Allgemeines über Fachwerk - Sammelthread

  • Ich möchte hier mal wieder einen meiner berüchtigten Sammelthreads anlegen - wenn immer Beispiele für unterschiedliche Formen von Fachwerk - örtlich und zeitlich verschieden - auftauchen, will ich die hier als Zitate sammeln. Typischerweise kommt in irgendwelchen Orts-Threads mal die Sprache auf Fachwerkbau in weiterem geschichtlichem Zusammenhang; und geht dort unter, wenn man ihn nicht extra vermerkt.

    Dies hier soll also eine solche "Merkliste" werden, über die man solche Beispiele findet.

  • Vergleich dreier freistehender, schmaler und hoher Fachwerkhäuser: Nürnberg, Luzern, Orleans

    aus dem Nürnberg-Thread:

  • Erbmarschallhof in Höxter: Farbfassungen und Fensterläden

    Wie verantwortungsvoller und respektvoller Umgang mit historischer Bausubstanz aussieht, der kann einen Blick nach Höxter werfen. Der Eigentümer eines einstigen Erbmarschallhofs ist daran diesen zu sanieren. Bereits jetzt zeigt sich ein eklatanter Unterschied zum verschandelten Vorzustand der 60er Jahre. :applaus:


    Sprossenfenster statt große Glasflächen

    Die Fenster sind besser, aber so ganz überzeugt mich die barocke Tüncherei nicht, ich hätte eine Version mit Fensterläden besser gefunden. Ich sehe ein, daß man im EG kein Fachwerk mehr hat wegen der Reparatur der großen Fensterflächen, aber die getünchte Ecklisenen-Barockisierung ist mir "etwas zu durchsichtig".

    Mich faszinieren solche Varianten, in welchen die Fassaden unabhängig vom Fachwerk gestrichen werden. Denn solche Befunde gibt es sehr oft. In meinem Wohnort behaupte ich sogar, dass es die Regel war im späten 18./frühen 19. Jh., als Fachwerke "zugedeckt" wurden, aber noch nicht unter einer Verputzschicht verschwanden.

    Bei diesem Gebäude irritiert mich aber das historische Bild, welches leider nicht datiert ist. So auf Anhieb hätte ich behauptet, dass die jetzige Fassung die ursprüngliche war, und die Fassung mit Fachwerk eine spätere Renovation. Aber so "fälschliche" Fachwerkrenovationen hat man erst im 20. Jahrhundert gemacht, nicht schon im 19. Jh., und das Bild sieht nach 19. Jh. aus.

    Was meinst du mit "aber die getünchte Ecklisenen-Barockisierung ist mir "etwas zu durchsichtig" "? Weil man die Fachwerkstruktur dort sehr stark sieht? Abgeschlossen ist die Renovation offensichtlich noch nicht, aber ich glaube nicht, dass da noch gross etwas verändert wird. Ich hätte die Dachuntersicht ebenfalls im Lisenen-rot gestrichen; ebenso vermute ich, dass einst auch Fensterumrandungen gemalt waren. Fensterläden gab es zumindest am Erdgeschoss mal, wenn man die historische Ansicht anschaut. Aber so wie die Fenster fassadenbündig eingebaut sind, liessen sich Fensterläden gar nicht schliessen. Ich kenne mich aber mit den regionalen Gepflogenheiten dort überhaupt nicht aus. Befunde wären interessant. Jedenfalls eine sehr lobenswerte Renovation!

    Weil man die Fachwerkstruktur dort sehr stark sieht Ja, genau das Das einfarbig übertünchte, wie man es in Stralsund z.T. an manchen Häusern hat, geht so, finde ich, aber wenn man dann noch farbflächige Gestaltungsversuche macht, sieht es mE arg ärmlich aus. Gut möglich, daß man das im 18. Jahrhundert öfters so machte. Aber es steht nun halt in einem Umfeld mit heutigen Häusern, und da ist die Anmutung ... naja, eher ein bißchen kläglich ("konnte mir keinen Verputz leisten"), damals wird sie eher "zeitgemäß" oder "modisch" gewesen sein, weil das viele so machten - eben wie mit den einflügligen sprossenlosen Kippfenstern aus den 1960ern. Nicht schließbare Fensterläden halte ich für extrem unwahrscheinlich - vielleicht mußte man die von außen zumachen, und eben deswegen sind sie nur im EG angebracht, wo man mit ausgestreckten Händen gerade noch so hinlangt?

    Das Problem der Fensterläden ist nicht der Schliessvorgang, sondern der Falz, in welchen der Laden geschlossen wird. Dieser Falz wird im Winter für die Vorfenster/Winterfenster/Kastenfenster benutzt; dann kann der Laden nicht geschlossen werden. Sind die Vorfenster im Sommer draussen, kann der Laden geschlossen werden.

    Hier wurden aber neue Fenster eingesetzt, und dazu noch fassadenbündig, sodass es aussieht, als wenn Winterfenster drin wären. Somit könnten neue Fensterläden nicht geschlossen werden, sondern wären nur noch Zierrat. Es gilt auch zu bedenken, dass es schon vor 200 Jahren viele Häuser gab, die nie Fensterläden besassen!

    Fensterläden wurden früher nicht nur zur Verdunkelung benutzt, sondern auch als Schutz der filigranen Fenster vor Regen. In den Erdgeschossen dienten sie zudem als Einbruchschutz. Wenn man ein Gebäude noch mit originalen Fensterläden antrifft, haben die Läden des Erdgeschosses meistens geschlossene Füllungen, während in den Obergeschossen solche mit beweglichen Lamellen (Jalousien) hängen. Fensterläden einfach zur Zierde hat man nie gamacht. Von daher macht es auch Sinn, wenn gemäss der historischen Abbildung in Löbennichters Beitrag oben nur am Erdgeschoss Läden vorhanden sind.

    Zur Fachwerkstruktur in den Lisenen: das Problem bei diesem Gebäude ist das, dass die Backsteinfüllungen gegenüber den Balkenoberflächen vorstehen, was eigentlich nicht sein sollte. Backsteinfüllungen (und auch anderes Material) sollten eher zurückstehen, damit der Gefachputz in etwa flächenbündig mit den Balken wird. Bei Sichtbacksteinfüllungen (was hier der Fall ist) werden sie normalerweise flächenbündig mit den Balken gemauert.

    Kleiner Exkurs: In St. Gallen hatte ich vor 30 Jahren die älteste datierte Fachwerkfassade (von 1418) restauriert. Das Problem war, dass dieses Haus ausgerechnet in einer Gasse steht, wo man auf Fachwerkfreilegungen bewusst verzichtet, weil es die erkerreichste Gasse der Stadt ist. Fachwerk würde das Bild der Gasse beunruhigen. Glücklicherweise fand ich hier erstmals einen Farbbefund vor, der das Fachwerk nicht mehr berücksichtigte, aber aus der Zeit stammte, in welcher die meisten Erker errichtet wurden. Zusätzlich bestanden auf den Eckständern sogar Reste gemalter Eckquaderungen, sodass der Zustand des späten 18. Jahrhunderts eindeutig rekonstruiert werden konnte. So konnten zwei Fliegen auf einen Streich geschlagen werden: das sehr wertvolle Fachwerk konnte sichtbar gemacht, und die Fassade in einer Art gestrichen werden, die aus der Zeit der Entstehung der Erker stammte. Siehe hier das letzte Bild.

  • Erdbebensicherheit dieser Bauten finde ich sehr interessant

    Ein sehr interessanter Artikel dazu über die Fachwerkhäuser im Ahrtal:

    SWR Aktuell: Wiederaufbau im Ahrtal: Fachwerk ist robust und nachhaltig.

    Fachwerkhäuser im Ahrtal - krumm, schief und standhaft
    Die Flut an der Ahr ließ vielerorts keinen Stein auf dem anderen. Unzählige Gebäude wurden zerstört - Fachwerkhäuser erwiesen sich hingegen zum Teil als sehr…
    www.swr.de
  • Sehr interessanter Befund, mit den stehengebliebenen Fachwerkhäusern, bei denen nur der Lehm aus dem EG-Rahmen weggeschwemmt wurde. Dadurch kann das Wasser eindringen und drückt das Haus nicht mehr weg.

    Wenn man sich drauf einstellt, daß das EG zum Flutraum werden kann und man die Ummantelung danach halt erneuern muß, sind diese Häuser jahrhundertelang brauchbar.

    Interessant wären weitere Beobachtungen im Vergleich mit Beton- und Backsteinhäusern, von denen es wahrscheinlich auch einige dort gibt.

    Die Frage, wie nah man an den Fluß heranbauen kann, wird nie zu klären sein, da man nach großen Überschwemmungen mit Sicherheit auf großen Abstand plädiert, nach einigen Jahren/Jahrzehnten mit fast ausgetrocknetem Flüßchen sich aber gewiß wieder weiter vorwagt.

    Stelzenhäuser halte ich für nicht zweckmäßig - die braucht man auf Permafrostboden unbedingt, und an Seen oder am Pazifik mit wenig hohen Wellen kann man damit direkt an der Wasserkante bauen. Aber den Fluß zubauen wird man an der Ahr wohl kaum wollen.