So eine Hausverschiebung hatte ich mal in St. Gallen erlebt und im APH beschrieben. Zuerst wird Stück um Stück unter dem Erdgeschossboden ein Betonraster gegossen. Dann wird in Teilen der alte Keller abgerissen und das Gebäude auf Stützen gestellt. Zwischen diese stützen werden Schienen eingebaut und auf diese Schienen Hydraulikpressen gestellt. Auf die Hydraulikpressen werden weitere Stützen eingebaut, die bis unter den Betonraster reichen, womit die ersten Stützen wieder abgebrochen werden können. Nun ist das Haus 'fahrbereit' auf den Schienen.
Beiträge von Riegel
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In Shanghai wurde ein ganzes denkmalgeschütztes Quartier aus den 1920/30er Jahren zwecks unterirdischer Bauarbeiten zur Seite geschoben und am Schluss wieder an seinen angestammten Platz zurück:
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Das ist ja wirklich nur ein Villchen... Google maps mit drei Bildern
Da brächte ich maximal drei Zweizimmerwohnungen unter. Oder ein Einfamilienhaus mit maximal fünf Zimmern.
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Die 'Schleife':
Zu Mühlegg gehörte auch die erwähnte 'Schleife' (siehe die drei Stadtplanausschnitte und die drittletzte Abbildung im vorangehenden Beitrag). Dieses Gebäude war mir unbekannt, bis ich folgende eigenwillige Ansicht entdeckte:'Schleife, ob den Mühlen bei St. Gallen.
Nach der Natur gezeichnet in einer Frühstunde [?] von David Wegelin fec. (v. Palmbaum).
(1805 od. 6)'.
Gouache in der Kantonsbibliothek St. Gallen.
Von der Felsformation konnte die Schleife nur im Bereich der heutigen Häuser St. Georgen-Str. 49 und 51 gestanden haben. Tatsächlich ist auf dem Stadtplan von 1863 dort ein grösseres Gebäude mit der Grundstücksnummer 693 eingezeichnet und sogar als 'Schleife' bezeichnet. Auf dem Zuberplan von 1828 existierte es noch nicht, dafür aber wohl der in der Gouache dargestellte kleinere Bau. Nach Westen und Osten bestanden zwei Gewerbetrakte (im Stadtplan 1863 ocker eingefärbt), wobei zum Östlichen ein Wasserkanal führte. Das Wasser dazu wurde unmittelbar nach der Bitzistrasse-Brücke gestaut. Das auf der Gouache dargestellte Gebäude, zu dem von rechts her ein Holzkanal das Wasser zuführte, kann auf dem Stadtplan von 1863 nicht ausgemacht werden.
Ob in der Schleife Messer oder Mühlensteine geschliffen wurden, ist nicht bekannt. Grosse Mühlensteine verblieben meistens an Ort und Stelle, bis sie komplett abgenutzt waren. Wie gross der Bedarf an neuen Mühlsteinen nur für die Mülenen und ob dazu eine eigene Schleiferei nötig war, ist schwer abzuschätzen. Woher die Steine für die Mühlsteine kamen und ob der einheimische Sandstein dazu brauchbar war, ist ebenfalls nicht bekannt.
Zwischen 1948 und 1964 wurde der Schleife-Komplex abgebrochen und statt seiner die Wohnhäuser St. Georgen-Str. 49 und 51 errichtet.St. Georgen-Str. 49 und 51 an der Stelle der ehemaligen 'Schleife'.
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Mühlegg:
Am oberen Ende der Mülenen beschreibt die Steinach eine rechtwinklige Kurve nach Osten, bedingt durch einen Sporn des 'Buchbergs' (ab dem 19. Jahrhundert auch 'Kronberg'). Von daher hat das Quartier den Namen 'Mühlegg' erhalten, der bereits im 14. Jahrhundert erstmals auftaucht (der Name 'Mülenen' erscheint jedoch erst im 15. Jahrhundert, siehe 'Die Orts- und Flurnamen der Stadt St. Gallen', M. Arnet, 1990). Hier vereinigt sich auch die alte Mühlenstrasse mit der jüngeren St. Georgen-Strasse.
Von der Steinach nur durch einen Damm getrennt befindet sich der künstlich angelegte Müleggweier, mit einem Wasserspiegel wenige Meter über jenem der Steinach. Talaufwärts folgen noch der Brandweier, der Rütiweier und der Wenigerweier, nebst den Dreiweieren in einem Seitental. Diese Weiher dienten als Wasserreservoir für die diversen Mühlen- und Industriebetriebe sowie als Löschwasser bei Bränden (Das Wasser gelangte ja via die Steinach und den Wettikanal bis in die Altstadt und deren Gassenbäche hinunter).
Zwischen der 'Obersten Mühle' (St. Georgen-Str. 36) und dem Weiher bestand bis Ende der 1950er Jahre das Haus St. Georgen-Str. 39, das die eigentliche "Mühlenecke" markierte. Es stammte wohl aus 17. Jahrhundert und könnte namengebend gewesen sein. Westlich von ihm wurde in der damals üblichen historistischen Bauweise in der Form eines Türmchens die Bergstation der 1893 eröffneten Mühleggbahn errichtet. Diese wurde dann um 1950 durch das heutige schlichte Gebäude ersetzt. Mit den etwa gleichzeitig erfolgten Neubauten von Bergstation, St. Georgen-Str. 39 und Café Mühlegg (Nr. 42) ging in diesem Bereich leider auch eine Eindeckung der Steinach einher.
Stadtplan 2024 mit Mühlegg.
Links oben die 'Oberste Mühle' St. Georgen-Str. 36 und in dunklerem Rot die Bergstation der Mühleggbahn. Die heute unterirdisch fliessende Steinach ist gestrichelt gezeichnet. Die als Wald gekennzeichnete Fläche ist eine steil abfallende Felswand wie im Mühlentobel, aber ohne eine Gegenseite.
Stadtplan 1903 mit Mühlegg.
Östlich der Bergstation befand sich ein weiteres Gebäude (Nr. 45) mit öffentlicher Funktion (Strassenwärter- und Feuerwehrdepot?) in historistischem Stil, das wohl ebenfalls um 1950 ersatzlos verschwand. Noch weiter östlich ist ein Gebäudekomplex mit 'Schleife' bezeichnet, von dem eine interessante frühe Ansicht existiert (s. nächsten Beitrag).
Stadtplan 1863 mit Mühlegg.
1863 ist die 'Schleife' ebenfalls bezeichnet, ein Hinweis, dass es sich wohl um eine bedeutungsvollere Schleiferei handelte als nur um eine kleine private. Hinter ihr verläuft wiederum ein separater Wasserkanal, für den das Wasser kurz nach der Bitzistrasse-Brücke (rechts) gestaut wurde. Dieses Stauwehr existiert heute noch. Möglicherweise beschrieb dieser Kanal den ursprünglichen Verlauf der Steinach, den man hart an der Felskante erwarten würde. Das heutige geradlinige Stück der Steinach passt nicht zum natürlichen Verlauf und könnte aus irgendwelchen Gründen (Erosion?) verlegt worden sein.
Die rechts angeschnittene Häuserzeile bestand aus den Wohnhäusern Bitzistr. 3 - 9 und wurde 1976/77 durch die heutigen Neubauten 3 und 5 ersetzt.
Mühlegg. Blick von Osten auf die Kreuzung St. Georgen-Strasse, Gottfried-Keller-Strasse, Falkenburgstrasse und Wiesenstrasse. Vorne links der Müleggweier und vorne rechts St. Georgen-Str. 39, hinter welchem das Mühlentobel beginnt. Die Litfasssäule steht bereits auf einer Teilüberdeckung der Steinach. Ansichtskarte um 1910/1915 von K. Stauss, St. Georgen, Sammlung Riegel.
Mühlegg. Der Ersatzneubau von St. Georgen-Str. 39 aus den 1950er Jahren.
Mühlegg von Westen mit der Bergstation der Mühleggbahn und dem Müleggweier. Ansichtskarte um 1915, Verlag Guggenheim u. Co., Zürich, Sammlung Riegel.
Links die St. Georgen-Strasse, die zwischen dem historistischen Magazingebäude (Nr. 45) und der Bergstation die Steinach überquert. Die Steinach fliesst noch offen in einem Bogen entlang dem Staudamm des Müleggweiers und verschwindet am unteren Bildrand unter der Strassenkreuzung. Gleich nach der Strassenkreuzung folgt bereits die erste Staustufe in der Mülenen (s. Plan hier), wo die Steinach wieder offen fliesst.
Rechts vom Magazingebäude folgt die 'Schleife' St. Georgen-Str. 49 (zweigeschossig mit Lukarne).
Mühlegg von Westen heute: links St. Georgen-Str. 39 und die Bergstation der Mühleggbahn, rechts das Café Mühlegg.
Die Bergstation der Mühleggbahn. -
Gebäude am Rande der Mülenen:
Auf den historischen Ansichten der Mülenen sieht man auch ans Tobel angrenzende Gebäude, die aber nicht mehr zu ihr gezählt werden, zum Beispiel auf der Ansicht Hädeners:
'Prospect der Stadtmüllen zu St. Gallen'. Aussicht vom südlichen Klosterturm aus in Richtung Süden. Radierung von J. Hädener, 1789. Kulturmuseum St. Gallen.
Buchstr. 11 (ehemals 9):Links oben ist ein Gebäude Mit 'D' gekennzeichnet (gemäss Hädener ein 'unbedeutendes Gebäude'). Weitere Ansichten von ihm sieht man in diesem Beitrag. Es handelt sich um den Vorgängerbau (Buchstr. 9) von Buchstr. 11, der zwischen 1927 und 1934 durch das heutige gefällige Mehrfamilienhaus ersetzt wurde. Es handelte sich wahrscheinlich um ein einfaches Wohnhaus aus dem 17. oder 18. Jahrhundert:
Rückseite von Buchstr. 9, abgebrochen um 1930. Sammlung Zumbühl, Kantonsbibliothek St. Gallen.
Heutige Ansicht von weiter rechts: Google maps
Gartenhäuschen gegenüber St. Georgen-Str. 34:
Gegenüber St. Georgen-Str. 34 steht ein barockes Gartenhäuschen, dessen Baugeschichte noch unerforscht ist. Bis um 1950 besass es die Adresse St. Georgen-Str. 35 und ist seither ohne Nummer. Erstmals ist es auf der Gouache aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz links (mit Walmdach und Kamin) abgebildet:
Oberste Partie der Mülenen und Mühlegg. Anonyme Gouache, 1. Hälfte 19. Jahrhundert, Kulturmuseum St. Gallen.
Das Gartenhaus steht heute noch unverändert da und ist denkmalgeschützt:
Barockes Gartenhaus gegenüber St. Georgen-Str. 34. Die Sandsteinquadermauer stammt wohl noch aus der Erstellungszeit der St. Georgen-Strasse in den Jahren 1847/48.
Die 'Waldburg' (ehemals Untere Klusstr. 5) und Klusstr. 10:Rechts oben auf Hädeners Ansicht sieht man zwei weitere Gebäude, das linke mit 'A' als 'Die Waldburg' bezeichnet und das rechte mit 'D unbedeutendes Gebäude'. Der Name 'Waldburg, Mühlegg' erscheint auch im Hausnummernverzeichnis von 1826 und im Hausnamenverzeichnis von 1839. Es hatte die Adresse (Untere) Klusstrasse 5 und wurde 1903 durch das heute bestehende Wohnhaus Falkenburgstr. 1 ersetzt. Das benachbarte 'unbedeutende Gebäude' überlebte bis heute unter Klusstrasse 10 > Google maps. Die Obere Klusstrasse wurde zwischen 1915 und 1927 in Volkartstrasse umbenant, während die Untere Klusstrasse einfach zur Klusstrasse wurde.
Auf der folgenden Ansichtskarte nach 1908 sieht man hinter dem markanten Rundkamin bereits den Neubau Falkenburgstr. 1 mit seinem Ecktürmchen und zwei Häuser weiter rechts das giebelständige Haus Klusstr. 10:
Die obere Mühlengruppe von Mühlenstr. 24 bis St. Georgen-Str. 36. Rechts der Lehnenviadukt der Gottfried-Keller-Strasse. Ungelaufene Ansichtskarte nach 1908, Verlag A. Sch. V. W., unbekannte Sammlung.
Falkenburgstr. 1, erbaut 1903. Der Hausname 'zur Waldburg' ist heute leider nicht mehr geläufig. -
Mir geht es nicht in den Kopf, wo diese 12 Millionen Euro in diese Feldherrnhalle verbuttert werden. Ich weiss, es ist nicht nur eine Sanierung der Oberflächen, sondern auch von statischen Problemen. Aber trotzdem, 12 Millionen Euronen... Das Bauwerk wäre es mir nicht wert.
Und andererseits muss das Geld für die Instandstellung der Damenstiftskirche St. Anna mühsam zusammengekratzt werden. Dort begnügt man sich vorerst mal mit gut 2 Millionen Euro für die Instandsetzung des Inneren und Äusseren.
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Eigene Literatur habe ich ja ausser dem Knaurs Kulturführer Schweiz so gut wie nichts.
Seit 1927 erscheinen von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte jährlich zwei Bände über die kunsthistorischen sakralen und profanen Gebäude der ganzen Schweiz. Die bald hundertjährige Reihe ist das Standardwerk über Kunstgeschichte in der Schweiz.
Seit einiger Zeit werden die Bände digitalisiert im Internet veröffentlicht:
KdS-online
Der Band über Appenzell Innerrhoden von 1984 ist leider noch nicht dabei, dafür aber die drei Bände von Appenzell Ausserrhoden von 1973, 1980 und 1981. Hier zum Beispiel der 1973 erschienene Band über das Appenzeller Hinterland mit dem Hauptort Herisau, den Du ja bereits vorgestellt hast:
KdS-online -
Hier ist die Fassade aber effektiv zum Träger von Bildtafeln degradiert worden. Die Querformate haben nichts mehr mit Fronttäfer zu tun, das sich aus Zugläden für die Fenster entwickelt hatte, so wie an der linken Seitenwand.
Appenzell ist zum Glück aber der einzige Ort in der Ostschweiz mit kitschigen und übertriebenen Fassadenbemalungen. Heute gehören diese Malereien zu Appenzell - sie sind ein Erkennungsmerkmal des Ortes und haben bald auch schon eine hundertjährige Tradition. Ein einziger Ort in einer grossen Region mag es schon leiden.
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Der Bazar Hersche... eine Kindheitserinnerung aus den 1960er/70er Jahren, halb Spielwarengeschäft, halb Boutique.
Und er existiert immer noch.
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Das kräftige Rot sieht man an Holzbauten oft in der Ostschweiz, insbesondere im Halbkanton Appenzell Innerrhoden (katholisch) und im Toggenburg (hügeliger Teil des Kantons St. Gallen zwischen dem Flachland und den Alpen). Merkwürdigerweise findet man solch rote Bauten im Halbkanton Appenzell Ausserrhoden (protestantisch) nicht.
Das Rot ist in der Tat teilweise sehr kräftig, zu kräftig sogar, wie man es bei historischen Anstrichen mit Ölfarben nicht findet. Bei Steinbauten, die mit Kalkfarben gestrichen wurden, ist das Rot naturgemäss noch schwächer.
Der Ort Appenzell ist sehr touristisch geprägt, weshalb die Bauten gehätschelt und gepützelt werden, sodass sich keine Ausbleichung und Patina einstellen kann. Zudem sind die Farben heute meist synthetisch hergestellt.Dieser Rotton ist treffend gewählt, und ich kenne das Haus seit meiner Kindheit nur so. In natura entspricht das Rot dem modernen Neubau mit der Touristeninformation.
Zu den Dekorationsmalereien gäbe es viel zu berichten. Sie sind nicht historisch überliefert, sondern eine Erfindung ab den 1920er/30er Jahren. Mir gefallen sie nicht, und sie sind inhaltslos und ohne Hintergrund - halt reiner Dekor eben.
Ursprünglich sind die Häuser in Strickbauweise (Blockbau aus Kanthölzern) erstellt, mit einzelnen Zugladentäfer vor den Stubenfenstern. Bis ins 18. Jahrhundert waren die Fassaden holzsichtig, wie beim Haus rechts im Bild. Im Barock wurden immer mehr Fenster mit Zugläden versehen, bis schliesslich die ganzen Fassaden - auch seitlich der Fenster - vertäfert waren. Nur noch in den Giebelbereichen blieben Partien der Strickbalken sichtbar.
KaustrasseEbenfalls im Barock kam dann in den Dorfkernen die weisse Farbe auf, während die ländlichen Bauten meistens türkis oder ocker gestrichen wurden oder naturbelassen blieben. So präsentieren sich in der ganzen Ostschweiz die meisten Bauten in diesem Farbschema. Ein wunderbarer Kontrast zu den sonnengebräunten Fassaden bilden dann die mächtigen Gipshohlkehlen an den Dachuntersichten, welche die Form der oft geschweiften Ziergiebel mitmachen.
Nun ein hartes Urteil meinerseits:
Hauptgasse 18 und 16Diese Kräuter - und Blumenfassade finde ich grässlich (erstes Bild). Die kitschige, naive Malerei macht nicht einmal Halt vor den Gipshohlkehlen, die weiss sein müssten. Die Bemalung des rechten Hauses im zweiten Bild finde ich völlig daneben. Weshalb diese Dreiteilung der Fassade? Zusammen mit der Malerei des linken Nachbarhauses fühle ich mich zwölf Monate lang in die Fasnachtszeit versetzt.
Was ihr aus der Galerie von Markus nicht heraussehen könnt, ist die Tatsache, dass viele Bauten im Ort abgerissen und mit leicht höheren Geschossen in Massivbauweise neu errichtet wurden. Aussen wurde dann wieder ein Fronttäfer angebracht, wodurch die Neubauten wieder wie typische Appenzeller Häuser wirken. Das Problem sind die niedrigen Geschosshöhen, oft von 1.70 m bis 1.90 m. Die Appenzeller waren ein kleinwüchsiges Volk, das lange unter sich geblieben ist.
Ein Beispiel eines Neubaus von etwa 1980:Südseite, Cafe Hotel Appenzell:
Vorher stand hier ein biedermeierlich-klassizistisches Haus wie das rechte Nachbargebäude. Das Haus ist mit Ziegelsteinen und Betondecken erstellt. Als Fassadenverkleidung wurde dann ein Fronttäfer angebracht. Der Landsgemeindeplatz als touristischer und volkstümlicher Hotspot (die Landsgemeinde gibt es immer noch!) liegt ausserhalb des historischen Kerns und war ursprünglich nur locker bebaut. Deshalb gibt es hier einige Bauten aus dem 19. Jahrhundert, die wohl ostschweizerisch, nicht aber appenzellisch anmuten. Deshalb musste hier ein Appenzeller Haus her.
Gleich rechts ausserhalb des Bildes folgt dann die moderne Touristeninformation (vorher eine Papeterie). Hier wollte man einen Kontrapunkt setzen, der wohl wesentliche Elemente des Appenzeller Hauses aufnahm (Reihenfenster, Fronttäfer). Der Kontrapunkt galt Fantasieprodukten in historisch anmutendem Appenzeller Stil. Hier ein 360°-Panorama des Landsgemeindeplatzes: Google Maps.
Dies in aller Kürze mein Urteil über das Dorf (entschuldigung, die Appenzeller nennen es die Stadt!).
Vielen Dank an Markus für die Bildergalerie. Du hast den Hauptort sehr treffend abgelichtet! -
Nun ist die Vorstellung des Mühlentobels aufgrund historischer und aktueller Abbildungen vorerst abgeschlossen. Obwohl ich das Tobel sehr gut kenne, war ich über die Existenz von so vielen Details noch aus der Zeit der Wasserkraftgewinnung für die Mühlen und frühindustriellen Betriebe überrascht.
Eine neue Erkenntnis ist für mich auch der Zusammenhang des Naturells der Steinach und der Gebäudeschwerpunkte. Letztere hatten sich vor allem im Bereich der Kaskaden gebildet. Die davor liegenden Abschnitte mit gemächlich fliessendem Wasser eigneten sich zur Stauung zugunsten der abzweigenden Kanäle mittels Stauwehren. Bisher ging ich davon aus, dass die Wehre lediglich zur Verminderung der Erosion wie bei einem Bergbach angelegt wurden. Insgesamt gibt es in der Mülenen drei Stauwehre, die immer unmittelbar vor einer Kaskadenpartie das Wasser stauen. Der Plan mit den drei Gebäudeschwerpunkten und den Kanälen ist nun noch mit den drei Stauwehren und den Kaskadenpartien (punktiert) ergänzt:
Das Kanalsystem, die Stauwehre und die Gebäudeschwerpunkte im Stadtplan von 2023.
Wie würde die Erforschung der Mülenen nun weitergehen?
In den vorausgegangenen Beschreibungen der Gebäudeschwerpunkte findet man Einiges zur Baugeschichte der Einzelbauten vorwiegend im 19. Jahrhundert. Diese müssten nun gesammelt und für jedes Haus zusammengefasst werden, sodass eine kurze Baugeschichte jedes Hauses entsteht. Zudem müsste versucht werden, die Assekuranznummern ab 1807/08, die bis 1874 Gültigkeit hatten, herauszufinden. Leider gibt es keine Schlüssel zu den Lagerbüchern ab 1874, als die Assekuranznummern ein erstes Mal geändert hatten. Mittels der Besitzernamen könnten die meisten Besitzerabfolgen zwar rückwärts eruiert werden. Bei Bauten, die nach Beginn eines neuen Lagerbuches errichtet wurden, ist dies aber sehr schwierig, da sie jeweils neue, fortlaufende Assekuranznummern erhielten, unabhängig von der Adresse. Die besten Erfahrungen für diese Entschlüsselung hatte ich mit dem 'Verzeichnis der Hausnummern und Hauseigentümer' von 1866 gemacht, da dort die Hausnummern nach Strassen vergeben wurden (und nicht wie bei früheren Verzeichnissen fortlaufend für die ganze Stadt) und auch die Assekuranznummern ab 1807/08 angegeben sind. Die Nummerierung erfolgte allerdings noch nicht nach dem heute allgemein üblichen Schema mit links ungeraden und rechts geraden Nummern. Es konnte durchaus vorkommen, dass zum Beispiel vier Häuser links aufeinanderfolgende Nummern erhielten, und dann plötzlich nach rechts umgeschwenkt wurde, je nach Dichte der Bebauung. Als Grundlage für diese Arbeit diente der zeitgleiche Stadtplan von 1863, der zudem farblich in Wohn- und Gewerbebauten unterschied.
Ist die Entschlüsselung der Assekuranznummern erfolgreich verlaufen, kann man aus den Lagerbüchern die Besitzerabfolgen herauslesen. Zudem sind dort die Werte der Gebäude, Nutzungsänderungen und meistens auch Vermerke zu grösseren Baumassnahmen angegeben. Zusammen mit den historischen Bildern können dann die Baumassnahmen einem bestimmten Bauteil zugeordnet werden. Diese Thematik hatte ich bereits in einem früheren Beitrag gestreift:Auch die Besitzergeschichten sind sehr spannend, insbesondere in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wo auffallend viel 'Bewegung' herrschte.
Dieser Aspekt ist besonders auch für die frühe Industriegeschichte der Stadt interessant, da er den beginnenden Niedergang der jahrhundertealten Mühlentradition, die frühindustrielle Zeit und das Aufkommen der Eisenbahn streift. Plötzlich war die Zeit kurzlebiger geworden. Erst nach 1900 trat allmählich wieder Ruhe ein, und die Lage im Mühlentobel wurde mit der Zeit für Produktionsbetriebe infolge der schwierigen Erreichbarkeit immer uninteressanter, sodass heute in der Mülenen vor allem die Wohnnutzung überwiegt.
Wie ich bereits im zitierten Beitrag schrieb, werde ich diese zeitaufwändige Erforschung der Lagerbücher nicht im Rahmen des Baukulturforums machen können. Auch die Sichtung der Bauakten ab etwa 1880 nähme zu viel Zeit in Anspruch. In loser Folge werde ich aber Beiträge zu Einzelthemen wie dem Mülenen-Schluchtweg, die Informationstafeln oder einfach Bildergalerien einstellen. -
Bis 2020 hatte das Herrenhaus ein neues Dach erhalten, und die Fassade war weitgehend instand gesetzt. Ansonsten geschah nichts. Die Hofgebäude und das Torhaus verfielen weiter.
Die Instandstellung scheint mir sorgfältig ausgeführt worden zu sein, insbesondere auch die Fenster. Bei Google Maps gibt es noch mehr Fotos der Anlage.
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Die Mülenen in einem Ausschnitt aus einer Carte de Visite, vor 1865. Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St. Gallen.
Die älteste fotografische Aufnahme der Mülenen stammt aus den frühen 1860er Jahren. Allerdings ist sie nur im Hintergrund auf einer Carte de Visite zu sehen, die vom unteren Tigerberg aus über die gesamte Altstadt aufgenommen wurde. Auf ihr ist noch das 1865 abgebrochene Markttor (auch Irertor oder Stadttor am Markt genannt) unten an der Marktgasse zu sehen, womit das spätestmögliche Aufnahmedatum gegeben ist.
Über dem Dach der Rotunde der Kathedrale hielt der Fotograf aus 900 m Entfernung zufällig auch die Mülenen fest. Auch wenn der Ausschnitt sehr unscharf ist, erkennt man trotzdem die obersten Gebäude Mühlenweg 31, St. Georgen-Str. 34, Obere Mühlentreppe 2 und St. Georgen-Str. 36. Letztere besitzt immer noch das Walmdach, und von Obere Mühlentreppe 2 scheint immer noch der Vorgängerbau zu stehen. Dieser ist noch auf dem Stadtplan von 1863 eingezeichnet. Hier die ganze Aufnahme (mit dem Unteren Graben im Bereich der Grabenhalle und dem damaligen Eisenbahneinschnitt im Vordergrund):
Nebenbei: Die barocke Kathedrale ist auf dieser Aufnahme noch keine hundert Jahre alt! Mit dem Aufsetzen der beiden Turmkreuze im August 1766 wurde sie äusserlich vollendet. Und rechts vom Fachwerkhaus am linken Bildrand sieht man aufgehängte Tücher der Färberei an der Metzgergasse 7. Sie war die letzte der drei in der Altstadt betriebenen Färbereien und wurde spätestens 1867 aufgegeben. Über den Tüchern sieht man einen weissen Giebel mit zwei Fenstern. Es ist die Rückseite des Hauses Marktplatz 6, das mein Urgrossvater 1895 kaufte, nachdem er bereits 1891 Marktplatz 2 in seine Hände gebracht hatte. Hier begann die Ära meiner Familie in St. Gallen.
Ansicht des Mühlentobels von Dufourstr. 50 (heute Universität) aus. Davor die Türme von St. Laurenzen und der Kathedrale. Ausschnitt aus einer Fotografie von 1889. Sammlung Riegel.
Der bereits gezeigte Ausschnitt aus einer grossformatigen Fotografie von 1889 zeigt aus 1.2 km Entfernung den 'Neubau' von Obere Mühlentreppe 2 und St. Georgen-Str. 36 mit dem heutigen Dach. Nur noch St. Georgen-Str. 34 zeigt das frühere Dach.
J. A. Köppel, Obere Mühlentreppe 2. 1904 gelaufene Reklamekarte, unbekannte Sammlung.
Die Postkartenansicht entspricht der Darstellungsweise eines lithografierten Briefkopfs aus den 1890er Jahren und wurde wohl längere Zeit verwendet. Rauchende Schlote brachte man damals in Verbindung mit einem erfolgreichen Industrieunternehmen. Dem Umweltschutz wurde damals im Gegensatz zu heute noch keine Beachtung geschenkt.
Abgebildet sind wiederum die obersten vier Gebäude Mühlenweg 31, St. Georgen-Str. 34, Obere Mühlentreppe 2 und St. Georgen-Str. 36. Bemerkenswert sind die beiden Kreuzfirsttürmchen auf letzteren beiden, deren Zweck unklar ist (auch die 1903 abgebrochene Halder'sche Mühle am Spisertor besass ein solches Türmchen).
Die obere Mühlengruppe von Mühlenstr. 24 bis St. Georgen-Str. 36. Rechts der Lehnenviadukt der Gottfried-Keller-Strasse. Ungelaufene Ansichtskarte nach 1908, Verlag A. Sch. V. W., unbekannte Sammlung.
Die Ansichtskarte zeigt den ganzen oberen Gebäudeschwerpunkt. Eingerüstet ist Mühlenstr. 24, und rechts davon sind das zwischen 1977 und 1989 abgebrochene Hintergebäude Mühlenstr. 26a sowie darüber der 1907/08 erstellte Lehnenviadukt der Gottfried-Keller-Strasse festgehalten. Nebst den Schloten fallen links wiederum die beiden Kreuzfirsttürmchen auf.
Die Mülenen. 1905 gelaufene Fotoansichtskarte, C. Umiker, Sammlung Riegel.
Im Vordergrund blickt man auf die Südfassade des abgebrochenen Hinterhauses Mühlenstr. 26a, das über die Steinach gebaut wurde. Über dem Schriftzug 'Gallen' ist die rechteckige Durchlassöffnung zu sehen. Die 16er-Sprossung der Fenster war im 1. Viertel des 19. Jahrhunderts gebräuchlich, wonach wohl mindestens die ersten beiden Obergeschosse aus dieser Zeit stammten. Im 2. Obergeschoss von Mühlenstr. 24 existiert noch ein gleiches Fenster in der Wand zwischen dem Treppenhaus und der Westwand des Hauptbaukörpers. Dieser Befund zeigt, dass auch das Treppenhaus nachträglich an Nr. 24 angefügt wurde und die Wand mit dem Fenster dadurch zur Binnenwand wurde.
'Zwirnerei Wyler', Obere Mühlentreppe 2. 1921 gelaufene Fotoansichtskarte, Sammlung Riegel.
Das vom Lehnenviadukt der Gottfried-Keller-Strasse aufgenommene Foto entstand wohl bereits einige Jahre vor 1921. Im Vordergrund blickt man auf Obere Mühlentreppe 2 mit Kreuzfirsttürmchen, Turbinenhaus, Schlot und einem weiteren Anbau davor. Auch an der Rückseite war ein lichtdurchfluteter Produktionssaal angebaut. Links besteht St. Georgen-Str. 34 noch mit dem alten Satteldach und kleinen Thermenfenstern im Erdgeschoss, die später nach unten zu Rundbogenfenstern erweitert wurden. Über dem Dach schaut wieder das barocke Gartenhäuschen mit dem Walmdach hervor. Rechts besteht der grosse Komplex St. Georgen-Str. 36 bereits in der heutigen Form. Nur das Kreuzfirsttürmchen existiert bereits damals nicht mehr, und der Anbau auf Stützen wurde beim Umbau 1978/79 zugunsten eines Gartens wieder entfernt.
Bis 2008 stand mit Obere Mühlentreppe 2 und/oder St. Georgen-Str.36 der oberhalb von St. Georgen gelegene Rütiweier besitzmässig in einem Zusammenhang, auch wenn die Produktion von Energie schon lange vorher aufgegeben wurde.
Oberste Partie der Mülenen, 1934. O. Rietmann, Kantonsbibliothek St. Gallen.
Die Aufnahme zeigt dieselbe Partie wie vorher, zusätzlich mit den vorgelagerten Gebäuden Mühlenstr. 28, 30 und Mühlenweg 31. St. Georgen-Str. 34 erhielt zwischenzeitlich seine Rundbogenfenster und das heutige Dach. -
Der obere Gebäudeschwerpunkt auf historischen Ansichten:
Die ersten drei fast zeitgleich entstandenen Ansichten zeigen die obersten drei Mühlen St. Georgen-Str. 36, den Vorgängerbau von Obere Mühlentreppe 2 und Mühlenstr. 30. Der Vergleich ergibt ein zuverlässiges Abbild der Bauten im frühen 19. Jahrhundert:
Oberste Partie der Mülenen und Mühlegg. Radierung von Joh.(?) Joachim Bernet, 1822. Kulturmuseum St. Gallen.
Die älteste Detailansicht der oberen Mülenen ist eine Radierung im Kulturmuseum St. Gallen. Im Onlinekatalog ist sie seitenverkehrt abgebildet, sodass die Schrift unten richtig erscheint. Tatsächlich handelt es sich um einen Druck, bei dem aus unbekannten Gründen die Ansicht spiegelverkehrt wiedergegeben wurde. Für die Beschreibung hier wurde die Ansicht wieder gespiegelt, sodass sie der Realität entspricht.
Von unten nach oben sind Mühlenstr. 30, der Vorgängerbau von Obere Mühlentreppe 2 und St. Georgen-Str. 36 festgehalten. Alle drei Bauten weisen zur Steinach hin je zwei in der Höhe versetzte Antriebsgehäuse für Mühlenräder auf. Bemerkenswert ist das asymmetrische Satteldach von St. Georgen-Str. 36, das gegen Osten nur noch einen Kniestock zuliess. Bereits Hädener zeichnete 1789 das Dach in dieser Form, ebenso der anonyme Zeichner der übernächsten Ansicht. Rechts von Nr. 36 erkennt man auch den hölzernen Mühlenkanal.
Das Haus in der Mitte oben ist der Vorgängerbau von St. Georgen-Str. 39, der nicht mehr zur Mülenen gehörte, sondern bereits zur Mühlegg.
Oberste Partie der Mülenen. Radierung von Johann Jakob Rietmann, 1833, unbekannte Sammlung.
St. Georgen-Str. 36 sieht man hier rechts noch in einem Zustand vor den Modernisierungen im 19. Jahrhundert. Es war ein Sichtfachwerkbau mit einem Nord-Süd ausgerichteten Satteldach und besass an der westlichen Traufseite zwei Gehäuse für Mühlenräder. Am Bildrand rechts ist der aufgeständerte Mühlenkanal noch knapp sichtbar. Er führte das Wasser auf Deckenhöhe des 1. Obergeschosses in das Haus hinein, wo sich wahrscheinlich im 1. Ober- und im Erdgeschoss die Mühlenräder drehten. In diesem Teil des Hauses zeugen heute noch vom Unter- bis ins 1. Obergeschoss die dicken Flankenmauern des Wasserdurchflusses. Zwischen beiden Antriebsgehäusen war offenbar noch ein Plumpsklo angeordnet, unter dem zwei Holzkanäle die Hinterlassenschaften direkt in die Steinach entliessen. Auf dem Dach bestand ein Zwerchhaus.
Auch beim darunter folgenden Vorgängerbau von Obere Mühlentreppe 2 sieht man zwei Gehäuse für den Wassereinlass und für einen Mühlradantrieb. Darunter folgt der südwestliche rückwärtige Giebel von Mühlenstr. 30 mit angebauten Antriebsgehäuse.
Zum Vergleich nochmals die entsprechende Ansicht von heute aus dem vorangehenden Beitrag:
St. Georgen-Str. 36 von der Gottfried-Keller-Strasse aus, dahinter Obere Mühlentreppe 2.
Oberste Partie der Mülenen und Mühlegg. Anonyme Gouache, 1. Hälfte 19. Jahrhundert, Kulturmuseum St. Gallen.
Die Ansicht von unten zeigt die drei Mühlen mit dem gleichen Aussehen wie in der ersten Ansicht. Man erkennt, dass auch Mühlenstr. 30 (vorne) und Obere Mühlentreppe 2 (in der Mitte) zwei in der Höhe versetzte Antriebsgehäuse hintereinander besassen. Zuoberst ist der hölzerne Mühlenkanal festgehalten, der von der heutigen Kreuzung Gottfried-Keller-Strasse / St. Georgen-Strasse exakt der heutigen Parzellengrenze entlang zur St. Georgen-Strasse 36 verlief. Ihr Satteldach zeigt auch hier eine asymmetrische Form. Im Vordergrund zeigt die Traufseite von Mühlenstr. 30 noch Sichtfachwerk mit Klebdächlein.
In der Mitte links bestanden noch die Vorgänger- oder Kernbauten der einstigen Farb St. Georgen-Str. 34. Das kleine Häuschen darüber mit Walmdach und Kamin besteht heute noch in derselben Form und steht unter Denkmalschutz. Es gehörte zu einer grossen landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft, auf der in den 1940er Jahren die heutige Kronberg-Siedlung mit einheitlichen Wohnblöcken erstellt wurde. Knapp angeschnitten ist zudem wohl Mühlenweg 31.
Rechts oben führt die Mühlenstrasse nach links 'ums Eck' zum Vorgängerbau von St. Georgen-Str. 39, der zwischen 1948 und 1964 durch den heutigen Bau ersetzt wurde. Hier beginnt die heute noch so benannte Gebäudeansammlung 'Mühlegg'.
Der obere Gebäudeschwerpunkt in einem Ausschnitt aus der Gouache von 1853 von Liedl (ganzes Bild siehe hier).
Die Ansicht Liedls zeigt links Mühlenweg 31 bereits in der heutigen Form mit Walmdach und dahinter die um- oder neugebaute Farb St. Georgen-Str. 34. Sie wird von einem flachen Satteldach bedeckt, das nach Osten weit auskragt. Wahrscheinlich wurden dort die gefärbten Tuchbahnen zum Trocknen aufgehängt, wo die Sonne nicht so stark daraufschien.
Von rechts unten bis zur Mitte erkennt man Mühlenstr. 26 mit dem Mansarddach, dann unscheinbar wohl den Vorgängerbau von Nr. 28, und dann Nr. 30 noch mit Reihenfenstern und Zugläden an der nordöstlichen Giebelfront. Weiter folgt der Vorgängerbau von Obere Mühlentreppe 2 mit einem Anbau links und einem Vorbau rechts. Das grosse Gebäude zuoberst ist St. Georgen-Str. 36, das zwischenzeitlich ein Walmdach mit zwei Lukarnen erhielt. Deutlich ist an der linken Ecke erstmals die heute noch bestehende Auskragung mit dem Hauseingang darunter festgehalten.
'Ob. Mühlenen, St. Georgenweg'. Bleistiftskizze zwischen 1855 und 1859, Johann Jakob Rietmann, Kantonsbibliothek St. Gallen.
Aus derselben Richtung zeichnete Rietmann etwa 25 Jahre nach seiner Radierung von 1833 vorne Mühlenweg 31 und Obere Mühlentreppe 2 und dahinter St. Georgen-Str. 34 und 36. Baulich entsprechen alle Bauten der wenige Jahre vorher entstandenen Ansicht Liedls.
Oberste Partie der Mülenen. Bleistiftzeichnung von Johann Jakob Rietmann, 1857, Kantonsbibliothek St. Gallen.
Rietmann schuf ab den 1830er Jahren bis zu seinem Tod 1868 sehr viele Skizzen von der Stadt und der ganzen Ostschweiz, von denen er einige zu detaillierten Bleistiftzeichnungen ausarbeitete. Seine schönsten Ansichten höhte er zudem noch mit weisser Farbe, sodass eindrückliche Ansichten mit Licht und Schatten entstanden. Die Zeichnung hier gehört zur mittleren Kategorie.Im Vordergrund hielt er Mühlenstr. 30 mit Fachwerk, Reihenfenstern und Klebdächlein fest. Dieser Zustand dürfte dem ursprünglichen Aussehen des Hauses entsprechen, das wahrscheinlich im 17. Jahrhundert errichtet wurde. Bei einem Umbau in den 1980er Jahren kam das grau gestrichene Fachwerk kurzzeitig zum Vorschein, nachdem die Verkleidung mit rostigen Blechschindelpanelen entfernt worden war. Dahinter folgen wieder die andern drei Bauten, die er bereits in der vorangehenden Skizze zeichnete. Am Horizont stehen die Vorgängerbauten von Falkenburgstr. 1 'zur Waldburg' und Klusstr. 10.
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Diese sind alle klassizistisch (oder schon barock) überformt worden. Bis um 1700 waren unregelmässig verteilte Fenster die Regel. Reihenfenster wiederspiegelten an den Hauptfassaden die Wohn- und Nebenstuben. Schlafräume hatten meist ein Zwillingsfenster oder ein kleines Einzelfenster. Jedenfalls hatten die Fensteröffnungen fast immer ein liegendes Format, das durch Fensterpfosten in stehende Einzelfenster unterteilt wurde. Im Barock kamen dann regelmässige Fensteranordnungen mit grösseren quadratischen oder stehenden Einzelfenstern auf, welche das Innenleben eines Hauses nach aussen hin nicht mehr wiederspiegelten. Bei Neubauten wurde das Sichtfachwerk noch entsprechend konzipiert und zeigte ein regelmässiges Fachwerkgefüge, aber bei Umbauten mit 'modernisierter' Fassade ging dann meistens ein Verputzen des zerschnittenen Fachwerks mit einher.
Die meisten heutigen Sichtfachwerke - auch in den typischen Fachwerkstädten - zeigen daher ein Fachwerkbild, wie es nie existierte. Von daher empfielt die Denkmalpflege heute meistens ein Wiederputzen einer Fachwerkfassade.
Nr. 17, in das 16. Jahrhundert zurückgehend:
An dieser Fassade sind nur noch die Schwellen, Eckpfosten und Rähme original. Einzig das 3. Dachgeschoss könnte noch aus dem 16. Jahrhundert stammen. Man erkennt dies auch an den unterschiedlichen Setzungen innerhalb der Fassade: Die Böden fallen nach rechts ab, während die Fenster und das zugehörige konstrutive, nicht auf Sicht konzipierte Binnenfachwerk waagrecht liegen (auch im Dachgeschoss!).
Die Fassade sieht zwar dekorativ aus, aber denkmalpflegerisch ist sie nicht korrekt, weil sie früher nie so ausgesehen hat. In Tübingen beispielsweise hält man sich an diese Theorie. In den Fotos von Markus von Bad Cannstatt habe ich kein einziges verputztes Fachwerkhaus gesehen, bei dem ich jetzt sagen würde, dass das Fachwerk sofort freigelegt werden sollte.
Wenn ich ein Fachwerk freilegen würde, dann wäre es von folgendem Haus. Ein Eckhaus mit beidseitigen Auskragungen. Die Fenster stehen nicht so dicht beieinander, sodass die Chance gross ist, dass sich auch vom originalen Binnenfachwerk noch Reste erhalten haben. Bedingung wäre aber, dass auch die originalen Fensterformate rekonstruiert würden. Damit sind wir aber am Problem der heutigen Denkmalpflege angelangt, die Rekonstruktionen als geschichtsverfälschend und Substanzverlust späterer Bauetappen, die auch ihre Berechtigung haben, ablehnt.
Es geht in die Brählesgasse, die Nr. 12 das ehem. Beginenhaus aus dem 16. Jahrhundert.In diesem Beitrag über Limburg habe ich die Problematik anhand von Salzgasse 23-25 erläutert, ebenso auch in diesem Beitrag über Salzgasse 21.
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Das Bauen im Mühlentobel ist sehr aufwändig, weshalb hier wohl keine überrissenen Bauprojekte realisiert werden. Man denke nur schon an die Bauplatzinstallation, abschüssige Vorplätze, schwierige Erreichbarkeit mit grossen Lastwagen, aufwändige Gerüstbauarbeiten auf der Seite der Steinach (wo man mit Lastenkränen teilweise gar nicht hinkommt, sondern die Gerüstbauteile durchs Haus tragen muss). Dazu kommt die unterdurchschnittliche Besonnung und die Geräuschkulisse der Steinach (St. Gallen hat von den grösseren Schweizer Städten die höchste Niederschlagsmenge, dafür aber oft in Form von Schnee). Das sind alles Aspekte, die Investoren abhalten, hier ein Haus zu erwerben und teuer umzubauen.
Man findet deshalb einen Mix an vielen preisgünstigen Wohnungen bis hin zu speziellen Lofts, Ateliers und Gewerberäumen. Und der Ort zieht magisch spirituelle und künstlerisch tätige Leute an, weshalb grosse bauliche Veränderungen aufhorchen lassen würden. Immerhin ebnete die Mülenen respektive die Steinach die Grundlage für 1400 Jahre Geschichte, damit hier überhaupt ein Kloster und später eine Stadt entstehen konnten. -
Die Kuppel samt Aufsatz des Varietés Friedrichsbau - und überhaupt seine Erscheinung - erinnert sehr an den 1897 fertiggestellten Kaiserpalast in Dresden. Von wann stammt denn das Varieté?
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Das Gesprenge geht auf eine gründliche Restaurierung des Altares um 1870 zurück.
Jetzt musste ich nachschauen, was denn wein 'Gesprenge' genau ist: https://de.wikipedia.org/wiki/Gesprenge
Gemeint sind damit die (drei) Aufsätze über dem zentralen Altarbild. Ein 'Gesprenge' benennt auch die Laubsägefüllungen in einem Freigespärre vor einem Giebel > Schweizerhäuschen-Giebel.
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Es ist ja immer ein Problem bei solchen Anlagen, die zudem noch abgelegen sind, eine Nutzung zu finden. Der Investor möchte gemäss seinen Aussagen im Video ein 'hochmodernes Labor für künstliche Intelligenz' einrichten. Er selber ist offenbar ein 'KI-Entwickler für Flugdrohnen'.