Fachwerk in Deutsch-Lothringen und im Buckelelsass

  • Ab heute stelle ich euch die sehr unbekannte Fachwerkregion in Deutsch-Lothringen vor. Warum Deutsch-Lothringen? Weil Lothringen in einem ehemals deutschsprachigen und einem französischsprachigen Bereich unterteilt ist, eine Seltenheit überhaupt, dass eine geschichtlich gewachsene Region aus zwei verschiedenen Sprachräumen besteht. Im französsichen Sprachteil liegt auch eine weitere Fachwerkregion, genauer gesagt am Rande zur Champagne im Département Meuse am Argonner Wald, der historischen Grenze zwischen dem Königreich Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation im Mittelalter. Leider habe ich davon keine eigenen Bilder, da ich noch nicht in dieser Region war.

    Daher zeige ich euch interessante ländliche Fachwerkgebäude im heutigen Département Moselle, dem ehem. Deutschlothringen.

    Um die Situation besser zu verstehen zeige ich Euch zunächst einige Karten:

    Die Sprachsituation in Lothringen. Nur in der Nordwesthälfte des heutigen Départemenrts Moselle, auch als Deutschlothringen genannt, wird heute noch meist leider nur noch von den Älteren, deutsche Dialekte gesprochen, von Moselfränkisch an der Grenze zu Luxemburg und zum nördlichen Saarland sowie Rheinfränkisch zum südlichen Saarland und zur Pfalz zu:

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    JuJu939 - Eigenes Werk ; File:Alsace-Lorraine Dialectes-Fr.png CC BY-SA 3.0

    Diese Dialekte bilden im Kontext mit denen in der Bundesrepublik und in Luxemburg gesprochenen Dialekte die berühmten "rheinischen Fächer":

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    Hans Erren - Eigenes Werk CC BY-SA 3.0

    Die "Bauweisengrenze" hat teilweise mit der Sprachgrenze zu tun: zumindest im östlichen Teil Lothringens, wo rheinfränkische Dialekte gesprochen werden wie um Saargemünd/Sarreguemines und Saarburg/Sarrebourg, ist die Dachneigung deutlich steiler als im restlich Lothringen und macht daher einen "germanischen" Eindruck. Überwiegend sind die Dörfer auch Haufendörfer. Hier befinden sich auch die Fachwerkdörfer, die wir uns später genauer anschauen:

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    Quelle: Dr. Ing Josef Frey: Lothringische Fachwerkhäöuser, ihre Einrichtu7ng und ihre völkische Eigenart" von 1914 in Berlin im Verlag "Der Zirkel" erschienen

    Im romanischen Teil haben wir ja schon bei den Dörfern im Metzer Land gesehen, dass die Häuser viel "südländischer" aussehen mit ihren flachen Dächern, ihren abgerundeten roten Ziegeln. Aber es gibt eine Ausnahme: die westliche Hälfte des deutschprachigen Gebiets von Diedenhofen/Thionville bis östlich von St. Avold haben auch diese Bauweise, sogar im Saargau, der politsch heute zum Saarland gehört (Gegend um Saarlouis, Überherrn) findet man solche Häuser:

    Peter Gabriel - Eigenes Werk CC BY 3.0

    Die rote Grenzlinie zwischen diese beiden ländlichen Bauweise habe ich über Street.View und dank eigener Erfahrung selbst ermittelt. Wiegesagt: westlich davon dominiert das romanische flache Satteldach, östliche das germansiche Steildach.

    Und nun kommen wir zu den Fachwerkgebäuden. Sie befinden sich vor allem in der germanischen "Steildachzone", um Saargemünd, Saar-Union etc. im östlichen Lothringen:

    Quelle: Openstreetmaps

    Grüne Kreise sind Dörfer mit Fachwerkhäusern wovon ich eigenes Bildmaterial habe. Die braunen Punkte sind weitere Fachwerkgebäude, welche ich über Street-View entdeckt habe. Wie schon beim Saaralben-Strang angemerkt, kommt man zum Schluss, dass vor allem in Regionen, die kein Stein als Baumaterial hatten Fachwerk benutzt wurde wie die flachen und ehem. leicht sumpfigen Regionen an der Saar. Aber auch die Nähe zum Elsass über das sogenannte Buckelelsass, oder auch krummes Elsass genannt, der Region im Saar-Union, welche poltisch zum Elsass gehört aufgrund der protestantischen Konfession, aber kulturell, geograpfisch und sprachlich eigentlich lothringisch ist, hat die Bauweise beeinflusst.

    Lothringen war traditionell wie auch das Saarland und die Region Trier spätestens seit dem 17. Jahrhundert von der Architektur her eine relativ "fachwerkfreie Zone", dh es wurde vorwiegend mit Stein gebaut (Die Gründe dafür sind mir leider nicht bekannt, vielleicht im Saarland wegen dem Kohleabbau, aber die anderen Regionen wie Trier und Lothringen sind mir noch ein Rätsel, warum der " Versteinerungsprozess" so schnell damals stattfand. Auch durch die letzten beiden Kriege ist viel Bausubstanz am fragilen Fachwerk für immer verlorengegangen und in den letzten Jahrzehnte sind viele solcher Häuser leider aufgrund des schlechten Zustandes abgerissen worden, sodass die heute noch vorzufindenen Fachwerkbauten sehr rare Zeugnisse eine leider sterbeneden, deutschen und fränkischen Baukultur sind, da viele Inhaber nicht wissen (wollen) wie man diese richtig pflegt. Aber es gibt auch einige Ausnahmen die Hoffnung machen, und welche ich euch noch heute zeigen werde.

    Literatur zu dem Thema ist auch sehr rar. aber für andere Interessenten kann ich diese beiden Bücher dazu empfehlen:

    • Dr. Ing Josef Frey: Lothringische Fachwerkhäuser, ihre Einrichtung und ihre völkische Eigenart" von 1914 in Berlin im Verlag "Der Zirkel" erschienen
    • Sowie die Broschüre Jacques Guillaume und Gilles André "Moselle, Maisons et fermes de pan de bois 37 Itinéraires du patrimoine" von 1993, Éditions serpenoise ISBN 2.87692-168-5

    Inhaltsverzeichnis mit den zu behandelnden Orten:

    Altweiler/Atltwiller

    Bärental/Baerenthal

    Bispingen / Bisping

    Bitsch/Bitche

    Cappel

    Diemeringen

    Domfessel

    Egelshardt/Éguelshardt

    Finstingen/ Fénétrange

    Hambach

    Hellimer

    Honskirch

    Host/ Hoste

    Insmingen/Insming

    Insweiler /Insviller

    Kappelkinger

    Kirweiler/ Kirviller

    Lauterfingen / Loudrefing

    Leyweiler/Leyviller

    Lorenzen/Lorentzen

    Lützelstein/ La petite Pierre

    Mittersheim

    Münster in Lothringen/Munster

    Philippsburg/Philippsbourg

    Reiningen / Réning

    Siersthal

    Silzheim/Siltzheim

    Struth

    Tieffenbach

    Vic sur Seille

    Wiebersweiler / Vibersviller

    Wittersburg / Vittersbourg

    Wölferdingen/ Welferding

  • Beginnen wir mit Philippsburg/Philippsbourg im Bitscher Land/ Pays de Bitche, an der Grenze zum Elsass, ganz im Osten von Lothringen.

    Zufällig an der Einmündung zur Route de Barenthal entdeckt, dieses schmucke aufgesetzte Fachwerkhaus mit Zwerchhaus vielleicht aus dem 18. Jh.

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    Nur ein paar 100 Meter vor der Grenze zum Elsass, an der Route de Niederbronn, dieser Bauernhof. Das Haupthaus stammt von 1744, der Rest aus dem frühen 19. Jh. Leider eher in einem schlechten Zustand bis auf das Hauptgebäude...

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    Wieder zurück im Dorf: gegenüber von der malerischen kath. Kirche:

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    Hinter hohen Hecken versteckt, dieses in rosa gestrichene einstöckige Fachwerkgebäude von 1812 mit Krüppelwalmdach und Vordach erinnert es sehr an das Unterelsass:

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  • Es geht weiter mit dem nächsten Dorf im Bitscher Land. Bärental/Baerenthal.

    In der Rue Principale, dieses (verputzte) Bauernhaus mit den typischen unterelsässischen Wetterdächern. Es wurde 1770 erbaut laut Inschrift, der Keller ist etwas älter und von 1753:

    Das hintere Stallgeäude mit freigelegten einfachen fränkischen Fachwerk:


    Gegenüber, die Kirche:

    An der route du Printemps d'Alsace (Straße zum elsässischen Frühling) die wirklich ins Elsass führt befinden sich weitere Gebäude mit Fachwerkanteil:

  • In der Rue de Ramstein, dieser schon sehr verfallene Fachwerkstall:

    In der Nähe ein interessanter Neubau im Neofachwerkstil. Im Elsass gibt es massenweise solche Häuser!

    An dem romantischen Bach "Nördliche Zinsel" entlang kommen wir an einem weiteren kleinen Fachwerkhäuschen vorbei. Es liegt mit dem Berg im Hintergrund sehr idyllisch und zeigt gewisse Parallelen mit der fränkischen Schweiz:

  • Die nördliche Zinsel geht nun in den Bärentaler Weiher/ Etang de Baerenthal:

    Er wurde sogar mit diesem Motiv vom Département Moselle vermarktet auf Plakaten:

    Das Anwesen mit dem Fachwerkgiebel auf der anderen Seeseite ist ein altes Gehöft aus dem 18. Jh.

    Die Hofseite:

    Interessantes Fachwerkdetail im Hof mit verschnörkelten Andreaskreuze. Wahrscheinlich ein Originalbauteil, welches aber später eingebaut wurde? Vielleicht weiß Riegel mehr?!

  • Danke, daß Du den Stall fotografiert hast, auch wenn er bereits deutliche Verfallserscheinungen zeigt.

    Das Gebäude hat diesen typischen abgestützten Dachvorsprung, wie ich ihn auch von der Stallseite von Bauernhäusern so um 1880 oder noch früher im Kreis Waldshut und Lörrach kenne, mit hoher Tür für den Heuwagen.

  • Der nächste Ort im bewaldeten Teil des Bitscher Landes, den Nordvogesen mit Fachwerkhäusern ist Egelshardt/Éguelshardt.

    Der Bellersteiner Hof von 1789 hat nur einen bescheidenen Giebel zur Straße:

    Ein richtiges Fachwerkhaus gibt es mit der NBr 29, rue de l'église. Dieses Bauernhaus wurde 1767 vom Müller Jean Dubernel und seiner Frau Maria Suhl errichtet. Leider aktuell in einen desolaten Zustand:weinen:

  • Folgen wir der D662 nach Norden, so gelangen wir zur Hauptstadt der Region, Bitsch/Bitche, am Rande der Vogesen gelegen. Die ca. 5000 Einwohner zählende Kleinstadt ist vor allem bekannt für ihre berühmte Zitadelle:

    Die Stadttore aus dem 18. Jh. :

    Dahinter das neobarocke Rathaus aus der deutschen Zeit:

    Die (neo)barocke Kirche Ste. Catherine:

    Gegenüber, Nr. 36 Rue Maréchal Foch, das erste Fachwerkhaus. Vielleicht stammt es noch aus dem Ende des 17. Jahrhundert. Giebel zur Straße zugewandt, sehr selten für Lothringen, ein Zeichen für die restlichen elsässischen Einflüsse:

  • In der links einmündenden Rue St. Sébastien sind noch an den Häusergiebeln manche Fachwerkreste zu beobachten:

    Wieder zurück zur Rue Maréchal Foch:

    Neben der barocken Kirche an unserem Ausgangspunkt hat sich noch deutsche Reklame erhalten!

    Schließlich noch an der Avenue de Gaulle, noch ein interessante postmoderne Gebäudeanlage:

  • Einwohnerzahl in den letzten Jahrzehnten verringert

    Ja Bitsch war bis Anfang der 2000er Jahre eine Militärstadt mit vielen stationierten Soldaten. Damals hatte die Stadt 5752 Einwohner. Diese wurden dann zt zurückgezogen, jetzt hat sie noch etwas mehr als 5000 Bewohner. Die eher schlechte Anbindung zum ÖPNV durch die Stilllegung der Bahnstrecke nach Saargemünd hat wohl ihr Übriges getan, damit die Stadt unattraktiv wurde...

  • ca. 5000 Einwohner

    Nur 5000? Das schaut eher nach 15.000 aus. Aber es schaut auch so aus, als ob man seit 1960 alles verlottern hätte lassen. Nur das postmoderne Gebäude macht ein bisschen Hoffnung, dass dort noch nicht alles tot und verlassen ist.

    Aber da haben wir auch einen Grund gefunden:

    die lieben nämlich die "Geschäfte auf der grünen Wiese"...

    Klar, dass dann die Innenstadt verödet.

    Und die Aufhebung der Garnison hat sicherlich das ihre dazu beigetragen.

  • Ein "richtiges" Fachwerkhaus ist die Nr. 7, grande Rue. Das stattliche Gebäude stammt von 1777 und ist von seiner Anordung eigentlich typisch für die gesamte Region, ein südwestdeutsches Einhaus, wo alles vom Wohnteil bis zum Stall unter einem Dach ist, nur mit einen größeren Fachwerkanteil:

    Der sogenannte "Fenstererker", vor allem bei Fachwerkhäusern im fränkischen Stil wie alle also in Deutsch-Lothringen, der Pfalz, in Hessen, etc.. weit verbreitet, hier allerdings eine Rarität:

    Am Ortsausgang ein interessanter Fachwerkneubau:


  • Der erste Ort bei Saargemünd/Sarreguemines und gleichzeitig das erste Dorf, das politisch zum Unterelsass/ Départment Bas-Rhin (67), also dem sogenannten Buckelelsass gehört, ist Silzheim/Siltzheim.

    In der Rue de l'église sind manche Häusergiebel mit Fachwerk versehen:

    Das Meiste ist wohl aus dem 18. Jahrhundert:

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