Nürnberg - Spezielle historische Ansichten (Galerie)

  • Der Theresienplatz wäre heute einer meiner Lieblingsplätze

    No, na, Kunststück, würde man in Wien sagen...

    Obwohl die Theresienstrasse nur massvoll verbreitert wurde, ist diese Geschlossenheit heute nicht mehr vorhanden, insbesondere weil die Ostseite nur noch mit einer schmalen Giebelfassade versehen wurde.

    Solche Sätze versteh ich einfach nicht. Der heutige Platz ist doch völlig nichtig und hinsichtlich solcher Überlegungen unmaßgeblich. Warum nur einen ästhetischen Gedanken verschwenden?

    Das ist nicht einmal eine Kritik an der ART des "Wieder"aufbaus. Was soll man auch dazu sagen? Dass die "Steppe" aufgegeben worden ist, erscheint verständlich. Hier war einfach realiter nichts zu machen. Ob die Häuser jetzt aber rote Dächer und Fenster haben und aus Ziegeln oder Sandstein sind, ist doch völlig wurscht bzw von ebensolcher Bedeutung wie die Neubebauung in peripheren Stadtvierteln. Warum man sein Herz an so etwas hängt und diesen Wiederaufbau lobt, erschließt sich mir nicht. Er ist weder verachtens- noch schätzenswert, da a) offensichtlich der Not geschuldet, b) völlig belanglos.

    Nicht verachtenswert, sagte ich - was das letztliche Erscheinungsbild betrifft. Dieses war gemessen an den damaligen Bedingungen wahrscheinlich hier, in der Steppe, ziemlich unvermeidbar.

    Und es wäre hinnehmbarer gewesen, hätte man anders wo, in den Gebieten, wo noch wichtige Bauten in einiger Dichte erhalten waren (wenngleich natürlich ruinös), anders rumgefuhrwerkt, als man es letztlich tat.

  • Obstmarkt / Herzgasse 14. Teilbild einer 1936 gelaufenen Ansichtskarte, Verlagsangabe(?) J.W.N.

    Am südlichen, unteren Ende des Obstmarkts stand an der Einmündung der Herzgasse dieses eigentümliche Fachwerkhaus auf kleinster Grundfläche. Seine bauliche Entwicklung ist schwer zu eruieren. Parzellenmässig war es 1945 mit beiden anstossenden Nachbarn vereinigt, aber gemäss dem dem bayerischen Urplan ab 1808 noch ein eigenständiges Haus.

    In dem Büchlein "Mauern, Türme, Bastionen - Die Nürnberger Stadtmauer" steht zu diesem Gebäude, daß es ein Turm der vorletzten Stadtmauer gewesen sein soll. Dazu ein Foto um 1900 noch mit Verputz.

    Allerdings frage ich mich, ob das sein kann, wenn das Gebäude aus Fachwerk war?!

  • Ein Turm der vorletzten Stadtmauer... eher nicht, denn man ist ja über deren einstigen Verlauf relativ gut im Bild, und die traf weiter östlich und westlich auf die Pegnitz. Dieser "Turm" stand aber ganz zentral in der Nähe von Frauenkirche und Hauptmarkt. (Editiert aufgrund des folgenden Beitrages.)

    In diesem Gebiet gab es aber im 12. bis 14. Jahrhundert viele Wohntürme, vergleichbar mit den Geschlechtertürmen in Italien. Nur waren diese niemals so hoch, meist nur zwei- bis viergeschossig. Prominentestes Beispiel ist heute noch das Nassauer Haus, und an Hauptmarkt und Egidienplatz standen bis 1945 je auch ein solcher. Wenn ich mich nicht irre, ist ihnen in "Das Bürgerhaus der Stadt Nürnberg" ein Kapitel samt Karte gewidmet. Das Haus Obstmarkt/Herzgasse 14 besass allerdings ein gemauertes Erdgeschoss, das gegenüber beiden Nachbarn ein bisschen vor stand, was für ein höheres Alter sprechen würde. Für einen Wohnturm scheint mir der Grundriss aber zu klein.

  • Für einen Wohnturm wäre das Gebäude schon recht klein ausgefallen. Da gebe ich dir recht.

    Was das Thema Verlauf der vorletzten Stadtmauer anbelangt, bin ich absolut kein Fachmann, aber nach den zu findenden Informationen könnte es schon passen:

    "Der Verlauf der Mauer in St. Sebald war nach heutigen Bezeichnungen folgender: Burg, Maxtor, Sieben Zeilen, Webersplatz, Landauersches Zwölfbrüderhaus (nähe Inneres Laufer Tor), Laufer Schlagturm, weiter entlang der Grübelstraße zum Sand, parallel der Pegnitz durch die Neue Gasse, Hans-Sachs-Gasse, Plobenhofstraße, Zwischen den Fleischbänken, Wasserturm, westlicher Maxplatz, inneres Neutor, Tiergärtnertor, Burg."

    Damit wäre die Mauer exakt an dieser Stelle vorbeigelaufen.

  • Da hast du wohl recht. Ich ging davon aus, dass die vorletzten beiden Stadtmauern auch wie die heutigen bei der Pegnitz aufhörten. Tatsächlich bestanden bei der vorletzten Stadtmauer auch entlang der Pegnitz Mauern, womit die Theorie mit dem Turm unten am Obstmarkt Sinn macht.

    >> Plan

  • Um hier auch mal mit einer seltenen Aufnahme beizutragen zu können:

    Burgstraße 28:

    Burgstra-e-28-26-1910.jpg

    Was mich an dem Gebäude so fasziniert, ist die heterogene Bausubstanz. Fachwerk und Sandstein gemischt. Evtl. mehrere Häuser vereinigt und danach aufgestockt? Interessant auch der "Streit" mit der rechts angrenzenden Nummer 26: EG und 1. OG Nr. 26 und dann 2. OG die Nr. 28. Da wurde jeder Platz ausgenutzt.

  • Da hast du wohl recht. Ich ging davon aus, dass die vorletzten beiden Stadtmauern auch wie die heutige bei der Pegnitz aufhörten. Tatsächlich bestanden bei der vorletzten Stadtmauer auch entlang der Pegnitz Mauern, womit die Theorie mit dem Turm unten am Obstmarkt Sinn macht.

    Definitiv. Aber ob das "wacklige" Fachwerk tatsächlich für einen Mauerturm Verwendung gefunden hatte? Die letzte Stadtmauer hat ja nur in den oberen Stockwerken der Türme tw. Fachwerk, nicht aber bis unten.

  • Das Fachwerk dieses turmartigen Hauses stammte erst aus den 16./17. Jahrhundert und ersetzte wohl einen Vorgängerbau, von dem vielleicht das Erdgeschoss übernommen wurde. Eine mögliche Theorie für den Ersatz eines Mauerturmes durch Fachwerk könnte die Platzgewinnung im Innern gewesen sein.

  • Theresienplatz

    Zum Theresienplatz (siehe auch ursus carpaticus' Beitrag) hatte ich auch schon zwei Ansichten vorbereitet. Als Ergänzung möchte ich noch eine Frontalansicht der Westseite des Platzes beisteuern, welche das Haus mit dem Blendarkadengiebel zeigt. Die hier einmündende Bindergasse führt zum Fünferplatz, der nördlichen Fortsetzung des Obstmarkts, wo auch das eigenwillige Haus "zum gläsernen Himmel" stand, das ich hier vorstellte. Innerhalb einer Zeile gab es also gerade zwei spezielle Kopfbauten.


    Ak Theresienplatz 1943

    Theresienplatz gegen Südwesten mit der Einmundung der Bindergasse. 1943 gelaufene Ansichtskarte, W. Demartin, Ansichtskartenverlag, Nürnberg.

    Das Haus mit dem Blendarkadengiebel hatte die Adresse Theresienplatz 1. Zu ihm gehörte auch der Dacherker mit vorspringendem Walmdächlein aus dem 16. /17. Jahrhundert. Dieser war wohl jünger als die Giebelwand selbst, da er deren Fuss abschnitt.


    Ak Theresienplatz 1902

    Theresienplatz 1 und 3 bildeten die Westseite des Platzes. 1902 gelaufene Ansichtskarte, Hermann Martin, Kunstverlag, Nürnberg 1899.

    Möglicherweise bestand ursprünglich zwischen den beiden Giebelfassaden ein offener Hofraum (Ehgraben), der später dann als Erweiterung von Nr. 1 überbaut wurde. Ebenso wurde Theresienplatz 1 nachträglich um ein 3. Obergeschoss aufgestockt, was der Kontur des Giebels sehr abträglich war.

    Um das Alter solcher Blendarkadengiebel bestimmen zu können, sollten alle Giebel gesammelt und gruppiert werden. Gedanklich ist diese Sammlung schon vorhanden, und ich bin erstaunt, dass die Varietät dieser Giebel erstaunlich gering ist. Von solchen Blendarkadengiebel gibt es heute an der Adlerstrasse und am Weinmarkt nur noch zwei Exemplare, die restlichen sind entweder abgebrochen worden oder 1945 untergegangen.

    - Adlerstr. 14 (gemäss Denkmälerliste 15. Jh.)

    - Karolinenstr. 6 (zerstört)

    - Lorenzer Platz 3 (zerstört)

    - Obstgasse 2 (Hauptmarkt, zerstört)

    - Tucherstr. 8 (zerstört)

    - Untere Krämersgasse 4 (zerstört)

    - Weinmarkt 2 (gemäss Denkmälerliste 2. H. 15. Jh.)

    Einen ersten Versuch einer solchen Giebelanalyse hänge ich hier doch noch an, auch wenn es nichts mit dem Thema des Stranges zu tun hat:


    Giebel-Theresienplatz-1.jpgTheresienplatz 1. Analyse des Giebels mit Treppenstufen, Lisenen, Fialen und Blendarkaden.

    (Alle Bilder aus meiner Sammlung.)

  • An der Pegnitz


    Ak-Pegnitz-1925.jpg

    Die Pegnitz flussabwärts innerhalb der Altstadt. 1925 gelaufene Ansichtskarte in Dreifarben-Kunstlichtdruck, Franz Stöger, Nürnberg.

    Von der Silhoutte herr ist das eine ganz nürnberg-untypische Ansicht. Weder die Burg noch die Doppeltürme von St. Sebald und St. Lorenz sind zu sehen, dafür aber die einstige Synagoge am Spitalplatz. Links sind die Spitalkirche und rechts die Frauenkirche zu sehen, und im Vordergrund einer der ganz wenigen, nicht mehr wiederaufgebauten Stadtmauertürme, das Schwarze Y am nördlichen Pegnitzeinfluss in die Altstadt. Die beiden Stege hiessen Rotschmiedssteg und Fischersteg, welche die nicht mehr existierende Kleine Insel Schütt (rechts ausserhalb) mit der Hinteren Insel Schütt (links) verbanden.


    Ak Weinstadel Henkersteg farbig

    Ungelaufene Farbfoto--Ansichtskarte vor 1928, ohne Verlagsangabe.

    Eines der Postkartensujets par excellence von Nürnberg bilden der Weinstadel, Wasserturm und Henkersteg. Den wenigsten dürfte aber bekannt sein, dass dies eigentlich die Rückseite mit den Abtrittlauben des 1446/48 erbauten Weinstadels ist. Die westliche Traufseite war bis ins frühe 20. Jahrhundert mit drei weiterern Bauten verstellt, die man auf der nächten Ansicht sieht.

    Die frühe Farbaufnahme ist nicht datierbar, aber zwei weitere Karten derselben Serie stammen mindestens von 1928. Die frühesten Farb-Ansichtskarten von Nürnberg sind bezüglich Erscheinungsdatum und Verlage noch unerforscht. Mindestens seit 1919 waren solche aber im Umlauf.



    Ak Weinstadel I

    Der Weinstadel mit den bis ins frühe 20. Jahrhundert bestehenden Bauten an seiner Westseite, Wasserturm, Henkersteg und Henkerturm. Ansichtskarte um 1910/20, Fr. Riegel, Kunstverlagsanstalt, Nürnberg.



    Ak Weinstadel 1903

    Weinstadel und Wasserturm nach Abbruch der Häusergruppe zwischen Maxplatz und Weinstadel. 1903(?) gelaufene Ansichtskarte, Hermann Martin, Kunstverlag, Nürnberg.

    Nach Abbruch der drei Bauten blieb die Westfassade bis heute frei. Die gegenüberliegende Seite ist heute ebenfalls ausgelichtet. Anstelle der ersten beiden Zeilen, deren Kopfbauten links zu sehen sind, besteht heute der Nägeleins-(park)-platz...



    Ak Weinstadel Wasserturm

    Vorderseite des Weinstadels und Wasserturm von Norden. Ungelaufene Ansichtskarte um 1910/15, Hermann Martin, Kunstverlag, Nürnberg.

    Die eigentliche Vorderseite des Weinstadels ist die nördliche Giebelwand. Wie die restlichen Fassaden ist sie nicht besonders hervorgehoben und besteht aus im 15. Jahrhundert üblichen Fachwerk. Erwähnenswert sind im 1. Obergeschoss mit Bohlen ausgewandetee Stuben (ersichtlich an den dünnen Schein-Brüstungspföstchen). Vor dem Wasserturm befand sich ein weiteres kleineres Gebäude, dessen Fachwerk später noch freigelegt wurde.



    Maxplatz-Weinstadel.jpg

    Hochwasser 1909 am Maxplatz mit Blick in die Weintraubengasse, rechts die nordwestliche Ecke des Weinstadels. Ansichtskarte, unbekannte Sammlung.


    Ak Pegnitz Maxbrücke Mühlen 1906

    Pegnitz flussaufwärts, Blick vom Kettensteg aus zur Maxbrücke. 1906 gelaufene Ansichtskarte, Verlag Louis Glaser, Leipzig.

    Bis 1945 bestanden an diesem Flussabschnitt an beiden Uferseiten Mühlen. Was genau hier gemahlen oder bearbeitet wurde, ist mir nicht bekannt. Mit V-förmigen Schwellen konnte das Wasser zum Antrieb gestaut werden. Weitere Mühlwerke bestanden am Bergauerplatz (schon vor 1945 abgegangen) sowie am nördlichsten Pegnitzarm bei der nicht mehr existierenden Kleinen Insel Schütt.

    Die hier gezeigte Ansicht war auch ein sehr häufiges Fotomotiv. Bemerkenswert ist aber die Plattform rechts mit dahinter aussergewöhnlich vieler aufgebeigter Holzstämme oder -balken. Der vielen Schwellen wegen war die Pegnitz nicht schiffbar, und von daher ist es fraglich, weshalb man diese grossen Mengen an Holz ins Stadtzentrum brachte und hier wahrscheinlich verarbeitete.


    Ak-Pegnitz-Maxbrucke-Muhlen-1906-Ausschnitt.jpg

    Ausschnitt aus der Ansichtskarte oben.


    (Alle Bilder mit Ausnahme der Hochwasseransicht aus meiner Sammlung.)

  • In der östlichen Sebalder Altstadt

    Zur Talgasse hatte ich auch schon ein Bild vorbereitet. Es stammt aus einer Serie von Foto-Ansichtskarten aus den frühen 1920er-Jahren vom Nürnberger Fotografen K. Ellinger, die sich in der Qualität von vielen anderen zeitgenössischen Ansichtskarten abheben. Auch zeigen die Motive nicht immer die Hauptsehenswürdigkeiten, sondern auch Nebengassen und weitere unbekannte Perspektiven. Die Karten sind am schmalen weissen Rand und dem stempelartigen Aufdruck am unteren Bildrand erkennbar:


    Ak-Obere-Talgasse.jpg

    Obere Talgasse mit Lauferschlagturm. Ungelaufene Ansichtskarte um 1920, Fotograf und Verlag K. Ellinger, Nürnberg.

    Über das linke Fachwerkhaus respektive dessen heutigen Nachfolger wurde vor Jahren im APH mal geschrieben. Die linke Seitenwand (wo heute der First des Pultdaches aufliegt) und Teile des Erdgeschosses könnten im heutigen Nachfolgebau noch vorhanden sein, denn diese Seitenwand ist von einer Mächtigkeit und Höhe, sodass sie die Kriegszerstörungen überstand. Allein die interessanten Beiträge dazu, insbesondere von baukunst-nbg, habe ich im APH auf Anhieb nicht gefunden.


    Ak-Schmausengasse.jpg

    Die Schmausengasse gegen Osten. Ungelaufene Fotoansichtskarte um 1930, ohne Verlagsangabe.

    Diese seltene Ansicht stellte ich zuerst im Strang über unbekannte Ansichten aus Nürnberg ein. Tübinger hatte dann den entscheidenden Hinweis auf die Gasse gegeben, hier nachzulesen. Dennoch möchte ich die Karte auch hier nochmals einstellen.


    ak_am-laufertor_sued-nord.jpg

    Laufertormauer von Süd nach Nord. In Bildmitte mit zweigeschossigem Dacherker und Dachtürmchen Spitzenberg 4. Die Stadtmauer ist die Partie zwischen den Türmen 'Schwarzes T' und 'Schwarzes V'. Ungelaufene Ansichtskarte, Kunstverlagsanstalt Bruno Hansmann, Cassel.

    Diese Ansicht spielte wegen des darauf abgebildeten Hauses Spitzenberg 4 (mit zweigeschossigem Dacherker und Firsttürmchen) bei der Eruierung der Schmausengasse-Ansicht eine Hilfe, weil dort ebenfalls dieses Firsttürmchen zu sehen ist. Auch sie ist eine sehr seltene Ansicht eines Randbereichs der Altstadt.


    Die nächsten Ansichtskarten sind insofern speziell, als dass sie eine auffällige bauliche Veränderung an einem Haus dokumentieren, und andererseits auch mal von sehr schlechter Bild- und Druckqualität sind:


    AK-Karlstrasse-14-1918.jpg

    Karlstr. 14 / Ecke Schustergasse, Wirtschaft Leistlein, vor der Überformung der Giebelwand. Im Hintergrund die Türme von St. Sebald. 1918 gelaufene Ansichtskarte, Verlagsangabe W. H. D.

    Die Fassade der Wirtschaft "zum Leistlein" besass als Blickfang einen trapezförmigen Renaissance-Steinerker mit feinem Masswerkdekor. Der Rest der Fassade war sehr einfach in (wahrscheinlich ockerfarbigem) Burgsandstein errichtet. Mit den drei unterschiedlichen Fensteröffnungstypen sah sie im Gegensatz zum Erker eigentlich schon fast schäbig aus, was das Giebeldreieck noch unterstrich. Letzteres wies als Schmuck einzig fünf kerzenförmige, an Fialen erinnernde 'Vorsätze' auf. Die Lage der untersten beiden 'Vorsätze' war gegenüber den Gebäudekanten leicht eingerückt, weshalb das Giebelfeld im Verhältnis zum Unterbau zu schmal wirkte.


    AK-Karlstrasse-14-1911.jpg

    Karlstr. 14 / Ecke Schustergasse, Wirtschaft Leistlein, nach der Überformung der Giebelwand. Im Hintergrund die Türme von St. Sebald. 1911 gelaufene Ansichtskarte, Verlag Wilhem Hoffmann, Dresden.

    Offensichtlich empfand dies ein früherer Hauseigentümer auch so und liess den Giebel durch eine Überformung aufhübschen. Nach meiner Meinung entstanden aber ein Treppengiebel und Masswerkdekor in den Brüstungen, wie sie mit der Nürnberger Altstadt nichts gemein hatten. Insofern hätte ich dem früheren Zustand den Vorzug gegeben.

    Nun kann man sich fragen, wann dieser Umbau stattgefunden hatte. Gerade in den 1850er-Jahren entstanden in der Nürnberger Altstadt ein paar bemerkenswerte neugotische Um- und Neubauten von Carl Alexander Heideloff. Ihr Ergebnis ist bis heute umstritten. Einige Links im APH, die ich gerade gefunden habe:

    - https://www.stadtbild-deutschland.org/forum/index.php?thread/2164-haßfurt-galerie/&postID=58038#post58038 und ein paar Folgebeiträge

    - https://www.stadtbild-deutschland.org/forum/index.php?thread/148-nürnberg/&postID=77466#post77466

    - https://www.stadtbild-deutschland.org/forum/index.php?thread/1003-nürnberg-rekonstruktion-des-pellerhauses/&postID=254261#post254261

    Der Umbau des Leistleingiebels hatte aber sicher später stattgefunden. Die Versendedaten der beiden Karten helfen nicht weiter, die die Ansicht vor dem Umbau mit 1918 datiert ist, und jene nach dem Umbau 1911. Ich vermute aber, dass der Umbau tatsächlich erst um 1900 stattgefunden hatte, also eine sehr späte Neugotik!

    Heutige Ansicht mit noch immer vorhandener einspringender Ecke: https://goo.gl/maps/GXoG13vmk5eKoiiL6


    Karlstr.-14-Schustergasse.jpg

    Karlstr. 14 / Ecke Schustergasse, Wirtschaft Leistlein. Ungelaufene Anaichtskarte um 1910, Originalaufnahme B. Kolb, Nürnberg. Unbekannte Sammlung.

    Eine sehr schlecht kolorierte Karte zeigt das 'Leistlein' in tiefrotem Kleid und dem alten Giebel. Im Hof bestand offensichtlich eine lauschige Gartenwirtschaft. Man müsste die Umrisse des einstigen Gartens im heutigen Parkhaus 'Haufptmarkt' mal einzeichnen...



    Ak-Pegnitz-seitenverkehrt.jpgSeitenverkehrter Druck: Das nördliche Pegnitzufer östlich der Spitalbrücke mit dem "Goldenen Haus" und der Kuppel der Synagoge. Im Hintergrund die Spitalbrücke. Ungelaufene Ansichtskarte um 1910/20, ohne Verlagsangabe.

    Karten mit dem Blick Pegnitz-abwärts auf Höhe der Insel Schütt mit dem 'Goldenen Haus' und der Synagoge im Hintergrund wurden zu Tausenden in die ganze Welt verschickt. Nebst der ebenfalls schlechten Kolorierung könnte dem ein oder anderen diese Ansicht ein bisschen Kopfzerbrechen bereiten: Sie ist seitenverkehrt gedruckt, kam trotzdem in den Verkauf, wurde aber nicht beschrieben und fand nach hundert Jahren schliesslich den Weg bis in meine Sammlung.

    (Alle Bilder mit Ausnahme des vorletzten aus meiner Sammlung.)

  • Der Umbau des Leistleingiebels hatte aber sicher später stattgefunden. Die Versendedaten der beiden Karten helfen nicht weiter, die die Ansicht vor dem Umbau mit 1918 datiert ist, und jene nach dem Umbau 1911. Ich vermute aber, dass der Umbau tatsächlich erst um 1900 stattgefunden hatte, also eine sehr späte Neugotik!

    Im Buch "Im Wandel" des Stadtarchivs ist eine Aufnahme von Ferdinand Schmidt bereits mit neuem Giebel mit "um 1880" datiert. Nachdem aber dort leider die eine oder andere Fehlangabe zu finden ist, würde ich mich nicht zu 100 % darauf verlassen wollen.

  • Obwohl stilistisch um 1880 besser passen würde als die Jahre nach 1900. Ich frage mich nur, weshalb man für eine Reklame-Postkarte veraltete Fotografien verwendet hat. Das kommt nämlich sehr selten vor. Ist es möglich, dass nach 1910, als man den mittelalterlichen Charakter Nürnbergs hervorhob, dieser neugotische Giebel bereits als Verunstaltung betrachtet wurde, und man dem 'mittelalterlichen' Zustand den Vorzug gab?

    Bei einer Rekonstruktion eines solchen Hauses würde ich der älteren Variante eindeutig den Vorzug geben.

  • Hm, was macht Euch denn so sicher, daß das schlichtere mit den komischen vorgesetzten "Kerzen" die ältere Version ist? Könnte das nicht auch eine Version von um 1910 sein, als man von der Neogotik (1880ff) bereits nichts mehr wissen wollte?

    Ich finde diese "Kerzen" so arg seltsam.

  • Umgekehrt ist es sicher nicht. Diese "Kerzen" sehe ich in der Verwandtschft zum Tucherschloss. Auch an andern Gebäuden aus dem 16. Jahrhundert kommen solche "vorgesetzten Halbsäulen" vor, selbst am Toplerhaus. Ich kann mir vorstellen, dass der Giebel der Wirtschaft Leistleins früher vielleicht reicher war, und die fünf 'Kerzen' nur noch die letzten Rudimente davon waren.

  • Umgekehrt ist es sicher nicht.

    Was macht Dich so sicher? Die hier gezeigten Ansichtskarten können es von der Datierung her nicht sein, weil da die älteren den Treppengiebel zeigen und die jüngeren den schlichten mit den "Kerzen". Hast Du noch andere Quellen?

    Ich würde ja nur gern verstehen, was Dich davon überzeugt, daß es so ist.

    Ich weiß, Du hast einen großen Fundus an Nürnbergbildern und ein sehr geschultes Auge für Details; aber man kommt doch nicht um das Datierungsproblem drumrum. Ja, selbstverständlich können Ansichtskarten auch alte Ansichten wiedergeben, keineswegs nur gegenwärtige.

    Aber wenn ich an ursus' maniristisches Wiener "Schlößchen" denke, dann erscheint mir ein gewisser "Modernisierungsfimmel" um 1910 nicht so völlig undenkbar.

  • Da müsste ich jetzt wirklich eine grosse Abhandlung über die Steingiegbel in Nürnberg machen. Geplant habe ich das schon - allgemein über die profanen Steinbauten, wie ich das bereits bei den Fachwerkbauten gemacht habe. Sonst hätte ich in diesem Strang nicht schon vereinzelt Bilder dazu eingestreut; siehe im 1. Beitrag über die Eigenheit der klobigen Fenstersimsen und Stichbogenfenster, dann den Zinnen-/Blendarkadengiebel am Theresienplatz, die Verwendung von rotem oder beigem Burgsandstein, und nun eben dieser eigenwillige Giebel des 'Leistleins'.

    Eigentlich bin/war ich überzeugt, dass die Version mit den 'Kerzen' die ältere ist und die mit dem Treppengiebel die jüngere. Nun habe ich mir die Mühe genommen und bei meinen Flugaufnahmen nachgeschaut - und tatsächlich, ich erkannte auf Flugaufnahmen um 1930 zweimal den 'Leistlein'-Giebel mit den Kerzen! Das heisst also, dass hier im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts tatsächlich ein neugotischer Giebel zugunsten eines spätgotischen Zustandes zurückgebaut worden wäre. Solche Regotisierungen gab es in Nürnberg tatsächlich, aber die fanden meist erst in den 1930er-Jahren statt. Eine Ausnahme bildet das Hans-Sachs-haus, dessen klassizistische Fassade schon kurz nach 1900 mit einem 'gotischen' Fachwerk versehen wurde. Auch das 1835 errichtete, östliche Nachbarhaus Ebnersgasse 10 in frühklassizistischem Stil wurde noch nach 1930 aufgestockt und 'gotisiert (Nachzulesen in Nünberger Altstadtberichte 2019. Bild: siehe übernächsten Beitrag).

  • ich erkannte auf Flugaufnahmen um 1930 zweimal den 'Leistlein'-Giebel mit den Kerzen!

    Aha, also doch neuer. - Weißt Du, ich mußte immer an das Haus um 1913 aus St.Gallen denken, daß Du mal als Rätsel eingestellt hast zur Datierung. Und ich habe in der Nachbarschaft ja ein ähnlich stilistisch schwer einzuordnendes Haus aus der Zeit. Ich denke, die baulichen Veränderungen in der Zeit um 1910 bis 1917 vielleicht sind nicht stilistisch einheitlich. Da gab es diverse Tendenzen, aber insgesamt schon eine Vereinfachung und Vergröberung bei den eher "traditionellen" Gebäuden, und recht viele "moderne" Details, die dann so richtig durchschlagend erst in den 1930ern, manchmal sogar erst in den 1980ern (die 45°Ecken) zutage traten. Das waren nur wenige Jahre bis zum Krieg, aber da wurde noch einiges gebaut. Und im allgemeinen in so einer "vor-sachlichen" Form. Also Vereinfachung des Dekors, so eine gewisse Glättung und auch Hinwendung zu einfacheren Geometrien (Jugendstil hat ja diese speziell geschwungenen Linien, das hörte da auf, man ging mehr auf Kreise und Vierecke). Eben darum erschien mir es nicht unwahrscheinlich, daß der "Kerzen"-Giebel mit seinem schlichten Rand neuer ist- ich kenne die echt mittelalterlichen Gebäude nicht, aber dieser Abschluß so ganz ohne Überstand scheint mir eher ein Merkmal des 20. Jhdts, speziell dieser kurzen Zeit vor WK1, der 1940er, der 2000er zu sein.

    Einmal editiert, zuletzt von Loggia (28. Januar 2021 um 06:57) aus folgendem Grund: Verb im letzten Satz ergänzt