Nürnberg - Fachwerkbauten

  • Frauentormauer, Turm „rotes H“


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    Bildquelle: commons.wikimedia.org; gemeinfrei. Urheber: Tilman2007.

    Die Bayerische Denkmalliste bezeichnet den Turm fälschlicherweise als „Sandsteinbau, um 1400“. Dabei handelt es sich um einen Neubau von etwa 1940 als Teil eines damals errichteten Hochbunkers (zusammen mit dem „roten H“ und den anschliessenden Mauerabschnitten). Der ursprüngliche Turm wurde in den 1880er Jahren abgerissen (siehe dazu diesen und die beiden Folgebeiträge).

    Gegen die Gasse Färberplatz/Frauentormauer befindet sich am 2. Obergeschoss Fachwerk mit überkreuzten Streben. Es dürfte ebenfalls vom Neubau von ca. 1940 stammen, da der Turm im Krieg nur leichte Schäden erlitt. Die Bunkeranlage, und damit auch dieses Fachwerk, haben insofern eine Bedeutung, als dass es sich um eine Rekonstruktion eines Stücks „Stadtmauer“ zur Zeit des Nationalsozialismus handelt.

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    Zwischen dem Turm „rotes J“ (mit Spitzhelm) und dem in den Graben hinein
    gebauten Schulhaus erkennt man das „rote H“ mit abgedecktem Dachstuhl.
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    (Bildquelle: bildindex.de)


    Turm „rotes K“


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    Bildquelle: commons.wikimedia.org; gemeinfrei. Autor: Andreas Praefcke.

    An den Seitenwänden findet sich feldseitig am obersten Geschoss Fachwerk mit K-Streben. Dieses steht gegenüber dem Mauerwerk leicht zurück. Es ist möglich, dass ursprünglich Backsteinmauerwerk vorgemauert war. Der von etwa 1400 stammende Turm überlebte den Krieg samt Holzbauteilen mit nur leichten Schäden. Die vielen ersetzten Sandsteinquader liessen einen andern Schluss zu.

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    Links vom „roten J“ (mit halb zerstörtem Spitzhelm) folgt das „rote K“ mit unbeschädigtem Dach.
    Vergrösserung (Bildquelle: bildindex.de)


    Jakobstor, Turm „rotes L“


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    Das Jakobstor als solches wurde erst 1893 mit zwei Durchbrüchen durch die Stadtmauer zu beiden Seiten eines gewöhnlichen Mauerturms geschaffen. Beim Turm handelt es sich um einen Sandsteinbau um 1400, dessen oberstes Geschoss stadtseitig Fachwerk mit Sichtbacksteinausmauerungen zeigt. Die angeblatteten Kopfbänder weisen dieses ins 15. Jahrhundert. Die Mittelpartie mit dem Fenster ist später verändert worden.

    Das rechts anschliessende Fachwerk des Wehrganges zeigt ebenfalls Sichbacksteinausmauerungen. Der bauhistorische Zusammenhang mit dem Turm ist aber noch unklar. Alle Holzbauteile überstanden den letzten Krieg fast schadlos.


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    Aussenansicht 1946.
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    (Bildquelle: bildindex.de)

  • Mit dem Turm „rotes L“ sind wir fast wieder beim Spittlertorturm angelangt und haben die 4 km lange Stadtmauer „abgelaufen“. Ein Bauwerk aber, von dem nur noch ein Torso existiert, möchte ich anfügen, auch wenn es sich nicht um ein echtes Befestigungswerk handelte.


    Fürther Tor


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    Bildquelle: commons.wikimedia.org; gemeinfrei. Urheber: André Karwath.

    Bei diesem Tor handelt es sich nicht um einen mittelalterlichen Stadteinlass, sondern um eines der im 19. Jahrhundert neu geschaffenen „Stadttore“. Nach Abbruch des Turmes „rotes S“ wurde zwischen 1894 und 1898 im Zwingerbereich ein mächtiges Gewölbe und darüber ein eigenartiges Gebäude errichtet, das offenbar pittoreskes Mittelalter nachahmen sollte. Allerdings hätte dieses historistische Ungetüm nicht den damaligen Verteidigungszwecken entsprochen. Ein Trakt gegen die Feldseite war nämlich in (konstruktiv sinnlosem) historistisch-fränkischem Sichtfachwerk errichtet. Für eine wirksame Verteidigung wäre das stark geliederte Bauwerk zu verletzlich gewesen. Die nördlich (links) anschliessende Bastion von 1527 wurde damals in den Komplex einbezogen.


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    “Gartenrestauration Ludwigstorzwinger". 1927 gelaufene Ansichtskarte. Franz Klahr, Photo-Anstalt, Nürnberg.


    Bereits einer der ersten Bombardierungen Nürnbergs viel das Anwesen zum Opfer, sodass heute nur noch das unwirtliche Gewölbe existiert.

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    Vergrösserung (Bildquelle: bildindex.de)

  • Wehrgänge


    Die Wehrgänge zeigen auch typische, aber auf die wesentlichen Primärbalken reduzierte Fachwerkkonstruktionen. Der grösste Teil von ihnen ist 1945 zerstört worden und ein paar wenige überdauerten in lädiertem Zustand. Schon um 1900 waren aber nicht mehr alle Mauern mit einem Wehrgang bekrönt, beispielsweise an Teilen der Spittler- und Laufertormauer. Durch den Alterungsprozess sind die rekonstruierten Wehrgänge fast nicht mehr von den Ursprünglichen zu unterscheiden. Nur die Konstruktionsdetails verraten ihren Entstehungszeitraum.


    a) ursprüngliche Wehrgänge

    Die ältesten Konstruktionen zeigen eine Verstrebung mit angeblatteten langen Kopfbändern jeweils nur zu einer Seite eines Pfostens, oder dann mit angeblatteten Steigbändern. Diese Wehrgänge dürften spätestens dem 15. Jahrhundert angehören.


    Beispiel mit Steigbändern an der Frauentormauer:

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    Frauentormauer zwischen den Türmen „rotes C und D", 1946.
    Vergrösserung (Bildquelle: bildindex.de)


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    Frauentormauer mit den Türmen „rotes B, C, D und E“, 2009.


    Beispiel mit langen Kopfbändern an der Maxtormauer:

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    Maxtormauer zwischen den Türmen „schwarzes E und F“, 1946.
    Vergrösserung (Bildquelle: bildindex.de)


    Beim Tiergärtnertor existierte eine Konstruktion mit eingezapften langen Fussstreben und in sie eingezapfte Brustriegel (>> „vereinfachte“ K-Streben). Der Wehrgang dürfte im Zusammenhang mit dem Bau der Bastion vor dem Tiergärtnertor 1538-45 erneuert worden sein, wozu die Verstrebungsart passen würde. Allerdings wurden bei der Rekonstruktion nach 1945 die Brustriegel bis an die Pfosten gezogen, und nicht wie ursprünglich nur bis zu den Fussstreben.

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    Tiergärtnertor um 1900. Ungelaufene Ansichtskarte, Verlag Dr. Trenkler Co., Leipzig.


    Stellenweise gibt es auch Wehrgänge ohne jegliche Verstrebung. Dies ist vor allem dort der Fall, wo zwei Türme nahe beieinanderstehen, und dem Wehrgang direkt seitlichen Halt geben.

    Manchmal sind die Brüstungen innen oder aussen verbrettert, oder seltener auch ausgemauert. Letzteres ist dort der Fall, wo der Wehrgang nutzungsmässig in Zusammenhang mit einem Turm steht (bspw. Vorraum, Wohnraumerweiterung).


    Die drei beobachteten historischen Wehrgangkonstruktionen:

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    Oben: mit angeblatteten langen Kopfbändern; Mitte: mit angeblatteten Steigbändern; unten mit eingezapften Fussstreben.


    b) rekonstruierte Wehrgänge

    Grösstenteils wurde bei der Rekonstruktion der Wehrgänge nach 1945 das Muster mit den angeblatteten Bändern beibehalten, wohl wegen der Angleichung an die unzerstörten Partien. Stellenweise kam aber auch eine ahistorische Verstrebung mit eingezapten Fuss- und Kopfstreben zur Anwendung, wie beispielsweise beim Fürthertor:

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    Schlotfergergasse, Fürther Tor von innen, 2009.


    Marientormauer:

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    Marientormauer mit den Türmen „blaues G, H und K“, 1946.
    Vergrösserung (Bildquelle: bildindex.de)


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    Marientormauer mit dem Turmstumpf „blaues G“ und Turm „blaues H“ im Hintergrund, 2009.
    Rekonstruierter Wehrgang mit Steigbändern als Verstrebung.


    Neutormauer:

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    Neutormauer zwischen dem Turm „grünes J“ und dem Neutorturm.
    Um 1950/60 rekonstruierter Wehrgang mit Steigbändern, 2009.


    Maxtormauer:

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    Maxtormauer zwischen den Türmen „schwarzes J“ und „K“. 2007/08 rekonstruierter Wehrgang mit Kopfbändern, 2009.


    Bei den rekonstruierten Wehrgängen fällt auf, dass der Holzauswahl grosse Beachtung geschenkt worden ist. Es wurden Balken mit Mark verwendet, sodass mit der Zeit Schwindrisse mittig an den Aussenseiten entstehen konnten, wie es schon in den Jahrhunderten früher der Fall war. In der heutigen Zimmereikunst werden die Baumstämme geviertelt, wodurch sich das Holz weniger verzieht und vor allem keine Schwindrisse entstehen. Dafür entsteht auch kein vertrautes Bild historischer Bauten mit Schwindrissen in den Balken.

  • Zitat von Kleinod

    Wir sind auf diese Beiträge über Jakobstr. 34 aufmerksam geworden und haben uns über die professionelle Art des Berichtes sehr gefreut. Und vielleicht können wir ja etwas als Information zu dem Objekt beitragen. Die Jakobstraße 34 ist in der Denkmalliste bezeichnet, als Bürgerhaus, schmaler massiver dreigeschossiger Bau mit breitem Zwerchhaus. Das Entstehungsjahr konnte nun mit 1448 beziffert werden.

    Wir sind gerne an Bildern interessiert, die unser Haus zeigen. Wenn sich hier wirklich Interessierte finden, dann führen wir gerne auch einmal durch das - zur Zeit noch unrestaurierte Haus und halten gerne auch während unserer Sanierung alle auf dem Laufenden.

    Rückmeldungen gerne an uns!
    Besten Dank von den Kleinod Eigentümern

    Hallo "Kleinod"

    Willkommen im Forum! Das ist natürlich eine sehr unerwartete Überraschung, nach anderthalb Jahren wieder eine Reaktion auf einen Beitrag zu erhalten, und das sogar vom Hauseigentümer selbst! Vielen Dank :smile:

    Gerne nehme ich ihr Angebot an, bei meinem nächsten Nürnberg-Besuch das Haus auch von innen besichtigen zu dürfen. Ich denke, dass auch andere Forumsmitglieder aus Nürnberg Interesse daran haben werden. Schön wäre es natürlich, hier weiterhin Beiträge von Ihnen lesen zu können, insbesondere wenn es dann an die Bauarbeiten geht. Ich werde Ihnen noch eine private Nachricht zukommen lassen.

  • Untere Wörthstr. 6


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    Untere Wörthstrasse gegen Osten 2009. In der Bildmitte die Nr. 6.


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    Nr. 6 (zweites Haus von links) gegen die Pegnitz


    Auf dieses Haus sind wir vor zehn Jahren im APH im allgemeinen Baustrang über Nürnberg gestossen. Vom Äusseren her könnte man leicht auf einen angepassten Neubau der 1980/90er Jahre schliessen, weil keinerlei historische Bausubstanz frei liegt und Wände, Fensteröffnungen sowie das Dach keine Unebenheiten aufweisen. Zur Pegnitz hin ist eine feuerverzinkte Metallbalkonanlage angebracht, die den Charakter eines Neubaus weiter unterstreicht. > Nürnberg (und die zehn folgenden Beiträge).

    Anhand eines Bildes aus dem Marburger Bildindex konnte baukunst-nbg nachweisen, dass es tatsächlich ein überrenovierter Altbau ist:

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    Ausschnitt aus Bild mi02555e08 von 1960. (Quelle: bildindex.de)


    Eine kürzlich erworbene Aufnahme von wahrscheinlich 1956 zeigt die westliche, damals freiliegende Giebelwand aus Fachwerk. Dieses war offensichtlich nach dem Krieg neu ausgemauert worden, und auch das Balkenskelett zeigte einige Reparaturen, nachdem es offenbar durch Sprengbomben in Mitleidenschaft gezogen worden war. Bis zum Krieg stand davor in gleicher Tiefe das Nachbarhaus Nr. 4.

    Viele Details an den Balken sollten durch eine genauere Betrachtung das ungefähre Alter des Hauses nachweisen lassen, auch wenn die Fotografie nicht ganz scharf ist. Die ganze Fotografie ist in diesem APH-Beitrag zu sehen: Nürnberg - in alten Ansichten (Galerie).


    a) Ausschnitt aus der Fotografie, entzerrt:

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    b) Durchzeichnung des Fachwerks:

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    Einige Balkenverbindungen sind nicht genau eruierbar, ebenso auch die Deckenbalken, bei denen es sich entweder um sehr dicke Balken handeln kann oder auch um normale Deckenbalken mit aufgelegter, dünner Schwelle. Letzteres wäre für Nürnberg typisch. Im Zweifelsfall zeichnete ich nur die Umrisse.

    Als primäre Verstrebungsart fallen an den beiden Vollgesschossen die Blattsassen von Bund- und Kopfbändern auf. Am 2. Obergeschoss hat sich noch ein Kopfband erhalten. Das erste Dachgeschoss besteht aus einem zweifach stehenden Stuhl, der mittels angeblatteten Steigbändern ausgesteift ist. Vom linken Steigband haben sich ebenfalls nur die Blattsasse erhalten. Das restliche Fachwerk ist das Resultat mehrerer Umbauten und zeigt keinerlei Systematik.


    c) Einzeichnung der Primärstruktur und weiterer Bauteile:

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    Die Erkenntnisse aus der Durchzeichnung sind hier in einem Bauphasenplan eingetragen. Die Primärstruktur (rot) zeigt ein zweiraumtiefes Gebäude und wird durch Fuss- und Kopfbänder ausgesteift. Von der angenommenen einstigen Mittelwand haben sich allerdings nur zwei Blattsasse im Deckenbalken des 2. Obergeschosses erhalten. Durch ihre nahe beieinander liegende Position ist der Bundständer in der Mitte gesichert. Ob der Bundständer im 1. Obergeschoss genau darunter stand, ist nicht gesichert. Eine versetzte Lage kommt oft vor. Dort, wo man die Blattsasse der Fussbänder erwarten würde, ist ein Flick in der Schwelle. Auch in der Ausmauerung bestehen dort Zäsuren. Beides sind Hinweise, dass die Bundständer wohl genau übereinander standen.

    Passend zu dieser Konstruktion ist auch der zweifach stehende Dachstuhl mit Steigbändern.

    Über das Alter der Holzgalerien (orange) kann keine Aussage gemacht werden. Solche waren in ihrer Lebensdauer eher begrenzt und mussten öfters ausgetauscht werden. Einen Hinweis darauf, dass von Anfang an Galerien bestanden haben könnten, gibt der Dachfuss. Gassenseitig weicht der Sparrenfuss gegenüber der Fassadenflucht leicht zurück, und zur Galerie hin scheint er leicht über sie hinaus zu kragen. Die unterschiedlichen Masse bewegen sich aber in einem Rahmen, wie sie auch bei "galerielosen" Gebäuden vorkommen.

    In der Mittelaxe fallen die am Boden liegenden Fenster auf, welche hier auf das Treppenhaus schliessen lassen. Da das ehemalige Nachbarhaus Nr. 4 in der gleichen Flucht wie Nr. 6 stand, können diese Fenster erst nach dem Krieg entstanden sein. Am 2. Obergeschoss sieht man unter dem Deckenbalken zwei Balkenköpfe, welche von den Seitenwänden des Treppenhauses stammen (gelb). Wann das Treppenhaus hier eingebaut wurde, ist unbekannt. Sicher war es aber nicht ursprünglich, da Hinweise auf eine Mittelwand vorhanden sind.

    Die westliche Giebelwand (vergleiche mit dem Bildindex-Bildausschnitt oben) zeigt einen ähnlichen Befund. In der Mitte des 2. Obergeschosses besteht ein Fenster, wonach auch hier keine Mittelwand mehr existieren kann. Möglicherweise wurde mit dem Einbau eines Treppenhauses die Mittelwand auf der ganzen Hausbreite entfernt und statt ihrer ein Korridor eingebaut. Das 1. Dachgeschoss zeigt auch wieder einen zweifach stehenden Dachstuhl mit einem Steigband. Zusätzlich ist aber auch ein hohes Fussband erkennbar! Eigenartigerweise sind Spuren hoher Fussbänder in der östlichen Giebelwand nirgends sichtbar.

    Auf der im zweiten Link beschriebenen Farbfotografie von (wahrscheinlich) 1956 sieht man die Südostecke. Ausser dispersem Mauerwerk, wiederverwendeten Balken und dem bereits bekannten Kopfband gibt sie leider keine weiterführenden Aussagen preis.


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    Farbfotografie von wahrscheinlich 1956 mit der Unteren Wörthstrasse gegen Westen. (Sammlung Riegel)


    d) Zu den Quergiebeln:

    Beide weisen heute eine Dreierfenstergruppe auf, von denen das mittlere Fenster höher ist. Dies war ein in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Nürnberg beliebtes Motiv. In den Giebelfeldern bestehen zusätzlich noch Rundfenster. Gemäss den historischen Fotografien bestanden vorher lediglich zwei Einzelfenster. Die aktuelle Fensteranordnung ist also das Resultat des jüngsten Umbaus in den 1980/90er Jahren. Der Pegnitzseitige Quergiebel wurde offenbar im Krieg beschädigt und erhielt als Notdach ein Schleppdach. Im entzerrten Bild der Giebelwand erkennt man eine einzelne Brüstungsstrebe, eine Anordnung, wie sie für das 18. und 19. Jahrhundert typisch war.


    e) Vergleich mit Untere Wörthstr. 8:

    Auch dieses Gebäude ist zur Gasse hin breit gelagert und besitzt in der Tiefe nur zwei Raumzonen. Die Aussteifung erfolgt mit angeblatteten Fuss- und Kopfbändern. Der Dachstuhl ist zweifach stehend und mittels Steigbändern ausgesteift. Das sind zwar Merkmale, wie sie fast alle Nürnberger Fachwerkbauten aus dem 15. Jahrhundert aufweisen. Ihr städtebauliches Erscheinungsbild ähnelt aber frappant.


    Fazit:

    Untere Wörthstr. 6 sieht heute wie ein angepasster Neubau aus den 1980/90er Jahren aus. Tatsächlich handelt es sich aber um einen überenovierten Altbau. Die Analyse des auf historischen Fotografien temporär sichtbaren Fachwerks beider Giebelwände hat ergeben, dass es sich um ein Gebäude aus dem 15. Jahrhundert handeln muss. Eine genauere Einordnung ist schwierig, weil zu wenig Details sichtbar sind. Interessant ist ein Vergleich mit dem Nachbarhaus Nr. 8, welches eine grosse Ähnlichkeit besitzt. Möglicherweise sind beide Bauten etwa gleichzeitig errichtet worden.

    Das Gebäude ist im Inventar des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege nicht enthalten!

  • Letzte Woche erschien der diesjährige Band "Nürnberger Altstadtberichte 2020". Darin enthalten ist ein äusserst interessanter und reich bebilderter Beitrag von Michael Taschner mit dem Titel "Vorkragende Stockwerke bei Nürnberger Fachwerkbauten - rein funktional oder Schmuckwerk?" Michael Taschner ist seit vielen Jahren im Vorstand der Altstadtfreunde Nürnberg und dort als Frontmann tätig, wenn es um Bau- und Restaurierungsangelegenheiten geht.

    Die Nürnberger Fachwerkbauten zeichnen sich ja nicht speziell durch Auskragungen aus, im Gegensatz zu Bauten in vielen anderen Gegenden Deutschlands. Trotzdem ist es ihm gelungen, viele Bauten mit diesem Merkmal zusammenzutragen und zu erforschen. Darin veröffentlicht sind auch einige Rekonstruktionsskizzen von Konrad Bedal, der jedem Fachwerk-Interessierten ein Begriff sein sollte. Spannend lesen sich Befunde an noch existierenden Bauten, Vorschriften des Rates und Vergleiche mit Bauten anderer Ortschaften.

    Doppelseite aus dem über 20-seitigen Artikel mit Bildern von Obere Schmiedgasse 54/56, dem ältesten Fachwerkhaus in Nürnberg.

  • Paniersplatz 25


    In einem Beitrag im Strang "Nürnberg - Spezielle historische Ansichten" zeigte ich folgendes Bild, auf dem links ein imposanter Fachwerkgiebel auffällt. Er gehörte zum einstigen Haus Paniersplatz 25, dessen Vorderseite ich im gleichen Strang ebenfalls schon zeigte.

    (In der Mitte ist das Dach des Stadtmauerturmes 'Schwarzes B' zu sehen. Über seinem First schaut noch ein schmaler Spitzhelm eines Turmes hervor, der 1945 verschwunden und nur selten auf Abbildungen zu sehen ist. Über beide Bauwerke schrieb ich bereits hier und hier Beiträge, wobei ich die Zuordnung der Bezeichnung 'Schwarzes B' ob seiner Richtigkeit anzweifle.)


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    Die Burg vom Maxtor aus gesehen. In der Mitte Turm 'Schwarzes B', links der Fachwerkgiebel von Paniersplatz 25. 1903 gelaufene Ansichtskarte. Fritz Schardt, Kunstverlag, Nürnberg.


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    Von links nach rechts: Paniersplatz 25 - 33. Undatierte Privataufnahme.


    In der Giebelwand sieht man zwei ältere Dachschrägen sowie zwei unterschiedliche Verstrebungsarten, sodass man auf diesen ungefähren Bauetappenplan kommt:


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    Ausschnitt aus der Ansichtskarte oben mit Eintragung mutmasslicher Bauabschnitte.

    Braun: Gegen die Südostecke (links) erkennt man einen stehenden Dachstuhl, der mit einem Steig- und einem Fussband ausgesteift wird. Im Geschoss darunter gibt es ein Kopfband, wobei die Anschlagsart (angeblattet oder verzapft) nicht ersichtlich ist. Das Balkenbild ist aber typisch für die Bauten aus dem 15. Jahrhundert. Möglicherweise handelte es sich dabei um einen Halbwalm, was heute aber nicht mehr nachgewiesen werden kann.

    Rot: Diese Bauphase weist sich durch eine minim flachere Dachschräge aus, wobei der ältere Dachstuhl miteinbezogen wurde. Die Verstrebung erfolgt mittels eines K-Strebenpaars und einer hohen Fussstrebe.

    Gelb: Gegen Norden (rechts) könnte man meinen. dass unter abgeschlepptem Dach abermals eine Erweiterung erfolgte. Wie sich später aber herausstellen wird, sind gelb und rot eine Bauphase. Das Aufzugschörlein mit vorspringendem Walmdächlein gehört auch zu dieser Bauphase.

    Weitere Aussagen sind aus dieser unscharfen Ansicht nicht mehr möglich. Unser Mitglied frederic hat aber im Buch "Nürnbergs Bürgerhäuser und ihre Ausstattung, erster Band, Das Milchmarktviertel" von F. T. Schulz, 1933, zwei weitere Ansichten des Hauses gefunden:


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    Paniersplatz 25, Südfassade (aus dem erwähnten Buch).


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    Paniersplatz 25. Östliche Giebelwand und Rückseite gegen die Vestnertormauer. Aufnahme von F. T. Schulz, 1903 (aus dem erwähnten Buch).

    Gegen den Paniersplatz ist das Haus viergeschossig; ein gemauertes Erdgeschoss und drei Fachwerkobergeschosse, wobei die Seitenwand auch gemauert ist. So eine Mischbauweise am selben Geschoss kommt ab und zu mal vor und kann verschiedene Ursachen haben; siehe z. B. Burgamtmannshaus. Die beiden ersten Obergeschosse weisen wohl angeblattete oder eingezapfte, breite Brüstungsstreben auf, wie es bei Stubenpartien mit Fenstererkern üblich ist. Am 3. Obergeschoss sieht man K-Streben, aber die beiden Zwillingsfenster und das sichtbare Fachwerk rechts gehören wohl zu einer Erneuerung im 18./19. Jahrhundert. Darüber folgt ein dreigeschossiges Satteldach. Die K-Streben könnten mit dem Datum 1598 übereinstimmen, das im Innern des 3. Obergeschosses an einem Kamin angebracht war.

    An der Rückseite sieht man drei Vollgeschosse und wiederum drei Dachgeschosse. Demnach liegen die Traufen vorne und hinten auf gleicher Höhe, was nicht immer selbstverständlich ist, insbesondere an Hanglagen nicht (bei Am Oelberg 9 haben wir ein asymmetrisches Dach!). Somit ist auf der Rückseite das Erdgeschoss nicht sichtbar. Das 1. Obergeschoss - halb verdeckt von der Hofmauer - ist gemauert, was man an den profilierten Leibungen sehen kann. Das 2. Obergeschoss bestand vermutlich aus verputztem Fachwerk. Das 3. auskragende Obergeschoss weist eine hohe Fussstrebe auf, was zur Vorderseite mit den K-Streben passen würde. Seine Schwelle und Rähm (eigentlich sind es nur die Rand-Deckenbalken über dem 2. und 3. Obergeschoss) verlaufen nach rechts durchgehend und sind nicht angesetzt worden. Das rechts abgeschleppte Dach gehört demnach wohl zum ganzen Dachstuhl und ist keine eigene Bauetappe. Dies ist eine Form, die man bei Galerien/Lauben oft sieht.

    Diese Befunde sind nun direkt in den Fotos eingetragen:


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    Paniersplatz 25, Südfassade mit eingetragenen Spuren des Fachwerks. Braun gleich Fussbänder oder Fussstreben, rot = K-Streben.

    Fassadenpartien mit kurzen Fussbändern oder Fussstreben unter den Fenstererkern kommen bei Fachwerk mit angeblatteten Streben (bis 1500) als auch bei Fachwerk mit eingezapften Streben (also auch K-Streben, ab 1500) vor. Wenn man aber in Betracht zieht, dass im 1. Dachgeschoss noch ein Dachstuhl aus dem 15. Jahrhundert integriert war, wird es sich hier wohl um breite, angeblattete Fussbänder gehandelt haben. Die Beschreibung der Profile der Fensterkerker von F. T. Schulz (siehe am Schluss des Beitrags) spricht ebenfalls für das 15. Jahrhundert. Die Fenstereinteilung wurde wohl nachträglich verändert, denn zwischen zwei Fenstern des 1. Obergeschosses sieht man einen älteren Fensterpfosten.

    Dass nun aber zwischen dem 2. Obergeschoss und dem Dachstuhl aus dem 15. Jahrhundert eine Wandpartie mit jüngerem K-Streben-Fachwerk vorhanden ist, lässt sich nur so erklären, dass hier die Aussenwand einmal ersetzt wurde. Just am 3. Obergeschoss wurden die Fenster und das Fachwerk im 18./19. Jahrhundert abermals verändert, denn bei ursprünglichem K-Streben-Fachwerk läuft der Brustriegel von Fussstrebe zu Fussstrebe durch und wird nicht durch die Fensterpfosten unterbrochen.


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    Paniersplatz 25, Ostfassade mit eingefärbtem älteren Dachstuhl.

    Spannend ist hier das 1. Dachgeschoss: links erkennt man die Stuhlkonstruktion mit einem angeblatteten Steigband und einem Fussband sowie dem Rest eines Sparrens. Dies ist eindeutig eine Dachkonstruktion spätestens aus dem 15. Jahrhundert. Die Seitenwandpartie des 3. Obergeschosses darunter könnte noch ein Kopfband aufweisen. So wie sie sauber mit dem Deckenbalken und Dachgeschoss verzimmert ist, scheint auch diese Partie noch aus dem 15. Jahrhundert gestammt zu haben. Gleichzeitig - wie beim vorangehenden Bild erwähnt - ist um die Ecke nach vorne am 3. Obergeschoss aber jüngeres K-Strebenfachwerk sichtbar, das einer Umbauetappe angehört haben muss. Die restlichen Teile der Giebelwand (wieder mit K-Streben) sind einheitlich.

    Der Rähm des älteren Dachstuhls blieb nur teilweise bestehen, denn bei Ziffer 1 wurde er abgesägt und ein neuer Balken angesetzt. Bei Ziffer 2 wurde dann ebenfalls ein neuer Kehlbalken angesetzt, aber eigenartigerweise um eine Balkenstärke tiefer. Auch bei Ziffer 3 wurde ein Deckenbalken angesetzt, und wiederum um eine Balkenstärke tiefer. Nun fällt noch etwas auf: der Kehlbalken über dem 2. Dachgeschoss (Ziffer 4) liegt schief und nicht horizontal. Ich vermute, dass hier dem damaligen Zimmermann ein folgenreicher Fehler passiert ist: Wahrscheinlich liegt schon die Erweiterung des ganzen 3. Obergeschosses um eine Balkenstärke zu tief. Wenn an ein bestehendes Bauelement angebaut werden kann, lässt sich so ein Fehler noch ausgleichen. Der Kehlbalken über dem 2. Dachgeschoss liegt links aber über dem älteren Bauteil und musste somit schief eingebaut werden, denn die Zapfenlöcher und Verbindungen wurden jeweils vor der Montage bereits beim Abbund am Boden hergestellt.

    Dass bei einer Aufstockung Teile eines Dachstuhls erhalten und weiterverwendet werden, ist nicht aussergewöhnlich. Hier hat es aber zu verschiedenen Schwierigkeiten geführt. Wenn man die beiden Deckenbalken über dem 3. Obergeschoss beider Bauphasen betrachtet, scheint es, dass das Haus gegen Innen einen Durchhang hat. Die Frontalaufnahme auf der Ansichtskarte zeigt diesen aber nicht. Möglicherweise war es so, dass die Ostwand des Kernbaus und jene der Erweiterung nicht in einer Flucht lagen, sondern einen leichten Einwärtsknick bildeten, was man auf einer Frontalaufnahme nicht erkennen kann. Wenn über einer Wand mit Knick aber ein einheitlicher Dachstuhl aufgesetzt werden muss, führt dies unweigerlich zu windschiefen Ebenen. Überhaupt macht die Giebelwand einen wackeligen Eindruck, und es verwundert nicht, dass hier besonders viel Putzabplatzungen ganzer Gefachfelder erfolgten.

    Nun noch zur auskragenden Galerie: Diese bildet mit der Hauserweiterung eine Einheit, denn bei der Seitenwand sind die Deckenbalken durchgehend (Ziffern 5 und 6). Die Schwelle könnte bei Ziffer 5 allerdings angesetzt und mit einer Klammer gesichert sein, was aber auf der Originalfotografie genauer betrachtet werden müsste. Dass aber die Galerie von Anfang an mit der Erweiterung geplant war, zeigt auch die Lage des Sparrenfusses, welcher weiter innen liegt als die Nordfront des 1. und 2. Obergeschosses. Logisch wäre es, dass dieser Fusspunkt genau in der Ebene der Nordfassade läge. Hier ist dies aber nicht der Fall, weil eben die Galerie mit eingeplant wurde. Ich denke allerdings, dass die Galerie einst offen war und erst später zum Wohnraum geschlagen wurde. Die beiden grossen Zwillingsfenster ähneln sehr jenen an der Vorderfassade, die ich wie erwähnt als Resultat eines Umbaus im 18./19. Jahrhundert betrachte.

    Hier noch die Scans der kunsthistorischen Beschreibung von F. T. Schulz von 1933:

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    Achtung, die eingebetteten Bilder sind von anderen Häusern. Das ist immer extrem irritierend in dem Buch...

    (aus: "Nürnbergs Bürgerhäuser und ihre Ausstattung, erster Band, Das Milchmarktviertel" von F. T. Schulz, 1933)

    Schulz datiert Paniersplatz 25 als eine in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandene Anlage, die 1598 um ein 3. Obergeschoss erhöht worden war. Beides stimmt gemäss den Baubefunden nicht. Das Anwesen kann durchaus schon vor dem 15. Jahrhundert entstanden sein. Im 15. Jahrhundert hatte es aber sicher drei Fachwerkobergeschosse über einem massiven Erdgeschoss. "1598" oder zumindest um diese Zeit wurde das Haus rückseitig erweitert und dabei ein neuer Dachstuhl aufgesetzt, wobei die Fassade des 3. Obergeschosses vorne erneuert wurde.


    Fazit:

    15. Jh.: Wahrscheinlich wurde hier spätestens im 15. Jahrhundert ein viergeschossiges Haus (massives Erdgeschoss und drei Obergeschosse in Fachwerk) erstellt. Infolge Hanglage könnte das 1. Obergeschoss an der Rückseite ebenfalls massiv erstellt worden sein. Die Zuordnung der massiven Westwand kann keiner Bauphase eindeutig zugeordnet werden.

    16. Jh., evtl. 1598: Der Kernbau wurde rückseitig um eine Raumtiefe erweitert und erhielt einen neuen Dachstuhl, wobei im 1. Dachgeschoss Teile des älteren, weniger tiefen Dachstuhls erhalten blieben. Das 3. Obergeschoss erhielt dabei vorne eine neue Fassade.

    18. Jh.: Möglicherweise wird die Fensterdisposition an beiden Fenstererkern der Vorderseite verändert.

    18./19. Jh.: Die Fensterdisposition am 3. Obergeschoss vorne wird verändert und die Hofgalerie geschlossen.

  • Hier noch eine Aufnahme von Paniersplatz 25, datiert 1935 (aus dem Buch Das Bürgerhaus in Nürnberg von Wilhelm Schwemmer, T80b):

    p1870531_paniersplatzlqk4q.jpg

    Wieweit das Gebäude im vorderen Teil des Buches Erwähnung findet ist aufgrund des Fehlens eines Inhaltsverzeichnisses mühsam zu beantworten. Zumindest im Abschnitt Türen und Tore, Fenster wird darauf Bezug genommen.

  • Ja, das ist ziemlich mühsam in diesem sonst tollen Buch. Ich habe mir deshalb selber ein Verzeichnis angelegt, und jedesmal, wenn ich wieder eine Passage drin lese und einen Hinweis auf ein bestimmtes Gebäude finde, gibt es eine Notiz dazu.

  • Tetzelgasse 17 und 19


    Tetzelgasse-11-13-15-17-19.jpg

    Über die Nummer 17 schreibt F.T. Schulz, daß im Sandstein die Jahreszahl 1555 eingemeißelt war. Über die Nummer 19 schreibt er nur wenig und gar nichts zum Baujahr. Vielleicht kann Riegel anhand des Fachwerks etwas zum ungefähren Baujahr (beider Häuser) sagen? Das Fachwerk der Nummer 19 sieht für mich von den fehlenden Bändern her ungewöhnlich aus. Horizontal war da jedenfalls von außen nichts.

  • Zu Tetzelgasse 17 (links):

    Eingemeisselte Jahreszahlen sagen nicht viel über die Baugeschichte eines Hauses aus. Sie können ein Baudatum bezeichnen, aber auch ein Umbaudatum oder den Ersatz eines Fachwerkerdgeschosses durch Mauerwerk. Die Kunstgeschichte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hat diese Zahlen meistens zu stark gewichtet.

    Aussergewöhnlich für Nürnberg sind die beiden Auskragungen - wenn auch nur gering - über dem Erd- und 1. Obergeschoss. Das Fachwerk des 1. Obergeschosses ist konstruktiver Natur und stammt aus dem 18./19. Jh.. Zum 2. Obergeschoss kann ich aufgrund der fehlenden Streben nur wenig sagen. Die Partie könnte aus dem 15. oder 16. Jh. stammen (im 17. Jh. kamen Fenstererker aus der Mode). Das 3. Obergeschoss mit K-Streben ist frühestens zu Beginn des 16. Jh's. möglich (die mir frühest bekannten K-Streben bestanden an den Aufzugserkern der Mauthalle von 1498/1502, hier beschrieben). Da die Brüstungen keinerlei Unterteilungen zeigen, tendiere ich in die Frühzeit des K-Streben-Fachwerks. Möglicherweise waren diese noch mit einem Lehm-/Rutengeflecht geschlossen und noch nicht mit Ziegelmauerwerk. Das Aufzugschörlein wirkt auch noch sehr altertümlich (schlank und ohne Abwalmung). Als Baudatum des Hauses vermute ich am ehesten das frühe 16. Jahrhundert. Um noch mehr über das Haus herauszufinden, müsste man die Originalfotografie mit einer Lupe betrachten können.


    Zu Tetzelgasse 19 (rechts):

    Ein recht eigenwilliges Haus, dessen Fachwerk man heute kaum mehr freilegen würde. Rechts fehlen alle Eckpfosten. Möglicherweise wurden diese beim nachträglichen Einbau einer gemeinsamen Brandmauer mit Nr. 21 entfernt, oder sie waren allesamt bei der Freilegung stark verfault.

    Das 1. Obergeschoss besteht grösstenteils aus konstruktivem Fachwerk, aber die Schwelle, linker Eckpfosten und der Rähm sind sicher älter (gegenüber den geraden Fenstern sind sie in schräger Lage). Ich meine sogar, links unten die Blattsassen (oder Einschnitte) eines sehr breiten Fussbandes erkennen zu können, was auf das 15. Jh. hinweisen würde. Zum 2. Obergeschoss kann ich auch aufgrund der fehlenden Streben auch nichts sagen. Das Geschoss ist zwar ausserordentlich hoch! Eigentümlich ist, dass bei Erneuerungsarbeiten am Haus (1. Obergeschoss, Mansarddach um 1800) die Fenster nicht erhöht wurden, denn es wäre ja ein leichtes gewesen, die Sturzriegel herauszusägen. Auch hier müsste die Originalfotografie mit einer Lupe betrachtet werden können. Jedenfalls vermute ich einen Kern im 15. Jh. (oder älter).

  • Irrerstr. 10 und 12


    Hier eine Aufnahme der Staatlichen Bildstelle Berlin (1933/1935) der Häuser Irrerstraße 16-8 (nur noch angeschnitten rechts).

    Irrerstra-e-16-14-12-10-8-1935.jpg

    Ins Auge fällt das vereinigte Fachwerkhaus mit den Nummern 12 und 10. Es hat noch zwei Eingänge, aber nur einen Dachstuhl. Das 1. Stockwerk scheint eine sehr niedrige Deckenhöhe gehabt zu haben. Oberhalb des 2. Stockwerks sind für mich die zusätzlichen Holzkonstruktionen über den Fenstern ungewöhnlich.

    Interessieren würde mich, ob man aus dem optisch differierenden Fachwerk der beiden ursprünglich Häuser auf abweichende Baujahre schließen kann.

  • Wären da nicht die beiden Nummernschilder über den Türen, wäre es nicht aussergewöhnlich, dass ein Haus zwei Eingänge besitzt - einen für den Laden/Gewerberaum und einen für die Wohnungen in den Obergeschossen. Baugeschichtlich gesehen erkenne ich an der Fassade nichts, was auf zwei Bauten schliessen lassen könnte. Das Quadermauerwerk des Erd- und 1. Obergeschosses (Mezzaningeschoss) läuft über die ganze Fassadenbreite sauber hindurch, und auch das Fachwerk des 2. und 3. Obergeschosses zeigt keine Zäsuren. Die Aufteilung in zwei Häuser muss also nachträglich stattgefunden haben.

    Im Stadtplan von 1944 sind zwei schmale Häuser eingezeichnet, hingegen auf der Bayerischen Uraufnahme ab 1808 ein grösseres Haus mit punktierter Mittellinie und den Nummern 218 und 219. Mit einem schnellen Überblick habe ich auf Letzterer kein zweites Haus mit dieser Eigentümlichkeit gefunden. Möglich, dass die Aufteilung gerade während der Messarbeiten erfolgte? Eine Aufteilung in Stockwerkeigentum wäre an sich für jene Zeit nicht aussergewöhnlich.

    Bayerische Uaufnahme


    Zum Fachwerk:

    Es ist ein klassisches Fachwerk aus dem 15. Jahrhundert mit angeblatteten langen Fuss- und kurzen Kopfbändern und nachträglich veränderter Fensteranordnung. Am 2. Obergeschoss ist anhand der breiteren Fussbänder links die Bohlenstube auszumachen. Für die beiden Fenster darüber sind das Fachwerk erneuert und die Fenstersimsen begradigt worden. Die ganze Fassade hatte sich mit der Zeit nach rechts leicht gesenkt, was Korrekturen an den Fensteröffnungen hervorrief. Bei der Freilegung des Fachwerks in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die beiden mittleren Kopfbänder des 2. Obergeschosses unsachgemäss erneuert, andere (fehlende oder verfaulte?) Teile überputzt, so die beiden oberen Enden der Bundständer am 2. Obergeschoss und teilweise das rechts folgende Fussband.

    Der Dacherker mit auskragendem Walmdächlein stammte erst aus dem 16. oder 17. Jahrhundert. Bemerkenswert ist zudem, dass das Haus bis über den First hinaus zwei Brandmauern besass!

    Viele Fragen stellen sich nach längerer Betrachtung der Fotografie, die sich aber oberflächlich nicht beantworten lassen, vielleicht aber im Vergleich mit gleichartigen Bauteilen bei andern Häusern:

    - Erdgeschoss von Anfang an mit Mezzaningeschoss oder ursprünglich eine hohe Halle?

    - Erd- und Mezzaningeschoss von Anfang an gemauert oder ursprünglich auch Fachwerk?

    - Dachstuhl, Dacherker und Brandwände aus einem Guss als erster grösserer Umbau des Kernbaus im 16./17. Jahrhundert?

    Etwas ist mir an dieser Fassade speziell aufgefallen:

    Fachwerke mit angeblatteten langen Fuss- und kurzen Kopfbändern bilden in Nürnberg das Standardfachwerk des 15. Jahrhunderts und sind heute noch relativ häufig anzutreffen. Der Neigungswinkel der Fussbänder beträgt etwa 60 Grad. Bei Irrerstrasse 10/12 ist der Neigungswinkel aber viel flacher, etwa 50 - 55 Grad. Diese Eigenheit findet man auch bei Am Ölberg 3 (1. und 2. OG), Weissgerbergasse 10 (Büro der Altstadtfreunde, Giebelseite 2. OG), Zirkelschmiedsgasse 30 (Scheune der Altstadtfreunde, 1. Dachgeschoss) und am Mauerturm Grünes M an der Neutormauer.


    Irrerstr.-8-10-entzerrt-erganzt.jpg

    Irrerstr. 10 (rechts) und 12 (links), 2. und 3. Obergeschoss. Entzerrter Ausschnitt aus der Fotografie des vorangehenden Beitrags. Fehlende Bänder und verdeckte Partien der Bundpfosten sind rot ergänzt.


    Heute sieht es hier so aus: Google maps

    Die Grundfläche von Nr. 10 wurde nicht mehr bebaut und dient heute als Zufahrt für sieben Parkplätze im Hinterhof... Beim Sandsteinquadermauerwerk im Erdgeschoss von Nr. 12 handelt es sich nicht um einen Rest des Altbaus. Es ist aber möglich, dass die untersten beiden Steinreihen noch vom Altbau übernommen wurden, denn die heutige Fassade steht genau anstelle der alten.

  • Karolinenstr. 15 / Heldengässchen


    Im Rahmen einer Beschreibung der Halbwalmdachkonstruktionen beschrieb ich das Eckhaus Karolinenstrasse 15 / Heldengässchen. Aufgrund des steilen Aufnahmewinkels und Retouchen war das Fachwerk allerdings ungenügend sichtbar, sodass kein eindeutiger Schluss zur Baukonstruktion und zum Alter gemacht werden konnte:


    Nun habe ich eine dritte Ansicht des Hauses gefunden, auf der man mehr erkennen kann. Insbesondere wird daraus klar, dass die Verstrebung aus eingezapften langen Fussstreben bestand. Sie fallen in die Kategorie "Bauten mit eingezapften K-Streben, vereinfachte Variante" (Beitrag über die Strebenarten). Zudem bestanden noch drei kurze Kopfstreben: an beiden rechten Stuhlpfosten und am mittleren Bundpfosten des 1. Dachgeschosses. Ob sie eingezapft oder angeblattet waren, ist nicht erkennbar. Im Zusammenhang mit den langen Fussstreben ist dies aussergewöhnlich und könnte allenfalls auf eine rigorose Veränderung hinweisen. Allerdings gibt es dazu keine weiteren Hinweise. Zudem sieht man, dass zwischen den Pfosten und Fussstreben keine Riegelstückchen eingesetzt waren, wie man dies in der Ansicht im Zitat noch nicht ganz ausschliessen konnte.


    Ak-Karolinenstrasse-15-Ausschnitt.jpg

    Ausschnitt aus einer ungelaufenen Ansichtskarte um 1920, ohne Verlagsangabe.


    Ak-Karolinenstrasse-15-Ausschnitt-entzerrt.jpg

    Entzerrter Ausschnitt mit der Giebelwand.

    kranich-fachwerk-rev.jpg

    Revidierte Umzeichnung der Grafik im Zitat.

  • Die Sache mit der Burg Kreuzenstein und dem angeblichen 'Nürnberger Fachwerkhaus' liess mir keine Ruhe. Nachdem ich die Bilder auf der Seite im Web-Archiv nochmals betrachtet und sie mit der Google maps-Vogelschauansicht verglichen habe, konnte ich schon 'Nürnberg-typisches' erkennen:


    burg_kreuzenstein_aussen_01.jpg

    Burg Kreuzenstein, Eingangspartie.

    Der Zugang zur Burg erfolgt an der Südwestecke. Das Tor wird rechts von einem Rundturm flankiert, dessen Aufsatz mit dem abgestuften Kegeldach eindeutig den Sinwellturm der Nürnberger Kaiserburg zum Vorbild hat. Links besteht ein weiteres Verteidigungsbauwerk mit einem Fachwerkaufsatz auf dem Dach, der mich ebenso an die Befestigung des Vestnertorgrabens am Fuss des Fünfeckturms erinnert. Dort befindet sich ein Kasemattenturm (oder auch Grabenturm) ohne römische Bezeichnung. Bis zum 2. Weltkrieg trug dieser auf dem Dach ebenfalls einen Aufsatz wie bei der Burg Kreuzenstein.

    burg_kreuzenstein_aussen_05.jpg

    Burg Kreuzenstein, Verteidigungsbauwerk mit Fachwerkaufsatz links von der Eingangspartie.

    Dieser Aufsatz entpuppt sich gegen das Burginnere als reines Fachwerkhaus - nicht nur als Fachwerkaufsatz. Ob dieses Haus mit viel Fantasie das Nürnberger Fachwerkhaus gewesen sein könnte?

    burg_kreuzenstein_aussen_18.jpg

    Burg Kreuzenstein, Rückseite des Fachwerkaufsatzes des Verteidigungsbauwerks links von der Eingangspartie.

    (Alle drei Bilder aus der Seite im Webarchiv)


    Dann gibt es an der Südostecke einen grossen halbrunden Turm, der wie ein vergrösserter Grabenturm aus dem Nürnberger Vestnertorgraben aussieht. Seine Innenseite wird von einer Fachwerkfassade abgeschlossen (Google maps-Bild), die aber wenig mit Nürnberger Fachwerk gemein hat.

    Alles in allem - ich denke, dass bei der Burg Kreuzenstein vieles von der Nürnberger Kaiserburg inspiriert ist. Aber ein 1:1 wiederaufgebautes Nürnberger Fachwerkhaus kann ich auf Kreuzenstein nach wie vor nicht erkennen.