Nürnberg - Fachwerkbauten

  • Nein, die rosa gestrichene Nr. 7 ist ein Neubau aus den 1950er-/70er Jahren. Leider habe ich noch kein Bild der Häuserzeile im Vorkriegszustand gefunden.


    edit. am 22.5.2013:
    Nun habe ich doch noch eine historische Ansicht der Häuser Irrerstr. 5 und 7 gefunden >> Beitrag.

  • Fachwerkbauten mit K-Streben


    Nun interessieren mich als nächstes die "Fachwerkbauten mit K-Streben". In mehreren Beiträgen zu Einzelbauten und Verstrebungsformen finden sich bereits Erkenntnisse und Details dazu, aber in loser Reihenfolge, weshalb ich diese zuerst sammle und die wichtigsten Passagen daraus in Zitatform einstelle. Erst danach soll Zusammenhängen und Details wie chronologische Entwicklung, Stuben- und Normalwandfelder, Fenstererker, Nasengiebel, Schmuckformen etc. nachgegangen werden.


    Paniersplatz 20, "Grolandhaus"

    MI02561f02b.jpg
    Ansicht von Nordosten (Quelle: bildindex.de)

    [...]
    Das 4. Obergeschoss unterscheidet sich schon rein optisch von den unteren; die Fusstreben sind etwa ¾-wandhoch, und in die Schwelle und Pfosten eingezapft. Die Brustriegel laufen daher nicht mehr bis zu den Pfosten durch, sondern enden an den Streben. Normalerweise wurde zwischen den Streben und den Pfosten noch ein kurzer Riegel eingesetzt, um so die Riegelkette zu vervollständigen. In Nürnberg aber fehlt dieser kurze Riegel meistens! Die Kopfstreben sind in den Rähm und in die Fusstreben eingezapft, und nicht in die Pfosten! Man muss sie deshalb eher als Gegenstreben bezeichnen. Gegenstreben kommen im fränkischen Fachwerk mit rheinischem Einfluss vor, und sind im alemannischen Fachwerk unbekannt. Dieses Geschoss entstand offensichtlich später, wahrscheinlich zu der Zeit, als sich das alemannische und fränkische Fachwerk allmählich vermischten. Es fällt aber noch eine weitere nürnbergerische Eigenheit auf: während die Gegenstreben im rheinfränkischen exakt beim Brustriegel ansetzen, ist dies in Nürnberg erst ein Stück weit oberhalb der Brustriegel der Fall.
    Im Giebeldreieck tragen zwei Pfosten die Mittelpfetten des Dachstuhls, und sind analog dem 4. Obergeschoss beidseitig mit ¾-wandhohen Fusstreben ausgesteift. Zwischen den Pfosten und Fusstreben fehlt wiederum ein kurzer Riegel, hingegen kommen solche wieder zwischen den Fusstreben und Sparren vor. Ein scheinbar unwichtiges Detail ist mir aber dennoch aufgefallen: diese Riegel sind in die Fusstreben eingezapft, gegen die Sparren aber aufgeblattet. Hier hat also eine Blattverbindung noch überdauert. Abgeschlossen wird das Giebeldreieck von einem Nasengiebel, dessen Ursprung dem fränkischen Fachwerk entstammt, und bei den älteren rein alemannischen Fachwerken unbekannt ist.


    Zur Bauweise:

    Die weite Pfostenstellung, die Einbindung der Fenster zwischen Brustriegel und Rähm, sowie die angeblatteten Fuss- und Kopfbänder weisen die ersten drei Obergeschosse eindeutig dem alemannischen Fachwerk zu. Beim obersten Geschoss ist dies nicht mehr so klar. Die Fenster sind allerdings auch hier zwischen Brustriegel und Rähm eingespannt, und nicht zwischen zwei geschosshohe Pfosten, wie dies beim fränkischen oder sächsischen Fachwerk der Fall wäre. Zusammen mit dem Nasengiebel dokumentiert dieses Geschoss bereits die Verschmelzung von alemannischem und fränkischem Fachwerk, welche in Süddeutschland um 1600 bereits vollzogen ist.
    [...]


    Vestnertorgraben 4, "Hexenhäusla"

    Halt, zuvor noch ein Hinweis: dieses "Hexenhäusla" am Vestnertor unmittelbar nördlich des Burggrabens (und damit ist m. E. Altstadtzusammenhang gegeben) wurde 1540/41 Dendro-datiert. Damit ist es eines der Handvoll Bauwerke vor den Mauern der Stadt, die den 2. Markgrafenkrieg 1552/53 überlebten. Das Fachwerk zeigt die Riegel-Streben-Verbindungen auf, die wir schon diskutiert haben, allerdings setzen die Kopfbänder, wenn ich das richtig sehe, fast direkt an dem Brustriegel an.

    henhaeusla.jpg

    Foto: baukunst-nuernberg.de


    Dötschmannsplatz 13

    2 Mal editiert, zuletzt von Riegel (23. September 2012 um 22:51)

  • Obere Schmiedgasse 64/66, "Pilatushaus"



    Mühlgasse 2


    [...]
    Nach dem Durchzeichnen des Fachwerks und der Erstellung eines Bauphasenplans stellte sich heraus, dass einzelne Feststellungen aus dem 1. Teil ungenau sind. Im Zusammenhang mit dem überkreuzten Strebenpaar schrieb ich "Nirgendwo an der Fassade lassen sich weitere Blattsassen feststellen, die auf weitere Kopfbänder hingewiesen hätten... sowie zur Nordfassade "... da hier die Fassade mit Ausnahme eines Eckpfostens und Teile von Schwelle und Rähm komplett ersetzt worden ist."

    Die Untersuchung basierte auf zwei Fotos, die jeweils die ganzen Fassaden zeigen, und Details auf den Balkenoberflächen nicht in voller Schärfe. Blattsassen von Kopfbändern glaube ich nämlich auch an der Giebelseite im Rähm des 1. Obergeschosses rechts, und an der nördlichen Traufseite ebenfalls rechts, erkannt zu haben.
    [...]
    Den Kernbau datiere ich immer noch in die Übergangszeit von der X- zur K-Verstrebung, also etwa in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts (wie auch in der Bayerischen Denkmalliste).[...]


    Der Wandel von der X-Verstrebung zur K-Verstrebung


  • Was ich hier zu den Nürnberger Fachwerkbauten schreibe, beruht komplett auf eigenen Forschungen. Entnehme ich mal etwas der Literatur, so ist dies in den Beiträgen vermerkt. Ich habe deshalb im ersten Beitrag dieses Stranges geschrieben, dass die Beiträge hier nicht abschliessend sind, sondern mir als Arbeitsablage dienen, die ich den Interessierten nicht vorenthalten möchte, denn ein Feedback ist immer willkommen und hilfreich!

    Im Zuge meiner Forschungen zu den Nürnberger Fachwerkbauten bin ich erst auf eine einzige weitgehende Abhandlung von Erich Mulzer von 1967/68 gestossen, und bin erstaunt, mit welcher Gründlichkeit er das Thema angegangen ist, und vor allem auch, dass seine Erkenntnisse mit modernen Forschungsergebnissen übereinstimmen, obwohl ihm viel weniger Grundlagenmaterial zur Verfügung gestanden hatte, als wir es heute besitzen; ich denke da nur schon an die Dendrochronologie, die Mulzer noch nicht kannte.

    Ich empfehle Dir daher, den ersten Beitrag dieses Stranges zu lesen, wo du eine Einführung, Literaturangaben und ein Inhaltsverzeichnis findest.


    Einen ähnlichen Strang habe ich ja zu den Fachwerkbauten in Frankfurt am Main eröffnet, wo Du in der Mitte des ersten Beitrages eine Literaturliste findest; hier möchte ich Dir als Anfänger die beiden Bücher von Manfred Gerner (I + II) empfehlen, auch wenn sie nicht mehr die neusten sind. Sie betreffen das gesamte deutschsprachige Gebiet, und nicht nur Frankfurt. Neuere Literatur ist sehr auf Regionen bezogen, und in der Regel ziemlich teuer.


    Mein Forschungsschwerpunkt gilt aber den Fachwerkbauten in St. Gallen (CH); allerdings habe ich hier keinen speziellen Strang eröffnet, gebe aber zwei Links dazu, wo Du etwas bereits finden kannst:
    Historistische Fachwerkbauten in St. Gallen
    Baugeschichtliche Rekonstruktion von Metzgergasse 2 in St. Gallen
    Im zweiten Link findet man weitere Fotos zu St. Galler Fachwerkbauten.


    Zu den verwendeten Programmen:
    Die habe ich bereits einmal kurz in diesem Beitrag erwähnt. Für das farbig Hervorheben einzelner Streben benutze ich einfach das Füllwerkzeug. Es ist aber eine Voraussetzung, dass die Fläche durch schwarze oder farbige Linien ganz umschlossen ist.

  • Zirkelschmiedsgasse 30



    Pfeifergasse 10



    Fachwerkbauten mit dominierenden Fussstreben - "vorläufige" Zusammenfassung


  • Halbwalme - Schopfwalme (auch Nasengiebel, Giebelnasen)


    [...]
    Wenn man nun die hier vorgestellten Halbwalmdächer mit den folgenden beiden Listen systematisch vergleicht, stellt man fest, dass sie gleichzeitig mit dem Wandel von den angeblatteten zu den eingezapften Streben ausklangen:

    - Erste Auslegeordnung über die Verstrebungsformen
    - Fachwerkbauten mit dominierenden Fussstreben >>> "vorvorläufige Zusammenfassungäufige" Zusammenfassung

    Tatsächlich sind mir bis jetzt nur zwei Halbwalmdächer auf Fachwerkhäusern mit K-Streben bekannt, und zwar die jüngsten beiden Zeilen der "Sieben Zeilen" von 1524 (eine 1945 zerstört, eine 1972 abgebrochen!) Hier wurden wahrscheinlich in Analogie zu den bereits ab 1489 errichteten ersten fünf Zeilen Halbwalmdächer erstellt.

    Das früheste bekannte Beispiel von Fachwerk mit K-Streben war der mehrgeschossige Dacherker auf der 1502 fertiggestellten Mauthalle, dessen Giebel mit einem mächtigen Schopfwalm abschloss. Die Aufstockung des Grolandhauses, ebenfalls mit K-Verstrebung, besass auch einen kleinen Schopfwalm [edit.: Ich würde hier eher von einer Giebelnase sprechen].

    Es scheint, dass im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts Schopfwalme die Nachfolge der Halbwalme antraten, gleichzeitig mit der Ablösung der Blattverbindung durch die Zapfenverbindung im Fachwerkbau.
    [...]


    Am Ölberg 3



    Östlicher Kopfbau der "Schildgasse-Mittelzeile"


    schildgasse-aussMI07687c11a.jpg
    Östlicher Kopfbau des Häuserblocks in der westlichen Schildgasse. Ausschnitt aus dem Bild oben. (Quelle: bildindex.de)


    Die Anordnung der Streben an beiden Obergeschossen erinnert an das 3. Obergeschoss von Am Ölberg 3. Dort war der Zick-zack-Verlauf der Strebenrichtungen auch unterbrochen, allerdings wahrscheinlich verursacht durch ein Kamin an der Aussenwand.
    [...]
    Beim Kopfbau in der Schildgasse aber ist nicht einmal mehr klar, ob die Felder mit den K-Strebenpaaren zum linken oder rechten Raum gehörten. Da das Haus möglicherweise einen trapezoiden Grundriss besass, wäre es denkbar, dass der rechte Raum an der Giebelwand nur so schmal in Erscheinung trat, und sich gegen hinten verbreiterte.

    Im Giebeldreieck sind das Andreaskreuz aus geraden Balken, das rundbogige Fenster (ursprünglich Aufzugsöffnung?) und die Giebelnase erwähnenswert. Diese Details sollten bei weiteren Bauten beobachtet werden, ob sie vor allem bei Fachwerkbauten mit K-Streben vorkommen. Beim Grolandhaus beispielsweise waren beim K-verstrebten Giebeldreieck ebenfalls ein rundbogiges Fenster und eine Giebelnase vorhanden.
    [...]


    Schildgasse ca. 27


    Das 2. und 3. Obergeschoss waren identisch; fassadenbreite Fenstererker, allseits verstrebte Eck- und Bundpfosten, sowie einige Brüstungspföstchen. Auf dem vergrösserten Bildausschnitt sind evtl. sogar aufgesetzte Pilaster zu erkennen wie bei Albrecht-Dürer-Str. 24!

    Wen man das ganze Bild (s. Link im Bildtext) betrachtet, erkennt man auf der Haustrennwand eine fast geschosshohe Strebe, welche in dieser Form kaum eine Blattverbindung, sondern eher eine Zapfenverbindung besessen haben dürfte. Die Grösse der Strebe entspricht einer Fussstrebe bei einem K-Strebenpaar. Somit denke ich, dass auch die Fussstreben der Vorderfassade eingezapft gewesen waren. Dies könnte eine schärfere Aufnahme nachweisen.

    Zu diesem nicht mehr existierenden Haus kann ich nichts Neues schreiben, hingegen lohnt sich eine bildliche Gegenüberstellung mit Albrecht-Dürer-Str. 24 von 1570. Auf einer älteren Aufnahme aus dem Marburger Bildindex sind die Pilaster besser zu erkennen, weshalb ich diese Aufnahme für die Gegenüberstellung heranziehe. Solches Fachwerk mit eingezapften Fussstreben an jedem Eck- und Bundpfosten sowie spärlichen Brüstungspföstchen entstand zur gleichen Zeit wie Fachwerk mit K-Streben, wie weiter aus diesem Beitrag hervorgeht, und im Beitrag im Abschnitt "4. Bauten nur mit kurzen Fussstreben und mit Fenstererker" erläutert wird.


    schildgasse-aussmi12955a05a.jpg . . albrechtduererstr24_3446_30_17.09.09.jpg
    Links: leicht entzerrter Ausschnitt aus mi12955a05a.jpg; rechts: Albrecht-Dürer-Str. 24, erbaut 1570.


    Albrecht-Dürer-Str. 24


    albrechtduererstr24_3446_30_17.09.09.jpg . albrechtduererstr24_3289xx30_16.09.09.jpg
    Lnks: Vorderfassade; rechts: Rückfassade.

    Albrecht-Dürer-Str. 24 wurde 1570 als Lagerhaus errichtet, und erst 1928 zu einem Wohnhaus umgebaut.
    [...]
    Die Rückseite beherrscht ein K-Sreben-Fachwerk, welches nachgewiesenermassen auch von 1570 stammt. Teilweise bestehen K-Verstrebungen mit Fuss- und Kopfstreben, teilweise auch solche einfacherer Art nur mit Fussstreben.


    Hiermit bin ich am Ende der Zusammenfassung aller in diesem Strang beschriebenen Fachwerkbauten mit K-Streben angelangt. Nun gilt es, durch Vergleiche sowie Beobachtungen an weiteren verwandten Bauten die Kenntnis über "K-Streben-Fachwerk" zu vertiefen.

  • Im ersten Beitrag der Zusammenfassung von Fachwerkbauten mit K-Streben hatte ich folgendes geschrieben:

    Nun interessieren mich als nächstes die "Fachwerkbauten mit K-Streben". In mehreren Beiträgen zu Einzelbauten und Verstrebungsformen finden sich bereits Erkenntnisse und Details dazu, aber in loser Reihenfolge, weshalb ich diese zuerst sammle und die wichtigsten Passagen daraus in Zitatform einstelle. Erst danach soll Zusammenhängen und Details wie chronologische Entwicklung, Stuben- und Normalwandfelder, Fenstererker, Nasengiebel, Schmuckformen etc. nachgegangen werden.

    Ich nehme mir nun die Freiheit, ziellos über diese "Fachwerkart" weiter zu forschen. Wissenschaftliche Forschung setzt zwar eine Zielformulierung voraus, und auch die Erörterung des Weges, wie man dieses Ziel erreichen möchte. Hier möchte ich aber in loser Folge und je nach Lust und Laune über die Nürnberger Fachwerkbauten forschen, und dazu ist das Forum ein idealer Ort. :wink:

    Die chronologische Entwicklung möchte ich an den Anfang stellen, aber aufgrund der mir zur Verfügung stehenden Quellen bin ich pessimistisch, dass ich da wesentlich Neues berichten werden kann. Ich beginne mit dem ältesten datierten, mir bekannten K-Streben-Fachwerk, dem ehemaligen mehrgeschossigen Aufzugerker der Mauthalle.


    Der südliche Dacherker der Mauthalle (Hallplatz 2)


    Bing Karten - Anfahrtsbeschreibungen, Verkehrsinfos und Straßenbedingungen

    Die Mauthalle wurde 1498 bis 1502 als Sandsteinquaderbau auf einer Grundfläche von 84 auf 20 Metern errichtet. An beiden Längsseiten bestanden viergeschossige Aufzugserker aus Fachwerk. 1897/98 wurde das Gebäude zu einem Geschäftshaus umgebaut, wobei im Erdgeschoss grosse bogenförmige Schaufenster, und in beiden Obergeschossen grössere Zwillingsfenster ausgebrochen worden waren. Den Krieg überstand die Mauthalle mit starken Zerstörungen, sodass nur noch der Gewölbekeller und der grössere Teil der Aussenmauern übrig blieben. 1951/53 wurde sie wieder aufgebaut, wobei die Dacherker in verputztem Mauerwerk rekonstruiert wurden. Obwohl sie eines der wichtigsten profanen Baudenkmäler Nürnbergs ist, finden sich nur wenige Abbildungen, die das Fachwerk in genügender Auflösung zeigen.


    mi07684f02b.jpg
    Die Mauthalle vor dem Umbau von 1897/98. Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Es ist nur schwach erkennbar, dass die Front und die Seitenwand des Aufzugerkers mit K-Streben ausgesteift werden. Pro Geschoss befinden sich an der Vorderseite jeweils eine mittig angeordnete, bodentiefe Öffnung und zwei Fenster. Ein wuchtiger, nach aussen gewölbter Schopfwalm verdeckt das 2. Dachgeschoss des Giebeldreiecks.


    mi02554c03b.jpg
    Die Mauthalle kurz nach dem Umbau ca. 1906/08. Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Offenbar hat der Aufzugerker beim Umbau von 1897/98 auch Veränderungen erfahren. Die Aufzugöffnungen wurden zu Fenstern reduziert und ein Teil der östlichen Seitenwand in Fachwerk mit geschosshohen Streben ersetzt. Da es sich um eine gegen Osten gerichtete Wand handelte, dürften kaum Witterungsschäden dazu geführt haben. Fotos ab etwa den 1920er Jahren zeigen hier wiederum K-Strebenfachwerk; offenbar wurde diese Veränderung als ästhetischer Mangel empfunden, weshalb hier eine frühe Rekonstruktion erfolgte.


    Die Mauthalle heute (das zweite Bild zeigt die Rückseite):

    Gegenüber die Mauthalle, hier von Nordwesten fotografiert:

    andermauthalle-gegen-o.jpg

    und Hallplatz gegen Osten:

    hallplatz-gegen-o.jpg


    Beim Wiederaufbau von 1951/53 wurde nebst dem Verzicht auf Fachwerk auch der Schopfwalm ungenau rekonstruiert, indem an seine Stelle ein Halbwalm trat (der Unterschied besteht darin, dass bei einem Schopfwalm die Walmfläche vor der Giebelwand liegt. Die Giebelwand besteht also noch immer als Dreiecksform, während bei einem Halbwalm die Spitze gekappt wird und die Giebelwand daher trapezförmig ist. Bei einem Schopfwalm ist das äusserste Sparrenpaar also nicht gekappt, wie es bei einem Halbwalm der Fall ist! Dies ist im ersten Bild des obigen Zitats deutlich zu sehen).


    mauthalle_dacherker_front_x.jpg . . mauthalle_dacherker_seite.jpg
    Links entzerrte Front, rechts Seitenwand. Ausschnitt aus einer 1927 gelaufenen Ansichtskarte, J. Velten Verlag Karlsruhe, Aufnahme Rolf Kellner.

    Untypisch für Nürnberg kragt jedes Geschoss leicht aus, was aber durch die Funktion als Aufzugvorrichtung bedingt ist. Die Eckpfosten und die Bundpfosten der Seitenwände sind beidseits mit K-Streben ausgesteift. Bei der Front haben die senkrechten Pfosten in der Mitte die Funktion als Bundpfosten und Türpfosten. Sie sind ebenfalls auf einer Seite mit K-Streben versehen. Dasselbe "Fachwerkbild" gibt es auch bei Zirkelschmiedsgasse 30, wo die Aufzugöffnungen von einer Umbauphase von wahrscheinlich 1557 oder 1629 stammen.

    Bereits beim Dacherker der Mauthalle fehlen die kurzen Riegelstücke zwischen den Pfosten und den Streben, mit Ausnahme bei der Halsriegelkette des 1. Dachgeschosses, die durchgehend verläuft. Das Bild erinnert an die Konstruktionen mit überkreuzten Bändern, wo durchgehende Riegelketten die Regel sind.

    Das Giebelfeld ist leider nur undeutlich zu erkennen, aber es scheint, dass zwei Stuhlsäulen auch mit K-Streben verstrebt sind und ebenso die beiden Türpfosten. Aufgrund der engeren Platzverhältnisse sind die K-Strebenpaare hier überkreuzt!

    Als weiteres Novum gilt der mächtige Schopfwalm. Solche sind in Nürnberg bei den gotischen Fachwerken mit angeblatteten Bändern noch unbekannt und drangen wohl vom fränkischen Fachwerkgebiet her ein (s. bspw. Kleiner Kornmarkt 19 in Frankfurt a. M.).

    Der Richtungsverlauf der Deckenbalken ist wegen der Schalbretter nicht ersichtlich. Normalerweise werden die Kehlbalken eines Dachstuhls nach aussen bis zur Front eines Dacherkers verlängert, womit auch die Auskragungen auf einfache Weise hergestellt werden können. Auskragungen können aber auch mittels Stickbälkchen hergestellt werden, sofern die Deckenbalken in der Querrichtung liegen. Solche dürften mindestens unter dem Giebelfeld bestehen, da die Deckenbalken (hier eigentlich Dachbalken) wegen des Satteldaches zwingend in Querrichtung verlaufen müssen. Auffallenderweise sind die Stichbälkchen gegen aussen mit unregelmässigen Abständen angeordnet (evtl. schräger Verlauf als zusätzliche Windaussteifung?).

    Nebst den oben erwähnten Schalbrettern auf Bodenhöhe besassen auch die Eckpfosten eine sie betonende Gliederung. Eine Beschreibung dieser Gliederung kann aber nur anhand schärferer Abbildungen erfolgen; ebenso auch die Frage ihrer Zugehörigkeit zum Ursprungszustand.

    Eine letzte Frage sollte hier auch noch erörtert werden, und zwar jene, ob die Dacherker wirklich von Anfang an in dieser Form bestanden hatten. Umbaumassnahmen sind innerhalb des Dacherkers keine auszumachen (mit Ausnahme der Reparatur von 1897/98). Von der mächtigen Grosse der Mauthalle her sind solche Dacherker unentbehrlich, und es ist unwahrscheinlich, dass bei dieser soliden Bauweise in den ersten hundert Jahren ihres Bestehens bereits ein Ersatz erforderlich war. Die Frage kann hier aber nicht abschliessend beantwortet werden.


    Fazit:

    Auch wenn die beiden Aufzugerker der Mauthalle nur ein kleines Teil von ihr waren, so hatten sie die Dimensionen eines grösseren Fachwerkhauses. Ihre Grösse entsprach etwa dem 50(!)-fachen Volumen eines gewöhnlichen Aufzugerkers eines Wohnhauses. Nicht nur wegen der frühest bekannten Datierung von K-Streben-Fachwerk haben sie es deshalb verdient, hier eine eingehende Würdigung zu erfahren!

  • Danke Mantikor für diese Aufnahme! Ich nehme an, dass es auch ein Auschnitt aus einer schärferen Aufnahme als meine ist. Man sieht schon ein bisschen mehr, aber die im Schatten liegenden Partien sind immer noch unkenntlich. Insbesondere die Gliederung in Gurtsimsen und Eckpilaster und das Giebelfeld würden mich interessieren. Ich habe allerdings noch nie Archivarbeit geleistet, aber vielleicht gibt es ja von der Mauthalle auch stereometrische Aufnahmen (Messbildstelle in Berlin o.ä.?), wie solche vor dem Krieg vielfach gemacht worden waren.

  • Beim Tiergärtnertor 3, Gasthaus "zur Schranke"


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    Mit diesem Gebäude möchte ich ein (meiner Meinung nach) sehr spätes Fachwerk mit K-Streben betrachten. In der Bayerischen Denkmalliste wird das Baudatum allerdings schon in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts geschätzt. Aufgrund der Regelmässigkeit des Fachwerks macht es zwar den Anschein von ursprünglich nicht auf Sicht berechnetem konstruktivem Fachwerk, wie solches vorwiegend erst ab dem 18. Jahrhundert gebräuchlich wurde. Nun gibt es eine Ansicht aus dem frühen 18. Jahrhundert, die das Haus mit sichtbarem Fachwerk zeigt, aber dennoch die regelmässige Anordnung mit neun Fenstern pro Geschoss wie heute:


    radierung_j.a.delsenbach1714_auss.jpg
    Ausschnitt aus einer Radierung von Johann Adam Delsenbach von 1714. In der Bildmitte die Nr. 3,
    rechts das Albrecht Dürer Haus.


    Die Radierung zeigt das Haus so, wie es heute noch besteht: ein massives Erdgeschoss und zwei Fachwerkobergeschosse. Sogar die Dachgauben stimmen überein, und diese hätte ich eher dem Klassizismus zugeordnet, und nicht dem 18. Jahrhundert. Das Fachwerk ist - wenn auch ungenau - nur an der linken Schmalseite gezeichnet, sodass man nicht auf die Verstrebungsart schliessen kann (angeblattete lange Fuss- und kurze Kopfbänder, oder andeutungsweise eingezapfte K-Streben?).

    Das augenfällige Merkmal am heutigen Fachwerk ist die Verwendung der Pfosten. Abgesehen von den Eckpfosten gibt es nur Fensterpfosten und keine Bundpfosten, die auf die Grundrissstruktur schliessen lassen. Die K-Streben konnten demnach nur an den Fensterpfosten angebracht werden und nicht wie üblicherweise an den Bundpfosten. Am 1. Obergeschoss bestehen zudem einzelne geschosshohe Streben.

    Das Fachwerkbild erscheint trotz der regelmässigen Fensteranordnung diffus, und es steht innerhalb der Gruppe von Fachwerken mit K-Streben allein da. Ich vermute daher, dass das Haus einen Kern aus dem 16. Jahrhundert besitzt, und die Fassade etwa um 1700 eine Modernisierung erfahren hatte. Es könnte sein, dass die Fassade von Anfang an schon K-Streben aufwies, aber eine andere, eventuell unregelmässige Fensteranordnung. Die Modernisierung hätte dann darin bestanden, dass die Fenster nach barocker Manier regelmässig angeordnet und die K-Streben wieder verwendet worden wären. Im 18. Jahrhundert ist ein Verfall der Fachwerkkunst zu spüren. Oft kann man beobachten, dass die Innenwände an die Fassade nicht mehr an einen Bundpfosten stiessen, sondern einfach mit den Wandriegeln verbunden wurden, was das Fehlen von Bundpfosten erklären könnte.

    Fotos um 1900 zeigen das Haus mit verputzter Fassade und erst ab etwa 1920/30 wieder mit freigelegtem Fachwerk. Aufgrund der identischen Fensterteilung (und Dachaufbauten) mit jener in der Radierung von 1714 vermute ich, dass das Fachwerk im heutigen Bestand jenem zu Beginn des 18. Jahrhunderts entspricht. Dass dazwischen ein grosser Fassadenumbau mit gleich bleibender Fenstereinteilung, aber mit verändertem Fachwerk stattgefunden hätte, ist eher unwahrscheinlich.

    Ein Vergleich mit der "Münzstätte im Marstall" lohnt sich. Ob das Haus heute noch in veränderter Form existiert, konnte ich nicht herausfinden. Von ihm gibt es folgenden Fassadenplan aus dem 16.(!) Jahrhundert:


    muenzstaette_plan.jpg
    Fassadenplan der Münzstätte im Marstall, um 1560/70. Stadtarchiv Nürnberg, reproduziert in "Das Bürgerhaus in Nürnberg, Tafel 51).


    Die Fenster sind auch regelmässig angeordnet, und zeigen eine hochrechteckige Form (vor 1800 war das Fensterformat zwar eher liegend bis quadratisch; man müsste nachprüfen, ob der Plan tatsächlich aus dem 16. Jahrhundert stammt, oder allenfalls jünger ist). Das Fachwerk wird durch Bundpfosten mit anliegenden K-Streben regelmässig rhythmisiert, und für die Fenster bestehen eigene, von den Streben unabhängige Fensterpföstchen, was der Normalfall ist. Die Unterscheidung in verstrebte Bundpfosten und separate Fensterpföstchen ist der hauptsächliche Unterschied zur Fassade von Beim Tiergärtnertor 3.


    Fazit:

    - ein Gebäude mit regelmässigem Fachwerk und Fensteranordnung
    - gemäss Bayerischer Denkmalliste ein Haus aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts
    - keine Bundpfosten, sondern nur Fensterpfosten
    - K-Streben, nur an Eck- und Fensterpfosten anliegend

    >> Später Ausläufer? Spezialfall? Fassadenumbau um 1700?

  • Kleines Intermezzo...

    Eine sehr frühe Farbfotografie des Grolandhauses (Paniersplatz 20)! Das Haus erfuhr in den Jahren vor 1938 eine Renovation, und auf der Ansichtskarte ist es noch vor dieser festgehalten worden. Die stimmungsvolle Gegenlichtaufnahme lässt das Haus als Zeuge des "düsteren MIttelalters" erscheinen...

    ak-groland-f.jpg
    Das "Grolandhaus", Paniersplatz 20, zwischen der Tetzelgasse (links) und der Schildgasse (rechts), vor 1938. (Verlagsangabe: "Naturfarbenfotografie gedruckt, DFW")

  • Weiteres zu Irrerstr. 5


    irrerstr5_3336x30_16.09.09.jpg
    Irrerstr. 5, Nordfassade.

    irrerstr_3334x40_16.09.09.jpg
    Irrerstr. 1 - 11. Das zweigeschossige, helle Haus ganz links ist das vor ein paar Jahren von den Altstadtfreunden Nürnbergs restaurierte Haus Irrerstr.

    [...] Die heutige regelmässige Fensteranordnung mit quadratischen Öffnungen dürfte im 18./19. Jahrhundert anstelle einer unregelmässigen Anordnung mit kleineren Fenstern getreten sein. Das Zwillingsfenster im 2. Obergeschoss rechts könnte noch aus der Bauzeit des Hauses stammen, aber es ist auch möglich, dass es sich um "modern" verkleinerte Badezimmerfenster handeln könnte... Man müsste dazu die Fenstersimse aus der Nähe betrachten.

    Mehr gibt es zu diesem Haus nicht zu berichten, ausser dem Ausdruck der Hoffnung einer baldigen Restaurierung und Rekonstruktion des Satteldaches!

    Hm... ich hatte beim Betrachten dieses Bildes "Irrerstraße 1-11" gleich diesen Eindruck, eigentlich aber noch mehr, was das hier besser sichtbare rosa Nachbarhaus (wohl Nr. 7) betrifft. Ist dieses auch alt, oder wurde bloß versucht, sich an das verunstaltete Nachbarhaus anzupassen?

    Nein, die rosa gestrichene Nr. 7 ist ein Neubau aus den 1950er-/70er Jahren. Leider habe ich noch kein Bild der Häuserzeile im Vorkriegszustand gefunden.

    Schade (dass es ein Neubau ist und dass du kein Bild gefunden hast).
    Danke für die prompte Info!


    Nun habe ich doch noch eine historische Ansicht gefunden:

    ak-irrer5u7.jpg irrerstr_3334xx70_16.09.09.jpg
    Links: Irrerstr. 5 und 7 "Restauration weises Kreuz", Kunstverlag Fritz Schardt, Nürnberg, gelaufen 1912; rechts: Ausschnitt aus der oben stehenden Fotografie (2009).


    Der Vergleich beider Ansichten beweist, dass Irrerstr. 5 tatsächlich noch ein historisches Haus ist! Lange fand ich nicht heraus, welche Häuser auf der Ansichtskarte festgehalten sind, doch die charakteristischen, in der Höhe versetzten Fenster des 2. Obergeschosses verrieten ihre Identität. Unerwarteterweise besass das Haus sogar noch ein 3. Obergeschoss, das mit dem Dach im Krieg zerstört und nicht mehr wiederaufgebaut worden war. Die Öffnungen des gründerzeitlichen Erdgeschosses sind heute noch unverändert vorhanden.

    Da auch die Fenster des 3. Obergeschosses in der Höhe versetzt waren, und auf dem Dach zwei Dacherker standen, könnte es sein, dass hier spätestens um 1800 zwei sehr schmale Häuser vereinigt worden waren.

    Irrerstr. 7 überrascht durch sein gemauertes Erdgeschoss mit historischen Stichbogenöffnungen, während die Obergeschosse aus verputztem Fachwerk bestanden (geringe Fensterleibungstiefe). Die regelmässig angeordneten Fenster der ersten beiden Obergeschosse dürften ein Produkt des 18. Jhs. sein, während die Fenster des 3. Obergeschosses einen älteren Bauzustand zeigen.

    Die heutige Irrerstr. 7 ist definitiv ein Neubau, wenn man die Fensterhöhen auf dem Bildpaar genau vergleicht. Es ist aber erstaunlich, dass das historische Erdgeschoss nicht in den Neubau einbezogen worden war, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass das Haus bis auf das Fundament zerstört worden war, während beide Nachbarhäuser über drei Geschosse stehen blieben.

  • Fachwerkbauten mit K-Streben (Zusammenfassung)


    Nun interessieren mich als nächstes die "Fachwerkbauten mit K-Streben". In mehreren Beiträgen zu Einzelbauten und Verstrebungsformen finden sich bereits Erkenntnisse und Details dazu, aber in loser Reihenfolge, weshalb ich diese zuerst sammle und die wichtigsten Passagen daraus in Zitatform einstelle. Erst danach soll Zusammenhängen und Details wie chronologische Entwicklung, Stuben- und Normalwandfelder, Fenstererker, Nasengiebel, Schmuckformen etc. nachgegangen werden.

    Hiermit bin ich am Ende der Zusammenfassung aller in diesem Strang beschriebenen Fachwerkbauten mit K-Streben angelangt. Nun gilt es, durch Vergleiche sowie Beobachtungen an weiteren verwandten Bauten die Kenntnis über "K-Streben-Fachwerk" zu vertiefen.

    Ich nehme mir nun die Freiheit, ziellos über diese "Fachwerkart" weiter zu forschen. Wissenschaftliche Forschung setzt zwar eine Zielformulierung voraus, und auch die Erörterung des Weges, wie man dieses Ziel erreichen möchte. Hier möchte ich aber in loser Folge und je nach Lust und Laune über die Nürnberger Fachwerkbauten forschen, und dazu ist das Forum ein idealer Ort. :wink:

    Für eine weitergehende Erforschung müssten also mehr Bauten und Datierungen bekannt sein, respektive noch mehr Bauten systematisch erfasst werden, als die paar wenigen Beispiele, auf die ich in diesem Strang immer wieder zurückgegriffen hatte. Ich möchte aber die weitere Erforschung der Fachwerkbauten mit K-Streben zugunsten auch solcher ohne K-Streben vorerst unterbrechen, aber wenigstens einen Überblick über die bisherigen Erkenntnisse zusammenfassen.

    Die folgenden Untertitel sind ein Vorschlag, nach welchen Kriterien die Fachwerkbauten mit K-Streben speziell betrachtet werden sollten:


    Chronologische Entwicklung:
    Die Verstrebung mit K-Streben kam etwa um 1500 auf (Dacherker Mauthalle) und hielt sich bis ins 18. Jahrhundert, in ländlichen Gebieten sogar bis ins 19. Jahrhundert. In diesen drei Jahrhunderten entwickelte sich die hiesige Fachwerktechnik nicht weiter, wenn auch in Details und Schmuck Veränderungen feststellbar sind. Ein solcher Stillstand konnte gleichzeitig auch im fränkischen Fachwerk ausgemacht werden (Beharrungszeit).

    Stuben- und Normalwandfelder:
    Die K-Verstrebung braucht die ganze Wandhöhe eines Geschosses. Sind infolge breiter Fenster, die bis an die Bund- und Eckpfosten reichen, keine K-Streben mehr möglich, treten an ihre Stelle kleine Fussstreben innerhalb der Fensterbrüstungen. Daher habe ich die Begriffe wie "Stubenfelder" (mit breiten Fenstern oder Reihenfenstern) und "Normalwandfelder" (mit Einzelfenstern) kreiert.

    Daneben gibt es aber Fassaden, die ausschliesslich nur kleine Fussstreben aufweisen, auch wenn für K-Streben genug Platz vorhanden gewesen wäre. Bei diesen sind in der Regel Fenstererker auf der ganzen Fassadenbreite angeordnet, und oft auch an allen Geschossen.

    Fenstererker:
    Fenstererker kommen schon im 15. Jahrhundert an Bauten mit angeblatteten Bändern vor. Ohne nennenswerte Änderung überdauerten sie auch den Wechsel zum K-Strebenfachwerk. Wie lange Fenstererker noch gebaut wurden, ist aus den bisher bekannten Beispielen nicht zu schliessen. Mindestens für das 16. Jahrhundert sind sie noch zahlreich dokumentiert und kamen dann wohl im Verlauf des 17. Jahrhunderts aus der Mode.

    Nasengiebel / Halbwalmdächer:
    Nasengiebel hatten nur eine kurze Blütezeit in Nürnberg und sind ausschliesslich an Bauten mit K-Streben (auch einfacherer Bauart nur mit 2/3-wandhohen Fussstreben) nachzuweisen. Bei Fachwerkbauten aus dem 15. Jahrhundert mit angeblatteten Bändern sind keine Nasengiebel bekannt. Im Gegensatz dazu sind im fränkischen Fachwerkbau des 15. Jahrhunderts Nasengiebel bereits bekannt (bspw. Frankfurt).

    Halbwalmdächer sind vor allem bei Bauten mit angeblatteten Bändern bekannt, nicht mehr aber bei Bauten mit K-Streben. Eine Ausnahme (6. und 7. Zeile der "Sieben Zeilen" von 1524) stellen den Wendepunkt dar. Die Entwicklung vom Halbwalm zum Nasengiebel erfolgte wohl parallel zum Übergang von der Verstrebung mit angeblatteten Bändern zur Verstrebung mit K-Streben.

    Schmuckformen:
    Schmuckfachwerk ist in Nürnberg generell spärlich vertreten und kommt vor allem in Innenhöfen vor. An Fassaden mit K-Streben gibt es nirgends Schmuckfachwerk wie geschweifte Andreaskreuze, Feuerböcke etc., lediglich einfachste Andreaskreuze sind denkbar. Hingegen sind die Dacherker umso mehr verziert. Fassaden mit Schmuckfachwerk kommen ohne Verstrebungen aus; die Verstrebung wird durch die Schmuckglieder selbst übernommen.

  • Irrerstr. 1 (ehem. Irrerbad)


    Nun ist auch der Zeitpunkt gekommen, einen Blick auf die rekonstruierte Giebelwand von Irrerstr. 1 zu werfen. Es handelt sich um das Haus, das die "Altstadtfreunde Nürnberg" vor einigen Jahren restaurierten, und den 1948 abgegangenen Dachstuhl rekonstruierten.

    Beschreibung auf der Seite der Altstadtfreunde Nürnberg (Link inaktiv, auf neuer Seite noch nicht nachgeführt)
    Website des ausführenden Architekten (mit Fotos)

    Beschreibung in derBayerischen Denkmalliste:

    "Ehem. Irrerbad (Weißgerberbad), zweigeschossiger Kopfbau mit steilem Satteldach, Giebeldacherkern und Schleppgauben, Erdgeschoss massiv verputzt, seitlich vorkragendes Obergeschoss Fachwerk verputzt, originale Tür und polygonaler Stützpfeiler im Innern, im Kern nach 1509 (dendro.dat.) über Vorgängerbauten des 11. Jh. und von 1326 errichtet, Umbauten 1691, Fachwerkerneuerung um 1710 (dendro.dat.), weitere Umbauten 1837 und 1907/08, nach Zerstörung 1945 Abbruch von Dach und Fachwerkgiebel und Wiederaufbau 2005."

    Errichtet wurde das "Irrerbad" um 1509/10, und um 1691/93 wurde die Giebelwand ersetzt. So stellte sich bei der Rekonstruktion die Frage, was für einen Fachwerktypus die neue Giebelwand erhalten sollte. Die Entscheidung fiel auf Fachwerk mit K-Streben (ohne Kopfstreben, also eine einfache Form), wie es zu Ende des 17. Jahrhunderts noch entstanden sein könnte.

    Einschub:
    Weshalb benenne ich diese Verstrebungsart auch "K-Streben", auch wenn nur Fussstreben, aber keine Kopfstreben vorhanden sind, und somit kein "K" entsteht? Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Kopfstreben weggelassen wurden: sparsamere Ausführung, kein Platz infolge Fenster. Es handelt sich nicht um eine chronologische Entwicklung, sondern um eine "einfachere" Verstrebungsart, die zeitgleich mit der "klassischen" K-Verstrebung angewendet wurde. Siehe die folgenden Skiszzen:

    fuss_k_normal.jpg
    Fachwerk mit K-Verstrebung und kurzen Fussstreben bei den Stuben.

    fuss_k_einfach.jpg
    Vereinfachte Variante von oben.

    Wie das Fachwerk der ursprünglichen Wand wohl ausgesehen hatte, ist unklar. Für 1509/10 kämen ebenfalls K-Streben in Frage. Nun heisst es aber in den Abhandlungen zur Baugeschichte, dass das 1. Obergeschoss unter dem Verputz ein "verblattetes Fachwerk" besitzt (das Fachwerk wurde offenbar bei der Erneuerung des Giebeldreiecks um 1691/93 zugedeckt). Das heisst, dass das Obergeschoss unmöglich mit K-Streben ausgesteift ist, denn die Streben werden ja eingezapft und nicht angeblattet. Somit kann auch das ursprüngliche Giebeldreieck keine K-Streben aufgewiesen haben. Insofern sollte das Haus heute jenes Aussehen haben, wie es sich nach 1693 präsentierte.


    irrerstr1_3329x+rek_giebel.jpg
    Links: Irrerstr. 1, östliche Giebelwand um 2009 nach der Rekonstruktion; rechts: Fotomontage mit Rekonstruktionsvorschlag des Fachwerks aufgrund allgemeiner baugeschichtlicher Forschungen.


    Das frei rekonstruierte Fachwerk des Giebeldreiecks macht einen diffusen Eindruck, und ist deshalb prädestiniert, mit den bisherigen Erkenntnissen zu K-Streben-Fachwerk verglichen zu werden. Handwerklich und materialmässig handelt es sich um eine sehr authentische Rekonstruktion!

    - Als erstes fällt das Nebeneinander von grossen und kleinen Fussstreben auf. Beide kommen während der Epoche mit K-Streben-Fachwerk vor, aber differenziert nach der Grösse der Öffnungen. Kleine Streben kommen dort zum Einsatz, wo wegen breiter Fenster keine langen Fussstreben mehr Platz hatten, also vor allem bei Stubenwandfeldern. Bei den bisher untersuchten Bauten finden sich aber in Giebeldreiecken praktisch nirgends kurze Fussstreben, da dort meistens auch nur kleine Fenster sitzen, und somit genug Platz für grosse Streben vorhanden ist. Vielmehr müssten hier also auch in den Wandfeldern mit Fenstern grosse Streben eingebaut sein.
    - Auf Fensterbrüstungshöhe fehlen an den ersten beiden Dachgeschossen die kurzen Riegel zwischen den grossen Fussstreben und Sparren.
    - Die Asymmetrie am 1. Dachgeschoss ist gesucht. Bei allen historischen Beispielen ist jeweils ein Bundständer in der Mitte angeordnet, und nicht seitlich eines Fensters.
    - Am 1. Dachgeschoss ist auf dem Dachbalken eine Schwelle aufgelegt, wo es eine solche im Normalfall nicht bräuchte.
    - Die Sparren greifen zu weit innen auf die Dachbalkenlage. Normalerweise fluchtet der Schnittpunkt von Sparrenoberfläche und Dachbalken genau über der Fassadenflucht.

    Diese Punkte haben mich veranlasst, der heutigen Aufnahme eine eigene Rekonstruktion gegenüberzustellen, die mehr Ruhe ausstrahlt, und auf baugeschichtlichen Erkenntnissen anderer verwandter Bauten fusst.

    Zur Verteidigung des heutigen Erscheinungsbildes stelle ich die Giebelwand von Zirkelschmiedsgasse 30 gegenüber, die vom gleichen Architekten auch für die Altstadtfreunde Nürnberg als Bauherr restauriert worden ist (siehe Beitrag).


    zirkel30fassade-bauphasen30.jpg
    Zirkelschmiedsgasse 30 mit farbiger Markierung des Fassadenumbaus in der Giebelwand.


    Das Fachwerk mit angeblatteten Fuss-, Kopf- und Steigbändern gehört zum Kernbestand von 1422. Die grünlich eingefärbten Partien gehören zu einer Umbaumassnahme von 1557 oder 1629 und weisen eingezapfte K-Streben und kleine Fussstreben auf. Zudem liegen auf den Kehlbalken separate Schwellen, die aber nur zum Zweck einer sauberen Unterlage für die neuen Wandpartien gelegt wurden (siehe ausführlichere Beschreibung im Beitrag). Nun kann man sagen, dass bei Irrerstr. 1 ebenfalls ein Umbau stattgefunden hatte, womit die separate Schwelle auf dem Dachbalken auch einen Sinn machen würde.

    Unter den beiden Aufzugsöffnungen sitzen tatsächlich auch kurze Fussstreben. Ich sehe dies hier als Ausnahme an, da seitlich der Öffnungen kein Platz mehr für K-Streben ist, also gleich wie bei breiten Stubenfenstern. Bei der Irrerstr. 1 wäre aber genug Platz vorhanden gewesen, um auch dort K-Streben anzulegen.


    Fazit:
    Ich sehe das Giebeldreieck von Irrerstr. 1 als eine freie Rekonstruktion an, die möglicherweise von der Giebelfassade von Zirkelschmiedsgasse 30 inspiriert worden ist und weniger auf baugeschichtlichen Beobachtungen bei anderen Bauten mit K-Streben-Fachwerk fusst.

    Edit.: Es existiert eine Fotografie des Giebeldreiecks, auf dem das Fachwerk tatsächlich so aussgesehen hatte wie in der Rekonstruktion. Allerdings ist dort nicht erkennbar, ob es ein bereits veränderetes Fachwerk war.

  • Ehemalige Fachwerkbauten am Hans-Sachs-Platz (ehem. Spitalplatz)


    Wenn an der Südseite des annähernd quadratischen Hans-Sachs-Platzes nicht noch die in einen Neubau integrierten Reste der Spitalkirche (erbaut 1332-1339) des Heilig-Geist-Spitals stünden, erinnert nichts mehr daran, dass hier bis 1944 einer der schönsten "mittelalterlichen" Plätze Nürnbergs war.

    Heutige Situation: maps?v=2&cp=s781wchxpzk7&lvl=18.75&dir=357.25&sty=b&where1=nürnberg, by, deutschland&form=lmltcc

    Wie schwer die Bombardierung 1944 diesen Platz getroffen hat, kann man folgender Bildergalerie entnehmen:
    Trümmerbahnen in Nürnberg - Forum des Gartenbahn-Stammtisch Nürnberg
    (fälschlicherweise sind viele Fotos mit "Hans-Sachs-Platz" beschriftet; ein Teil davon ist weiter nördlich und westlich bis zur Frauenkirche aufgenommen worden)

    karte1811_hauptmarkt_spitalplatz_eintr.jpg
    Ausschnitt aus dem Stadtplan von 1811 von Anton Falger. Rot markiert sind die hier behandelten Fachwerkbauten.


    Die Westseite säumte eine dreigeschossige Häuserreihe, deren einzelne Parzellen nur schwer unterscheidbar waren. Möglicherweise wurde die ganze Zeile in einem Zug nach einem einheitlichen Plan errichtet. Jedenfalls war gemäss dem Stadtplan von 1811 das linke Drittel des Fachwerkhauses (im Situationsplan rote Nr. 2) eine eigenständige Parzelle und der Rest ein breiteres Haus:

    ak-hanssachsplatz5.jpg
    Westseite des Hans-Sachs-Platzes um 1910/1920. Ansichtskarte, Verlag unbekannt.


    Die Nordseite war eine schmale Häuserreihe, die die an ihrer Rückseite verlaufende Hans-Sachs-Gasse vom Platz abtrennte. Auch diese Häuser waren, mit Ausnahme beider Kopfbauten (im Situationsplan rote Nrn. 1 und 3), dreigeschossig, auch wenn sich Unterschiede in den Dächern bemerkbar machten:

    ak-hanssachsplatz3.jpg
    Nordseite des Hans-Sachs-Platzes, Nrn. 17-25 (von links), vor 1921. 1921 gelaufene Ansichtskarte ohne Verlagsangabe.


    Eine Farbfotografie zeigt die nordwestliche Platzecke bei Nr. 1 um 1930/1940:

    spitalplatz_farbig_x.jpg
    Hans-Sachs-Platz, nordwestliche Platzecke um 1930/40; Herkunft unbekannt.
    (Originalansicht, für diesen Beitrag leicht gedreht und farblich verstärkt (Link inaktiv))


    Die Ostseite schliesslich bestand aus einer viergeschossigen Zeile, die im Süden abrupt abbrach, und den Blick auf die 1874 eingeweihte Synagoge frei gab. Diese Lücke bis zum Chor der Spitalkirche an der Nordseite des Platzes existierte allerdings gemäss dem Stadtplan von 1811 schon vorher. Ebenfalls 1874 wurde das Hans-Sachs-Denkmal mit einer Gartenanlage eingeweiht, die dann bereits um 1930 wieder rückgängig gemacht wurde. Wie das Denkmal der Metallspende entgehen konnte, weiss ich nicht. Nach dem Krieg wurde der Denkmalsockel "enthistorisiert", so wie er sich heute präsentiert.

    ak-hanssachsplatz4.jpg
    Ostseite des Hans-Sachs-Platzes. 1902 gelaufene Ansichtskarte, Hermann Martin, Kunstverlag, Nürnberg.

  • Hans-Sachs-Platz 13: das nördliche Fachwerkhaus an der Westseite (siehe Situationsplan "Nr. 1" im letzten Beitrag)


    Über einem gemauerten Erdgeschoss folgen zwei Fachwerkgeschosse, die über die ganze Breite Reihenfenster aufweisen. Ebenfalls über die ganze Hausbreite ist das Dach mit einer Schleppgaube versehen.

    ak-hanssachsplatz1.jpg
    Hans-Sachsplatz, links die Westzeile, rechts die Nordzeile; nach der Entfernung der Parkanlage um das Denkmal, um 1930. Ungelaufene Ansichtskarte, Verlag J. Gundel Nachf., E. Hauber, Nürnberg.


    mi02558g11b.jpg
    Hans-Sachsplatz, links die Westzeile, rechts die Nordzeile, um 1935/36. Vergrösserung

    (Quelle: bildindex.de)


    Das Fachwerk wird mit kurzen, eingezapften Fussstreben verstrebt; nur am 2. Obergeschoss sitzt rechts eine lange Fussstrebe. Über dem Erd- und 1. Obergeschoss liegen eng gelegte Balkenlagen. Über die Originalität der Fensteranordnung kann noch keine Aussage gemacht werden, auch nicht, ob einst Fenstererker vorhanden waren. Im Süden schloss das Haus an eine Brandmauer an. Anhand der eingezapften Fussstreben kann das Fachwerk ins 16./17. Jahrhundert datiert werden. Oft ist es so, dass einfache Fachwerke zeitlich schwer einzuschätzen sind, da sie naturgemäss wenig Schmuck zeigen, und nur über die Art der Verstrebung datiert werden können.

    Erwähnenswert ist das Fachwerk an der Schleppgaube (normalerweise weisen die Schleppgauben auf ihrer ganzen Breite nur Fenster auf). Anhand der Konstruktion ist nicht ersichtlich, ob die Front erst auf Sparrenhöhe beginnt (kurze Fussstreben?) oder auf die Deckenbalken abgestützt ist (lange Fussstreben).


    Hans-Sachs-Platz 17 und 19: die westlichen Fachwerkhäuser an der Nordseite (siehe Situationsplan "Nr. 1" im letzten Beitrag)


    Das Fachwerk des linken Hauses der Nordzeile (Hans-Sachs-Platz 17) hatte offenbar zwei Renovationen erfahren. Auf der vorletzten Aufnahme ist es bereits freigelegt, aber mit diversen Reklamen verhangen. Zudem weist das Erdgeschoss eine klassizistische Schaufensteranlage mit einem kräftigen Abschlussgesims auf.

    Auf der wenig jüngeren Farbaufnahme fehlt dieses Sims, die Reklamen sind verschwunden, und das Fachwerk ist rot gestrichen (selten für diese Zeit!):

    spitalplatz_farbig_x.jpg
    Hans-Sachs-Platz, nordwestliche Platzecke um 1930/40; Herkunft unbekannt.
    (Originalansicht, für diesen Beitrag leicht gedreht und farblich verstärkt (Link inaktiv))


    Auf Brüstungshöhe wird das Fachwerk mit dünnen Fuss- und Brüstungsstreben versteift. Auf der Farbaufnahme ist zudem oben rechts möglicherweise ein angeblattetes Kopfband erkennbar, das auf den S/W-Aufnahmen noch fehlt. Die regelmässige Fensteranordnung korrespondiert nicht mit dem unregelmässigen Fachwerk. Gegen Westen schloss das Haus ebenfalls mit einer Brandmauer(-fassade) ab.

    Eine baugeschichtliche Aussage kann anhand des Bildmaterials nicht gemacht werden. Eine solche wäre nach der Sichtung von Originalfotos eher möglich.


    Das zweitletzte Haus der Nordzeile (Hans-Sachs-Platz 19) war vor seiner letzten Renovation nicht nur einfach verputzt, sondern besass eine klassizistische Gliederung aus Holz oder Blech. Auf der Farbaufnahme ist das Fachwerk frei gelegt und ocker gestrichen.

    Passend zur regelmässigen Fensteranordnung sind die geschosshohen Fensterpfosten und die einzelnen Brüstungsstreben, was darauf hinweist, dass es sich um ein nicht auf Sicht gedachtes, konstruktives Fachwerk aus dem 18./19. Jahrhundert handelte. Die Dachform, der Aufzugserker und die eng gelegte Balkenlage über dem 2. Obergeschoss verraten aber einen älteren Kern des Hauses, sodass vor der Anlage der regelmässigen Fensteranordnung wohl eine ursprüngliche Sichtfachwerkfassade angenommen werden darf. Ein Fachwerk mit angeblatteten Fuss- und Kopfbändern wird es kaum gewesen sein, denn dann würde man im Eckpfosten und Rähm die Einschnitte von Blattsassen erwarten (Schwellen, Rähme und Pfosten wurden bei Fassadenumbauten meist belassen, sodass sich dort ältere Konstruktionsspuren zeigen). Das Haus dürfte demnach frühestens im 16. Jahrhundert errichtet worden sein.

    Auf Originalfotografien könnte zudem festgestellt werden, ob das Fachwerk des 1. Obergeschosse baulich mit dem westlichen Haus (links) verbunden war, da die Schwellen und Rähme auf gleicher Höhe lagen.

  • Hans-Sachs-Platz 1 und 3: das südliche Fachwerkdoppelhaus an der Westseite (siehe Situationsplan "Nr. 2" im vorletzten Beitrag)


    Von der aus neun Häusern bestehenden Westzeile (Spitalgasse Nr. ?, Hans-Sachs-Platz 1 – 15) lagen sechs unter einem einheitlichen Satteldach (Nrn. 1 - 11, und bei zwei Fassaden (Nrn. 1 und 3) davon lag das Fachwerk frei. Die beiden Häuser waren viel mehr wegen ihrer Baugeschichte interessant, und weniger wegen der allgemeinen Fachwerkforschung.

    ak-hanssachsplatz5.jpg
    Westseite des Hans-Sachs-Platzes um 1910/1920. Ansichtskarte, Verlag unbekannt.


    ak-hanssachsplatz2.jpg
    Hans-Sachs-Platz 1 und 3 um 1910/1920. Ungelaufene Ansichtskarte, Hermann Martin, Kunstverlag, Nürnberg.


    Wie bereits im einleitenden Beitrag zum Hans-Sachs-Platz erwähnt, waren laut dem Stadtplan von 1811 die rechten zwei Drittel und das linke Drittel je ein eigenständiges Haus, aber offenbar miteinander restauriert worden (auf der Originalansicht erkennt man auch die unterschiedliche Dacheindeckung; links ausschliesslich mit spitz zulaufenden Biberschwanzziegeln, und rechts gemischt mit spitz und rund zulaufenden Biberschanzziegeln).

    In der Mitte des rechten, breiteren Hauses ist eine Zäsur erkennbar, und zwar gehören die Bundständer über dem Rundbogenportal zur rechten Haushälfte, da sie auf den nach rechts laufenden Schwellen stehen. Auch die zugehörige Balkenlage über dem Erdgeschoss endet in einem regelmässigen Abstand unter diesen Bundpfosten. Nach links sind die Schwellen und Rähme angefügt, und auch die ersten Deckenbalken liegen unmittelbar neben den ersten Deckenbalken des rechten Hausteils. Die linke Haushälfte ist demnach später an die rechte Hälfte angebaut worden. Die rechte Haushälfte zeichnet sich zudem an der ehemaligen Gebäudeecke mit doppelten Fussbändern aus.

    Dafür bilden aber die linke Haushälfte (im Bild also der mittlere Hausteil) und das eigenständige Gebäude links eine konstruktive Einheit, da die Schwellen und Rähme durchlaufen. Auch beim Dachfirst ist eine leichte Senkung gegen die Hausmitte festzustellen, während das Dach des älteren, rechten Hausteils offenbar stabiler konstruiert worden war.


    Die mögliche Baugeschichte:

    I. Im 15. Jahrhundert wird die rechte Haushälfte (rot) errichtet. Ihr Merkmal sind die doppelten Fussbänder. Vermutlich umfasste dieser Kernbau auch Teile der nördlich (rechts) anstossenden Häuser, wo die Gegenstücke zu den doppelten Fussbändern erwartet werden dürfen (doppelte Fussbänder sitzen meistens an beiden Gebäudeecken, seltener auch an den Bundständern

    II. Ebenfalls noch im 15. Jahrhundert wird der Kernbau nach Süden (links) erweitert, und zwar um vier Raumbreiten (blau u. grau)

    IIIa. Später wird diese Erweiterung in der Mitte halbiert, sodass fortan die linke Hälfte der Erweiterung ein eigenständiges Wohnhaus bildet (grau)

    IIIb. Die rechte Hälfte (blau) der Erweiterung wird dem Kernbau (rot) zugeschlagen, und in der Mittelaxe eine Rundbogentüre angelegt, wo sich einst die Gebäudeecke befunden hatte, sowie ein Dacherker aufgesetzt).


    ak-hanssachsplatz2auss_bauetappen.jpg
    Eintragung der möglichen Bauetappen und der Stuben. Rot = Etappe I; blau und grau Etappe = II; blau = zum Kernbau geschlagener Teil. Ausschnitt aus der vorhergehenden Abbildung.


    Nun fällt auf, dass alle drei Hausteile gleich breit sind, und jeweils aus zwei verschieden breiten Räumen bestehen. Die breiten Räume dürften im 1. Obergeschoss die Stuben umfasst haben (kurze, breitere Fussbänder, keine Unterteilung in den Brüstungen, was auf Bohlenausfachungen hinweist), und die schmalen Räume Nebenstuben (lange Fussbänder). Beim Kernbau scheint die Nebenstube später zur Stube zugeschlagen, und mit einem Fenstererker versehen worden zu sein. Im 2. Obergeschoss dürften sich immer je zwei Kammern befunden haben.

    Diese Aneinanderreihung von "Reihenhäuschen" ist auffallend. Könnte dies mit dem benachbarten Heilig-Geist-Spital zu tun haben, bspw. Pfrundhäuser, sozialer Wohnungsbau? Hier müsste die Stadtgeschichtsforschung weiter helfen.


    Weitere Beobachtungen zu diesen Baumassnahmen:
    Einen zeitlichen Hinweis, wann der Kernbau und die rechte Hälfte der Erweiterung vereinigt worden sein könnten, gibt allenfalls der Dacherker. Dacherker mit oktogonal vorspringenden Walmdächlein und geschnitzten, nachgotischen Masswerkbrüstungen waren im 16. und frühen 17. Jahrhundert in Mode.

    Im Mauerwerk sind rechts vom Rundbogenportal Zäsuren erkennbar. Einen zeitlichen Hinweis gibt dies allerdings nicht, aber wenigstens einen weiteren Hinweis, dass im Bereich der mutmasslichen ehemaligen Gebäudeecke des Kernbaus Baumassnahmen stattgefunden haben. Ein Blick auf die "Innenansicht" der Erdgeschosswand ist für den Bauforscher Pflicht, hat aber in der zur Verfügung stehenden Auflösung nichts Neues erbracht:


    mi02566c01b.jpg
    "Innenansicht" an die Erdgeschosswand des Pfarrhauses nach seiner Zerstörung 1944. In der Bildmitte sind das Rundbogenportal (Oblicht) und Rechteckfenster des linken Hauses sichtbar, links anstossend die diversen Öffnungen des breiteren Hausteils. Oberhalb des Rundbogenportals ist das Hans-Sachs-Denkmal sichtbar, das die Metallspende und den Feuersturm offenbar ohne Schutz überdauert hatte.
    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    Fazit:
    Im 15. Jahrhundert entsteht der Kernbau des Hauses, wahrscheinlich eine bauliche Einheit mit dem (den) nördlich anstossenden Nachbarhaus (Nachbarhäusern) bildend. Ebenfalls im 15. Jahrhundert wird dieser Kernbau südlich um zwei Wohneinheiten erweitert. Die nördliche dieser beiden Wohneinheiten wird später dem Kernbau zugeschlagen, und in der Mitte des "neuen" Hauses ein Rundbogenportal angelegt und ein Dacherker aufgesetzt.

    Die Vermutung liegt nahe, dass bei der westlichen Häuserzeile am Hans-Sachs-Platz eine öffentliche Institution als Bauherrin aufgetreten sein könnte.

  • Hans-Sachs-Platz: das verputzte östliche Fachwerkhaus an der Nordseite (Hans-Sachs-Platz 25, Situationsplan "Nr. 3")


    Der östliche Kopfbau der Nordseite stach durch seine Grösse gegenüber allen andern profanen Bauten am Platz vor.


    karte1811_hauptmarkt_spitalplatz_eintr.jpg
    Ausschnitt aus dem Stadtplan von 1811 von Anton Falger.


    ak-hanssachsplatz1932.jpg
    Hans-Sachs-Platz gegen Nordosten, dominiert vom östlichen Kopfbau der Nordseite. 1932 gelaufene Ansichtskarte aus dem Verlag Ludwig Riffelmacher, Fürth.


    Das Fachwerk unter dem Verputz verrieten die an allen drei Obergeschossen bis an die Fassadenkanten durchlaufenden Fenstererker. Da das Haus im Hintergrund des Hans-Sachs-Denkmals von 1874 stand, erscheint es oft auf historischen Fotografien und Ansichtskarten. Auf der Fotografie von 1932 sieht man zudem, dass die westliche Seitenwand als Brandmauer ausgebildet war, mit Sandsteinquadern bis zum obersten Vollgeschoss, und das Giebeldreieck aus Backstein, die ein wenig über die Dachflächen hinausragten.

    Die östliche, freistehende Giebelwand zeigte am Dachort ebenfalls hinausragende Backsteine, und die Fenstererker hörten auch dort wenige Dezimeter vor der Gebäudeecke auf, sodass wahrscheinlich auch die östliche Giebelwand massiv errichtet worden war.

    Als Besonderheit schienen die Fachwerkbalken eine Zeit lang durch den Verputz hindurch, sodass man sich durch die Betrachtung mehrere Abbildungen ein Bild vom Fachwerkgefüge machen kann.


    ak-hanssachsdenkmal1906.jpg . ak-hanssachsdenkmal3.jpg
    Links: Kopfbau mit alten Öffnungen im Erdgeschoss; man beachte auch das westliche, linke Nachbarhaus in einfachster klassizistischer Architektur, im Gegensatz zum Zustand mit historistischer Gestaltung auf der Ansicht von 1932 oben. 1906 gelaufene Ansichtskarte, ohne Verlagsangabe.
    Rechts: Kopfbau mit knapp sichtbaren Ladeneinbauten
    . Ansichtskarte um 1930, Verlag unbekannt.


    ak-hanssachsplatz3auss_fachwerk.jpg
    Einzeichnung des durch den Verputz schimmernden Fachwerks sowie des bis etwa 1900
    existierenden, historischen Eingangsportals anstelle der späteren Ladeneinbauten.

    (Abbildungsgrundlage: Ausschnitt aus der dritten Abbildung in diesem Beitrag)

    Das Ergebnis ist sehr sonderbar - ein Fachwerk, das offenbar nur aus waagrechten und senkrechten Balken bestand, ohne jegliche Streben oder andere schräg verlaufende Hölzer. Fussbüge oder Fussbänder hätten sich auch im Verputz abzeichnen müssen, auch wenn sie von kleinerem Querschnitt als die Schwellen, Pfosten und Rähme gewesen wären. Die Aussteifung des Fachwerkgerüsts in Längsrichtung konnte also nur über die beiden seitlichen Brandmauern bewerkstelligt werden.

    An diversen Orten zeichneten sich eng gelegte Balkenlagen ab, unabhängig von der Funktion der dahinter liegenden Räume. Nur über dem Erdgeschoss ist der Befund undeutlich.

    Zwischen jedem Fenster war mittig je ein Bundpfosten angeordnet, die wie üblich von den Fenstererkern in der oberen Hälfte verdeckt wurden. Somit könnte auf vier Räume pro Geschoss geschlossen werden, wobei auch grössere Räume mit zwei oder mehr Fenstern vorstellbar sind. Ein Bundpfosten bedeutet nicht, dass zwangsläufig dahinter auch eine Querwand folgen muss.

    An Vergleichsobjekten kommen einmal mehr Obere Schmiedgasse 64/66 ("Pilatushaus"), Albrecht-Dürer-Str. 24 und weitere in diesem Beitrag beschriebenen Fassaden in Frage, mit dem Unterschied, dass alle diese Bauten Bänder oder Streben aufweisen. Um den Befund dieses sonderbaren Fachwerks zu verifizieren, sollte auch ein Blick auf die Rückfassade geworfen werden.

  • Eigentlich bin ich wegen eines andern Hauses auf eine Abbildung der Rückseite gestossen:

    In Ermangelung eines Hausnummernplans vor 1945 versuchte ich das "Hans-Sachs-Haus" (Hans-Sachs-Gasse 17) zu lokalisieren. Die Gasse verlief ja entlang der Rückseite der Nordzeile am Hans-Sachs-Platz. Gemäss dem Stadtplan von 1811 von Anton Falger (s. Abb. im Beitrag vorher) kamen daher nur die kleinen Häuser nördlich des hier beschriebenen Kopfbaus in Frage. Hier mündete auch die schräg verlaufende Ebnersgasse in den Hans-Sachs-Platz (die Gasse hiess 1811 noch "Tucher-Gasse" und wurde beim Wiederaufbau nach 1945 überbaut).

    Nun hat unser Forumsmitglied baukunst-nbg in einem anderen Zusammenhang eine Zeichnung von G. Chr. Wilder eingestellt, welche die Ecke Hans-Sachs-Gasse/Ebnersgasse etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts darstellt:

    Zitat von baukunst-nbg

    1) Zeichnung von G. Chr. Wilder: Ecke Hans-Sachs-Gasse/Ebnersgasse (auch in der "Steppe"). Heutige Situation:

    hanssachshaus_von_so.jpg

    Besonders schön ist die "dekonstruktive" Situation der gekreuzten Streben am mittleren Gebäude im 1. u. 2. OG zu sehen. Doch auch das linke Gebäude wies im 2. OG solche gekreuzten Fuß- und Kopfstreben auf.

    hanssachsgasse_ebnersgasse.jpg

    (aus APH-Beitrag vom 18.8.2008)

    Die Abbildung zeigt die Situation unmittelbar nach dem Abbruch des Eckhauses Hans-Sachs-Gasse/Ebnersgasse 10 mit Blickrichtung nach Westen. Im Situationsplan von 1811 ist es das Eckhaus rechts oberhalb des Kopfbaus "3", mit abgewinkelter Fassade zur Hans-Sachs-Gasse. Auf der Zeichnung von Wilder verläuft die Ebnersgasse entlang dem Vordergrund, und die Hans-Sachs-Gasse auf der linken Seite nach hinten (das einsturzgefährdete Haus müsste also das "Hans-Sachs-Haus" sein; darüber mehr im folgenden Beitrag).

    Demnach ist das grosse, links abgebildete Haus der Kopfbau der Nordzeile am Hans-Sachs-Platz, mit freiliegendem Fachwerk an der Rückseite! Die östliche Giebelwand ist tatsächlich auch als massiv gebaute Wand dargestellt, mit einer kannellierten Säule unter jonischem Kapitell als Illusionsmalerei, unterstützt von einem massiven Strebepfeiler am Erdgeschoss.

    Auch wenn baukunst-nbg schreibt "Doch auch das linke Gebäude wies im 2. OG solche gekreuzten Fuß- und Kopfstreben auf.", darf gezeichnetes Fachwerk nur mit Vorsicht interpretiert werden. Zuerst fällt einmal auf, dass pro Geschoss vier Wandfelder (d.h. eine Partie zwischen zwei Bundpfosten) dargestellt sind, ebenso auch eng gelegte Balkenlagen über allen Geschossen. Zusammen mit der massiven Giebelwand entspricht das alles den auf der Vorderseite gemachten Feststellungen. Man darf also sagen, dass Wilder mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht ein völlig der Fantasie entsprungenes Fachwerk gezeichnet hatte.


    hanssachsgasse_ebnersgasse_auss_entz.jpg
    Entzerrter Ausschnitt aus der Zeichnung von G. Chr. Wilder.


    Eine Entzerrung des Bildausschnitts dient natürlich nicht der zeichnerischen Rekonstruktion, sondern nur der besseren Betrachtung. Im Gegensatz zur Vorderfassade zeigte die Rückseite zahlreiche Streben. X-Streben sind am 2. und 3. Obergeschoss tatsächlich dargestellt, und am 3. Obergeschoss sogar noch einfache, geschosshohe Streben, doch mehrheitlich sind K-Streben erkennbar. Ein Beweis, dass die Rückseite effektiv mit K-Streben ausgesteift war, ist dies freilich noch nicht, aber sehr anzunehmen.

    Einmal mehr muss Albrecht-Dürer-Str. 24 aus dem Jahr 1570 als Vergleich herhalten:


    albrechtduererstr24_3446_20_17.09.09.jpg . albrechtduererstr24_3289xx27_16.09.09.jpg
    Albrecht-Dürer-Str. 24; links: Vorderfassade; rechts: Rückfassade.


    Seine Vorderfassade hat ebenfalls identische Obergeschosse und fassadenbreite Fenstererker, hat über den ersten beiden Obergeschossen eng gelegte Balkendecken, ist seitlich durch zwei Brandmauern geschützt, und hat einen identischen Dacherker. Der Hauptunterschied sind die Fussstreben und die pilasterförmigen Verzierungen (solch letztere könnten theoretisch beim Haus am Hans-Sachs-Platz auch vorhanden gewesen sein, was sich natürlich nicht mehr nachweisen lässt). Die Rückseite ist teils mit K-Streben, und teils nur mit Fussstreben ausgesteift.


    Fazit:

    Das östliche Fachwerkhaus an der Nordseite des Hans-Sachs-Platzes (Nr. 25) unterschied sich von allen andern profanen Bauten am Platz durch seine Grösse. Über einem gemauerten Erdgeschoss folgten drei identische Obergeschosse mit fassadenbreiten Fenstererkern und ein steiles Satteldach mit Aufzugserker. Beide Seitenwände waren als Brandmauern ausgebildet.

    Das Fachwerk der Vorderfassade dürfte in einfachster Form ohne jegliche Verstrebung gezimmert gewesen sein, und jenes der Rückseite war wahrscheinlich mit K-Streben ausgesteift.

    Gemäss einer Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert war die östliche Seitenwand mit einer illusionistischen Architekturmalerei versehen. Es ist vorstellbar, dass auch die Vorderfassade einst schmückende Elemente wie pilasterförmige Brüstungspföstchen und Malereien in den Verputzfeldern aufgewiesen haben könnte.

    Das Haus dürfte in einem Guss am ehesten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts errichtet worden sein.