Nürnberg - Fachwerkbauten

  • Da ich in nächster Zeit einen mehrtägigen Besuch in Nürnberg plane, welcher dem Studium der Fachwerkbauten dort gelten soll, bereite ich mich anhand historischer Photos vor. Mich interessiert die Entwicklung des Fachwerkbaus, und so habe ich aus dem Fundus des Marburger Bildindexes alles herausgesucht, was ich dazu finden konnte. Vorerst stelle ich einfach mal diesen Fundus nach Strassennamen geordnet ein, ohne irgendwelche Kommentare dazu abzugeben. Kleinere Bauteile wie Dacherker aus Fachwerk auf massiven Gebäuden, oder Hofgalerien aus Holz fanden keinen Eingang, und auch die Stadtbefestigung liess ich vorerst ausser Acht.

    Erst durch eine eingehende Betrachtung der Bilder schälen sich Gemeinsamkeiten heraus, und anhand datierter Gebäude soll dereinst eine chronologische Abfolge entstehen. Ich betrachte diesen Strang eher als "Arbeitsablage"; das Ziel, hier bald Resultate abliefern zu können, liegt in unbestimmter Entfernung. Die Liste kann mit aktuellen Photos und auch mit baugeschichtlichen Untersuchungsberichten der letzten Jahre ergänzt werden.


    Inhaltsverzeichnis


    Allgemeine Beiträge:

    - Nürnberger Denkmalliste, geordnet nach Dendro-Daten (von baukunst-nbg)
    - Vergleich heutige Situation mit den nachfolgenden Bildern aus dem Marburger Bildindex
    - Erste Auslegeordnung über die Verstrebungsformen

    - Der Wandel von der X-Verstrebung zur K-Verstrebung

    - K-Streben-Fachwerk mit von Pfosten zu Pfosten durchgehenden Brustriegeln
    - Über mehr als ein Geschoss hinweg verlaufende Steigbänder/Schwerter
    - Fachwerkbauten mit dominierenden Fussstreben

    . . . . 1. Bauten mit angeblatteten Bändern
    . . . . 2. Bauten mit eingezapften K-Streben

    . . . . 3. Bauten mit dominierenden eingezapften Fussstreben ohne Fenstererker
    . . . . 4. Bauten mit dominierenden eingezapften Fussstreben mit Fenstererker
    . . . . 5. Bauten mit aneinandergereihten, eingezapften Fussstreben

    . . . . 6. vorläufige Zusammenfassung

    - Halbwalmdächer
    - Bundebenen, erklärt anhand von Am Ölberg 1
    - Konstruktion der Fensterstürze (Beispielsammlung)
    - Fachwerkbauten mit Rutenflechtwerkausfachungen
    - Sammlung von Fachwerkbauten mit K-Streben, Kurzzusammenfassung


    Literatur:

    - Erich Mulzer, Der Nürnberger Fachwerkbau, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg (MVGN), Band 55 (1967/68 ), Seite 300-331
    - Wilhelm Schwemmer: Das Bürgerhaus in Nürnberg, Verlag Ernst Wasmuth, Tübingen 1972
    - Pablo de la Riestra: Nürnberg - Die historische Altstadt, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2005

    - Michael Taschner: Wie alt sind die Halbwalmdächer in der Nürnberger Altstadt? Nürnberger Altstadtberichte Nr. 19, 1994, S. 75ff., Altstadtfreunde Nürnberg e. V.

    - Michael Taschner: Vorkragende Stockwerke bei Nürnberger Fachwerkbauten - rein funktional oder Schmuckwerk? Nürnberger Altstadtberichte Nr. 45, 2020, S. 49 ff., Altstadtfreunde Nürnberg e. V. > Beitrag


    Beiträge zu einzelnen Häusern:

    - Albrecht-Dürer-Str. 6, Vergleich mit Untere Krämersgasse 18, Rutenflechtwerkausfachung
    - Albrecht-Dürer-Str. 24

    - Am Oelberg allgemein
    - Am Ölberg 1, 1. Teil, 2. Teil (zerstört), Vergleich Giebelfeld mit Obstmarkt 1 und Prechtelsgasse 10
    - Am Ölberg 3 (zerstört)
    - Am Ölberg 9
    - Augustinerstr. 5
    - Augustinerstr. 7
    - Beim Tiergärtnertor 3
    - Bergstr. 10, Vergleich mit Weissgerbergasse 10
    - Bergstr. 16 und drittnachfolgender Beitrag
    - Burg (abgebrochen)
    - Burgstr. 27 (zerstört)
    - Dötschmannsplatz 13 (zerstört)
    - Halbwachsengässchen 1 und folgende Beiträge (zerstört)
    - Hallplatz 2, Dacherker der "Mauthalle" (zerstört, vereinfacht wiederaufgebaut)
    - Hans-Sachs-Gasse/Ebnersgasse (früher) Heugässchen (heute)
    - Hans-Sachs-Gasse 17, 1. Teil, 2. Teil (Hans-Sachs-Haus, zerstört)
    - Hans-Sachs-Platz allgemein
    - Hans-Sachs-Platz 1 u. 3 (zerstört)
    - Hans-Sachs-Platz 13, 17, 19 (zerstört)
    - Hans-Sachs-Platz 25 (zerstört)
    - Heldengässchen siehe Karolinenstrasse
    - Hintere Beckschlagergasse 22, 1. Teil und drei nachfolgende Beiträge, 2. Teil und folgende Beiträge (zerstört)
    - Irrerstr. 1
    - Irrerstr. 5, 1. Teil, 2. Teil
    - Irrerstr. 9, 1. Teil, 2. Teil

    - Irrerstr. 10, 12
    - Jakobstr. 34
    - Karolinenstr.15 / Heldengässchen, Giebelfeld (zerstört), 1. Teil, 2. Teil
    - Ludwigstr. 74, 1. Teil, 2. Teil

    - Mostgasse 2, 1. Teil, 2. Teil, 3. Teil

    - Mühlgasse 2, 1. Teil, 2. Teil
    - Neue Gasse Nr. ? "Haus an der Pegnitz", 1. Teil, 2. Teil (zerstört), Vergleich mit Obere Schmiedgasse 64/66 "Pilatushaus"
    - Neutormauer 42 (teilzerstört, abgebrochen)
    - Obere Schmiedgasse 10 siehe Am Ölberg 9
    - Obere Schmiedgasse 25 (zerstört)
    - Obere Schmiedgasse 64/66 "Pilatushaus", 1. Teil, 2. Teil, Vergleich mit Neue Gasse Nr. ? "Haus an der Pegnitz"
    - Obstmarkt/Bindergasse "zum gläsernen Himmel" (abgebrochen)
    - Obstmarkt 1 (zerstört), Vergleich Giebelfeld mit Am Ölberg 1 und Prechtelsgasse 10
    - Paniersplatz 20, "Grolandhaus" (zerstört)

    - Paniersplatz 25 (zerstört)
    - Pfeifergasse 6
    - Pfeifergasse 7
    - Pfeifergasse 8, 1. Teil, 2. Teil
    - Pfeifergasse 9
    - Pfeifergasse 10
    - Pfeifergasse 17
    - "Pilatushaus" siehe Obere Schmiedgasse 64/66
    - Prechtelsgasse 10 (Eckhaus zur Wunderburggasse) (zerstört), Vergleich Giebelfeld mit Am Ölberg 1 und Obstmarkt 1
    - Prechtelsgasse 12 (Eckhaus zur Wunderburggasse) (zerstört)
    - Schildgasse ca. 27 (zerstört)
    - Schildgasse, Kopfbauten der "Mittelzeile" (zerstört)
    - Schlotfegergasse 7/9
    - Schlotfegergasse 8, Giebelfeld, Rutenflechtwerkausfachungen (abgebrochen)
    - Tetzelgasse 17 und 19

    - Unschlittplatz 8
    - Unschlittplatz 14 (zerstört)
    - Untere Krämersgasse 18, Vergleich mit Albrecht-Dürer-Str. 6, Rutenflechtwerkausfachungen
    - Untere Talgasse 10 (zerstört)
    - Untere Wörthstr. 6
    - Untere Wörthstr. 8
    - Untere Wörthstr. 9
    - Waaggasse 11 (Eckhaus zur Winklerstrasse, zerstört)
    - Weißgerbergasse 10, 1. Teil, 2. Teil, 3. Teil, Vergleich mit Bergstr. 10
    - Wunderburggasse 19, 1. Teil, 2. Teil und Folgebeitrag, 3. Teil Fassadenansichten (zerstört)
    - Zirkelschmiedsgasse 30

    - Stadtbefestigung: Türme

    - Stadtbefestigung: Wehrgänge

    - Schloss Neunhof
    - ein im 19. Jh. abgebrochenes Nürnberger Fachwerkhaus auf Burg Kreuzenstein? 1. Teil, 2. Teil

  • Bilder aus dem Marburger Bildindex:

    Die Bildbeschriftungen wurden vom Bildindex übernommen. Wo falsche Bezeichnungen bemerkt wurden, sind diese korrigiert. Es kann aber immer noch fehlerhafte Bezeichnungen geben.


    MI02564b02b.jpg 1 MI02564c08b.jpg 2
    Adlerstr. 18, 20 / Agnesgasse


    MI02564d13b.jpg 3 MI02564e01b.jpg 4
    Albrecht-Dürer-Strasse


    MI02564e03b.jpg 5 MI07685g04b.jpg 6

    Albrecht-Dürer-Str. 6 / Albrecht-Dürer-Strasse, Dürerhaus


    MI02560d14b.jpg 7 MI02564f05b.jpg 8

    Albrecht-Dürer-Strasse, Dürerhaus und Umgebung / Am Katharinenkloster


    MI07687a01b.jpg 9 MI02564g02b.jpg 10

    Am Ölberg


    MI02564g04b.jpg 11 MI02564g05b.jpg 12

    Am Ölberg


    MI02565a07b.jpg 13 MI02565c08b.jpg 14

    Augustinerstr. 11(?) / Bergstrasse


    MI02565d05b.jpg 15 MI02565d10b.jpg 16

    Brunnengässchen 14, 16


    MI02565e08b.jpg 17
    Burgstrasse, Am Ölberg


    MI02565g06b.jpg 18 MI07687a14b.jpg 19

    Egidienplatz / Dötschmannsplatz, s. auch Bild 30


    MI02561f07b.jpg 20 MI12954e13b.jpg 21

    Hans Sachs Gasse 17


    MI02566d06b.jpg 22 MI02566d13b.jpg 23

    Heugasse 11 / Hintere Insel Schütt 1


    MI02566e03b.jpg 24 MI02563e14b.jpg 25

    Hintere Insel Schütt / Hirschelgasse bei Tucherhaus


    MI02566g04b.jpg 26 MI02567a02b.jpg 27

    Josephsplatz 30 / Kappengasse


    MI12954f14b.jpg 28 MI02567b10b.jpg 29

    Karolinenstrasse / Klein-Weidenmühle


    Martin Treu-Strasse/Heugässchen, s. Bild 75


    MI02567f07b.jpg 30 MI02568a06b.jpg 31

    Martin Treu-Strasse / Leonhardsgässchen, s. auch Bild 19 / Nonnengasse


    MI02568a11b.jpg 32 MI02568b01b.jpg 33

    Obere Krämersgasse / Oberer Bergauer Platz


    MI02568b04b.jpg 34 MI07687c01b.jpg 35

    Oberer Bergauer Platz / Obere Schmiedgasse


    MI02568c12b.jpg 36 MI02564g03b.jpg 37

    Obere Schmiedgasse 66 / Obere Talgasse
    Edit: gemäss Angabe von baukunst-nbg (s. nächsten Beitrag betr. "11. Bild") ist die Bildbezeichnung "Am Ölberg" unrichtig!


    MI02568d06b.jpg 38 MI02568d08b.jpg 39

    Obere Talgasse


    MI02568e05b.jpg 40 MI02568e09b.jpg 41

    Obstmarkt


    MI04778g01b.jpg 42 MI07687c04b.jpg 43

    Paniersplatz 27-31 / Paniersplatz 25


    MI02561f02b.jpg 44 MI02561f03b.jpg 45

    Paniersplatz 20, Grolandhaus


    MI02570f04b.jpg 46 MI02570g02b.jpg 47

    Pegnitzufer


    MI02568f11b.jpg 48 MI02568f13b.jpg 49

    Peter-Vischer-Strasse / Peuntgasse


    MI02568g07b.jpg 50 MI02568g08b.jpg 51

    Pfeifergasse / Maiengasse 4 (nicht Pfeifergasse!! s. Beitrag von Norimbergus


    MI07687c11b.jpg 52 MI12954d10b.jpg 53

    Schildgasse / Schulgasse


    MI12954d11b.jpg 54
    Schulgasse


    Sebalder Platz/Rathausplatz s. Bild 76


    MI07687d04b.jpg 55 MI04778g04b.jpg 56

    Tetzelgasse / Tetzelgasse 32 (Hof)


    MI02569e02b.jpg 57 MI02569f08b.jpg 58

    Trödelmarkt / Untere Krämersgasse


    MI02569f14b.jpg 59 MI04778g05b.jpg 60

    Untere Schmiedgasse 12 / Untere Söldnersgasse


    MI02569g09b.jpg 61 MI02570a02b.jpg 62

    Vordere Landauergasse / Weinmarkt


    MI02556d14b.jpg 63 MI02570b05b.jpg 64

    Weinstadel / Weissgerbergasse


    MI02570b06b.jpg 65 MI02570b07b.jpg 66

    Wespennest


    MI02570b09b.jpg 67 MI02570c03b.jpg 68

    Waaggasse 11-Winklerstrasse / Winklerstr. 27 (Hof)


    MI02570c13b.jpg 69 MI02570d03b.jpg 70

    Winklerstrasse (Hof) / Wunderburggasse


    MI02570g11b.jpg 71 MI02561f01b.jpg 72

    unbekannte Strasse / Fürstenhaus (Hof)


    MI02562a10b.jpg 73 MI02562a09b.jpg 74

    Herrensitz in Kraftshof


    MI07686g03b.jpg 75 MI02518d10b.jpg 76

    Ecke Martin-Treu-Strasse/Heugässchen (Wohnhaus von Veith Stoss) / Sebalder Platz-Rathausplatz

  • Danke, baukunst-nbg, für diese Aufstellung! Eigentlich schon fast ein Mini-Inventar, an dem Du sicher sehr lange geschrieben hast. Mal schauen, was ich alles davon "ablaufen" kann...

    Ich habe die Korrektur betreffend dem 11. Bild vorgenommen, und es steht jetzt an der 37. Stelle. Ich habe die Bilder nun noch nummeriert, was das Arbeiten mit ihnen erleichtert. Eigentlich hätte ich diesen Fehler bemerken sollen, nachdem Du die Obere Talgasse einmal ausführlich vorgestellt hast. Anstelle des linken Fachwerkhauses steht heute ja dieser mediterran anmutende Neubau.

    Das Haus auf Bild 9 "mit dem wohl urigsten Fachwerk" erinnert mich an das im APH vorgestellte Haus in Geislingen, abgesehen aber vom Strohdach.

  • Ich muss vorausschicken, dass ich mich mit dem Nürnberger "Fachwerkstil" noch gar nicht auskenne. In erster Linie kenne ich natürlich die St. Galler Fachwerkbauten in- und auswendig, da ich solche schon selber detailliert untersuchen konnte. Diese gehören der alemannischen Fachwerkbauweise an.

    In den letzten drei Jahren hatte ich mich mit den Frankfurter Fachwerkbauten eingehend befasst, welche der fränkischen Fachwerkbauweise entsprungen sind. Dort fiel die Arbeit leichter, weil im Gebiet des Bundslandes Hessen seit über hundert Jahren vortreffliche Literatur besteht, in welcher die gesamten Hausgerüste erforscht und dokumentiert sind, und nicht nur Fassaden abgebildet sind.

    In Nürnberg wird diese Arbeit schwieriger ausfallen, da ich dort als "Tourist" kaum das Innere der Häuser zu Gesicht bekommen werde. Die Forschungsarbeit darf sich natürlich nicht nur auf die Fassaden beschränken, aber für ein erstes Herantasten wird diese Beschränkung zulässig sein. Insbesondere bei den abgegangenen Bauten muss ich mit Aussenaufnahmen Vorlieb nehmen. Wenn ich aber die Dendrodatenliste oben betrachte, nehme ich an, dass das Innere vieler Bauten ebenfalls (mindestens in Manuskriptform) dokumentiert ist.

    Als erstes suche ich mir Gemeinsamkeiten der Bauten aus, zum Beispiel die Verstrebungsform, Fenstererker, Ständer- oder Rähmbauweise etc., und versuche diese auf Grund datierter Gebäude (oder Bauteile) zeitlich einzuordnen. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass viele Dendrodaten auf Umbauten hinweisen, und die datierten Kernbauten aussen keine sichtbare Bausubstanz mehr zeigen. Diesbezüglich beinhaltet die Auflistung von baukunst-nbg viele Hinweise! Beispielsweise ist dies bei ursprünglich als Fachwerkbauten errichteten Gebäuden der Fall, deren Fassaden später durch gemauerte Fassaden ersetzt worden sind. Solche Bauten können natürlich nicht in erste Betrachtungen einfliessen.

    Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass viele Fachwerke durch Fensterveränderungen im 18. und 19. Jahrhundert stark verändert worden sind, und deshalb keine baugeschichtlichen Aussagen mehr erlauben (z.B. Bilder 1, 12, 47, 58, 61). Bei solchen mehrheitlich aus konstruktivem Fachwerk bestehenden Fassaden entdeckt man vielleicht noch die Sassen einstiger Streben oder Brustriegel, sofern sie ursprünglich nicht eingezapft, sondern aufgeblattet waren (bspw. bei Weißgerbergasse 10, im linken Eckständer des 2. Obergeschosses).

    Eine Bitte habe ich noch: kann mir jemand den Standort des Wohnhauses von Veit Stoss mitteilen? Nach mehrmaligem Überfliegen der Altstadt mit Hilfe von maps.live.de bin ich nicht fündig geworden, und vermute, dass diese Häuserreihe nicht mehr existiert.

    MI07686g03b.jpg 75
    Wohnhaus von Veith Stoss. (Quelle: bildindex.de)

  • Danke für die Angaben zum Veit Stoss-Haus. Ich möchte dafür bereits eine Betrachtung zu einem ersten Haus abgeben:


    Paniersplatz 20, "Grolandhaus"


    Dieses Haus scheint mir sehr geeignet, als erstes genauer unter die Lupe genommen zu werden. Allerdings ist es 1945 zerstört worden, aber es war eines der wenigen Häuser, welches noch ein sehr altertümliches Gepräge bot. Das Fachwerk war nicht wie bei den meisten Bauten durch Fensterausbrüche des 18./19. Jahrhunderts verändert worden, und somit lassen sich seine Eigenheiten besser beschreiben als bei einem veränderten Fachwerk. Augenfällig sind die unterschiedlichen Verstrebungen sowie die für Nürnberg typischen Fenstererker - also alles Details, welche ich untersuchen möchte, an einem Haus vereint. Zudem lassen die Photos beim Marburger Bildindex relativ gut die Holzverbindungen erkennen. Es empfielt sich, die Vergrösserungen im separaten Fenster anzuklicken, damit man diese neben dem Text betrachten kann.


    MI02561f02b.jpg
    Ansicht von Nordosten.

    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Über einem mit Sandsteinen gemauerten Erdgeschoss folgen vier Fachwerkgeschosse, wovon zwischen dem 2. und 3. Obergeschoss eine Auskragung besteht. Darüber folgt ein Satteldach mit einer Giebelnase. In Nürnberg ist die Traufständigkeit zwar die Regel, aber hier haben wir es mit einem Kopfbau zu tun.


    Zur Verstrebung:

    Das 1. Obergeschoss ist mit breiten Fussbändern verstrebt, welche mit Schwalbenschwänzen und balkenbündig abgeschnittenen Holznägel an die Schwelle und Ständer aufgeblattet sind. Kopfbänder dürften der breiten Fenster wegen keine vorhanden gewesen sein.
    Am 2. Obergeschoss besteht dieselbe Verstrebungsart, nur das hier die Bänder schlanker sind, und einiges oberhalb der Brustriegel in die Ständer laufen. Zusätzlich sind hier ganz kurze Kopfbänder vorhanden, bei welchen aus den Aufnahmen nicht hervorgeht, ob sie angeblattet oder eingezapft sind. Auf einer anderen Aufnahme aus der Reihe "Die Blauen Bücher" (Hermann Phleps, Deutsche Fachwerkbauten, Karl Robert Langewische Verlag, 1951, S. 35) erkennt man, dass auch diese angeblattet waren. Die unterschiedliche Länge der Fussbänder an diesen beiden Geschossen rührt von den unterschiedlich breiten Fenstern her, und nicht zwingend vom Fenstererker. Der Bundpfosten ist gegenüber jenem des 1. Obergeschosses versetzt, und weist demnach diese beiden Geschosse als Stockwerksbau, und nicht als Ständerbau aus (bei einem Ständerbau wären die Fussbänder im 2. Obergeschoss sinnlos; auch ein Blick auf die Seitenfassaden zeigt, dass die Eckständer zum Nachbarhaus hin nicht durchgehend sind).
    Am 3. Obergeschoss entspricht die Verstrebung jener am zweiten, nur dass in der linken Hälfte die Fussbänder extrem kurz sind; hier zwar nicht wegen eines breiten Fensters, sondern nur wegen der Erkerkonstruktion. Aufgeblattete Fuss- und Kopfbänder wurden beim Aufrichten der Wände jeweils am Schluss angebracht, was aber bei einem vorspringenden Brustriegel eines Fenstererkers nicht mehr möglich gewesen wäre.
    Das 4. Obergeschoss unterscheidet sich schon rein optisch von den unteren; die Fusstreben sind etwa ¾-wandhoch, und in die Schwelle und Pfosten eingezapft. Die Brustriegel laufen daher nicht mehr bis zu den Pfosten durch, sondern enden an den Streben. Normalerweise wurde zwischen den Streben und den Pfosten noch ein kurzer Riegel eingesetzt, um so die Riegelkette zu vervollständigen. In Nürnberg aber fehlt dieser kurze Riegel meistens! Die Kopfstreben sind in den Rähm und in die Fusstreben eingezapft, und nicht in die Pfosten! Man muss sie deshalb eher als Gegenstreben bezeichnen. Gegenstreben kommen im fränkischen Fachwerk mit rheinischem Einfluss vor, und sind im alemannischen Fachwerk unbekannt. Dieses Geschoss entstand offensichtlich später, wahrscheinlich zu der Zeit, als sich das alemannische und fränkische Fachwerk allmählich vermischten. Es fällt aber noch eine weitere nürnbergerische Eigenheit auf: während die Gegenstreben im rheinfränkischen exakt beim Brustriegel ansetzen, ist dies in Nürnberg erst ein Stück weit oberhalb der Brustriegel der Fall.
    Im Giebeldreieck tragen zwei Pfosten die Mittelpfetten des Dachstuhls, und sind analog dem 4. Obergeschoss beidseitig mit ¾-wandhohen Fusstreben ausgesteift. Zwischen den Pfosten und Fusstreben fehlt wiederum ein kurzer Riegel, hingegen kommen solche wieder zwischen den Fusstreben und Sparren vor. Ein scheinbar unwichtiges Detail ist mir aber dennoch aufgefallen: diese Riegel sind in die Fusstreben eingezapft, gegen die Sparren aber aufgeblattet. Hier hat also eine Blattverbindung noch überdauert. Abgeschlossen wird das Giebeldreieck von einem Nasengiebel, dessen Ursprung dem fränkischen Fachwerk entstammt, und bei den älteren rein alemannischen Fachwerken unbekannt ist.


    Zur Bauweise:

    Die weite Pfostenstellung, die Einbindung der Fenster zwischen Brustriegel und Rähm, sowie die angeblatteten Fuss- und Kopfbänder weisen die ersten drei Obergeschosse eindeutig dem alemannischen Fachwerk zu. Beim obersten Geschoss ist dies nicht mehr so klar. Die Fenster sind allerdings auch hier zwischen Brustriegel und Rähm eingespannt, und nicht zwischen zwei geschosshohe Pfosten, wie dies beim fränkischen oder sächsischen Fachwerk der Fall wäre. Zusammen mit dem Nasengiebel dokumentiert dieses Geschoss bereits die Verschmelzung von alemannischem und fränkischem Fachwerk, welche in Süddeutschland um 1600 bereits vollzogen ist.


    Zur Auskragung:

    Zur Auskragung möchte ich mich vorerst nur kurz äussern, da mir vor allem noch die Ausbildung der Ecke unklar ist. Auch wenn es rechts (Nordecke) fast danach aussieht, handelt es sich bestimmt nicht um einen Hängepfosten. Wahrscheinlich ist es der Kopf eines Gratstichbalkens. Rätselhaft sind mir dann aber die Balkenköpfe unmittelbar beidseitig daneben, welche von Knaggen unterstützt werden. Die Rähme aller drei Seiten überkreuzen sich auf derselben Höhe, und sind demnach in halber Balkenstärke geschwächt. Wahrscheinlich handelt es sich bei den "rätselhaften Balkenköpfen" um Holzklötze oder ganz kurze Stichbälkchen, welche zwischen die Rähmköpfe und Schwelle eingeschoben sind.

    Dass das 3. Obergeschoss auskragt, heisst aber nicht unbedingt, dass dieses erst nachträglich aufgesetzt worden ist! Aus der Übereinstimmung mit der Verstrebung und dem Fenstererker der unteren beiden Geschosse kann gefolgert werden, dass dieses gleichzeitig (oder nur wenige Jahre nach der Errichtung des Kernbaus) entstanden ist.


    Zu den Fenstererkern:

    Diese wirken beim Grolandhaus schwerfällig, weil hier Fensterläden angebracht sind. Ich vermute, dass bei andern Bauten einst auch Läden vorhanden waren, und heute leider nicht mehr "rekonstruiert" werden.


    MI07686b02b.jpg
    Ausschnitt aus dem 1. Obergeschoss von Osten.

    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Die profilierten, vorstehenden Brustriegel des Fenstererkers im 1. Obergeschoss sind auf Konsolen abgestützt. Diese haben im unteren Bereich eine gedrechselte Form, und scheinen aus den Pfosten heraus zu wachsen. Ob sie mit letzteren aus einem Stück bestehen oder aufgesetzt sind, lässt sich nicht bestimmen. Die Fensteröffnungen werden durch sehr schlanke Pfosten in Zweier- und Dreiergruppen unterteilt. Die seitlichen Vormauerungen verdecken die tragenden Pfosten, und rauben somit optisch dem Haus den Kräfteverlauf von oben nach unten. Oben wird der Fenstererker durch zwei Friese abgeschlossen. Dem Fehlen einer sichtbaren Eckverbindung nach vermute ich, dass diese Friese aus aufgesetzten Brettern bestehen, und nicht aus Balken herausgearbeitet sind. Das Datum "1489" schaue ich nicht zwingend als das Baudatum des Hauses an, aber stilistisch passt es zum gotisierenden Fischblasenfries. Der triglyphenartige Fries darüber hingegen passt eher zur Renaissançe als zur Gotik, wie auch das Profil des Fensterbankes. Ein weiteres Detail fällt noch auf: an beiden Enden und Ecken wird der Fenstererker durch schmale Bälkchen abgeschlossen, und nicht wie bei andern Bauten durch weiss gestrichenen Putz.

    Ob der Fenstererker zum Kernbestand des Hauses gehörte, und ob er selber in der ursprünglichen oder in einer abgeänderten Form überdauert hatte, kann noch nicht schlüssig bestimmt werden. Ebenso bleibt noch offen, auf was sich die Jahrzahl "1489" bezieht.

    Der Fenstererker im 3. Obergeschoss entspricht dem unteren, nur dass dieser lediglich um eine Ecke herumläuft, und oben nicht durch geschnitzte Friese abgeschlossen wird.


    MI02561f03b.jpg
    Ansicht von Norden (nicht von SO!).

    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Die nördliche Seitenansicht werde ich nicht mehr so eingehend beschreiben, denn sie wiederholt im Wesentlichen das zuvor beschriebene. Zwei Details sind aber dennoch erwähnenswert.

    Das südöstliche (rechte) Nachbarhaus erweist sich in Folge einer minimalen Höhendifferenz als eigenständiges Gebäude aus. Sein Fachwerk ist im 1. Obergeschoss und links auf ganzer Höhe gestört. Links wurde offenbar nachträglich eine Brandmauer hineingestellt, welcher die beiden Eckpfosten zum Opfer fielen. Die Brandmauer reichte bis über die Dachflächen des Grolandhauses, und endete in einer feinen Backsteinabtreppung. Im 2. Obergeschoss sitzen rechts zwei parallele Fussbänder; ein Verstrebungsart, wie sie bei andern Bauten auch beobachtet werden kann.

    Die Veränderungen im Sockelbereich haben nichts mehr mit der Beschreibung des Fachwerkgefüges zu tun, sind aber für die Baugeschichte dennoch interessant. Offenbar wurde das Gassenniveau auf dieser Seite einst angehoben, wobei beide Erdgeschosse im Boden versanken. Die höher versetzten Hauseingänge kamen nun in den Bereich des 1. Obergeschosses zu liegen, was Veränderungen am Fachwerk verursachte. Die Zäsur im Sockelmauerwerk des Grolandhauses unmittelbar links des Regenabflussrohres deutet ebenfalls auf diese Veränderung hin.


    Fazit:

    Die Beschreibung des Grolandhauses ist wider Erwarten sehr ausführlich ausgefallen, obwohl ich mich lediglich mal an ein Haus herantasten wollte. Es haben sich aber verschiedene Fragen gestellt, deren Beantwortung vielleicht mit der Betrachtung anderer Bauten gelingen wird. Für eine weitere Bearbeitung dieses Hauses müssten die Fassaden aufgezeichnet werden, und im Kontext mit weiteren Bauten verglichen werden.

    Ich habe in dieser Beschreibung bereits "Nürnbergerische (oder heist es "Nürnbergische"?) Eigenheiten" erwähnt. Natürlich ist es nicht zulässig, anhand lediglich eines Objektes auf regionaltypische Eigenheiten zu schliessen. Aus der Sichtung der im ersten Beitrag eingestellten Aufnahmen und der Kenntnis von Fachwerkbauten aus anderen Gebieten fallen diese Eigenheiten aber sofort auf. Ziel dieser Forschungstätigkeit ist es, solche aufzuspüren und nachzuweisen, was mit der Beschreibung weiterer Bauten und Bauteile geschehen soll. Auch müssten zwingend Originalphotographien abgegangener Häuser und aktuelle Aufnahmen bestehender Häuser beigezogen werden.

    Weiter ist mir aufgefallen, dass die Formenvielfalt des Nürnberger Fachwerks sehr beschränkt ist. Schmuckformen wie geschwungene Andreaskreuze, Feuerböcke, Rauten, gebogene Streben etc. findet man äusserst selten, was dazu geführt haben dürfte, dass das Fachwerk hier nur nach gewissen Schemata ausgeführt worden ist. Insbesondere das Fachwerk des 4. Obergeschosses findet man in dieser Form unzählige Male, was mich zur "Rekonstruktion" einer provokativen Regel verleiten lässt:
    "So wurde es gemacht, und nicht anders!"

    Zum weiteren Schicksal des Grolandhauses nach 1945 möchte ich auf die Webseite von baukunst-nuernberg hinweisen: gemäss dem mittleren Bild hatte die Ruine des Erdgeschosses noch bis in die Sechzigerjahre hinein Bestand!


    Nachtrag: eine frühe Farbfotografie des Hauses siehe in diesen Beitrag.

  • Zitat von baukunst-nbg

    Woran hast du gesehen, daß im 4. OG die Fußstreben eingezapft sind? Kann es sich bei der "sichtbaren" Schwelle nicht auch um einen Vorsatz handeln?

    Die Schwelle selber sieht man nicht recht auf der Fotografie, da sie durch das Brett eines "Wetterdaches" fast vollständig verdeckt ist. Auf einer Originalphotographie würde man dies mit Hilfe einer Lupe sehen können. Ich habe aber aus Vergleichsbeispielen darauf geschlossen, und auch, weil sie oben in die Pfosten eingezapft sind. Streben resp. Bänder (und allgemein Holzbalken) sind jeweils an beiden Enden gleichartig befestigt, entweder angeblattet oder eingezapft, aber nur in seltenen Fällen gemischt (wie bspw. bei Ludwigstr. 74). Es gibt Ausnahmen, und auf eine solche habe ich im Giebeldreieck hingewiesen. Dies betrifft die Riegel, welche zwischen Stuhlständer und Sparren sitzen. Und zwar dürfte dies im Zusammenhang mit dem Aufrichtevorgang stehen: zuerst wurde der liegende/stehende Stuhl aufgerichtet, und anschliessend die Sparren und Kehlbalken aufgelegt. Erst am Schluss wurden dann die Giebelwände fertiggestellt, und so konnten die Riegel an einem Ende eingesteckt und am anderen Ende eingeklappt werden. Die Blattverbindung hat sich an diesem Detail im Dachbereich m.E. am längsten gehalten. Bei einem Vollgeschoss war dieses "Einklappen-können" nicht notwendig, da hier Wand um Wand zusammengefügt wurde.

    Zitat von baukunst-nbg

    Ich könnte mir auch insgesamt sehr gut einen älteren Kern als 1489 vorstellen (das Pilatushaus aus dem gleichen Jahr zeigt auch die Fenstererker), z. B. aus dem 14. Jh. ...
    EDIT 3: ...


    Diese Möglichkeit habe ich bewusst offen gehalten, bis ich andere Vergleichsbeispiele genauer betrachtet haben werde. Insbesondere die sehr breiten Fussbänder am 1. Obergeschoss wirken doch sehr archaisch! Ich tendiere nun aber eher zur Arbeitshypothese, dass das 1. bis 3. Obergeschoss samt der Fenstererker aus einem Guss um 1489 entstanden sind (kennt sich jemand in den Steinprofilierungen aus? Ist das Erdgeschoss in der Form, wie es bis zum Untergang des Grolandhauses bestanden hatte, für 1489 möglich? Oder muss man sich für den Kernbau allenfalls auch ein Erdgeschoss aus Fachwerk vorstellen?). Zu dieser Hypothese bin ich nach dem Betrachten des Hauses an der Ecke Waaggasse 11/Winklerstrasse gekommen. Auch dieses Haus verdiente eine sehr ausführliche Beschreibung! Ich werde heute Abend wahrscheinlich darauf zurückkommen, aber nicht mehr in der ausführlichen Form wie beim Grolandhaus. Meinen Gedankengang möchte ich aber trotzdem schon jetzt preisgeben:

    MI02570b09b.jpg
    Waaggasse 11/Winklerstrasse. Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Dieses Gebäude weist nämlich auch diese breiten Fussbänder auf, und zwar an allen drei Obergeschossen, wo Fenstererker sitzen. Die Fenstererker im 1. und 3. Obergeschoss haben die für die Gotik typischen Auskehlungen in den Brustriegel, wie ich sie auch am Grolandhaus anstelle der profilierten Brustriegel erwarten würde. Die Brustriegel sitzen auf gedrechseltförmigen Konsolen, wie sie auch am Grolandhaus wiederum vorkommen! - Ein sehr spannend werdender Vergleich! - Der Fenstererker im 2. Obergeschoss dürfte später eingefügt worden sein, und zwar unterscheidet sich dieser in der Form der Konsolen und des Brustriegels von den ersten beiden. Auch die Wandverstrebung ist hier anders gelöst.
    Fazit: ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Haus aus dem 14. Jahrhundert stammen könnte, trotz der auch hier archaisch anmutenden Fussbänder! Hingegen habe ich den Eindruck, dass die gesamte Fachwerkkonstruktion in dieser Form zusammen mit den Fenstererkern im 1. und 3. Obergeschoss konzipiert worden ist.

    Zum Pilatushaus: seine Fassaden sind im 18./19. Jahrhundert sehr stark verändert worden, aber vielleicht erkennt man von aussen in den Ständern noch Spuren des ursprünglichen Zustandes. Dieses Haus wird beim Besuch in Nürnberg sicher auch meinem Röntgen-Blick unterworfen werden... Von ihm habe ich noch eine interessante Aufnahme im verputzten Zustand gefunden:

    MI12954g02b.jpg
    Pilatushaus (links) im verputzten Zustand.

    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Auf Bodenhöhe zwischen dem 2. und 3. Obergeschoss ist ein Vorsprung erkennbar. Das 3. Obergeschoss kragt aber nicht aus, wie man auf dem nachstehenden Photo nach der Freilegung des Fachwerks sehen kann. Nur der Fenstererker steht vor. Der Schattenwurf an den Stürzen der drei Giebelfenster ist aber grösser als bei den unteren, und es fehlt auch der Dachvorsprung. Vor dem Verputzen des Fachwerks wurden zuerst die Brüstungspartie unterhalb der Fenstererker sowie das ganze Giebeldreieck mit Backsteinen vorgemauert. Diese Vormauerungen sind heute wieder entfernt. Die Folge ist aber, dass der umlaufende Fenstererker heute wahrscheinlich nicht mehr in der ursprünglichen Form besteht (fehlende Konsolen und oberer Abschluss) und deshalb nicht mehr im Detail mit jenem am Grolandhaus verglichen werden kann.

    MI07686f09b.jpg
    Pilatushaus. Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Das Giebeldreieck zeigt in der Tat ein verwandtes Fachwerk mit jenem im Giebel des Grolandhauses. Somit hätten wir mit 1596 ein erstes mögliches Datum für diese Verstrebungsart, wenn man die Denkmalliste zu Hilfe nimmt (Haus Nr. 66 1489 (dendro.dat.) erbaut, Giebel bzw. Giebelgeschoss wohl nach 1596 (dendro.dat.) verändert). Es gibt aber noch zwei Details am Giebeldreieck festzuhalten: das 1. Dachgeschoss besteht aus einem liegenden Stuhl, denn in der Giebelwand sind liegende Stuhlsäulen erkennbar. Eigentümlich, und nicht zur Verstrebungsart mit Fuss- und Kopfstreben passend, sind die beiden die äusseren Pfosten kreuzenden wandhohen Bänder (oder Streben) im 2. Dachgeschoss. Diese Verstrebungsart passt eher zu stehenden Dachstühlen, und diese wiederum in die Zeit der Errichtung des Pilatushauses 1489.

    Was könnte nun der Grund für den Ersatz eines lediglich gut hundert Jahre alten Dachstuhls gewesen sein? Oder war es nur ein Umbau des ursprünglichen Dachstuhls? Von einem Raumgewinn gehe ich nicht aus, da auch für 1489 mit derselben Dachneigung gerechnet werden kann. In Frage käme aber ein Brand. Eine weitere Möglichkeit wäre noch die Entwicklung vom stehenden Stuhl zum liegenden Stuhl während dieser Zeitspanne. Ein liegender Stuhl ist technisch anspruchsvoller, aber im Gegensatz zum stehenden Stuhl bot er einen stützen- und schwellenfreien Dachraum, was der Lagerhaltung wiederum zu Gute kam. Dies könnte den Umbau des Dachstuhls veranlasst haben, und die beiden relativ nahe beieinander liegenden Dendrodaten sowie die beiden Verstrebungsformen an der Giebelwand erklären, wenn man das Haus nur von aussen zu Gesicht bekommt, nicht aber von innen.

    Zitat von baukunst-nbg

    Ganz unsystematisch, weil wir ja erst sammeln, aber doch mit einem Bezug zum eben Gesagten, werfe ich folgendes Bild hinein, es ist das z. Zt. in Restauration befindliche Haus Weißgerbergasse 10:
    [...]
    Interessant ist dabei, daß die oberen Geschosse nach dem, was ich von Dir eben gelernt habe, eher das altertümlichere Fachwerk zeigen als das 1. OG. Oder habe ich da etwas verwechselt?


    Wie Du ja nachher selber noch nachgelesen hast, ist es in der Tat so. Auf dem Bild sieht man übrigens zwei solche wandhohen Bänder im Dachgeschoss, wie ich sie eben beim Pilatushaus beschrieben habe. Der Fachbegriff ist "Steigband".

    Auf diese Fassade sollten wir einmal zu sprechen kommen; hier wird rekonstruiert, aber gleichzeitig wird hier auch nicht rekonstruiert, weil einfach viele Befunde fehlen. Insofern wird hier auch der Zustand von 1728 nicht rekonstruiert... sondern ein Zustand geschaffen, wie er nie existiert hatte.

    Zitat von baukunst-nbg

    EDIT 2: Zu der "Ruine" in den 60er Jahren (das Foto hat mein Vater gemacht) möchte ich bezweifeln, daß es sich um das EG des Grolandhauses handelte. Es sieht eher wie eine Ziegelstein-Baracke aus, vielleicht ist diese kurz nach der Zerstörung errichtet worden und bald wieder aufgegeben worden, so daß ca. 1963 schon wieder Bäume drin wuchsen?


    Der Standort stimmt aber exakt mit jenem des Grolandhauses überein, und auch der tiefer liegende Vorplatz ist noch vorhanden. Um eine geschlossene Ziegelstein-Baracke handelt es sich wohl nicht, da keine rechte Seitenwand (gegenüber dem Wohnblock) existiert. Ich glaube nicht, dass diese durch das Gebüsch verdeckt wird. Zudem glaube ich, gegen die Tetzelgasse noch die Trittstufe zum Laden zu erkennen. Und ist es nicht möglich, mit der Lupe im Mauerwerk die zugemauerten Bögen zu erkennen? Soweit ich auf den Bildschirmpixeln erkennen kann, sieht man Strukturen im Mauerwerk. Die im Schatten liegende Mauer wäre dann der Rest der Nordostwand mit dem Schaufenster bis und mit Türleibung der rechten Türe; die Türöffnung selbst ist eingestürzt.
    Ist es möglich, dass man diese Ruine für eine allfällige Wiedererrichtung des Grolandhauses eine Zeit lang noch stehen liess und sicherte? Immerhin wurde das Grolandhaus schon früher als eine wertvolle Holzkonstruktion und als pittoresker Blickfang angesehen. Du wirst doch sicher noch Zugang zur Originalfotografie haben... :wink:


  • Zu einem Bild habe ich noch eine Bemerkung:

    Bild 25 "Tucherhaus": hier sind mir die beiden Bauten links wegen den Fenstererkern aufgefallen. Wie man nun auf maps.live sehen kann, steht heute anstelle dieser Häuser teilweise ein historisierender Nachkriegsbau mit Fachwerk, welcher nichts mehr mit den ursprünglichen Häuschen gemein hat, und teils beansprucht die Querstrasse Treibberg ihre ehemalige Grundfläche.

    Wenn mir jemand der Nürnberger aber eine zusätzliche Freude bereiten möchte, so wäre das eine aktuelle Aufnahme (oder Teilaufnahmen) des Hauses Albrecht-Dürer-Str. 24, auf denen man Details des Fachwerks und der Fenstererker erkennen kann:

    MI02564e01b.jpg 4
    Albrecht-Dürer-Strasse. (Quelle: bildindex.de)

    Es handelt sich um das stehengebliebene Haus rechts im Bild, und wie ich auf maps.life feststellen konnte, existiert dieses Haus heute noch, sogar mit freigelegtem Fachwerk. Gemäss Denkmalverzeichnis ist es um 1570 errichtet worden. Für die baugeschichtliche Forschung ist dies eine sehr interessante Aufnahme!

    Die beiden Häuser links aussen existieren heute auch noch, nur das dritte ist leider abgebrochen worden, obwohl vom Erd- und 1. Obergeschoss knapp die Hälfte, vom 2. Obergeschoss etwa ein Drittel, und vom Dachgeschoss überhaupt nichts zerstört war. Die Häuser in der Baulücke hatten wohl das Pech, aus Sandstein gebaut gewesen zu sein, und gaben den Druckwellen der Sprengbomben nach, im Gegensatz zu den aus Fachwerk bestehenden Bauten. Nur so kann ich mir den Widerstand des allein da stehenden Hauses Nr. 24 erklären.


  • Waaggasse 11, Eckhaus zur Winklerstrasse


    Irgendwie übt dieses Haus eine besondere Ausstrahlung auf mich aus, wenn ich die historischen Photos der Nürnberger Bauten betrachte. Dies erging auch baukunst-nbg schon so, wenn er schreibt "Das fantastische Haus Waaggasse - vom Aussehen, von der Lage, von seiner Wirkung - ist mir auch schon immer aufgefallen, weil es insgesamt sehr stimmig wirkt (aufgrund der Fenster fast ein wenig "englisch", abgesehen vom Fachwerk)". Seine Grösse wird es kaum ausmachen, da das Haus von einigen grösseren Steinbauten in dieser Hinsicht noch übertroffen wird, aber es erhielt eine gewisse Dominanz durch die Eckposition, und diese wurde durch Fenstererker an allen drei Obergeschossen noch unterstrichen. Die unregelmässig angeordneten Fenster gaben dem Haus, wie schon beim Grolandhaus, ein urtümliches Aussehen:

    MI02570b09b.jpg
    Waaggasse 11 von Nordwesten.

    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    Die (scheinbare) Unversehrtheit des Fachwerks, eine andere Verstrebungsform sowie die unterschiedlich ausgebildeten Fenstererker veranlassen mich, auch dieses Fachwerk genauer zu beschreiben. Im vorletzten Beitrag von mir wies ich bereits auf dieses Haus hin, da es einige gemeinsame Merkmale mit dem Grolandhaus hatte.

    Um mir die Beschreibung zu erleichtern, entzerrte ich zuerst das Bild aus dem Bildindex. Das Verhältnis von Höhe zu Breite schätzte ich nur mittels Vergleich der Fensterformate mit denen anderer Gebäude. Eine perspektivische Entzerrung bedeutet lediglich die Entfernung der 3. Dimension. Da die Fenstererker 10 - 15 cm vorstehen, müssten diese also in einem weiteren Schritt noch ein bisschen verkleinert und nach links/rechts resp. noch nach unten verschoben werden. Diese Genauigkeit wäre aber nur erforderlich, wenn man einen Fassadenplan davon zeichnen wollte; hier aber möchte ich lediglich die Verstrebungen besser erkennen können, und die Verschiebung der Fenstererker gegenüber der Wandfläche muss man einfach im Auge behalten!

    waagg11entz_klein.jpg
    Waaggasse 11. Entzerrung des Bildes oben mit Giebelwand gegen Norden und Traufseitenwand gegen Westen. Vergrösserung


    Die Beschreibung erfolgt jetzt versuchsweise mal in Stichworten:


    Erdgeschoss:
    - Sandstein
    - Balkenlage auf Schwelle aufliegend, nicht direkt auf Mauerwerk
    - Balkenlage in undefinierbarer Richtung, einseitig mit Stichbalken
    - Balkenlage ohne Berücksichtigung der Pfostenstellung des 1. Obergeschosses


    1. Obergeschoss:
    - unregelmässige Pfostenstellung, Wiedergabe der inneren Raumaufteilung
    - Verstrebung mit sehr breiten, aufgeblatteten Fussbändern (die Mauerwerkszwickel sind in Balkenfarbe gestrichen!)
    - Verstrebung mit Kopfbändern ungewiss, da solche durch die Vormauerungen der Fenstererker verdeckt wären
    - Fenstererker traufseitig nur bei Eckstube, giebelseitig über alle drei Räume verlaufend (!)
    - Brustriegel der Fenstererker "in gotischer Manier" ausgekehlt, auf "gedrechselten" Konsolen abgestützt (nur traufseitig erkennbar)
    - Sturzriegel der Fenstererker mit Überdachung, ob mit profiliertem oder geschnitztem Abschluss ungewiss
    - Fensterpfosten sehr schlank
    - Deckenbalkenlage unbestimmt, Verlauf wahrscheinlich parallel zur Traufe (s. Sturz über vierteiligem Fenster rechts)
    - grosser Fenstererker (Chörlein) wohl spätere Zutat


    2. Obergeschoss:
    - unregelmässige Pfostenstellung ohne Berücksichtigung der Struktur im 1. Obergeschoss (s. Durchbiegung über der Flurzone!), Wiedergabe der inneren Raumaufteilung
    - Fenstererker nur bei Eckstube und mittlerem, giebelseitigem Raum
    - Verstrebung links mit 4/5-wandhohen Fusstreben und über dem Brustriegel ansetzenden Kopfstreben, überkreuzt, Verbindungen ungewiss, Rest eines Sturzriegels?, Brustriegelkette durchgehend, auch zwischen Pfosten und Fusstreben, Wandpartie scheinbar gestört
    - Verstrebung Mittelraum mit sehr breiten, aufgeblatteten Fussbändern wie im 1. Obergeschoss, Kopfbänder ungewiss
    - Verstrebung Eckstube mit fast bis ganz wandhohen, aufgeblatteten Fusstreben, deren obere Hälften wohl durch die Vormauerungen der Fenstererker verdeckt sind (um Brüstungsstreben wird es sich kaum handeln, da solche in dieser Form wie die Brüstungspfosten wohl eingezapft wären), Kopfstreben ungewiss
    - Verstrebung rechts nicht vorhanden
    - Fenstererker Mittelraum mit "in gotischer Manier" ausgekehltem Brustriegel, darunter eigenartige Pföstchenstellung aus schlanken Hölzern
    - Fenstererker Eckstube mit bis an die Enden hinauslaufender Profilierung (?), auf geschnitzten Konsolen abgestützt
    - Überdachung der Fenstererker im Detail nicht erkennbar, aber giebelseitig auch den linken Raum ohne Fenstererker einnehmend, das ganze in Form eines Wetterdächleins
    - Fensterpfosten sehr schlank
    - Deckenbalkenlage unbestimmt, Verlauf wahrscheinlich parallel zur Traufe (s. Sturz über vierteiligem Fenster rechts)


    3. Obergeschoss:
    - unregelmässige Pfostenstellung ohne Berücksichtigung der Struktur im 2. Obergeschoss, Wiedergabe der inneren Raumaufteilung
    - Fenstererker nur bei Eckstube
    - Verstrebung links und giebelseitiger Mittelraum mit fast bis ganz wandhohen Fusstreben und über dem Brustriegel ansetzenden Kopfstreben, überkreuzt, Verbindungen ungewiss
    - Verstrebung Eckstube mit sehr breiten, aufgeblatteten Fussbändern wie im 1. Obergeschoss, Kopfbänder ungewiss
    - Verstrebung traufseitiger Mittelraum und rechts mit fast bis ganz wandhohen Fusstreben und über dem Brustriegel ansetzenden Kopfstreben, überkreuzt, Verbindungen und Überschneidung mit Brustriegel ungewiss
    - Brustriegelkette durchgehend, auch zwischen Pfosten und Fusstreben
    - Fenstererker Eckstube mit "in gotischer Manier" ausgekehlten Brustriegel, auf "gedrechselten" Konsolen abgestützt (nur traufseitig erkennbar)
    - Überdachung des Fenstererkers im Detail nicht erkennbar, aber giebelseitig auch die linken Räume ohne Fenstererker einnehmend, das ganze in Form eines Wetterdächleins
    - Fensterpfosten sehr schlank
    - Deckenbalkenlage unbestimmt, Verlauf zur Aufnahme der Sparren wahrscheinlich quer zur Traufe


    1. Dachgeschoss:
    - liegender Dachstuhl mit Spannriegel, welcher mit einem Abstand unterhalb des Kehlbalkens liegt
    - Verbindung der zugehörigen Streben ungewiss, jedenfalls Überschneidung des Spannriegels
    - Bundpfosten ohne Berücksichtigung des Mittelunterzuges
    - Wandverstrebung mittels 2/3-wandhohen Fusstreben, Verbindung ungewiss, jedenfalls Überschneidung der Brustriegel, Kopfstreben zwischen Pfosten oder Fusstreben und Kehlbalken, Verbindung ungewiss, jedenfalls Überschneidung des Spannriegels
    - die mittleren beiden Kopfstreben laufen als Schwerter bis ins 2. Dachgeschoss durch, unter Überschneidung des Kehlbalkens und Spannriegels
    - Brustriegelkette durchgehend, auch zwischen Pfosten und Fusstreben
    - keine Fensterpfosten


    2. Dachgeschoss:
    - liegender Dachstuhl mit Spannriegel, welcher mit einem Abstand unterhalb des Kehlbalkens liegt; Verbindung der zugehörigen Streben ungewiss, jedenfalls Überschneidung des Spannriegels
    - Bundpfosten ohne Berücksichtigung des darunterliegenden Mittelunterzuges
    - Wandverstrebung mittels den ins 1. Dachgeschoss hinunterreichenden Schwertern in der Funktion als 2/3-wandhohe Fusstreben, Verbindung ungewiss, Kopfstreben zwischen Fusstreben (Schwerter) und Kehlbalken, Verbindung ungewiss, jedenfalls Überschneidung des Spannriegels
    - Brustriegelkette durchgehend, auch zwischen Pfosten und Fusstreben
    - keine Fensterpfosten


    3. Dachgeschoss:
    - Wandabschluss mittels Pfosten, welcher bis zum Hahnenbalken reicht
    - Wandverstrebung mittels Fusstreben, Verbindung ungewiss, Kopfstreben zwischen Pfosten oder Fusstreben und Sparren, Verbindung ungewiss, jedenfalls Überschneidung des Hahnenbalkens


    Bauweise:

    Jedes Geschoss ist in sich abgezimmert, mit Ausnahme zweier geschossübergreifender Schwerter im Giebeldreieck. Die weit auseinander liegenden Pfosten und die Verstrebung mit Fussbändern sind augenfällige Merkmale der alemannischen Fachwerkbauweise. Optisch dominiert die Horizontale.


    Verstrebung:

    Es kommen zwei grundsätzlich verschiedene Verstrebungsformen am Haus vor:

    a) aufgeblattete Fussbänder: Am 1. Obergeschoss werden die Fassaden nur von sehr breiten, aufgeblatteten Fussbändern ausgesteifft. Ob auch Kopfbänder vorhanden waren, kann anhand der Photos nicht bestimmt werden. Breite Fussbänder kommen auch am 2. und 3. Obergeschoss vor, aber nur unterhalb der Fenstererker, und bei diesen wiederum nur bei jenen mit ausgekehltem Brustriegel. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass aufgeblattete Fussbänder immer in Fassadenpartien mit Fenstererker angeordnet sind, mit Ausnahme beim Eck-Fenstererker im 2. Obergeschoss.

    b) überkreuzte Strebenpaare: Am 2. und 3. Obergeschoss gibt es überkreuzte Strebenpaare aus fast geschosshohen Fusstreben und unmittelbar über dem Brustriegel ansetzenden Kopfstreben. Die Verbindungsart, angeblattet oder eingezapft, ist noch nicht klar. Einzig beim Fenstererker der Eckstube sind die Fusstreben eindeutig in die Schwelle aufgeblattet. Im Giebeldreieck gibt es ebenfalls überkreuzte Strebenpaare, wovon diejenigen des 1. und 2. Dachgeschosses durch Schwerter verbunden sind. Die Kopfstreben setzen vermutlich erst an den Fusstreben an und nicht an den Pfosten. Die Verbindungsart ist auch hier nicht klar, auch wenn Schwerter im Allgemeinen die Blattverbindung voraussetzen.
    Die Überkreuzung von Fuss- und Kopfstreben ist eigentlich typisch für das hessisch-fränkische Fachwerk, und konnte in Nürnberg bisher nur an diesem Haus nachgewiesen werden. Trotzdem könnte diese bisher erst einmalig belegte Verstrebung ein Bindglied zwischen den beiden am Grolandhaus beobachteten Verstrebungen bilden.


    Fenstererker:

    Fenstererker gibt es an allen drei Geschossen, und jeweils immer am Eckraum, am ganzen 1. Obergeschoss giebelseitig sowie in der Mitte des 2. Obergeschosses giebelseitig. Mit Ausnahme des Eck-Fenstererkers am 2. Obergeschoss sind die Brustriegel alle ausgekehlt, mit einer Nase als Übergang zum rechteckigen Balkenquerschnitt gegen die Enden. Dies ist eine Verzierungsart, welche bis in 16. Jahrhundert vor kam (deshalb meine Formulierung "in gotischer Manier"). Die Brustriegel sind, wie man nur auf der besonnten Seite sehen kann, auf "gedrechselten" Konsölchen abgestützt, wie schon beim Grolandhaus. Im Unterschied zum letzteren sitzen an der Ecke zwei Konsölchen, und nicht nur eines übereck. Die Erkerdächlein sind giebelseitig über die ganze Fassadenbreite gezogen, wie beim Grolandhaus beim 3. Obergeschoss.

    Der Eck-Fenstererker am 2. Obergeschoss zeigt andere Gestaltungsmerkmale. Der Brustriegel ist auf der ganzen Breite profiliert, und die Konsölchen darunter sind anders geschnitzt. Zudem sitzen an den Brüstungen nicht Fussbänder, sondern fast bis ganz wandhohe, aufgeblattete Streben. Ob dieser Fenstererker der unterschiedlichen Gestaltung wegen eine spätere Zutat ist, bleibt vorderhand dahingestellt. Eine andersartige Gestaltung könnte ja auch eine Betonung desselben bedeuten. Eigenartig wäre dann aber die benachbarte Anlage des Fenstererkers unmittelbar links daneben "in gotischer Manier".

    Die Anlage des Fenstererkers am Mittelraum im 2. Obergeschoss ist eigenartig. Mit seinen Gestaltungsmerkmalen dürfte er aber zum ursprünglichen Bestand gehören. Solange wir über die Grundrissorganisation des Hauses nichts wissen, können nur Mutmassungen angestellt werden. Lag dahinter eine im Winter leichter beheizbare "Winterstube"? Das 1. Obergeschoss hatte vom Boden (Erdgeschoss) her kalt, das 3. Obergeschoss vom Dachraum her. Das 2.Obergeschoss hatte somit am meisten Wärme, und zudem wurde der Mittelraum seitlich von zwei Räumen eingefasst.


    Fensteranordnung:

    Ob die Fensteranordnung noch komplett dem ursprünglichen Zustand entspricht, bleibt dahingestellt. Unbedeutende Verschiebungen und Vergrösserungen können beobachtet werden.


    Dachstuhl:

    Es bestehen zwei liegende Dachstühle übereinander. Auf Grund der Verstrebungen in der Giebelwand setze ich den Dachstuhl zeitgleich mit den Obergeschossen. Liegende Dachstühle sind eine Weiterentwicklung der stehenden Dachstühle, und sind daher tendenziell jünger. Sie setzen sich vor allem im 16. Jahrhundert durch.


    Fazit:

    Vor zwei Tagen habe ich einen ersten Vergleich von Waaggasse 11 mit dem Grolandhaus gewagt:

    Zitat

    Dieses Gebäude weist nämlich auch diese breiten Fussbänder auf, und zwar an allen drei Obergeschossen, wo Fenstererker sitzen. Die Fenstererker im 1. und 3. Obergeschoss haben die für die Gotik typischen Auskehlungen in den Brustriegel, wie ich sie auch am Grolandhaus anstelle der profilierten Brustriegel erwarten würde. Die Brustriegel sitzen auf gedrechseltförmigen Konsolen, wie sie auch am Grolandhaus wiederum vorkommen! - Ein sehr spannend werdender Vergleich! - Der Fenstererker im 2. Obergeschoss dürfte später eingefügt worden sein, und zwar unterscheidet sich dieser in der Form der Konsolen und des Brustriegels von den ersten beiden. Auch die Wandverstrebung ist hier anders gelöst.
    Fazit: ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Haus aus dem 14. Jahrhundert stammen könnte, trotz der auch hier archaisch anmutenden Fussbänder! Hingegen habe ich den Eindruck, dass die gesamte Fachwerkkonstruktion in dieser Form zusammen mit den Fenstererkern im 1. und 3. Obergeschoss konzipiert worden ist.

    Diese Meinung vertrete ich auch noch heute. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass dieses Gebäude auf Grund der Verstrebungsart mit überkreuzten Fuss- und Kopfstreben bisher ein Sonderfall in Nürnberg darstellt. Als Arbeitshypothese nehme ich eine Errichtungszeit in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts an. Dazu veranlassten mich die Gestaltungsmerkmale der Fenstererker mit gotischen Profilen, aber renaissançehafter horizontaler Betonung, die Art der Verstrebung mit Fussbändern (15. Jh.) und überkreuzten Streben (im hessisch-fränkischen Fachwerk 15./16. Jh.), der liegende Dachstuhl (16. Jh.) sowie allgemein die Betonung der horizontalen Linien, wie sie der Renaissance eigen ist.

  • Ich habe noch eine weitere Erkenntnis zu Waaggasse 11, und zwar diejenige, dass sich hinter den Brüstungen unter den ursprünglichen Fenstererkern nicht Mauerwerk, sondern eingeschobene Bohlen befinden könnten (nicht Blockbau!). Bei den Räumen hinter den Fenstererkern dürfte es sich um heizbare Stuben gehandelt haben. Bohlen isolierten besser gegen die Kälte, und um das einheitliche Bild der Fachwerkfassade zu wahren, wurden diese mit Tonplatten zugedeckt und wie die restlichen Mauergefache verputzt. Es fällt nämlich auf, dass die Pföstchen in diesen Brüstungen sehr schlank und sparsam eingesetzt sind, und in Wahrheit nur "echte" Pföstchen vortäuschen sollten (siehe dazu auch meine Bemerkung beim 2. Obergeschoss "- Fenstererker Mittelraum mit "in gotischer Manier" ausgekehltem Brustriegel, darunter eigenartige Pföstchenstellung aus schlanken Hölzern").

    Ich wollte dies an Vergleichsbeispielen aus St. Gallen demonstrieren, aber gleich zu Beginn der Phototour ereilte mich ein Missgeschick... Stattdessen verweise ich nochmals auf den Link zu Geislingen, wo ich ein Bild des Hauses Schwertgasse 23 in St. Gallen kurz kommentierte, und auf St. Gallen (2. Bild), welcher das Haus nach der Restaurierung zeigt. Dies ist bei uns kein Einzelfall, sondern die Regel im 15. und frühen 16. Jahrhundert (es lohnt sich, die beiden Bilder herauszukopieren und dann nebeneinander zu vergleichen). Ich hoffe, der Vergleich mit Waaggasse 11 kommt rüber...

  • Dann versuche ich jetzt einhändig doch noch einige fehlende Kommentare zu ergänzen, damit Du deine Liste vervollständigen kannst. Meinen ersten Beitrag werde ich schon noch editieren, z.B. in Form eines Inhaltsverzeichnisses. Es hat dann die Folge, dass ich dieses immer wieder nachführen muss, egal von wem neue, hausspezifische Beiträge stammen.


    Die Links zu lifesearch sind nicht mehr gültig!


    Bild 27:
    Neutormauer (nicht Kappengasse!), nichts mehr vorhanden

    Dem Gefälle der Stadtmauer nach kann dies nur bei Neutormauer sein (Blickrichtung Süd), also viel weiter nördlich als die Kappengasse. Denn nur hier gibt es einen abgetreppten Wehrgang mit linksseitiger Gasse. Man erkennt im Hintergrund einen Wehrturm mit Pyramidendach, und oberhalb des Wehrgangaufstiegs einen Erker. Das Haus in der Strassengabelung (mit einem verschalten Schwebegiebel?) stand demnach genau an der Stelle der parkierten Autos rechts von der Bezeichnung "Neutormauer" in
    livesearch.locallive?cp=49.45568142586512~11.071489150989692&scene=10935049&style=b&lvl=2,
    wenn man die Beschriftung dazuschaltet


    Bild 32:
    Ecke Untere/Obere Krämersgasse (Untere Krämersgasse 18 )
    Fachwerk heute freigelegt, Ansicht gegen Osten
    livesearch.locallive?cp=49.45688216660753~11.076719768280839&scene=10935050&style=b&lvl=2


    Bild 50:
    Korrektur gemäss Norimbergus (siehe übernächsten Beitrag); das kursiv Geschriebene in Klammern demnach ungültig!
    (Sofern es sich tatsächlich um die Pfeifergasse handelt, dann kann es nur die Ecke Pfeifergasse/Färberstrasse sein (Nordseite des östlichen Teils der Gasse). Der westliche Teil der Gasse weist fast durchgehend historische Bausubstanz auf. Im Bild macht die Gasse eine ganz leichte Krümmung nach links; heute verläuft die Gasse gerade, und könnte begradigt worden sein)
    livesearch.locallive?cp=49.44794833943479~11.071519274446501&scene=10935754&style=b&lvl=2


    Bild 51:
    nicht gefunden, wahrscheinlich einst auch im östlichen Bereich der Gasse, sofern die Bildbezeichnung stimmt


    Bild 52:
    Korrektur gemäss Norimbergus (siehe übernächsten Beitrag); das kursiv Geschriebene in Klammern demnach ungültig!
    livesearch.locallive?cp=49.457307598706876~11.078300015196561&scene=10935029&style=b&lvl=2
    (Könnte es sich beim dreigeschossigen Haus mit dem Chörlein (gegenüber dem Brunnengässchen) um den linken, östlichen Rest des dunkeln Hauses in der Mitte von Bild 52 handeln? Auf beiden Bildern hat die Fassade einen leichten Knick; dann wäre das Chörlein nachträglich angefügt worden), und auf dem Bild müsste es heissen "Ansicht nach Westen, und nicht "von Westen"


    Bild 55b:
    Ist evtl. die Gassenausweitung vor dem Fachwerkhaus identisch mit jener auf maps.live mit den beiden weissen Sonnenschirmen?
    livesearch.locallive?cp=49.4569853764842~11.07983038556904&scene=10935122&style=b&lvl=2

    Bild 58:
    auf der rechten Seite Totalverlust (Blickrichtung Süd)
    livesearch.locallive?cp=49.456250561668384~11.076740015194417&scene=10935050&style=b&lvl=2


    Bild 59:
    Totalverlust (Blickrichtung Süd)
    livesearch.locallive?cp=49.456774018459214~11.076239274453002&scene=10935044&style=b&lvl=2


    Bild 61:
    Ich vermute, dass hier nicht einmal mehr der Strassenverlauf existiert, infolge dieses quadratischen, einen Hof umschliessenden Gebäudes (Blickrichtung Süd)
    livesearch.locallive?cp=49.45655821598979~11.082916311499218&scene=10935122&style=b&lvl=2


    Bild 62:
    Irrerstrasse Blickrichtung Osten. Demnach wäre das rechts ganz knapp angeschnittene Gebäude die Irrerstr. 1! Das Fachwerkhaus und die beiden folgenden Häuser zerstört, das Haus mit dem Chörlein noch bestehend
    livesearch.locallive?cp=49.45561056166753~11.073488163338112&scene=10935049&style=b&lvl=2


    Bild 66:
    Das Fachwerkhaus ist identisch mit jenem auf Bild 65


    Edit.: die Links von maps.live haben geändert und werden hier nicht mehr nachgeführt.


    Zitat von Riegel

    Bild 27:
    Neutormauer (nicht Kappengasse!), nichts mehr vorhanden

    Dem Gefälle der Stadtmauer nach kann dies nur bei Neutormauer sein (Blickrichtung Süd), also viel weiter nördlich als die Kappengasse. Denn nur hier gibt es einen abgetreppten Wehrgang mit linksseitiger Gasse. Man erkennt im Hintergrund einen Wehrturm mit Pyramidendach, und oberhalb des Wehrgangaufstiegs einen Erker. Das Haus in der Strassengabelung (mit einem verschalten Schwebegiebel?) stand demnach genau an der Stelle der parkierten Autos rechts von der Bezeichnung "Neutormauer" in
    maps.live.de/LiveSearch.LocalL…ne=10935049&style=b&lvl=2,
    wenn man die Beschriftung dazuschaltet

    Zitat von Norimbergus

    Völlig korrekt erkannt. An dieser Stelle gab es früher eine Straßengabelung. Der für Nürnberg, insbesondere für die Altstadt, untypische Gründerzeitler links im Vordergrund steht noch und ist bei maps.live (Blickrichtung nach Osten), obwohl größtenteils von Bäumen verdeckt, noch zu erahnen.

    Zitat von Riegel

    Bild 50:
    Sofern es sich tatsächlich um die Pfeifergasse handelt, dann kann es nur die Ecke Pfeifergasse/Färberstrasse sein (Nordseite des östlichen Teils der Gasse). Der westliche Teil der Gasse weist fast durchgehend historische Bausubstanz auf. Im Bild macht die Gasse eine ganz leichte Krümmung nach links; heute verläuft die Gasse gerade, und könnte begradigt worden sein

    livesearch.locallive?cp=49.44794833943479~11.071519274446501&scene=10935754&style=b&lvl=2\r

    maps.live.de/LiveSearch.LocalLiv ... le=b&lvl=2

    Zitat von Norimbergus

    Auf der größeren Bildansicht kann man das Straßenschild „Pfeifergasse“ am Fachwerkhaus im Vordergrund eindeutig entziffern. Demnach handelt es sich bei der im Vordergrund von links nach rechts führenden Straße um die Pfeifergasse. Der Vergleich mit dem Stadtplan von 1933 zeigt, daß es sich bei der nach hinten führenden Straße um die Zirkelschmiedsgasse handeln muß. Das Haus im Vordergrund (Pfeifergasse 4) war im Vergleich zu den anderen Häusern der Nordseite der Pfeifergasse einige Meter nach Norden verschoben, so daß sich hier ein kleiner Platz ergeben hat; heute ist dieser Platz viel größer, da die Fläche von Pfeifergasse 4 und den beiden anschließenden Häusern in der Zirkelschmiedsgasse nicht bebaut wurde (sie standen etwa dort, wo bei maps.live der Schriftzug „Maiengasse“ steht). An Stelle der weiteren dahinterliegenden Häuser steht heute die südwestliche Ecke des Parkhauses.

    Zitat von Riegel

    Bild 51:

    nicht gefunden, wahrscheinlich einst auch im östlichen Bereich der Gasse, sofern die Bildbezeichnung stimmt

    Zitat von Norimbergus

    Eine derartige Situation – man beachte den Anbau am rechten Bildrand und das sich hinter dahinter abzeichnende Gebäude – konnte ich auf dem Stadtplan von 1933 nirgends im Verlauf der Pfeifergasse finden. Angesichts der Pflasterung und Größe des Straßenraums im Vordergrund erscheint mir auch der Gedanke, daß es sich um eine Hofansicht handelt, als nicht recht plausibel.

    Zitat von Riegel

    Bild 52:

    livesearch.locallive?cp=49.457307598706876~11.078300015196561&scene=10935029&style=b&lvl=2\r

    maps.live.de/LiveSearch.LocalLiv ... le=b&lvl=2
    Könnte es sich beim dreigeschossigen Haus mit dem Chörlein (gegenüber dem Brunnengässchen) um den linken, östlichen Rest des dunkeln Hauses in der Mitte von Bild 52 handeln? Auf beiden Bildern hat die Fassade einen leichten Knick; dann wäre das Chörlein nachträglich angefügt worden, und auf dem Bild müsste es heissen "Ansicht nach Westen, und nicht "von Westen"

    Zitat von Norimbergus

    Du hast richtig erkannt, daß es „Ansicht nach Westen“ heißen muß. Allerdings befinden wir uns weiter östlich, als Du annimmst. Das Brunnengäßchen zweigt kurz vor dem Fachwerkhaus im Hintergrund ab. Dieses Haus (und zwei dahinterliegende Häuser) standen mitten in der Schildgasse, die links und rechts daran vorbeiführte. Erst dahinter kam die Burgstraße. Die Dächer der Häuser der westlichen Burgstraßenseite sind im Hintergrund zu erkennen. Diese Häusergruppe wurde wohl aus Gründen des Straßenverkehrs nicht wieder aufgebaut.

    Beim „dunklen Haus“ handelt es sich um das für die ganze Straße namengebende Haus zum Goldenen Schild, Schildgasse 23.

    Zitat von Riegel

    Bild 55b:

    Ist evtl. die Gassenausweitung vor dem Fachwerkhaus identisch mit jener auf maps.live mit den beiden weissen Sonnenschirmen?
    livesearch.locallive?cp=49.4569853764842~11.07983038556904&scene=10935122&style=b&lvl=2\r
    maps.live.de/LiveSearch.LocalLiv ... le=b&lvl=2

    Zitat von Norimbergus

    Das dürfte im wesentlichen hinkommen (einige wenige Meter Unterschied gibt es vielleicht; die Ausweitung dürfte heute auch nicht so stark ausgeprägt sein wie damals). Dort, wo sich bei maps.live gegenüber die Grünanlage befindet (inzwischen werden dort Räume für die Mittags-/Nachmittagsbetreuung am Scharrer-Gymnasium gebaut und die Grünanlage deshalb deutlich verkleinert) befand sich früher der Peststadel. Dieser ist auf Bild 55b zu erkennen (ziemlich dunkel).

    Zitat von Riegel

    Bild 61:

    Ich vermute, dass hier nicht einmal mehr der Strassenverlauf existiert, infolge dieses quadratischen, einen Hof umschliessenden Gebäudes (Blickrichtung Süd)
    livesearch.locallive?cp=49.45655821598979~11.082916311499218&scene=10935122&style=b&lvl=2\r
    maps.live.de/LiveSearch.LocalLiv ... le=b&lvl=2

    Zitat von Norimbergus

    Richtig! Vom Laufer Schlagturm her kommend ist heute nach der Meisengeige Schluß, der weitere Straßenverlauf wurde mit dem Richard-Willstätter-Gymnasium überbaut.

  • Danke für die Hinweise! Ich habe die Korrekturen im drittletzten Beitrag zu den Bildern 50 und 52 vorgenommen, und ebenso habe ich im allerersten Beitrag ein Inhaltsverzeichnis begonnen.

    Zu Bild 57 mit dem "Trödelmarkt" habe ich noch ein Bild gefunden, um diesen vielleicht noch lokalisieren zu können:

    troedelmarkt.jpg

    Es handelt sich zwar nur um einfachste Handwerkerhäuschen, aber trotzdem aus Fachwerk...

  • Trödelmarkt - ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass das eine offizielle Platzbezeichnung sein könnte...


    Gestern Abend habe ich als weitere Vorbereitung für meinen Nürnbergbesuch den Strang "Nürnbergs Wiederaufbau" durchgeackert. Dabei ist mir im Zusammenhang mit dem rechts abgebildeten Haus (mit Dacherker und Ecktürmchen) noch folgende Bildindex-Ansicht aufgefallen. Soweit ich verstanden haben, muss es sich um den Rathausplatz gehandelt haben. Befindet sich hier der Obstmarkt, und handelt es sich im Vordergrund um den Chor der Frauenkirche?

    MI02518d10b.jpg

    Vergrösserung (Quelle:bildindex.de)

  • Zitat von Brandmauer

    Zu Riegel: Nein, das Bild ist vom Nordturm der Sebalduskirche aus aufgenommen! Der Chor ist von der Moritzkapelle. Das Haus mit Ecktürmchen grenzte rechts an der Burgstraße.

    Danke, dann ist mir die Situation jetzt klar, und jetzt verstehe ich auch, weshalb das Haus rechts mit "am Rathausplatz stehend" erwähnt worden ist. Man erkennt von ihm noch zwei Geschosse des Mittelerkers. Das Fachwerkhaus stand demnach anstelle des hellen Hauses in Bildmitte von
    http://www.bing.com/maps?osid=d1d61e49-b446-4e0e-9141-6386dc9c1ea7&cp=s78cc3hxpr72&lvl=19&style=b&v=2&sv=2&form=s00027

  • Zitat von "baukunst-nbg"

    Die Sache mit den gekreuzten Streben bei Waaggasse 7 läßt mir irgendwie keine Ruhe. In einem Buch habe ich ein einziges anderes Beispiel von vor dem Kriege gefunden, und zwar auch aus der "Steppe". Ich versuche es zu scannen und wenigstens einen Ausschnitt davon zitatweise zu zeigen. Da ja die allermeisten Fachwerkhäuser zuletzt noch verputzt waren, ist es schwierig, aus dem Sichtbaren repräsentative Schlüsse zu ziehen, es gab sicher noch viel mehr Interessantes im Verborgenen.

    Aber ein besonders schönes Beispiel mit gekreuzten Streben, wenn auch nicht aus Nürnberg selbst, ist mir eingefallen: die Klostermühle in Heilsbronn, zwischen Nürnberg und Ansbach gelegen.

    Dieses Gebäude aus der Steppe würde mich natürlich sehr interessieren! Wie Du richtig schreibst, ist es schwierig, aus dem Sichtbaren repräsentative Schlüsse zu ziehen. Da aber trotzdem mindestens fünfzig Fachwerkbauten von vor dem Krieg dokumentiert sind, darf man immerhin auf eine Häufigkeit der verwendeten Verstrebungsarten schliessen. Und ein weiteres Mal habe ich die ganze Altstadt mit maps.live in allen vier Himmelsrichtungen überflogen, um wirklich möglichst alle vorhandenen Fachwerke aufzuspüren, auch jene, welche in Hinterhöfen verborgen sind. Auch da habe ich kein einziges Fachwerk mit überkreuzten Streben ausfindig gemacht!

    Das Fachwerkgeschoss der Klostermühle in Heilsbronn ist (je nach Quelle) 1515 oder 1516 aufgestockt worden, was meine Vermutung der Erbauungszeit von Waaggasse 7 in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bereits unterstützen würde.


    Zwischendurch mal eine schöne, erhaltene Seite Nürnbergs... das Bild stammt von baukunst-nbg, entnommen aus der Bilderserie am Anfang der letzten Seite, und ist wirklich Ansichtskarten-verdächtig. Nur noch ein bisschen Morgennebel hineinzaubern, einen Rahmen rundherum...
    (die Fotografen-Unterschrift zu fälschen, habe ich mich aber nicht getraut... :zwinkern: )


    postkarte.jpg
    .
    .
    .

  • Nochmal zu der wunderschönen Ansicht mit dem Chor der Moritzkapelle links, die einmal mehr zeigt, was für immer verloren ging...

    Die Aufnahme stammt nicht vom Nordturm, sondern ich würde vermuten vom äußeren Umgang des Hallenchors oberhalb der Fenster.

    ganz links angeschnitten wäre dann das Schürstabhaus. Das steinerne Traufseithaus hinter dem Chor war - wenn ich mich richtig erinnere - das ursprüngliche Goldene Posthorn, heute durch diesen breiteren Neubau ersetzt. Die Moritzkapelle wurde bei einem Volltreffer am 3.10.1944 völlig zerstört, da standen die Häuser dahinter noch, die kamen dann wohl am 2.1. dran...

  • Dötschmannsplatz 13 (Eckhaus Martin-Treu-Strasse/Leonhardsgässchen)


    Dieses Haus wies wie Waaggasse 11 noch viel ursprüngliches Fachwerk auf und ist deshalb sehr geeignet für eine weitere genaue Betrachtung eines Fachwerkhauses.

    MI07687a14b.jpg . MI02567f07b.jpg
    Vergrösserung des rechten Bildes (Quelle: bildindex.de)


    Beiträge, welche dieses Haus bereits betrafen:
    Dötschmannsplatz/Obstmarkt von baukunst-nbg
    zur Skulptur an der Hausecke von Brandmauer, und nachfolgender Beitrag.

    Wenn man die Fotos in diesen Links vergleicht, handelt es sich bei den in diesen Beiträgen erwähnten Statuen jeweils immer um verschiedene Statuen: Tucherstrasse 13 alt und neu, heutiges Eckhaus Martin-Treu-Str./Wunderburggasse, ehemaliges Eckhaus Martin-Treu-Str./Leonhardsgässchen. Ich möchte hier nicht weiter darauf eingehen, wollte das aber einfach mal festhalten.


    Lage:

    Die Lagebestimmung von Brandmauer gemäss oben stehenden Links wird kaum stimmen, viel eher jene, wie sie bereits baukunst-nbg bestimmt hat. Die Beschriftung des linken Bildes heisst denn auch "Blick vom Obstmarkt...", womit das Haus am Beginn der Martin-Treu-Strasse gestanden haben muss. Die Traufseite des Hauses zeigt zur Martin-Treu-Strasse, und die nach links abzweigende Gasse dürfte das Leonhardsgässchen sein, nach welchem sich die Giebelseite zuwendet. Da sich der Hauseingang auch hier befindet, vermute ich (ohne einen historischen Stadtplan konsultiert zu haben), dass die Adresse eher unter "Leonhardsgässchen" zu finden ist. Heutige Situation:
    http://www.bing.com/maps?osid=107b3a51-d99c-4a37-a44a-6174c2f2d495&cp=s786s2hxpys1&lvl=19&style=b&v=2&sv=2&form=s00027
    (anstelle des Baumes an der linken, unteren Ecke des Parkdecks)


    Bauweise:

    Über einem massiven Erd- und 1. Obergeschoss folgen zwei stockwerkweise abgezimmerte, unterschiedlich hohe Fachwerkgeschosse. Darüber folgt ein zweigeschossiger Dachstuhl mit Aufzugserker. Die regelmässige Anordnung der Fenster an der Traufseite sowie die einzelnen Brüstungsstreben darunter deuten auf eine Fassadenänderung im 18./19. Jahrhundert, als das Fachwerk verputzt worden war. Im Gegensatz dazu ist das Fachwerkbild der Giebelseite sehr unregelmässig, aber trotzdem nach einer gewissen Ordnung aufgebaut. Um die Eigenheiten dieses Fachwerks besser beschreiben zu können, folgt wieder eine entzerrte Ansicht. Daneben folgt eine zweite Ansicht, auf der das ursprüngliche Fachwerk farbig hervorgehoben ist und die mutmasslichen Veränderungen farblos geblieben sind:

    martintreustr.entz.jpg martintreustr.entz.kernb.jpg
    Martin-Treu-Strasse/Leonhardsgässchen. Entzerrung des Bildes oben rechts mit Giebelwand gegen Westen und Traufseitenwand gegen Süden.


    Verstrebung:

    Die dominierende Verstrebung zeigt an allen Geschossen dieselben Merkmale wie jene beim 4. Obergeschoss des Grolandhauses:

    Zitat

    Die Fusstreben sind etwa ¾-wandhoch, und in die Schwelle und Pfosten eingezapft. Die Brustriegel laufen daher nicht mehr bis zu den Pfosten durch, sondern enden an den Streben. Normalerweise wurde zwischen den Streben und den Pfosten noch ein kurzer Riegel eingesetzt, um so die Riegelkette zu vervollständigen. In Nürnberg aber fehlt dieser kurze Riegel meistens! Die Kopfstreben sind in den Rähm und in die Fusstreben eingezapft, und nicht in die Pfosten!


    Was für die Brustriegel gilt, gilt auch für die Sturzriegel.

    Eine ähnliche Verstrebung gibt es beim "Hexenhäusla" am Vestnertor, das mit 1540/41 dendro-datiert ist. Die Kopfstreben setzen hier allerdings direkt über dem Brustriegel an, was aber im Zusammenhang mit den ungewöhnlich hoch liegenden Brustriegel steht. Eine weitere Verstrebung dieses Typs gibt es an der Rückseite von Albrecht-Dürer-Str. 24, und ist mit 1570 dendro-datiert. Ich erinnere auch ans Pilatushaus, dessen Giebelwand vermutlich 1596 mit diesem Verstrebungstyp versehen worden ist. Somit haben wir erste zeitliche Hinweise, wann diese Verstrebungsart verwendet worden ist.

    Eine 1. Besonderheit zeigt aber das Haus Leonhardsgässchen/Martin-Treu-Strasse: Die Strebenpaare kommen jeweils nicht nur an den Eck- und Bundpfosten vor (Hauptverstrebung), sondern teilweise auch an den Fensterpfosten (Giebelwand 3. Obergeschoss rechts, evtl. ursprünglich auch 2. Obergeschoss links oberhalb des Erkers)! In Kombination mit einer Hauptverstrebung führte dies nun zu einer frühen Zierform, welche nicht mehr nur rein konstruktiv begründet war. Zusammen mit den kurzen Fusstreben in den Fensterbrüstungen wechseln sich die ¾-wandhohen Fusstreben in ihrer Neigung regelmässig ab. Nur am 3. Obergeschoss der Giebelwand links ist diese wechselweise Reihung unterbrochen, da dort der Brustriegel bei der Fenstervergrösserung tiefer gesetzt worden war, und eine Fusstrebe dabei wohl verlustig ging. Überhaupt fällt bei diesem Haus das Nebeneinander von ¾-wandhohen Fusstreben und kurzen eingezapften Fusstreben (in den Dimensionen von Fussbändern) auf.

    Eine 2. Besonderheit weist das 2. Obergeschoss auf: zwischen den Fusstreben und den Bund- resp. Eckständer liegt ein Riegel dazwischen, sodass hier die Riegelkette ausnahmsweise durchgehend verläuft.


    Traufseitige Fassade:

    Im 2. Obergeschoss hat ausser der Schwelle, Eckpfosten und Rähm nichts mehr vom ursprünglichen Sichtfachwerk überdauert. Die einzelnen Brüstungsstreben sind ein unverkennbares Merkmal von konstruktivem Fachwerk, mindestens in städtischem Kontext (auf dem Land wurden bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Sichtfachwerkbauten gebaut, und so kommt dort das Motiv mit einer einzelnen Brüstungsstrebe auch bei Sichtfachwerken noch vor). Im 3. Obergeschoss zählen neben dem Rahmen zusätzlich ein Bundpfosten sowie drei eingezapfte Fusstreben zum Kernbestand.

    Im 3. Obergeschoss scheint es auch ursprünglich keine ¾-wandhohen Streben gegeben zu haben, denn solche hätten trotz der Fensterumgestaltung mindestens beidseits des Bundpfostens überdauert. Dass hier nur kurze Fusstreben vorhanden waren, könnte als Ursache entweder breite Reihenfenster oder gar Fenstererker gehabt haben.

    Den Fenstern dieser Fassade wurden auch die Fenster der Giebelseite angepasst, allerdings in geringerer Anzahl, wodurch der grösste Teil des ursprünglichen Fachwerks erhalten blieb.

    Hypothese: Bei den gelb eingekreisten Stellen im Bild oben rechts könnten die Blattsassen von einstigen Kopfbändern stecken (dies müsste allerdings auf einer Originalphotographie nachgeprüft werden). Aufgeblattete Kopfbänder oder Streben finden sich sonst nirgends am Haus, und sind, wie beim Grolandhaus gesehen, eine ältere Verbindungsart. Hat sich hier evtl. eine Wand eines Vorgänger-Fachwerkgeschosses erhalten (unterschiedliche Geschosshöhen!), oder steht diese Eigenheit wiederum mit einstigen Fenstererkern in Verbindung?


    Dachstuhl:

    Gemäss den Pfosten in der Giebelwand unter den Mittelpfetten handelt es sich um einen stehenden Dachstuhl. Ich weiss aber nicht, ob in Nürnberg auch Mischformen vorkamen (d.h. stehende Binder in den Giebelwänden, liegende Binder unter den Dacherker-Seitenwänden).


    Fazit:

    Ganz markant sind am Eckhaus Martin-Treu-Strasse/Leonhardsgässchen die Strebenpaare aus ¾-wandhoher Fusstrebe und zwischen ihr und dem Rähm eingezapfter Kopfstrebe. Das Fehlen von kurzen Riegeln zwischen den Streben und den Pfosten unterbricht die normalerweise durchgehenden Riegelketten, und verleihen dem Fachwerk ein unruhiges Bild. Die gleichzeitige Verwendung von flacher geneigten, kurzen Fusstreben führt zu weiterer Unruhe, sodass das Fachwerk als unrhythmisiertes, gleichmässig über die ganze Fassade ausgebreitetes Netz erscheint. Die langen, zwischen Streben und Pfosten resp. zwischen zwei Streben eingespannten Brust- und Sturzriegel verraten die Herkunft dieses Fachwerktyps aus dem alemannischen Fachwerk.

    Zu einer Datierung des Fachwerks möchte ich mich noch nicht äussern. Wohl haben wir drei ähnliche Beispiele aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, aber ich denke, dass in Nürnberg Fachwerke mit dieser Verstrebung noch bis ins frühe 18. Jahrhundert hinein gebaut worden sind. Eine genauere Datierung dürfte möglich sein, wenn noch andere Beispiele mit folgenden Fachwerkbildern dokumentiert werden können:
    - Fuss- und Kopfstrebe an Fensterpfosten in Kombination mit Fuss- und Kopfstrebe an Eck- oder Bundpfosten
    - Fuss- und Kopfstrebe in Kombination mit kurzen Fusstreben


    P.S. Kann mir jemand die genaue, ehemalige Adresse des Hauses herausfinden?

  • Wunderburggasse 19 (Ecke zur Judengasse)


    MI02570d03b.jpg 70
    (Quelle: bildindex.de)

    Die Fassade dieses Hauses, das den Krieg ebenfalls nicht überlebt hatte (heutige Situation, viert- und fünftletztes Bild), wies ein sehr gestörtes Fachwerk auf. Deshalb figurierte es bei mir unter "ferner liefen", da ich mit einem ersten oberflächlichen Blick nichts Interessantes feststellen konnte. Doch ein genauerer Blick hinter die Fensterläden des Dachgeschosses zeigte eine Überraschung:

    Zitat von "baukunst-nbg"

    Die Sache mit den gekreuzten Streben läßt mir irgendwie keine Ruhe. In einem Buch habe ich ein einziges anderes Beispiel von vor dem Kriege gefunden, und zwar auch aus der "Steppe". Ich versuche es zu scannen und wenigstens einen Ausschnitt davon zitatweise zu zeigen.

    (bezugnehmend auf Waaggasse 11 am 4.8.2008)

    Wunderburggasse 19 zeigte im Giebelbereich ebenfalls solche überkreuzten Streben, und man kann zudem einen liegenden Dachstuhlbinder erkennen, also Beides Details, wie sie auch bei Waaggasse 11 vorhanden waren! Allerdings existierte dort ein voll ausgebildeter Giebel, und bei Wunderburggasse 19 "nur" ein Halbwalm. Auf Grund der Dachform nehme ich an, dass es ein Eckhaus war.

    @ baukunst-nbg:
    Handelt es sich bei dem von Dir gemeinten Haus evtl. um Wunderburggasse 19? Ist evtl. die Seitenfassade abgebildet? Denn an den Seitenfassaden hat sich meistens mehr ursprüngliche Bausubstanz erhalten, und so könnten sich die von Dir gemeinten überkreuzten Streben dort befunden haben.


    wunderburggasse19kl.jpg Vergrösserung
    Wunderburggasse 19, Ausschnitt aus dem Bild oben. Rechts mit Eintragung des originalen Fachwerks:
    gelb = originaler Bestand, orange = Ergänzung des mutmasslichen ursprünglichen Fachwerks.

    Die regelmässige Fensteranordnung stammte aus klassizistischer Zeit, obwohl das Haus in Analogie zu Waaggasse 11 aus dem frühen 16. Jahrhundert gestammt haben dürfte. Der Fensterumänderung war aber soviel Substanz zum Opfer gefallen, sodass vom ursprünglichen Fachwerk nur noch teilweise die Rahmen und das Giebeltrapez erhalten blieben. Das Fachwerk hätte also in dieser Form niemals freigelegt werden dürfen. Auch die sehr zerstörten Oberflächen der liegenden Balken hätten innert Kürze zu Witterungsschäden geführt.

    Wenn man nun die vergrösserte Ansicht des Bildindex-Bildes betrachtet, kann man einige Blattsassen von einst angeblatteten Fuss- und Kopfbändern erkennen, und so die ursprüngliche Tragstruktur des Fachwerks rekonstruieren. Freilich würde man auf der Orginalphotographie mehr Details erkennen können. Vorderhand möchte ich mich bei diesem Haus nur auf die wesentlichen Erkenntnisse beschränken.


    Fazit:

    - dreigeschossiges Haus mit massivem Erdgeschoss und zwei Fachwerkobergeschossen sowie Halbwalmdach
    - Aussteifung 1. Obergeschoss mit breiten, angeblatteten Fuss- und Kopfbändern
    - Aussteifung 2. Obergeschoss unklar, entweder ebenfalls mit angeblatteten Fuss- und Kopfbändern, oder mit überkreuzten Fuss- und Kopfstreben
    - Bundpfosten versetzt angeordnet
    - Aussteifung Dachgeschoss mit überkreuzten Fuss- und Kopfstreben
    - Brust- und Sturzriegelkette im Dachgeschoss durchgehend
    - liegender Dachstuhl mit Halbwalm
    >>> mindestens im Dachbereich frappante Ähnlichkeit mit Waaggasse 11!


    (Weiter zu Teil 2)

  • Prechtelsgasse 12 (Eckhaus zur Wunderburggasse)


    Ein drittes Beispiel mit überkreuzter Fuss- und Kopfstrebe:

    MI07686g03b.jpg
    Wohnhaus von Veith Stoss. Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    Es handelt sich um die leicht abgewinkelte Fassade links des Wohnhauses von Veith Stoss (mit der Nr. "7" über der Rundbogentür). Dabei ist mir nicht klar, ob es ein Teil desselben war oder ein eigenständiges Haus. Für eine Analyse gibt mir der Bildausschnitt allerdings wenig her, aber ich führe es hier wegen der gleichen Strebenanordnung wie bei Waaggasse 11 und Wunderburggasse 19 an. Ich vermute, dass die Fassade nebst einer Fensterveränderung im 18./19. Jahrhundert und anschliessendem Verputzen des Fachwerks schon früher, zur Zeit mit Sichtfachwerk, Veränderungen erfahren hatte (17. Jahrhundert?).


    martintreustr-heug.no.jpg
    Entzerrter Ausschnitt aus dem Bild oben.


    Fazit:

    Jedenfalls stelle ich mal fest:
    2. Obergeschoss
    - Fenstererker
    - in den Fensterbrüstungen unklar, ob angeblattete Fussbänder oder eingezapfte Fusstreben
    3. Obergeschoss
    - Eckverstrebung mit überkreuzter Fuss- und Kopfstrebe
    - im Brüstungsbereich unklar, ob angeblattete Fussbänder oder eingezapfte Fusstreben
    - im Sturzbereich ebenfalls.

  • Prechtelsgasse 10 (Eckhaus zur Wunderburggasse)


    MI07686g03b.jpg
    Wunderburggasse bei der bei der Einmündung der Prechtelsgasse; blick von Nord nach Süd.
    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    Es handelt sich um das Eckhaus in Bildmitte. Über einem gemauerten Erdgeschoss folgen drei Fachwerkobergeschosse und zwei Dachgeschosse. Das Fachwerk wirkt sehr unruhig, hingegen ist die Fensteranordnung ziemlich regelmässig. Offensichtlich ist auch diese Fassade nicht mehr im ursprünglichen Zustand.

    Die Giebelwand war asymmetrisch, aber wenn man genau schaut, erkennt man, dass das Dach ursprünglich symmetrisch war. Gegen die Prechtelsgasse wurde nachträglich ein 3. Obergeschoss aufgesetzt, unter Einbezug des ursprünglichen 1. Dachgeschosses. Der Randsparren in der Fassade blieb erhalten, und die Dachfläche wurde lediglich angehoben. Man sieht das auch am Knick in der Dachfläche kurz unterhalb des Firsts.


    martin-treu-str-heug.nw.jpg . martin-treu-str-heug.nw.bauphasen.jpg
    Links: entzerrter Ausschnitt; rechts: Eintragung der Bauphasen: rot = Kernbau 15./16. Jh., gelb = Aufstockung 16./17. Jh., blau = Fensterumdisponierung 18./19. Jh.


    martin-treu-str-heug.nw.jpg . martin-treu-str-heug.nw.rek.jpg
    Links: entzerrter Ausschnitt; rechts: mutmassliche Ansicht der Giebelfassade im Urzustand.


    Interessant ist dabei der Ausbruch einer Aufzugsöffnung im ursprünglichen 2. Dachgeschoss, da das 1. Dachgeschoss offenbar ganz zu Wohnzwecken ausgebaut worden war. Die Verstrebung des Fachwerks dieser Aufstockung erfolgte mit Fusstreben und in sie eingezapften Kopfstreben sowie kurzen Fusstreben in den Fensterbrüstungen, also nach dem Muster wie beim Eckhaus Dötschmannsplatz 13. Dort erkennt man in der Brüstung des Dacherkers zwei geschwungene Andreaskreuze (oder Feuerböcke), und genau gleich war die Brüstung der Aufzugsöffnung beim hier behandelten Haus ausgeführt.

    Die Verstrebung des Kernbaus erfolgte mit doppelten Fussbändern und einfachen Kopfbändern. Ich möchte diese Verstrebungsart aber mal bei einem andern Gebäude erläutern. Weiter möchte ich nur noch auf die das ursprüngliche 1. und 2. Dachgeschoss übergreifenden Schwerter hinweisen. Die Rekonstruktion der ursprünglichen Fensteranordnung habe ich aus analogen Bauten übernommen (Edit.: Die Fensterstürze sind wohl falsch rekonstruiert. Anstelle von Sturzriegeln zwischen den tragenden Pfosten muss man sich eher solche denken, die zwischen den Fensterpfosten eingespannt waren, so wie im Giebeldreieck).

  • Zitat von baukunst-nbg

    Wunderburggasse 19 war tatsächlich das Haus, das ich meinte. Die Abbildung ist in dem Buch "Nürnberger Erinnerungen", Band 3, S. 36. Dort wird aber fälschlich "Ecke Prechtelsgasse" angegeben, dabei ist es Ecke Judengasse. Die Prechtelsgasse ist die, die auf dem anderen Bild mit Nr. 7 einmündet.

    Die Seitenfassade ist tatsächlich, wenn auch im Schatten, mit zu sehen. Auch dort sind überkreuzte Streben zu erkennen, sogar in Verbindung mit doppelten Fußstreben! Leider fehlt mir gerade die Zeit um das Bild zu scannen.

    Ein weiteres Beispiel konnte ich in der Hinteren Beckschlagergasse 22, "Kaffee Sebaldus-Chörlein" ausmachen (Nürnberger Erinnerungen II S. 65).

    Dass wir beide unabhängig voneinander auf das Haus Wunderburggasse 19 gestossen sind, ist ein weiterer Hinweis, dass überkreuzte Streben in Nürnberg doch eher eine Seltenheit waren. Mit dem von Dir erwähnten Haus Beckschlagergasse 22 wären es erst vier Beispiele.

    Zitat von "baukunst-nbg"

    Auch dort (Anm.: Wunderburggasse 19) sind überkreuzte Streben zu erkennen, sogar in Verbindung mit doppelten Fußstreben!

    Hmmm... das wird mir aber langsam zuviel... ist aber theoretisch möglich! Oder kommen die überkreuzten Streben und die doppelten Fussstreben an verschiedenen Geschossen vor? Dann könnte es sich auch um eine Aufstockung handeln. An der Giebelfassade sieht man zu wenig Hinweise dazu, insbesondere beim 2. Obergeschoss. Gerade solche Hinweise wären wichtig, um die unterschiedlichen Verstrebungsformen in eine zeitliche Chronologie setzen zu können.

    Zu den Büchern "Nürnberger Erinnerungen":
    Es handelt sich ja um eine ganze Reihe mit verschiedenen Themen. Soviel ich mich erinnere, hast Du die ersten drei Bände mit je 180 Abbildungen empfohlen. Haben alle drei Bände Photos vorwiegend aus der Altstadt? Und wie steht es mit Band 4 "Nürnberg nach 1945. - Ein Bildband mit 132 Fotos aus den Jahren 1945 - 1948" aus? Gibt dieser Band auch Wesentliches zur Bauforschung in der Altstadt her?