100 Jahre ist es nun her, dass Ungarn im Diktat von Trianon zwei Drittel seines Territoriums verlor. Zu diesem Anlass wurde in Budapest in der Nähe des Parlamentsgebäudes ein Denkmal eingeweiht. In dessen Wände sind sämtliche Städte eingraviert, die einst zu Ungarn gehörten, von Fiume über Pressburg bis Hermannstadt. In einem unterirdischen Raum brennt die ewige Flamme.
Budapest (Allgemeines)
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Preßburg und Hermannstadt stehen aber nicht drauf, dafür aber Kismarton und Nagymarton, Felsőpulya und Városszalónak sowie Felsőőr.
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Fiume/Rijeka war mal ungarisch?? Da muß ich direkt mal wikipädieren, das wußte ich nicht, daß Ungarn mal bis zur Adria reichte! (Die kuk-Monarchie wohl, aber ich hätte nicht gedacht, daß Krain/Slowenien zu Ungarn gehörte??).
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Krain war österreichisch, ebenso wie Dalmatien und Istrien.Dazwischen war ein Streifen "ungarisch". Die ungarischen Gebietsansprüche sind natürlich schon mit Vorsicht zu genießen. Ganz so einfach ist das wieder auch nicht. Rijeka war doch niemals eine ungarische Stadt, ebenso wenig wie Zagreb. Wir Österreicher regen uns ja auch nicht auf, das Pardubice oder Chrudím bzw Kraków oder Lwiw nicht mehr zu uns gehören.
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Das war schon ein sehr kompliziertes Gebilde, diese Habsburgermonarchie - habe gerade über "Stadt Fiume mit Gebiet" und über "Reichsunmittelbare Stadt Triest" nachgelesen.
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Hier eine andere, freundliche Sicht zum Thema: Hundert Jahre Trianon: Ungarn, Österreich und Europa
(Auszug aus der Diskussion)
Pennpatrik
Orban ist das einzige Staatsoberhaupt, das sich bei den Deutschen für die Vertreibung entschuldigte und sie aufforderte, wieder ins Land zu kommen. Außerdem hat er in der Rede darauf hingewiesen, dass Deutsch eine offizielle Sprache im ungarischen Parlament ist.
Das in einer Zeit, in der Menschen getötet werden, weil sie Weiss und/oder Christen sind. Verfolgt, benachteiligt und geschmäht, weil sie Deutsch sind.
In der Menschen so sind wie ich.
Meine Sympathien haben die UngarnWolfram Schrems 05. Juni 2020 11:59
@Pennpatrik
Das ist ein wichtiger Punkt: Vor einigen Jahren wurde die Entschuldigung bzw. Vergebungsbitte gegenüber den vertriebenen Deutschen auf einer privaten englischsprachigen ungarischen Seite berichtet. Es wurde sogar ein Mahnmal errichtet (ich weiß nicht mehr, wo).
Daß Deutsch eine offizielle Sprache im Parlament sei, höre ich zum ersten Mal. Hätten Sie dafür eine Quelle?
Richtig: Auch die Leben von Christen, Weißen, Deutschen u. a. sind von Belang. Orbán hat das eindrucksvoll demonstriert.
Wyatt 05. Juni 2020 13:52
Ebenfalls, meine Sympathien gehören den Ungarn und auch Orban!
(meine Verachtung allen Soros-Lakaien, den glühenden EU'lern und Vaterlandsverrätern)
Undine 05. Juni 2020 18:34
@Wolfram Schrems
An der Errichtung dieses besonderen MAHNMALS war mein ehemaliger Reiseleiter (Siebenbürgen-Reise mit STUDIOSUS München), der Kunsthistoriker Alex MATYAS, an vorderer Stelle beteiligt. Leider habe ich Details vergessen, aber man könnte sich direkt bei Alex MATYAS via Internet kundig machen!
@Wyatt
Schließe mich Ihren Worten an!
Pennpatrik 05. Juni 2020 20:06
@Wolfram Schrems
Aus der zitierten Rede Orbans:
"Die ungarische Regierung unterstützt die Bewahrung der Identität und der Kultur der in unserer Heimat lebenden deutschen Mitbürger. Seit 2014 kann man im ungarischen Parlament sich auf Deutsch zu Worte melden, der Sprecher der Deutschen kann in seiner Muttersprache im Parlament reden. Es erfüllt uns mit Freude, dass in den vergangenen vier Jahren sich die Zahl der deutschen Schulen verfünffacht und die Anzahl der dort lernenden Schüler sich verdreifacht hat. Und wir sind auch darauf stolz, dass sich die Zahl derer, die sich als zur Gemeinschaft der Ungarndeutschen gehörig bekennen, heute schon beinahe Zweihunderttausend erreicht."
Wolfram Schrems 06. Juni 2020 09:10
@Undine
@Pennpatrik
Danke für die interessanten Ergänzungen. Das zeigt, daß in Ungarn bezüglich der deutschen Heimatvertriebenen ein nobler Geist vorhanden ist, zumindest beim Premierminister.
Im Jahr 1992 war ich in Pécs, Fünfkirchen, und nahm an der deutschen Messe in der Pfarrkirche (eine gotische Kirche, die zwischenzeitlich Moschee war, jetzt wieder Kirche, bleibt sie hoffentlich auch) teil. Die Leute unterhielten sich danach in einem deutsch-ungarischen Sprachgemisch.
Es gibt also noch Überbleibsel der dt. Volksgruppe. Es ist nobel, daß die Regierung das auch würdigt.
Wolfram Schrems
Trianon hat - wie alles - eine Vorgeschichte.
Leider hatten sich viele Ungarn in den nationalen Wahn Kossuths hineintheatern lassen.
Vor zwei Jahren arbeitete ich mich durch Istvan Deaks Meisterwerk The Lawful Revolution. Dort analysiert der Autor penibel die Hintergründe der Revolution von 1848. Es ist erschreckend zu sehen, wie wenig die revolutionären Ungarn die Rechte ihrer eigenen Minderheiten respektierten (also vor allem die der Rumänen und Slawen).
Man hat einfach den Eindruck, daß 1848 sowohl in Ungarn als auch in Österreich auswärtige Kräfte Unfrieden schürten, um eigene Ziele zu erreichen. Dabei waren die betreffenden Völker nur Manövriermasse, deren Wohl lag ihnen nicht am Herzen. (Dazu großartig auch Heinrich Drimmel, Oktober Achtundvierzig.)
Es gab in Ungarn auch besonnene Kräfte, die diese Revolution nicht wollten. Aber sie konnten sich nicht durchsetzen. Österreich reagierte massiv und erzeugte weiteren Haß.
Wer allerdings eine Revolution anzettelt (mit unvermeidlichen vielen Toten) und scheitert, muß damit rechnen, justifiziert zu werden.
Leider hatte das revolutionäre Ungarn die Kroaten, Serben und Rumänen völlig entfremdet. Die Magyarisierungspolitik war massiv. Man beachte: Bis 1848 war neben Ungarisch Latein Amtssprache (ich glaube sogar, die erste). DAS ist wirklich fortschrittlich. DAS nützt den angestammten Minderheiten.
Kossuth und seine Partie zerstörten dieses Gleichgewicht mutwillig.
Freilich ist die Art und Weise, wie die Grenzen durch Trianon gezogen worden ist, wiederum ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Wilsons Punkte galten nicht für die Besiegten. Das ist ebenfalls eine Schande.
Viel Blutvergießen hätte man sich sparen können, wenn die Sieger des Krieges maßvoll gewesen wären. So aber wurde neues Unrecht geschaffen.
Wir hoffen und wünschen, daß Viktor Orbán die legitimen Rechte seines Volkes, auch der határontúli magyarok, also der jenseits der Grenzen lebenden Ungarn, auf vernünftige Weise vertritt.
Und daß der Völkerkerker EU verschwindet.
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Wieder Knatsch um Trianon, diesmal mit Kroatien: In der ungarisch-slowakischen Grenzstadt Neustadt am Zeltberg wurde ein Denkmal eingeweiht. Dort gibt es einen Stationenweg mit der Inschrift von ehem. ungarischen Städten. Dazu zählt, wenig überraschend, Fiume/ Rijeka. Das hat nun zu diplomatischen Verstimmungen geführt:
ZitatAber seit bei der Einweihung des Denkmals auch eine Gedenktafel mit den Worten "Fiume – Tengerre magyar" zu sehen war, verschärft die kroatische Regierung den Ton. Man will darin einen territorialen Anspruch im Sinne der Magyarisierungspolitik ("Ungarn von den Karpaten bis zur Adria") erkannt haben, weil die heutige kroatische Hafenstadt Rijeka, das historische Fiume, auf der Gedenktafel als "Ungarisches Meer" bezeichnet wurde.
Dann kam der kroatische Premier Milanovic auch noch auf Deutschland zu sprechen:
ZitatWenn jemand jammern sollte, weil er nach dem verloren gegangenen Krieg auf kleinem Gebiet eingeengt wurde, dann sind das die Deutschen. Es gibt wirklich sehr viele von ihnen auf engem Raum. Aber so etwas hört man nicht aus Deutschland. Das hört man (nur) von diesem Bediensteten, der von einem ungarischen Rijeka (und) Transsilvanien träumt. Es gibt auch in Kroatien Leute, die meinen, dass Kroatien bis zur Drina gehen sollte. Sollen sie das nur denken. Es gibt in Kroatien auch Leute, die meinen, dass Budapest eine kroatische Stadt sein sollte, weil der häufigste Nachnahme in Ungarn Horvat ist. Aber das ist Blödsinn.
Also ich persönlich hätte nichts gegen ein erneutes ungarisches Fiume, das wäre mir eine sympathische Idee.
Spannungen zwischen Kroatien und Ungarn: "Wenn man zweimal reingelegt wird, ist man dumm"
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Trotzdem hat der kroatische Präsident hier irgendwie Recht: im Gegensatz zu Deutschland hat Ungarn nur wenige (fast) rein ungarische Siedlungsgebiete verloren. Sogar Siebenbürgen war nie wirklich Ungarisch, sondern eher Deutsch geprägt...
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Ganz ehrlich: ein ungarisches Rijeka ist eine Frechheit. Damit macht man sich nur lächerlich. So absurd wirkt nicht einmal ein österreichisches Krakau. Übrigens sollte aus Berlin scharfer diplomatischer Protest kommen, nicht nur wegen latenter antipolnischer Gebietsansprüche. Auch wegen des Dictums vom "verlorenen" Krieg.
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Sogar Siebenbürgen war nie wirklich Ungarisch, sondern eher Deutsch geprägt...
Einspruch: es gab Teile, die deutsch geprägt waren (Hermannstadt, Kronstadt, Schäßburg, also mehr im Süden und Osten) und Teile, die ungarisch geprägt waren (Klausenburg, Neumarkt, Szeklerland, also mehr im Westen und Norden).
Der ungarische Patriotismus treibt sicher des öfteren seltsame Blüten, aber immerhin versuchen sie, ihre Identität zu bewahren und ihre Volksgruppen beisammen zu halten. Das ist mir deutlich sympathischer als die postidentitäre Beliebigkeit hierzulande. Ungarn ist ein kleiner Nagel im Fleisch der europäischen Selbstaufgabe.
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Diese Karte zeigt ganz anschaulich, wo noch Ungarn außerhalb des Landes wohnen. In Kroatien sind es weniger als 1% der Gesamtbevölkerung. Vor allem in der Südslowakei, in Rumänien und in Serbien findet man aber mehr Magyaren.
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Einige aktuelle verwackelte Schnappschüsse der Rekonstruktion im Budaer Burgpalast (mehr war leider nicht möglich, die Wache stand direkt daneben und ich hatte sie eh schon überrumpelt):
vorher:
Quelle: wikipedia
und nachher:
(die Fenster! )
Von der anderen Seite - einer Totalrekonstruktion - habe ich leider kein Bild:
Vorzustand:
Quelle: wikipeda
Jetzt: Im Prinzip genauso wie im Innenhof (siehe oben)
Einen detaillierten Aufriss findet man hier im Nachbarforum.
Kontraste: im Vordergrund das Stiegenhaus des Schlossmuseums aus sozialistischer Ära, dahinter fangen die rekonstruierten Räume an, zuerst Neorokoko, danach kommt der historistische Stephanssaal.
Videos (auf ungarisch) zu den vielen Handwerksarbeiten findet man auf dem offiziellen Youtube Kanal des Nationalen Hauszmann-Programms.
Mehr Infos zu den rekonstruierten Räumen hier (auf englisch). Die Rekonstruktion befindet sich in den letzten Zügen, am 20. August soll Eröffnung sein.
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Am und rund um den 1877 erbauten Budapester Westbahnhof wird es in den nächsten Jahren zu starken Bautätigkeiten kommen. Verantwortlich dafür wird ein Londoner Architekturbüro sein. Nachzulesen im beigefügten Artikel:
ZitatDem Wettbewerb liegen komplexe Anforderungen zugrunde, die auch eine spätere Anbindung des Bahnhofs an den geplanten Donautunnel und eine dadurch ermöglichte Transformation zum Durchgangsbahnhof vorsehen sollten. Zunächst waren jedoch Vorschläge für die Erweiterung des Fernverkehrs in den Untergrund – hierfür sind 30.800 Quadratmeter Geschossfläche vorgesehen – und eine unterirdische Metrostation für eine neue, ergänzende U-Bahnlinie gesucht.
Darüber hinaus sollten die teilnehmenden Büros einen Masterplan für die Brachflächen im Norden und Süden der Gleise entwickeln, auf denen unteren anderem eine Kongresshalle, ein Hotel sowie Wohn- und Bürogebäude angedacht sind. Die Gesamtplanungsfläche umfasst 44 Hektar.
Erweiterung des Bahnhofs Nyugati - Grimshaw gewinnen in Budapest
[/url][url=https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nyug…r,_Budapest.jpg]Nyugati pályaudvar, Budapest[/url]Varius, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
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Auch in Budapest soll ein neues Kulturquartier entstehen und zwar im Stadtpark Varosliget. Bereits fertiggestellt ist das neue Ethnografische Museum. Verglichen mit dem Lausanner Beispiel ist weitaus ansprechender und enthält auch ornamentale Elemente.
ZitatDie gläserne Gebäudehülle befindet sich hinter einer auffällig dekorierten Vorhangfassade aus Aluminium, die an ungarische Häkelspitze denken lässt. Sie besteht aus einem Gitterraster, auf dem gut eine halbe Million kleine Würfelelemente sitzen. Die Muster, die sie formen, basieren auf ethnografischen Motiven aus den ungarischen und internationalen Sammlungen des Museums.
Koloss mit Häkelspitze - Ethnografisches Museum in Budapest von Napur Architect -
Im APH-Forum schrieb ich dazu:
Das Ethnographische Museum finde ich bedrückend. Nähert man sich den seitlichen Eingängen ist es, als laufe man unter die Unterseite einer Wippe, die einen jeden Moment zu zermalmen droht. Das Dachgrün reisst es nicht raus bei diesem Koloss. Das Haus der Musik hingegen ist im Vergleich weit gefälliger. Es hat etwas von einem Hobbit-Haus.