

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  • wie sieht es mit Schwandorf auf?

    Angesichts der Größe und Zentralität der Stadt würde man hier eine interessante Altstadt erwarten. Ich meine aber, dass es zwar schöne Häuser gibt, eine wirklich attraktive Altstadt fehlt aber irgendwie. Störend ist der starke Verkehr in der Friedrich-Ebert-Straße und diagonal über den Marktplatz. Der Blasturm bietet dafür einen Aussichtspunkt. Aber von der Stadtbefestigung ist nicht mehr viel übrig und die Stadttore fehlen alle. Und ein historisches Rathaus, das Bürgerstolz zum Ausdruck bringt, gibt es auch nicht. Schwandorf hat mich wegen seiner Topographie immer an Gemünden am Main erinnert.

    Für die Oberpfalz habe ich eine große Sympathie und Schwandorf war für mich immer etwas besonderes. Aber jedesmal bin ich auf's neue enttäuscht. Markus' Einschätzung kann ich nur bestätigen:

    Bin auch über zwei Jahrzehnte dort nur umgestiegen und durchgefahren, trotz ebenfalls großer Sympathie zur Oberpfalz generell. Marktplatz, Pfarrkirche, Blasturm, Naabwehr und das wars eigentlich. Das nahe Nabburg ist jedenfalls deutlich interessanter und Amberg sowie Sulzbach sowieso. Auch die Ansichten von Naab und Stadt sind bei Kallmünz und Burglengenfeld hübscher.