Nürnberg - Fachwerkbauten

  • Aufgrund der hier bisher niedergeschriebenen Erkenntnisse und Vermutungen und auch des Kupferstiches von Johann Alexander Boener um 1700 wegen schlage ich nun folgende Rekonstruktion vor. Vielleicht gibt es noch weitere Abbildungen, Pläne und vor allem schärfere Fotos, welche mehr zur Geschichte dieses Hauses preisgeben könnten. Die Diskrepanz zwischen dem ins 15. Jahrhundert zurück vermuteten Dachstuhl mit Halbwalm und der restlichen, ins 16. Jahrhundert weisenden Details bleibt bestehen.

    haus-pegnitz-rek-50.jpg
    Links: Südfassade zur Pegnitz hin; rechts: Hauptfassade gegen Osten an der Stichgasse zur Neuen Gasse. Vergrösserung.

  • Zitat von Mündener

    Wenn ich fragen darf, welches Programm wurde für die Rekonstruktionen verwendet?
    (evtl. sogar die eigene Hand?)

    @ Mündener
    Ich arbeite immer mit PhotoStudio 4 for Canon, Photoshop Elements 3 (beide für Macintosh) und mit meinem "Hand-Programm". Für die Fassadenpläne bin ich im Handzeichnen (Bleistift oder Tusche) schneller, als wenn ich sie mittels CAD zeichnen würde. Folgende Schritte führe ich jeweils aus:

    - Fotografie oder Ansichtskarte einscannen mit PhotoStudio
    - Fassaden entzerren mit Photoshop Elements
    - ausdrucken
    - Skizzenpapier über den Ausdruck legen; jetzt beginnt die aufwändige Arbeit, indem ich die Fassaden konstruiere. Hiezu muss das ganze Fachwerkgerüst konstruiert werden, was eine richtige Entwurfsarbeit ist. Ich achte darauf, dass die Balkenverbindungen und Geschossböden am richtigen Platz sitzen; sogar der Dachstuhl ist konstruiert, damit die Dachaufbauten am richtigen Platz sitzen. Die Richtung der Deckenbalkenlagen muss auch jetzt festgelegt werden. Erst so kommen viele Knacknüsse ans Tageslicht, die ich so lösen oder korrigieren kann (bspw. sieht man, dass das Kamin jetzt durch eine Mittelpfette des Dachstuhls verlaufen würde; in einem nächsten Schritt würde man dies dann korrigieren, aber für den Zweck hier würde das wohl zu weit gehen). Daneben liegt auch der Stich, den ich hier einfliessen lasse. Die beiden Erker an der Südfassade sind noch nicht abschliessend konstruiert, da diese eine weitere Knacknuss bilden, denn damit diese auch technisch halten würden, bräuchte es viele Überlegungen. Ausserdem sind sie nur vom Stich her bekannt, ohne wahre Masse oder Auskragungsdetails von Fotos. So sieht dann das Resultat aus:

    haus-pegnitz-rek-skizze-50.jpg

    - Planskizze einscannen mit PhotoStudio
    - eingescannte Planskizze mit Photoshop Elements bereinigen (Konstruktionslinien und Verschmutzungen "ausradieren", fehlende Linien mit dem "Buntstift" und "Pinsel" ergänzen).
    - bereinigte Planskizze mit Photoshop Elements einfärben ("Füllwerkzeug"). Damit das Einfärben mit dem Füllwerkzeug funktioniert, müssen die einzufärbenden Flächen rundherum geschlossen sein, da sonst die Farbe auf den Hintergrund und auf andere Flächen verlaufen würde. Deshalb müssen im Schritt vorher fehlende Linien ergänzt werden. Auch die Schatten trage ich hier ein.
    - den fertigen Plan mit "für Web speichern" sichern. So wird erreicht, dass der Plan mit dem Minimum an Kbites im Netz möglichst wenig Ladezeit verursacht.

    Eigentlich müsste der Plan auch beschriftet werden (Urhebernachweis, Adresse des Hauses, Himmelrichtungen), denn man weiss ja nie, wer allles den Plan aus dem Netz kopiert und weiterverwendet...

    Zitat von Mündener

    "...zeigt die Verstrebungsform mit angeblatteten, hohen Fussbändern und kurzen Kopfbändern."

    Das einzige mir bekannte Beispiel, bei dem die Verstrebung genau umgekehrt ist:

    Backerei Standhartinger In Memmingen Swabia, Bayern, Deutschland Redaktionelles Stockfoto - Bild von gaststätten, landschaft: 107000593

    (Memmingen, Kalchstrasse, mit kurzen Fußbändern, langen Kopfbändern und in der Mitte einem Steigband)

  • Für die weitere Erforschung des Hauses an der Pegnitz folgt nun ein Exkurs über Halbwämdächer und die Verstrebungen am "Pilatushaus". Ab diesem Beitrag geht es dann mit dem Haus an der Pegnitz weiter.


    Halbwalmdächer


    Beim Haus an der Pegnitz bin ich noch unschlüssig, wie alt es effektiv ist. Das Halbwalmdach und die angeblatteten Steigbänder im Giebeltrapez weisen ins 15. Jahrhundert, die restlichen Details am Haus ins 16. Jahrhundert. Möglicherweise wurde das Haus ursprünglich mit zwei Obergeschossen errichtet und nachträglich um ein 3. Obergeschoss unter Wiederverwendung des Dachstuhls aufgestockt. Aber gerade die ersten beiden Obergeschosse zeigen auch eher Details des 16. Jahrhunderts.

    Es stellt sich nun die Frage, wie lange denn in Nürnberg Halbwalmdächer errichtet wurden. Auf den Artikel "Wie alt sind die Halbwalmdächer in der Nürnberger Altstadt?" vom Michael Taschner ("Nürnberger Altstadtberichte Nr. 19, 1994" ab S. 75) habe ich schon hingewiesen. Das Ende der Halbwalmdächer wird dort nur kurz gestreift. Auf jeden Fall ist das ein sehr interessanter Artikel, und Taschner bemängelt darin auch das Fehlen einer umfassenden Geschichte des Nürnberger Fachwerkbaus, ausser der grundlegenden Arbeit "Der Nürnberger Fachwerkbau" von Erich Mulzer von 1967 (s. Link im 1. Beitrag dieses Stranges).

    So ist es müssig, das Thema 'Halbwalmdächer' nochmals von vorne aufzurollen. Vielmehr wäre eine Weiterführung der Erforschung angezeigt, beispielsweise die Beantwortung der Fragen, wie lange Halbwalmdächer gebaut wurden, wie sie sich in ihren Details unterschieden und wie sie soich weiterentwickelten. Taschner hat ihr Entstehen vor allem mit der bäuerlichen Bauweise verglichen und zwei unterschiedliche Konstruktionen der Halbwalme vorgestellt. Er bedauert, dass heute nur noch ganz wenige Halbwalme existieren, und daher ihre Erforschung sehr eingeschränkt ist. Viele abgegangene Halbwalmdächer sind wenigstens in ihrem Äusseren noch von Fotos her bekannt, aber auf ihre Konstruktion kann nur noch vage geschlossen werden und leider keine Datierung mehr vorgenommen werden.

    Den Zusammenhang mit der Entwicklung der Wandkonstruktion hat Taschner nur angedeutet, und an diesem Punkt möchte ich nun ansetzen. Doch vorerst folgt eine Zusammenfassung Taschners Artikel (die nicht-kursiven Bemerkungen sind von mir):

    Nürnberg gehört zu den Städten, in denen die Häuser mit der Traufseite zur Gasse stehen. Beim Zusammentreffen zweier Häuserreihen an den Strassenecken ist die eine Seite mit einem Giebel ausgebildet, manchmal aber nicht mit einer zu einem vollen Giebeldreieck entwickelten Seitenwand, sondern nur mit einem Halbwalm, und folglich nur mit einer trapezförmigen Giebelwand. Als erstes und ältestes bekanntes Beispiel gibt er die Obere Schmiedgasse 54/56 (dendrodatiert 1338) an (just dieses Beispiel ist aber kein Eckhaus, sondern Glied einer Reihenbebauung!).

    obereschmiedgasse54-58_3466_20_17.09.09.jpg
    Obere Schmiedgasse 54/56, Rückseite gegen den Ölberg.

    Bei den ältesten Halbwalmen laufen die Sparren fächerförmig auseinander und sind oben auf einem knapp unter der Firstlinie liegenden Querbalken, dem sog. "Hahnenbalken", aufgelegt. Oberhalb dieses Hahnenbalkens bleibt ein kleines "Windloch" ("Rauchloch", "Eulenloch") offen. Bei der jüngeren Bauweise verlaufen die Sparren parallel zueinander und sind den Gratsparren angeschiftet (hier fällt dann auch das Windloch weg). Leider wurden bei der Sanierung/Rekonstruktion der Dachstühle von Geiersberg 11 und von Untere Krämersgasse 18 die Sparren nicht mehr fächerförmig angeordnet, sondern parallel.

    Diese eigenartige Radialsparrenkonstruktion verbindet die Nürnberger Altstadt-Halbwalme mit der frühesten Form des Bauernhauses in der Umgebung. Alle datierten Halbwalmdächer in der Altstadt stammen aus dem 15. Jahrhundert. Wann die voll entwickelten Giebeldreiecke, also ohne Abwalmung, auftraten, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Der Weinstadel von 1448 hat von Anfang an einen voll ausgebildeten Giebel besessen, und auch frühe Darstellungen aus dem 15. Jahrhundert zeigen bereits solche Giebel.

    Der weite Überstand der Traufe des Halbwalms könnte ebenfalls ein Hinweis auf eine Radialsparrenkonstruktion sein; sonst gab es im Nürnberger Stadtbild keine grossen Dachüberstände (das Dürerhaus weist einen grossen Überstand auf, aber kein Windloch; Abbildungen abgegangener Bauten wiederum zeigen ein Windloch, aber keinen weiten Überstand der Traufe. Somit würde ich dies nicht als mögliche Regel sehen).

    Halbwalme besitzen nicht nur Wohnbauten aus Fachwerk, sondern auch öffentliche Massivbauten wie bspw. die zahlreichen Speicherbauten in der Altstadt.

    Das Erlöschen der Halbwalme mit Radialsparren in der Altstadt liess sich früher an den Sieben-Zeilen zeigen: bei den 1489 errichteten Bauten fanden sich noch weite Überstände und Windlöcher, während bei den 1524 errichteten Bauten solche nicht mehr vorhanden waren, und demnach eher Halbwalme mit parallel verlaufenden Sparren aufwiesen. Gleichzeitig ging man am Fachwerk von der Verblattung zur Verzapfung über.


    Mich interessieren nun folgende Fragen:
    - wie lange in Nürnberg Halbwalmdächer erstellt wurden
    - ob Taschners Unterscheidung in einen älteren Typ mit fächerförmig angeordneten Walmsparren, Windloch und weitem Überstand, und in einen jüngeren Typ mit parallel angeordneten Walmsparren, ohne Windloch und ohne weiten Überstand so klar definiert werden kann
    - Details der Halbwalmdachkonstruktion im Vergleich mit der Wandkonstruktion.


    Isometrische Darstellungen zur Halbwalmdachkonstruktion


    halbwalm_stuhl_47.jpg

    Die Primärkonstruktion ist für beide Typen grundsätzlich gleich. Links ist die trapezförmige Giebelwand (Querrichtung) und rechts die Traufe (Längsrichtung, meistens Hauptfassade).

    Über dem obersten Vollgeschoss liegt die (Decken-)Balkenlage, auf der die Stuhlsäulen stehen. Die Stuhlsäulen tragen die Mittelpfetten, und diese wiederum die Kehlbalkenlage. In Querrichtung sorgen Steigbänder für die Stabilität des Stuhles, und in Längsrichtung Kopfbänder. Oft stehen die Stühle nicht direkt auf der Balkenlage, sondern auf Schwellen, sodass eine eigentliche "Stuhlwand" entsteht (die Mittelpfette übernimmt dabei die Funktion des Rähms). Unter der rechten Mittelpfette ist eine solche Schwelle gestrichelt eingezeichnet. Der Vorteil dieser Konstruktion besteht darin, dass in Längsrichtung nun auch Fussbänder oder gar Steigbänder angeschlagen werden können, dafür wird aber die Nutzung des Estrichs durch über dem Estrichboden verlaufende Schwellen beeinträchtigt.

    Der Überstand der Walmtraufe entsteht durch die Verlängerung der Mittelpfetten, die durch Büge unterstützt werden (in dieser Darstellung ist der Überstand übertrieben gezeichnet).


    halbwalm_faecher_47.jpg

    Die Sparren stehen mit einer Zapfenverbindung auf der Balkenlage, und sind mittels Verblattung mit den Kehlbalken verbunden. Unterhalb des Firsts ist im ersten vollständigen Sparrenpaar (drittes von links) der Hahnenbalken eingespannt, auf welchem die Walmsparren (genauer: Walmrafen) fächerförmig aufgelegt werden (bei den andern Sparrenpaaren können, je nach der Tiefe des Daches, weitere Hahnenbalken bestehen, die aber lediglich der weiteren Stabilisierung der Sparrenpaare dienen).


    halbwalm_parallel_47.jpg

    Bei parallel angeordneten Walmsparren wird kein Hahnenbalken mehr benötigt, und somit fällt auch das Windloch als konstruktive Massnahme weg (es ist grundsätzlich aber möglich, dass auch bei der parallelen Verlegung ein Hahnenbalken zwecks Windloch eingesetzt wird; wie Taschner schrieb, wurden bei der Restaurierung von Geiersberg 11 und von Untere Krämersgasse 18 die Sparren nicht mehr fächerförmig angeordnet, sondern parallel).

  • Zur Frage "Details der Halbwalmdachkonstruktion im Vergleich mit der Wandkonstruktion" :


    Als Grundlage werden die trapezförmigen Giebelwandfelder schematisch aufgezeichnet, Rückschlüsse auf die Dachstuhlkonstruktion herauszufinden versucht, und dann im Vergleich mit der Wandkonstruktion der zeitgleichen Vollgeschosse beschrieben.


    Obere Schmiedgasse 54/56:

    halbwalm_obschmi54_50.jpg

    Das älteste bekannte Halbwalmdach in Nürnberg entstand nach 1337. Ein dreifach-stehender Stuhl wird in Querrichtung durch Steigbänder verstrebt, die unten sehr nahe bei den Stuhlpfosten ansetzen, und oben weit weg am Kehlbalken enden. Bei den Dachstühlen hundert Jahre später "wandern" die Steigbänder weiter nach aussen, sodass sie die Stuhlpfosten in der Mitte oder weiter oben kreuzen.

    Die Mittelpfetten und der Mittelunterzug kragen über Bügen aus, und tragen den Kehlbalken mit den fächerförmig aufgelegten Walmsparren. Am First sitzt ein Rauchloch.

    Die Verstrebung der beiden Vollgeschosse ist nur zum Teil an der Rückseite sichtbar in Form von zwei sehr hohen Fussbändern und einem Kopf- oder Steigband.


    Die nächsten drei Dachstühle sind sehr ähnlich in der Grösse, Konstruktion und dem Alter:

    Albrecht-Dürer-Str. 39:

    halbwalm_albduer39_50.jpg

    Das Dach des Kernbaus des Dürerhauses war ein auf einem mehrfach-stehenden Stuhl aufgebauter Halbwalmdachdachstuhl von 1418/19 (später ist er auf einer Seite um ein Geschoss erhöht worden). Nebst langen Fuss- und kurzen Kopfbändern an jedem Pfosten (am 2. Dachgeschoss nicht ersichtlich, da durch die Galerie verdeckt) verlaufen Steigbänder über zwei Geschosse, nahe und parallel zu den Sparren. Die über Bügen auskragenden Mittelpfetten und Unterzüge tragen im 2. Dachgeschoss eine Galerie, und darüber den Fuss des Halbwalms.

    Ob die Walmsparren fächerförmig oder parallel verlaufen, ist auf Fotos von der Strasse aus nicht ersichtlich; jedenfalls gibt es kein Windloch.

    Der Deckenbalken, auf dem die Giebelwand steht, ist mit einer Schwelle aufgedoppelt.

    Die Vollgeschosse sind ebenfalls mit langen Fuss- und kurzen Kopfbändern verstrebt.

    Im Gegensatz zu den nächsten beiden Beispielen dürfte das Dürerhaus eher zu den reicheren Fachwerkbauten gehört haben, mit engmaschigerem Fachwerk und vielen Bändern.


    Zirkelschmiedsgasse 30:

    halbwalm_zirkel30_50.jpg

    Der 1422 errichtete Dachstuhl besass ursprünglich einen Halbwalm, der 1557 oder 1629 zu einem vollen First ausgebaut worden war. Unterhalb drei von vier Mittelpfetten sind auch Schwellen für "Mittelpfettenwände" vorhanden. Für die Giebelwand ist keine separate Schwelle auf den Deckenbalken gelegt worden.

    Die Traufe der Walmfläche dürfte aufgrund fehlender Spuren (zugeflickte Zapfenlöcher) von Bügen nicht ausgekragt haben. Die ehemalige Existenz eines Windlochs dürfte im Stuhlinnern allenfalls zu sehen sein, und auch Spuren der Verlaufsrichtung der Walmsparren.

    Die Verstrebungsart mit zweigeschossigen Steigbändern sowie langen Fuss- und kurzen Kopfbändern entspricht derjenigen am Dürerhaus. Die Konstruktion des Dachstuhls weist grosse Ähnlichkeit mit jenem des Dürerhauses auf, ist aber insgesamt einfacher gehalten. Der wesentlichste Unterschied ist aber die Existenz von Schwellen unterhalb der Mittelpfetten.


    Untere Krämersgasse 18:

    halbwalm_untkrae18_50.jpg

    Eine grosse Ähnlichkeit mit dem Dürerhaus-Dachstuhl ist auch hier unverkennbar, auch wenn die Fachwerkhölzer viel sparsamer verwendet worden sind; es handelt sich auch um ein einfacheres Handwerkerhaus. Die separate Schwelle der Giebelwand, zweigeschossige Steigbänder und die Auskragung der Walmflächentraufe sind die wesentlichen Merkmale. Die meisten Fussbänder sind sehr kurz, aber am zugehörigen 3. Obergeschoss bestehen ausschliesslich lange Fuss- und kurze Kopfbänder (mit Ausnahme an der Bohlenstube an der Ecke).

    Die Walmsparren verliefen ursprünglich fächerförmig unterhalb des daraus resultierenden Windlochs (heute verlaufen sie parallel, und besitzen fälschlicherweise(?) Aufschieblinge).


    Untere Krämersgasse 18 (rek. Kernbau) / Albrecht-Dürer-Str. 6:

    halbwalm_untkrae18_albduer6_50.jpg

    Auf die sehr nahe Verwandschaft respektive Übereinstimmung dieser beiden Häuser wurde schon in diesem Beitrag eingegangen. Auch wenn die Halbwalme nur zur Hälfte ausgebildet sind, gehören sie eindeutig zur Gruppe der drei vorangegangenen Beispiele.

    Bei Albrecht-Dürer-Str. 6 steht die Giebelwand auf einer separaten Schwelle, und ist mit einem Steigband und langen Fuss- und kurzen Kopfbändern verstrebt. Die Walmtraufe liegt auch auf einer weiten Auskragung. Die Verlaufsrichtung der Walmsparren sowie die einstige Existenz eines Windlochs ist infolge starker Zerstörung um 1945 nicht bestimmbar.

    Bei Untere Krämersgasse 18 können nur die Blattsassen der langen Fussbänder und eines Steigbandes nachgewiesen werden. Die zugehörigen ersten beiden Obergeschosse stimmen aber mit Albrecht-Dürer-Str. 6 weitgehend überein, womit die Giebelwand gleich aufgebaut wie bei letzterer ergänzt werden darf.


    Geiersberg 11:

    halbwalm_geier11_50.jpg

    Dieser Dachstuhl zeigt ebenfalls eine Verwandtschaft zu den vorangegangenen Beispielen, nur auf kleinerem Grundriss. Auf eine separate Schwelle für die Giebelwand wurde verzichtet. Die Walmsparren waren ursprünglich fächerförmig angeordnet, dafür ist aber das Windloch noch vorhanden. Die Walmflächentraufe liegt über einer durch Büge unterstützen starken Auskragung.


    Im nächsten Beitrag folgen einige Halbwalmdächer, die über anders verstrebten Fachwerkgeschossen sitzen, sowie solche, die aus dem zur Verfügung stehenden Bildmaterial noch nicht genauer bestimmt werden können.

  • Untere Talgasse 10 (Speicherbau, 1945 zerstört):

    unttal10.jpg
    Talgasse 10 (Ausschnitt aus einer Fotografie aus dem Stadtarchiv Nürnberg, abgebildet
    in "Nürnberger Altstadtberichte Nr. 19, 1994")

    Über zwei Massivgeschossen folgten zwei Fachwerkgeschosse mit angeblatteten doppelten Fussbändern und kurzen Kopfbändern, und darüber ein mächtiges Dach mit einem Halbwalm.

    Leider liegt auf der Abbildung die Giebelwand im Schatten, sodass keine Details erkennbar sind. Fachwerke mit doppelten Fussbändern stammen ebenfalls zumeist aus dem 15. Jahrhundert, sodass der Dachstuhl ähnlich wie die im letzten Beitrag gezeigten aufgebaut gewesen sein dürfte. Auch der First endete in einem Windloch.


    Wunderburggasse 19 (1945 zerstört):

    halbwalm_wundbu19_50.jpg

    Das dreigeschossige Haus besass zwei Fachwerkgeschosse mit einer einmaligen Verstrebungsform mit doppelten Fussbändern und doppelten Kopfbändern in überkreuzter Anordnung. Die Giebelwand zeigte einen liegenden Dachstuhl mit angeblatteten Streben, in der Mitte einen Bundpfosten mit X-Streben an beiden Seiten, und eine separate Schwelle. Leider liegt auch auf den Fotos zu diesem Haus der obere Abschluss im Schatten, und kann nicht genauer bestimmt werden, so auch nicht die Existenz eines Windloches. Jedenfalls kragte die Walmtraufe nicht stark aus.

    Die Giebelwand hatte eine enge Verwandtschaft mit derjenigen von Waaggasse 11, dort allerdings mit einem vollausgebildeten Satteldach. Stilistisch lagen diese beiden Bauten zwischen Fachwerken mit angeblatteten Fuss- und Kopfbändern und solchen mit K-Streben, und somit am ehesten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.


    Schlotfegergasse 8 (1970/74 abgebrochen):

    halbwalm_schlotf8_50.jpg


    schlotf8.jpg
    Schlotfegergasse 8 (Ausschnitt aus einer Fotografie von Erich Mulzer, abgebildet in
    "Nürnberger Altstadtberichte Nr. 19, 1994").

    Das sehr altertümlich wirkende Haus besass an der Giebelseite zwei überkreuzte Strebenpaare, weshalb ich es vorerst in die Reihe mit Wunderburggasse 19 einordne (Umzeichnung der beiden abgebildeten Seiten mit dem Fachwerk auch in "Das Bürgerhaus in Nürnberg", S. 38). Das Fachwerk der Giebelwand wiederum stimmte sehr mit jenem am 2. Dachgeschoss von Untere Krämersgasse 18 überein. Die starke Auskragung der Walmflächentraufe war ebenfalls vorhanden, dafür aber kein Windloch.


    Ecke Karolinenstrasse/Heldengässchen (1945 zerstört):

    ak-kranich.jpg
    1931 gelaufewne Ansichtskarte. Verlag Ed. F. Stock, Photo-Kunstanstalt, Nürnberg, Mohreng. 18.

    Das noch nie dokumentierte Haus fand sich auf einer Ansichtskarte, die zwar stark retouchiert und deshalb mit Vorsicht für Forschungszwecke zu verwenden ist. Innerhalb der Südseite der Karolinenstrasse ist es auch auf folgender Ansicht zu erkennen (linke Bildseite, auf halber Höhe):
    mi02567a10a.jpg

    Über dem bis zum 2. Obergeschoss aus Sandstein gebauten Haus folgte ein drittes, verputztes Fachwerkobergeschoss, während das Fachwerk der Giebelwand frei lag. Der Ortgang sowie die Walmtraufe hatten einen bemerkenswert kleinen Überstand. Ein Windloch war nicht vorhanden.

    kranich-auss-entz-umz.jpg

    Die Entzerrung brachte dennoch die wesentlichen Merkmale des Fachwerks zum Vorschein, auch wenn die Verbindungsart und Details nicht erkennbar sind (die Retouchen der im Kupfertiefdruckverfahren hergestellten Ansichtskarte beschränken sich glücklicherweise nur auf die Vollgeschosse der Seitenwand; die aufwärts gebogene Schwelle rührte nicht von Absenkungen her, sondern von einer Ausbauchung der Seitenwand).

    Das Fachwerk wies Veränderungen auf, aber dennoch kann ein mehrfach stehender Stuhl mit hohen Fussstreben ausgemacht werden (die einzige Kopfstrebe ist unsicher). Der Kehlbalken über dem 1. Dachgeschoss besitzt eine aufgedoppelte Schwelle für den Wandaufbau; dasselbe kann auch für den Deckenbalken über dem 3. Obergeschoss vermutet werden, ist dort aber wegen der Retouchierung nicht zweifelsfrei bestimmbar.

    Auch die Frage, ob die Fussstreben angeblattet oder eingezapft waren, ist nicht abschliessend zu beantworten. Da zwischen den Streben und Pfosten ganz kurze Riegelstückchen lagen, ist von einer Verblattung auszugehen, da in Nürnberg bei eingezapften Streben normalerweise keine Riegel mehr eingesetzt worden waren (K-Verstrebung ohne Kopfstreben!). Es wäre auch auf andern Fotos nachzuprüfen, ob diese "Riegelstückchen" nicht doch auch nur retouchiert waren, womit auch eingezapfte Fussstreben wieder ins Blickfeld rücken könnten!

    Aufgrund der geringen Auskragung des Dachrandes, des fehlenden Windlochs und der Verstrebungsart (angeblattete (?) lange Fussbänder, keine Steig- und Kopfbänder) gehe ich von einer Errichtungszeit erst nach 1500 aus.


    Peter-Vischer-Str. 1:

    petervischerstr1_3068x30_15.09.09.jpg

    Das Haus wurde vor einigen Jahren umgebaut und baugeschichtlich untersucht, wobei das Fachwerk wieder verputzt worden war. Ich gehe davon aus, dass eine Dokumentation der Untersuchung erfolgte und somit für die weitere Forschung zur Verfügung steht.

    Die mittelmässig auskragende Walmtraufe ist nicht mit Bügen abgestützt (evtl. entfernt?), und oben endet die aus fächerförmig angelegten Sparren gebildete Walmfläche in einem Windloch. Das Haus entstand laut einer Dendro-Datierung nach 1429/30.


    Turm "Grünes M" an der Neutormauer:

    neutormauer_gruenesM_3345x30_16.09.09.jpg

    Der Vollständigkeit halber sei noch ein Wehrturm erwähnt, auch wenn es sich nicht um einen Wohnbau oder öffentlichen Profanbau handelt.

    Die stadteinwärts gerichtete Fachwerkgiebelwand endet in einem Halbwalm mit fächerförmig angeordneten Sparren ohne Windloch. Die Walmtraufe kragt mittels unterstützenden Bügen stark aus. Gemäss der Bayerischen Denkmalliste entstand der Turm um 1500.

  • Drei Beiträge vorher hatte ich folgende Fragen aufgestellt, deren Antworten mich interessieren:

    Zitat

    - wie lange in Nürnberg Halbwalmdächer erstellt wurden
    - ob Taschners Unterscheidung in einen älteren Typ mit fächerförmig angeordneten Walmsparren, Windloch und weitem Überstand, und in einen jüngeren Typ mit parallel angeordneten Walmsparren, ohne Windloch und ohne weiten Überstand so klar definiert werden kann
    - Details der Halbwalmdachkonstruktion im Vergleich mit der Wandkonstruktion


    Zur Beantwortung der letzten Frage sind die bekannten Halbwalmdächer mit sichtbaren Fachwerkfassaden als Grundlagenmaterial in chronologischer Reihenfolge aufgelistet. Ihre geringe Anzahl ist natürlich überhaupt nicht relevant für ihr effektives Vorkommen im Nürnberg vor 1945, aber sie kann wenigstens letzte Ausläufer dokumentieren. Auch müssten noch die Steinbauten mit Halbwalmdächern betrachtet und einbezogen werden, was aber den Rahmen hier sprengen würde.


    Zur Beantwortung der ersten Frage:
    Einen Schwerpunkt bilden die zwischen 1418/19 (Dürerhaus) und 1477 (Untere Krämersgasse 18) datierten Bauten, die durchwegs stehende Stühle und angeblattete Bänder aufweisen. Als spätere "Exoten" würde ich die Halbwalmdächer von Wunderburggasse 19 und dem Eckhaus Karolinenstrasse/Heldengässchen bezeichnen. Diese beiden Bauten sind leider nicht mehr datierbar, und mindestens das erstere hatte auch angeblattete Bänder. Beim letzteren ist es unsicher.

    Wenn man nun die hier vorgestellten Halbwalmdächer mit den folgenden beiden Listen systematisch vergleicht, stellt man fest, dass sie gleichzeitig mit dem Wandel von den angeblatteten zu den eingezapften Streben ausklangen:

    - Erste Auslegeordnung über die Verstrebungsformen
    - Fachwerkbauten mit dominierenden Fussstreben >>> "vorläufige" Zusammenfassung

    Tatsächlich sind mir bis jetzt nur zwei Halbwalmdächer auf Fachwerkhäusern mit K-Streben bekannt, und zwar die jüngsten beiden Zeilen der "Sieben Zeilen" von 1524 (eine 1945 zerstört, eine 1972 abgebrochen!) Hier wurden wahrscheinlich in Analogie zu den bereits ab 1489 errichteten ersten fünf Zeilen Halbwalmdächer erstellt.

    Das früheste bekannte Beispiel von Fachwerk mit K-Streben war der mehrgeschossige Dacherker auf der 1502 fertiggestellten Mauthalle, dessen Giebel mit einem mächtigen Schopfwalm abschloss. Die Aufstockung des Grolandhauses, ebenfalls mit K-Verstrebung, besass auch einen kleinen Schopfwalm.

    Es scheint, dass im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts Schopfwalme die Nachfolge der Halbwalme antraten, gleichzeitig mit der Ablösung der Blattverbindung durch die Zapfenverbindung im Fachwerkbau.


    Zur Beantwortung der zweiten Frage:
    Taschner ("Nürnberger Altstadtberichte Nr. 19, 1994" ab S. 75) unterschied grob in zwei Typen:
    - in einen älteren Typ mit fächerförmig angeordneten Walmsparren, Windloch und weitem Überstand
    - einen jüngeren Typ mit parallel angeordneten Walmsparren, ohne Windloch und ohne weiten Überstand

    Natürlich erfolgte so eine Entwicklung allmählich mit allen Zwischenformen. Tendenziell darf man aber schon annehmen, dass fächerförmig angeordnete Sparren auf ein höheres Alter hinweisen. Konstruktiv bedingt ist ein Windloch unumgänglich, da ein ganzes Balkenbündel nicht in einem Punkt zusammenlaufen konnte, sondern auf einem horizontalen Balken (Hahnenbalken) aufgelegt werden musste. Bei kleinen Walmflächen, wie bspw. bei Geiersberg 11, wäre das Zusammenlaufen in einem Punkt möglich, da dann nur zwei bis drei Sparren zusammentreffen.

    Bei parallel angeordneten Sparren ist ein Windloch nicht erforderlich, kann aber des praktischen Nutzens wegen trotzdem vorkommen (wie das heute bei Untere Krämersgasse 18 und Geiersberg 11 fälschlicherweise der Fall ist).

    Weiter muss man annehmen, dass ein Windloch später einfach gekappt worden sein könnte, was dann sehr nachteilige Folgen auf den Dachstuhl gehabt hätte. Insbesondere das betroffene Sparrenpaar, das die Last der Gratsparren aufnehmen müsste, hätte dann oben keinen Zusammenhalt mehr (dies nähme mich beim Dürerhaus wunder, denn dort vermute ich fächerförmig angeordnete Walmsparren, obwohl kein Windloch sichtbar ist; das Haus, und damit auch das Dach, wurde 1504 einseitig erhöht).

    Ein weiter Überstand der Walmtraufe mittels auf Bügen abgestützten, verlängerten Mittelpfetten ist unabhängig von der Anordnungsart der Walmsparren. Dies würde ich nicht unbedingt als einen Hinweis auf ein höheres Alter eines Daches betrachten.

    Die Antwort auf die Frage kann nur unter genauerer Kenntnis aller Halbwalmkonstruktionen in Nürnberg gegeben werden. Hiezu müssten auch die Dächer der Massivbauten beigezogen werden.

  • Weiteres zum Haus an der Pegnitz


    (und ein Vergleich mit dem "Pilatushaus", Obere Schmiedgasse 66)


    Nach dem Exkurs zu den Halbwalmdächern muss ich zur Kenntnis nehmen, dass mich dieser in der Erforschung des Hauses an der Pegnitz nicht weiter gebracht hat.

    Wie wir gesehen haben, verschwanden offenbar mit dem Wechsel von der Blatt- zur Zapfenverbindung auch die Halbwalmdächer. Nachdem das oberste Geschoss des Hauses an der Pegnitz in K-Streben-Fachwerk errichtet worden war, ist es noch wahrscheinlicher, dass das Halbwalmdach nicht zu dieser Bauphase gehörte (auch wenn mit den jüngsten beiden der "Sieben Zeilen" ausnahmsweise Halbwalmdächer auf K-Streben-Fachwerk existierten).

    Zur Rekapitulation der Problematik beim Haus an der Pegnitz wiederhole ich den fraglichen Sachverhalt:
    Das Haus besass ursprünglich wohl nur zwei Obergeschosse, welche von einem Halbwalmdach bekrönt waren. Diese Geschosse zeigten anhand diverser Details eine Entstehungszeit eher im 16. Jahrhundert, während das Dach eher den Anschein des 15. Jahrhunderts erweckte.

    Nachdem nun Halbwalmdächer im 16. Jahrhundert praktisch ausgeschlossen werden können (und dazu noch mit angeblatteten Steigbändern!), müssen die Fassaden der ersten beiden Obergeschosse hinterfragt werden.

    Aufgrund der beiden gezeigten Stiche und der Verwitterungsspuren am Verputz sind Fussstreben oder Fussbänder sehr wahrscheinlich. Das "Burgamtmannshaus" und "Albrecht-Dürer-Str. 24", beide auch mit Fussstreben und durchgehenden Fenstererkern, verleiteten daher zur Heranziehung als Beispiele. Nun lohnt sich aber auch ein Blick auf das


    "Pilatushaus", Obere Schmiedgasse 66:


    tiergaertnertorplatz_3283x30_16.09.09.jpg
    "Pilatushaus", Obere Schmiedgasse 64/66.

    Das "Pilatushaus" wurde hier bereits behandelt. Gemäss der Literatur und der Bayerischen Denkmalliste entstand es 1489 und ist im Dachbereich samt der Giebelwand 1529 verändert worden. Aus dem 18./19. Jahrhundert dürfte die heutige Fenstereinteilung am 1. und 2. Obergeschoss stammen. Wohl bei der Vereinigung mit dem Nachbarhaus Nr. 64 um 1927 wurde das Fachwerk freigelegt.

    Zum ursprünglichen Fachwerk zählen alle Schwellen, Rähme und Pfosten samt Bändern. Im 3. Obergeschoss dürfte auch der Fenstererker samt den Brüstungen mit nur einem Pföstchen dem Originalbestand angehören. Alle Wandpartien innerhalb der "Achtecke" des 1. und 2. Obergeschosses zeugen vom Umbau des 18./19. Jahrhunderts. Es wäre möglich, dass auch an diesen beiden Geschossen einst Fenstererker sassen; vielleicht lassen sich noch Spuren davon an den Pfosten finden.

    Dazu lohnt sich ein Blick auf einen Fassadenausschnitt:

    obereschmiedgasse64_66_3284_40_16.09.09.jpg
    Fassadenausschnitt aus der Giebelseite rechts, 1. bis 3. Obergeschoss.

    Die Fuss- und Kopfbänder sind mit einzelnen Ausnahmen angeblattet. Bei genauerer Betrachtung der Fachwerkhölzer erkennt man viele Flicke, die wohl von den Freilegungsarbeiten des Fachwerks um 1927 stammen. Die "Randdeckenbalken", die gleichzeitig auch als Rähme und Schwellen fungieren, sind dabei ebenfalls mittels aufgedoppelten Bohlen repariert worden (fehlende Holznagellöcher, Stoss oben links). So ist es erklärbar, weshalb nicht alle Bänder eine Anblattung aufweisen, da diese bei der Renovation vereinfacht wurden (Kopfbandpaar unten rechts).

    Am 3. Obergeschoss bestehen offenbar aber nur eingezapfte Fussstreben. Kaum sichtbar bestehen hinter den vorgesetzten Fenstererkern angeblattete Kopfbänder (im hier verkleinerten Bildausschnitt nicht erkennbar). Demnach dürften bei der Renovation von 1927 alle Fussbänder fälschlicherweise durch eingezapfte Fussstreben ersetzt worden sein!

    Es wurde bereits vermutet, dass das 1. und 2. Obergeschoss ursprünglich gleich wie das 3. Obergeschoss ausgesehen haben dürften. Dieser Fachwerktyp mit beinahe gleich grossen angeblatteten Fuss- und Kopfbändern an allen Geschossen fehlt bisher in der "vorläufigen" Zusammenfassung der Fachwerkbauten mit dominierenden Fussstreben, weil keine Vergleichsbeispiele mehr existieren. Beim zerstörten Haus Halbwachsengässchen 1 bestand mindestens am 2. Obergeschoss der Giebelseite gleichartiges Fachwerk.

    Könnte solches Fachwerk nicht auch beim Kernbau des Hauses an der Pegnitz bestanden haben, anstatt des zuerst angenommenen, mit eingezapften Fussstreben ausgesteiften Fachwerks? Dann könnte die Giebelwand mit den beiden angeblatteten Steigbändern und dem Halbwalmdach tatsächlich gleichzeitig mit den ersten beiden Obergeschossen im Verlauf des 15. Jahrhunderts entstanden sein.

    Die Rekonstruktionsskizze müsste demgemäss leicht abgeändert werden, indem am 1. und 2. Obergeschoss die eingezapften Fussstreben durch angeblattete Fussbänder ersetzt werden müssen. Auf die optische Erscheinung der Fassaden hätte dies keinen Einfluss, aber es wäre ein wesentlicher Unterschied in der Baukonstruktion und Baugeschichte des Hauses.

    haus-pegnitz-rek-rev-50.jpg
    Abgeänderte Rekonstruktionsskizze mit angeblatteten Fussbändern anstatt eingezapften Fussstreben am 1. und 2. Obergeschoss.


    haus-pegnitz-rek-50.jpg
    1. Rekonstruktionsvorschlag aus diesem Beitrag.

  • Zitat von Mündener

    Bei der Rekonstruktion sind die Fußbänder auf die Schwelle geblattet, aber in die Ständer eingezapft. Hat dies irgendeinen Grund?

    Zudem: ist es nicht wahrscheinlicher, dass die Steigbänder parallel zu den Dachsparren verliefen?

    Gut beobachtet! Da ist mir ein Lapsus passiert, indem ich eine zwischengespeicherte Skizze eingefügt habe anstatt die fertige... ist bereits korrigiert. Natürlich müssen die Fussbänder auch an die Pfosten angeblattet sein. Die Steigbänder dürften tatsächlich auch parallel zu den Sparren gewesen sein, und nicht so steil wie gezeichnet (dies habe ich nun aber nicht korrigiert).

  • Zitat von Brandmauer

    Zum Haus an der Pegnitz: was für ein wunderschönes Haus ist das gewesen! Quasi ein mittelalterlicher Wohnturm in Fachwerk. Wenn es heute noch stünde und man hätte das Fachwerk freigelegt, dann würde es in jedem Bildband über Deutschland abgebildet sein..

    Vielen Dank, Riegel, daß Du diese Nürnberger "Persönlichkeiten" von Häusern hier durch qualitätvolle bauhistorischen Untersuchungen wieder auferstehen läßt!


    Das "Haus an der Pegnitz" war tatsächlich eine "Persönlichkeit"; seine Lage am Wasser und als Kopfbau hob es speziell hervor. Der Name "Goldenes Haus", von dem ich nicht weiss, zu welchem Haus er gehörte (siehe den einleitenden Beitrag zum Haus), wäre wirklich treffend für diesen Wohnturm aus Fachwerk! Turmartig erscheint das Bauwerk aber nur, weil ich es isoliert aufgezeichnet habe, und nicht als Kopfbau einer weiterführenden Zeile von der Pegnitz weg.


    Nun interessiert mich noch eine letzte Eigentümlichkeit:

    Ganz bemerkenswert - übrigens schon auf dem ersten Stich vermutbar - ist die Lage der Fussstreben an der Ostfassade (im Schatten) an der Ecke zur Pegnitz hin. Diese verstreben nicht den Eckständer, sondern den ersten Bundständer gleich daneben. Wenn dies der Realität effektiv entsprach, vermute ich eine spezielle Konstruktion infolge der weiten Auskragung zur Pegnitz hin. Normalerweise erwartete man an der Pegnitz auskragende Holzgalerien, und dann machte diese spezielle Konstruktion einen Sinn. Wurden hier eventuell Holzgalerien zu einem späteren Zeitpunkt durch ausgemauertes Fachwerk ersetzt? Die geringe Tiefe der Loggia sowie die kleinen Einzelfenster nahe der Südostecke (von denen das oberste auf den Fotos noch sichtbar ist, und die unteren beiden offenbar zugemauert sind) könnten dafür sprechen, zumindest an den ersten beiden Obergeschossen.

    Wenn die These mit den Galerien stimmt, dann wäre es eigentümlich, dass das Halbwalmdach bis auf die Flucht der Galerien vorsprang, und nicht bei der Ebene der Pfosten mit den Fussbändern, also über der eigentlichen Giebelfassade über der Ufermauer, aufhörte. Normalerweise waren die Galerien vorgehängt und besassen
    - bei giebelständigen Bauten ein eigenes Pultdächlein (z.B. beim Weinstadel)
    - bei traufständigen Bauten ebenfalls ein eigenes Pultdächlein, oder das Satteldach des Hauses wurde einfach weiter hinabgezogen.
    (siehe Bild)

    Nun gibt resp. gab es einige Ausnahmen:

    Das Rückgebäude von Karlstr. 1 (bis 1945 östlich des Henkerturmes gelegen) hatte - wenn auch im 19. Jahrhundert stark veränderte - Holzgalerien, über die tatsächlich auch das Halbwalmdach hinausgezogen war. Die Giebelwand war zwar auch in Galerien aufgelöst, und bestand nicht aus Fachwerk. Die Dachstuhlkonstruktion fluchtete mit der Galerieflucht, und nicht mit der eigentlichen Fassade über der Ufermauer! Wohl deshalb waren dort die Galerien auf teils kräftigen Steinkonsolen abgestützt.

    ak-pegnitz7.jpg
    Pegnitzpartie nordwestlich der Karlsbrücke mit dem Anwesen Karlstr. 1. Ansichtskarte um 1930, ohne Verlagsangabe, nur "Nr. 114. L.R.F.". Das Haus am rechten Bildrand stand anstelle des 2008 abgebrochenen Eckhauses auf dem Augustinerhof-Areal.


    Bei Obere Schmiedgasse 54/56 ragt das ausgemauerte Giebeltrapez ca. 80 cm über die Rückfassade aus. Dieser Befund ist in Nürnberg einmalig.

    Beim Dürerhaus befinden sich vor dem ursprünglichen 2. Dachgeschoss (heute 1. Dachgeschoss) eine Galerie, und dahinter die eigentliche Giebelwand mit den Steigbändern. Die Halbwalmtraufe stützt sich auf die Galerie ab.


    Die Vielfalt der Halbwalmdächer scheint doch grösser gewesen zu sein, als bisher angenommen, insbesondere was deren Form der Auskragungen betrifft. So ist es nicht abwegig, beim Kernbau des "Hauses an der Pegnitz" das Dach mit einer starken Auskragung, die über einst allfällig vorhandene Galerien hinausgriff, anzunehmen.

    Es gibt zwei Möglichkeiten:
    - Das Giebeltrapez war durch Fachwerk geschlossen
    - Das Giebeltrapez bestand ebenfalls aus einer Galerie mit zurückliegender geschlossener Fachwerkwand

    Der Befund bis 1945 zeigte eine Fachwerkwand, die gemäss dem Stich von J.A. Boener mit zwei durch Steigbänder verstrebte Pfosten gegliedert war. Der Befund beim Dürerhaus zeigt aber, dass der Dachbinder (also der Binder mit Pfosten und Steigbänder) nicht in der Ebene der Galeriefront lag, sondern weiter hinten in der Fassadenebene. Wenn beim Haus an der Pegnitz im Giebelfeld tatsächlich einst eine Galerie bestand, so wäre deren Schliessung mit Fachwerk nur durch Vorrücken des Dachbinders vonstatten gegangen, was sehr unwahrscheinlich ist. Somit tendiere ich eher zu einem von Anfang an geschlossenen Giebeltrapez mit Fachwerk. Das ursprüngliche Aussehen wäre also eine Mischung vom Dürerhaus (mit offener Galerie und zurückliegender Fachwerkwand) und Obere Schmiedgasse 54/56 (mit auskragender, geschlossener Giebelwand ohne Galerien darunter).


    haus-pegnitz-rek-rev-kernbau-50.jpg
    Rekonstruktionsvorschlag des Kernbaus.


    Fazit:
    Das Haus an der Pegnitz könnte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts über einem gemauerten Sockelgeschoss mit zwei Fachwerkgeschossen und Halbwalmdach errichtet worden sein. Das Fachwerk zeichnete sich durch angeblattete Fussbänder (und evtl. auch Kopfbänder) sowie breiten Fenstererkern aus. Ob die flussseitige Auskragung ursprünglich nur Holzgalerien anstatt ausgemauertes Fachwerk umfasste, ist unklar.

    Im 16. (evtl. 17.) Jahrhundert wurde das Haus aufgestockt, und der bestehende alte Dachstuhl wieder aufgesetzt. Das Fachwerk zeichnete sich durch eingezapfte K-Streben und Fussstreben sowie einem breiten Fenstererker aus. Der Aufzugserker dürfte erst mit dieser Aufstockung entstanden, und allfällig vorhandene Holzgalerien durch Fachwerk ersetzt worden sein.

  • Fachwerkbauten im Umfeld von Am Ölberg


    Vor einiger Zeit konnte ich aus einem Privatnachlass sieben historische Fotos aus Nürnberg erwerben. Drei davon wurden von der Burg aus auf die Altstadt aufgenommen, und lassen sich beinahe zu einem Panorama zusammensetzen. Leider sind sie nicht datiert, doch aufgrund der Kleidermode und Autos vermute ich, dass sie in den Jahren unmittelbar vor oder während dem 2. Weltkrieg aufgenommen worden waren. Das Format beträgt 81 mal 56 mm, und auf der Rückseite prangt jeweils ein Stempel mit folgender Angabe: "Foto Kops, Köln / Glockengasse 1 / Eing. Herzogstr.".

    Nun gibt es zahlreiche Aufnahmen von diesem Standort aus, meistens mit der Stadtsilhouette im Hintergrund. Die Fotos aus dem Nachlass sind aber weiter nach unten gerichtet, sodass die Häuser am Ölberg bis zu den Erdgeschossen hinunter abgebildet sind. Sie sind für mich Anlass, auf die Fachwerkbauten darauf näher einzugehen, weil ich sie von dieser Seite bisher noch nie oder nur unscharf abgebildet gesehen habe.

    Ein Vergleich mit Ruinenfotos aus dem Marburger Bildindex hat noch interessantes zu Tage gefördert, was zwar nichts mit dem Fachwerkbau zu tun hat. Es ist bemerkenswert, dass einige Häuser notdürftig abgedeckt, schliesslich aber doch noch abgebrochen worden waren. Sicher wurden einige teilbeschädigte Häuser noch als Notunterkunft benutzt, bis Ersatz geschaffen worden war, aber es gab auch Häuser, von denen nicht viel mehr als die Fassaden übrig blieben, und trotzdem ein Notdach erhielten. Offenbar hatte man bei einigen Bauten noch die Hoffnung, sie wieder reaktivieren zu können.


    oelbergpanorama_links_15.jpg
    Blick von der Burg aus in Richtung Südosten. Im Vordergrund 'Am Ölberg', nach hinten hinab die Burgstrasse.

    Das Fachwerkhaus im Hintergrund gehörte zur Zeile, die mitten in der westlichen Schildgasse stand und letztere somit wie einen Reissverschluss teilte. Rechts sieht man die Nordfassade des bereits ausführlich behandelten Hauses Am Ölberg 1, die ich nächstens auch hier würdigen werde. Von allen abgebildeten Häusern steht heute kein einziges mehr.


    oelbergpanorama_mitte_15.jpg
    Blick von der Burg aus in Richtung Süden. Im Vordergrund 'Am Ölberg' 1, 3, 5 und 7, im Hintergrund rechts das Dach des Chores von St. Sebald.

    Die ganze Zeile existiert auch nicht mehr. Am Ölberg 3 hatte ich fälschlicherweise in diesem Beitrag als Beispiel eines Hauses mit Halbwalm aufgelistet, doch hier sieht man ganz deutlich, dass es sich lediglich um einen Schopfwalm handelte. Deshalb werde ich dieses Haus dann als erstes vorstellen.


    oelbergpanorama_rechts_15.jpg
    Blick von der Burg aus in Richtung Südwesten. Im Vordergrund 'Am Ölberg' 7, 9, 11 und 13(?), und nach unten (im Bild nach hinten) abzweigend die Untere Schmiedgasse.

    Von den abgebildeten Häusern existiert heute nur noch Am Ölberg 9, die dunkle Fassade links.

    Als Vergleich zum letzten Bild dient das folgende Bild; links angeschnitten wieder Am Ölberg 9, und anschliessend Am Ölberg 11 mit einem nicht zu Ende geführten Notdach, obwohl das Haus offensichtlich auch zur Not nicht mehr bewohnbar war. Auf der letzten Aufnahme ist es das hellere Haus mit breitem Quergiebel.

    So makaber es tönt, aber solche Ruinenfotos sind für die Erforschung von Fachwerkbauten sehr aufschlussreich.
    (die Datierung "1950" halte ich für verspätet)

    mi02519a02b.jpg
    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    Ein weiteres Bild, 1946 weiter westlich vom Burgpalas aus aufgenommen, zeigt die Obere Schmiedgasse und die Rückseiten der Häuser an der Bergstrasse:

    fm203001b.jpg
    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Links angeschnitten ist das Haus Obere Krämersgasse 22 mit dem heute noch bestehenden Aufzugserker unter Schleppdach. Nach rechts folgt nach dem Ruinengrundstück die Rückseite von Bergstr. 10 (Giebelwand mit horizontalem Bretterverschlag), dann die schmalen Bauten Nrn. 12 und 14 (beide abgebrochen!) und dann die unter zwei verschieden hohen Dachflächen gelegene Nr. 16. Die linke Dachfläche ist eben mit neuen, hellen Dachziegeln eingedeckt worden, und die rechte teils mit alten und neuen Dachziegeln. Die Gebäudegruppe Nrn. 10 bis 16 ist ab diesem Beitrag eingehend beschrieben. Das am rechten Bildrand angeschnittene Haus, ebenfalls unter notdürftiger Eindeckung, ist später auch noch abgebrochen worden.

    Auf diesem Bild ist eindrücklich festgehalten, wie nach der Bombardierung sparsam mit dem übrig gebliebenen Baumaterial umgegangen werden musste. Mit Brettern wurden Wände notdürftig verschlossen, Fenster von definitiv unbewohnbaren Bauten an andern Orten eingesetzt, und die Biberschwanzziegel in Einfachdeckung verlegt, wo sie vorher in Doppeldeckung verlegt waren (ganz gut ersichtlich beim Dach im Vordergrund, wo die obere Hälfte jedes Dachziegels jeweils heller ist).

    Von besonderem Interesse ist nun das Haus im Vordergrund in der Mitte, Obere Schmiedgasse 25 (Hinterhaus von Bergstr. 16?). Ein Fassadenausschnitt ist nämlich in "Das Bürgerhaus in Nürnberg" auf Tafel T.13 abgebildet. Ähnliches Fachwerk gab es auch am einstigen Nachbarhaus westlich des Dürerhauses (Neutormauer 42) und Schlotfegergasse 8 (abgebildet in diesem Beitrag). Das 2. Obergeschoss von Untere Krämersgasse 18 (Abbildung Nordfassade) zeigt ebenfalls solches Fachwerk und stammt gemäss Dendrodatierung von 1454.

  • Am Ölberg 3


    MI02565e08b.jpg
    Burgstrasse (links) bei der Einmündung der Oberen Schmiedgasse (Mitte) und Am Ölberg (rechts).
    Rechts des Baumes Am Ölberg 1 und ganz rechts Am Ölberg 3. Vergrösserung
    (Quelle: bildindex.de)


    Wie im letzten Beitrag geschrieben, folgt nun eine Betrachtung von Am Ölberg 3:

    Zitat

    Am Ölberg 3 hatte ich fälschlicherweise in diesem Beitrag als Beispiel eines Hauses mit Halbwalm aufgelistet, doch hier sieht man ganz deutlich, dass es sich lediglich um einen Schopfwalm handelte. Deshalb werde ich dieses Haus dann als erstes vorstellen.


    Was ist nun der Unterschied von einem Halbwalm und einem Schopfwalm (oder Nasengiebel)?


    Bei einem Halbwalm laufen die vordersten Sparrenpaare nicht bis zum First hinauf, sondern nur bis zu den Gratsparren, sodass die Giebelwand eine Trapezform erhält (Beispiel).
    Bei einem Schopfwalm laufen alle Sparrenpaare, insbesondere das Vorderste in der Ebene der Giebelwand, bis zum First hinauf, sodass die Giebelwand eine Dreiecksform besitzt. Die Walmfläche besteht dann durch Ansetzen einer dreieckigen Fläche oder einer "Nase" mit drei Flächen im Bereich des Dachvorsprungs (Beispiel, Giebel rechts).


    Ausschnitte aus folgenden drei Fotos liefern die Grundlagen für die Rekonstruktionsskizzen der Fassaden. Es sind zwar nicht die schärfsten Aufnahmen, auf denen Balkenverbindungen erkannt werden können, aber dennoch genügend für eine erste Betrachtung. Möglicherweise gibt es in den Archiven noch bessere Fotos.

    - Bild oben für die Ostfassade
    - mi02564g02a.jpg für das Erdgeschoss der Nordfassade und Kontrolle deren Obergeschosse
    - oelbergpanorama_mitte_15.jpg für die Obergeschosse der Nordfassade (Quelle: Sammlung Riegel)


    oelberg3ausschnitte.jpg
    Links: Giebelfassade gegen Osten mit Schopfwalm; Mitte: Nordfassade; rechts: Nordfassade (bereits entzerrt).


    oelberg3entz.jpg
    Fotomontage der entzerrten und in der Grösse vereinheitlichten Bildausschnitte.


    Jedes Geschoss unterscheidet sich vom Fachwerkbild her ziemlich stark von den andern, ebenso die Fensterformate, sodass eine kurze Beschreibung jedes einzelnen Geschosses sinnvoll ist. Erwähnenswert ist die Auskragung der Ostfassade über dem Erdgeschoss (gut sichtbar beim mittleren Bildausschnitt).

    Erdgeschoss:
    Der Nordseite besteht aus Fachwerk, was in Nürnberg an Erdgeschossen nur noch selten beobachtet werden kann. Die Verbindungsart der Kopfstreben ist unklar; überhaupt zeugt die diffuse Anordnung der Balken von Umbauten. An der Ecke erkennt man einen schmalen Mauerstreifen, welcher auf eine Vormauerung an der Ostseite hinweist. Möglicherweise ist das Fachwerk dort unter Belassung des Eckpfostens ganz durch Mauerwerk ersetzt worden.

    Die Anordnung der Kopfstreben und der dickere Mittelpfosten deutet auf eine Zweiteilung des Erdgeschosses: rechts die Erschliessung, und links ein separater Raum.

    1. Obergeschoss:
    Auch hier deuten die Streben und der starke Mittelpfosten auf eine Zweiteilung. Der um die Ecke laufende Fenstererker, die kurzen und breiten Fuss- und Kopfstreben sowie die eng gelegte Balkendecke verraten hier die Stube. Das Fehlen von Riegeln im Wandfeld unmittelbar rechts des Erkers und die schlanken Brüstungspföstchen weisen auf eine Ausfachung mit Bohlen hin. Somit darf angenommen werden, dass die Streben angeblattet waren.

    Das schmale Wandfeld links des Erkers an der Ostfassade, mit einem Andreaskreuz auf Brüstungshöhe, ist fragwürdig. Offensichtlich gehörte es nicht mehr zur Stube, da diese wohl vom Pfosten mit dem Fussband begrenzt war. Hatte das Wandfeld wohl mit früheren Besitzesverhältnissen zu tun, da hier drei Häuser aneinander stiessen? Oder bestand hier ein Belichtungs-/Belüftungsgang zu einem rückliegenden Raum? Eine Südfassade besass das Haus nicht, da hier nahtlos das Nachbarhaus an der Oberen Schmiedgasse anschloss. Oder bestand hier einst ein Aborterker, was zwar für die Lage direkt neben der Stube eher unwahrscheinlich gewesen wäre? Ich muss die Antwort offen lassen.

    Das rechte Wandfeld der Nordfassade ist mit langen Fuss- und kurzen Kopfstreben verstrebt. Vergleichbare Balkenbilder, und auch die vermutete Verbindungsart der Bänder an der Stube, weisen ebenfalls auf Anblattungen hin. Die Lage des Raumes über dem Hauseingang und neben der Stube weist diesen als Küchen- und Erschliessungszone aus.

    2. Obergeschoss:
    Beide Seiten zeigen je zwei Wandfelder mit langen Fuss- und kurzen Kopfstreben. Die Brüstungsriegel laufen zwischen den Pfosten ununterbrochen durch. In Analogie zu Fachwerkbildern anderer Bauten und zum 1. Obergeschoss darf auch hier von Anblattungen ausgegangen werden. Die Fenster wurden wohl verändert, mit Ausnahme des rechten Fensters der Nordfassade. Die beiden Pföstchen links vom rechten Fenster zeugen von solchen Veränderungen; hier wohl im Zusammenhang mit einem Kamineinbau.

    Den identischen Vorhängen in der linken Geschosshälfte nach dürfte sich hier eine grosse Kammer befunden haben. In der rechten Geschosshälfte befanden sich möglicherweise eine weitere Kammer, und dahinter das fensterlose Treppenhaus.

    3. Obergeschoss:
    Hinter dem Regenabflussrohr in der Mitte der Nordfassade ist eine K-Verstrebung auszumachen. Generell die dünneren Balken dieses Geschosses und die Auskragung gegen das westwärts anschliessende Nachbarhaus Am Ölberg 5 lassen dieses Geschoss als eine nachträgliche Aufstockung erscheinen. Fenstererker mit eingezapften Fussstreben darunter sind im Zusammenhang mit K-Streben für das 16./17. Jahrhundert möglich. Die Zick-zack-Linie in der Strebenabfolge ist hier mit der K-Strebe oder der Fussstrebe rechts davon gestört. Möglicherweise wurde bei dieser Aufstockung auch das Kamin hier angelegt, das sich unmittelbar an die Fassade anschmiegte, und diese von innen verdeckte. Aus Symmetriegründen von der Innenansicht her wurde wohl die Fussstrebe rechts des Kamins zusätzlich angeordnet. Jedenfalls ist dies ein Anzeichen auf den beginnenden Verfall des Fachwerkbildes, wie es schon bei einem Haus an der Schildgasse beobachtet werden konnte.

    Ich verweise bei diesem Geschoss betreffend der "Zick-zack-Linie" und "Schildgasse" (Abbildung) auf den Beitrag  "2. Bauten mit eingezapften K-Streben".

    Dachgeschoss:
    Die Giebelwand ist als Dreieck ausgebildet, dessen obere Hälfte durch den Schopfwalm verdeckt wird. Die beiden kräftigen Pfosten dürften Mittelpfetten getragen haben, was bei einem Dach dieser geringen Grösse nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre. Die seitlichen Streben dürften eingezapft gewesen sein, was bei der linken Strebe am Fuss schwach erkennbar ist. Der Dacherker mit dem auskragenden, dreiseitigen Aufzugswalm ist typisch für das 16./17. Jahrhundert und passt zum 3. Obergeschoss.

    Die geringe Dachneigung, der Schopfwalm und der Aufzugserker weisen auf einen neuen Dachstuhl im Zusammenhang mit der Aufstockung des 3. Obergeschosses hin, und nicht auf eine Wiederverwendung des Dachstuhls des Kernbaus.


    oelberg3umz_farbig.jpg
    Umzeichnung der Fotomontage.


    Fazit:
    Am Ölberg 3 dürfte im 15. Jahrhundert als dreigeschossiges Wohnhaus komplett aus Fachwerk entstanden sein. Über dem Erdgeschoss kragte die mit Bohlen ausgewandete Stube leicht aus. Im 16. /17. Jahrhundert wurde das 3. Obergeschosses samt neuem Dachstuhl mit Schopfwalm aufgestockt. Im 18./19. Jahrhundert erfolgten Veränderungen am Erdgeschoss, wobei die Auskragung an der Ostseite durch eine Vormauerung oder Ersatz der Fachwerkwand verringert worden war. Zu dieser Zeit wurde auch das Fachwerk verputzt.

  • Am Ölberg 9 (Obere Schmiedgasse 10)


    Gemäss Pablo de la Riestra in "Nürnberg - Die historische Altstadt" ist das Haus 1977/79 umfassend umgebaut und das Fachwerk freigelegt worden. Gemäss der Bayerischen Denkmalliste erfolgte die Freilegung schon 1959. Eine baugeschichtliche Untersuchung und Datierung wurde wohl nicht veranlasst.

    Heutige Situation (von Norden): Die ganze Zeile Am Ölberg 1 - 11 ist um 1960 neu gebaut worden, mit Ausnahme der Nr. 9. Das Grundstück westlich der Nr. 11, einst Obere Schmiedgasse 14, ist heute der Garten von Nr. 11.


    mi02519a06b.jpg
    Am Ölberg 9 nach der Teilberäumung der umliegenden Ruinen. Vergrösserung. (Quelle: bildindex.de)


    amoelberg_3186x30_15.09.09.jpg
    Nordfassade gegen den Ölberg.

    Wenn man die linke Dachkante genau betrachtet, stellt man einen leichten Knick in der Dachfläche fest, der besagt, dass die unteren drei Fünftel bei einer Aufstockung des Hauses (s. später im Text) angehoben worden waren. Der obere, steilere Teil gehört demnach noch zum Kernbau.


    obereschmiedgasse10_3180_30_15.09.09.jpg
    Südfassade gegen die Obere Schmiedgasse.

    Die Fachwerkgeschosse der Vorder- und Rückseite entsprechen sich in der Geschosszugehörigkeit nicht, da die ganze Zeile am Burghang steht, sodass an der oberen Schmiedgasse alle Erdgeschosse (je nach Nutzung auch Kellergeschoss) ebenerdig sind. An der Oberen Schmiedgasse bestehen demnach das Erd-, 1. und 2. Obergeschoss sowie drei Dachgeschosse, und gegen den Ölberg das 1., 2. und 3. Obergeschoss sowie zwei Dachgeschosse. In der übernächsten Ansicht sind die Fassaden in der effektiven Höhenlage zueinander angeordnet.


    oelberg9schnitt.jpg
    Querschnitt von der Oberen Schmiedgasse zu Am Ölberg.
    Rot = Fachwerkpartien.


    obschmied3181&3185entz_20.jpg
    Links: Südfassade mit 1. und 2. Obergeschoss; rechts: Nordfassade mit 2. und 3. Obergeschoss.

    Jedes Geschoss hat einen eigenen Fachwerktyp:
    - im 1. Obergeschoss grösstenteils nicht auf Sicht bestimmtes, konstruktives Fachwerk, mit Blattsassen entfernter Fuss- und Kopfbüge
    - im 2. Obergeschoss auf Sicht bestimmtes Fachwerk mit angeblatteten Fuss- und Kopfbügen
    - im 3. Obergeschoss auf Sicht bestimmtes Fachwerk mit eingezapften Fussstreben und fassadenbreitem Fenstererker.

    Die fehlenden Bänder sind leicht zu ergänzen, und die ungefähre Höhe der ursprünglichen Brustriegel anhand von Vergleichsbeispielen anzunehmen:


    obschmied3181&3185entz_erg_20.jpg
    Fassadenansichten mit ergänzten Fuss- und Kopfbändern und mutmasslichen Brustriegeln.
    Links: Südfassade mit 1. und 2. Obergeschoss; rechts: Nordfassade mit 2. und 3. Obergeschoss. Vergrösserung


    An der rechten Hälfte des 1. Obergeschosses bestanden einst kurze, breite Fussbänder, und keine Kopfbänder. Dahinter dürfte sich demnach die mit Bohlen ausgewandete Hauptstube befunden haben. Zusammen mit den langen Fussbändern links davon ergibt sich ein typisches Fassadenbild des 15. Jahrhunderts.

    Balkenköpfe des Bodens und der Decke schauen nicht hervor; demnach dürften die Balkenlagen parallel zur Fassade verlaufen. Dafür liegen die Rähme und Schwellen direkt aufeinander, und die Fussbänder sind jeweils in beide Balken angeblattet, die Kopfbänder hingegen nur in den Rähm.

    Das 2. Obergeschoss zeichnet sich durch mittellange Fuss- und kurze Kopfbänder aus, ausser an der linken Fassadenhälfte gegen den Ölberg, wo sich dahinter eine zweite Bohlenstube verbergen wird. Auch wenn die Fenster beider Seiten unregelmässig verteilt und klein sind, entsprechen sie kaum mehr der ursprünglichen Disposition. Dieses Geschoss zeigt ebenfalls Zimmerhandwerk des 15. Jahrhunderts, und dürfte zusammen mit dem Erdgeschoss und dem dreigeschossigen Dachstuhl entstanden sein. Die Mauerfelder zwischen den Balkenköpfen der Decke sind fälschlicherweise bei der Renovation mit Bohlen verschlossen worden.

    Das 3. Obergeschoss ist nur gegen den Ölberg ausgebaut, und entspricht dem 1. Dachgeschoss gegen die Obere Schmiedgasse mit dem Dacherker und vorspringenden Aufzugswalm. Die Fussstreben an der Fassade und am Dacherker sind eingezapft. Die Verstrebung und der fassadenbreite Fenstererker entsprechen den Fachwerken des Burgamtmannshauses und von Albrecht-Dürer-Str. 24 (s. Beitrag "4. Bauten nur mit kurzen Fussstreben und mit Fenstererkern"), und sind typisch für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts.


    Fazit:


    Am Ölberg 9 dürfte im 15. Jahrhundert mit einem nur gegen die Obere Schmiedgasse freiliegenden Sockelgeschoss und zwei Fachwerkgeschossen entstanden sein. Ob die Rückseite des 1. Obergeschosses einst auch in Fachwerk aufgeführt war, ist unklar (heute gemauert). Darüber folgte ein dreigeschossiger Dachstuhl.


    In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die Seite gegen den Ölberg um ein 3. Obergeschoss unter Anhebung der Dachfläche erhöht. Gleichzeitig dürfte auch der bestehende Dacherker errichtet worden sein.
    Später wurde die Fensteranordnung verändert, und insbesondere gegen die Obere Schmiedgasse die Fassade des 1. Obergeschoss tiefgreifend erneuert.


    Wohl im Schutz der beiden Brandmauern der massiv gebauten Nachbarhäuser und durch glücklichen Zufall überdauerte das Haus als einziges der ganzen Zeile den 2. Weltkrieg.

  • Zitat von Mündener

    Das wahrscheinlich noch zu großen Teilen erhaltene Dachwerk aus dem 15. Jahrhundert scheint ja eine beeindruckende Größe zu haben. Gibt es dazu irgendwelche Informationen/Abbildungen (vielleicht ein Photo der Giebelseite vor der Neubebauung)?

    Das Gebäude scheint ja in privater Hand zu sein, und ist demnach nicht zu besichtigen (offensichtlich).

    Ich kenne nur einige Ansichten aus dem Marburger Bildarchiv. Das Suchen nach Fotos auf dieser Seite ist recht mühsam, da viele Fotos falsch angeschrieben sind (und deshalb nur per Zufall gefunden werden können), und oft falsch datiert sind. Ich habe einmal eine Foto mit dem Notdach von Am Ölberg 11 gesehen, die ich nach mehrmaligem Suchen nicht mehr finde. Dieses Notdach hatte ich im in diesem Beitrag erwähnt, allerdings mit einem falschen Schluss:

    Zitat

    Als Vergleich zum letzten Bild dient das folgende Bild; links angeschnitten wieder Am Ölberg 9, und anschliessend Am Ölberg 11 mit einem nicht zu Ende geführten Notdach, obwohl das Haus offensichtlich auch zur Not nicht mehr bewohnbar war.
    mi02519a02a.jpg


    Das Notdach ist auf dieser Fotografie, die ich eben nicht mehr finde, effektiv zu Ende ausgeführt und stammt von einer der ersten Bombardierungen. Dahinter wäre die Fachwerkgiebelwand von Nr. 9, und damit auch das Grundgerüst des Dachstuhls, sichtbar.

    Dass die Häuserzeile am Ölberg schon vor der grossen Bombardierung Nürnbergs 1945 getroffen worden war, sieht man auf folgendem Bild (das Aufnahmedatum ist fälschlicherweise mit 1950 angegeben):
    mi02518g04a.jpg
    Die Nr. 7 hat bereits das oberste Geschoss und das Dach eingebüsst und ist mit einem nach innen geneigten Notdach abgedeckt, während die Nachbarhäuser noch unversehrt sind. Die massive Giebelwand zur Nr. 9 hin blieb stehen und dürfte von der Bauweise her Bestandteil der Nr. 7 gewesen sein. Während der Zerstörung der ganzen Zeile (mit Ausnahme von Nr. 9) 1945 wurde die Nr. 7 abermals getroffen, bei der vor allem die südliche Hälfte des stehen gebliebenen Teiles einstürzte. Die nördliche Hälfte erhielt wiederum ein Notdach, diesmal nach aussen geneigt. Es scheint also, dass auch diese Ruine zur Not bewohnt blieb.

    Die weiterhin stehen gebliebene Giebelwand existiert sogar noch heute (mit Blechabdeckung zwischen dem orange gestrichenen Haus und der Nr. 9)! Einen Anblick des offenen Dachstuhls von Nr. 9 hat es also von dieser Seite her nie gegeben.

    amoelberg_3186x30_15.09.09.jpg
    Am Ölberg 7, 9 und 11.


    Ein Foto von der Burg aus zeigt links die Giebelwand von Nr. 9, nachdem die Nr. 11 zum zweiten mal von Bomben getroffen worden war:
    mi02519b13a.jpg
    Es ist nur ziemlich konfuses Fachwerk erkennbar, das mehrere Veränderungen erfahren haben dürfte. Zudem scheint es im oberen Bereich durch Platten oder Bitumenbahnen abgedeckt zu sein. Ich nehme aber an, dass der ganze Dachstuhl aus einem mehrfach stehenden Stuhl aufgebaut war, der nur durch Fuss-, Kopf- und Steigbänder verstrebt war. Mit dem sichtbaren Fachwerk dürfte dies vereinbar sein.

    Mit einer letzten Fotografie möchte ich demonstrieren, wie solche durch eine falsche Beschriftung für die Forschung unauffindbar sind, sofern man eine Sammlung nicht systematisch durchackert:
    mi02568a10a.jpg
    Der Text bezeichnet die Ruine mit "Obere Krämersgasse 24" (welche viel weiter östlich stand), aber in Wahrheit ist das die Ruine von "Obere Schmiedgasse 24" (die heute noch mit einem neuen Geschoss darüber steht). Somit ist die rechts angeschnittene Ruine diejenige von Am Ölberg 11, und damit wiederum die Giebelwand von Nr. 9 sichtbar!

  • Die beiden Kopfbauten der "Mittelzeile" in der Schildgasse


    Die Schildgasse führt von der Burgstrasse her ostwärts zur Tetzelgasse / Paniersplatz. Die heutige Situation ist gegenüber der historischen ziemlich verunklärt:

    Gegen Westen, also zur Burgstrasse hin, verbreitert sie sich trichterförmig, ohne dass an der breitesten Stelle ein Blickpunkt wie einem Kopfbau oder Brunnen vorhanden wäre. Hier stand bis 1945 eine kurze Häuserzeile mitten in der Gasse, die nicht mehr wieder aufgebaut wurde. Die Zeile reichte bis an die Flucht der Burgstrasse und endete gegen Osten kurz vor dem zweiten Baum.

    Das östliche Ende der Schildgasse läuft ziemlich diffus in die Tetzelgasse und den Paniersplatz aus. Bis 1945 lief die südliche Häuserzeile gleich weit wie die nördliche Zeile bis an den Paniersplatz, wo sie mit dem Grolandhaus endete. Zugunsten der massiv verbreiterten Teztelgasse und anders geführten Einmündung der Schildgasse wurde die südliche Zeile nur noch verkürzt wiedererrichtet. Die Fundamentmauern des Grolandhauses dürften heute noch ziemlich genau unter dem nördlichen Trottoir der Tetzelgasse auf der Höhe des zweitletzten Baumes vor dem Paniersplatz zu finden sein.


    a) Westlicher Kopfbau der "Schildgasse-Mittelzeile" an der Burgstrasse


    oelbergpanorama_links_15.jpg
    Blick von der Burg aus in Richtung Südosten; im Vordergrund 'Am Ölberg', nach hinten hinab die Burgstrasse.

    Das Fachwerkhaus im Hintergrund gehörte zur Zeile, die mitten in der westlichen Schildgasse stand und letztere somit wie einen Reissverschluss teilte.


    schildg_oelbergpanorama_links_entz.jpg
    Westlicher Kopfbau des Häuserblocks in der westlichen Schildgasse an der Burgstrasse. Vergrösserter und entzerrter Ausschnitt aus der Fotografie oben.


    Wenn man sich das Haus im verputzten Zustand vorstellt, würde man denken, dass es sich um ein einheitliches Haus handelte. Die markante Teilung in der Mitte (Brandmauer oder Kamin?) und die unterschiedlichen Bodenniveaus und Verlaufsrichtung derer Balkenlagen deuten eher auf eine Zusammenfassung von zwei einst eigenständigen Bauten. Spätestens als die Fensteranordnung regularisiert wurde, dürfte diese Zusammenfassung erfolgt sein.

    Das Fachwerk um die Fenster herum war mit diesen zusammen entstanden, und zeigte Merkmale von konstruktivem Fachwerk (18./19. Jh.) wie geschosshohe Fensterpfosten, leere Fensterbrüstungen oder solche mit nur einer Brüstungsstrebe. Beim Giebeldreieck ist es schwer zu bestimmen, ob es sich auch um konstruktives Fachwerk handelte.

    Beim linken, nördlichen Hausteil zeigten die eng gelegten Balkenlagen das höhere Alter des Hauses mit ursprünglichem Sichtfachwerk an. Der gegenüber den Schwellen viel dickere Rähm (nur über dem 1. Obergeschoss) ist nur bei Sichtfachwerken bekannt; bei konstruktiven Fachwerken tendieren alle Balkenmasse zu einer einheitlichen Dicke. Nur das Brüstungsfachwerk im 1. Obergeschoss stand nicht im Einklang mit den beiden Fenstern und setzte einen durchgehenden Brustriegel voraus. Die beiden Fussstreben waren relativ dünn und demnach eher eingezapft als angeblattet.

    Die Seitenwand des 1. Obergeschosses war massiv gemauert. Dass das 2. Obergeschoss einst auskragte, ist unwahrscheinlich, denn dann hätte die Balkenlage quer verlaufen müssen. Hier weiter über die Baugeschichte zu spekulieren ist müssig, solange nur eine so unscharfe Aufnahme vorliegt (nachträgliche Aufstockung? Nachträglicher Bau der massiven Seitenwand anstelle einer Fachwerkwand?).

    Beim rechten, südlichen Hausteil fallen die um 90 Grad gedrehten Balkenlagen auf. Das 1. Obergeschoss war mit zwei kurzen Kopfstreben und evtl. auch mit zwei kurzen Fussstreben ausgesteift und zeigte einen durchgehenden Sturzriegel. Dies sind Merkmale des 15. Jahrhunderts. Der Rest lässt keine weiteren Schlüsse zur Baugeschichte zu.


    b) Östlicher Kopfbau der "Schildgasse-Mittelzeile"


    MI07687c11b.jpg
    Schildgasse von Osten nach Westen (falsche Angabe im Bild!) um 1930/40.
    Links im Hintergrund der östliche Kopfbau mit freigelegtem Fachwerk.

    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    Der Kopfbau der einst mitten in der Schildgasse stehenden Häuserreihe besass zwei fast identische Fachwerkobergeschosse. Die Lage der Bundpfosten ist unklar; einerseits gibt es einen in Fassadenmitte mit Kurzstrebe, und andererseits einen rechts neben dem Fenster mit einem K-Strebenpaar. Die rechten Eckpfosten zeigen nur am 1. Obergeschoss eine lange Fussstrebe.

    Eine "Zick-zack-Linie" gibt es hier nicht; doch weitere Nachforschungen über allfällige Veränderungen sind nur aufgrund des unscharfen Bildausschnitts unmöglich. Vielmehr interessiert hier wiederum der Fenstererker, unter welchem die Kurzstreben sitzen. Im Gegensatz zum Haus am Schulgässchen sind die Fenstererker hier mit Sicherheit keine historistische Zutat, wenn man ein Bild mit dem noch verputzten Fachwerk beizieht.


    schildgasse-aussMI07687c11a.jpg
    Östlicher Kopfbau des Häuserblocks in der westlichen Schildgasse; Ausschnitt aus dem Bild oben.
    (Quelle:
    bildindex.de)


    Die Anordnung der Streben an beiden Obergeschossen erinnert an das 3. Obergeschoss von Am Ölberg 3. Dort war der Zick-zack-Verlauf der Strebenrichtungen auch unterbrochen, allerdings wahrscheinlich verursacht durch ein Kamin an der Aussenwand.

    3. Obergeschoss:
    Hinter dem Regenabflussrohr in der Mitte der Nordfassade ist eine K-Verstrebung auszumachen. Generell die dünneren Balken dieses Geschosses und die Auskragung gegen das westwärts anschliessende Nachbarhaus Am Ölberg 5 lassen dieses Geschoss als eine nachträgliche Aufstockung erscheinen. Fenstererker mit eingezapften Fussstreben darunter sind im Zusammenhang mit K-Streben für das 16./17. Jahrhundert möglich. Die Zick-zack-Linie in der Strebenabfolge ist hier mit der K-Strebe oder der Fussstrebe rechts davon gestört. Möglicherweise wurde bei dieser Aufstockung auch das Kamin hier angelegt, das sich unmittelbar an die Fassade anschmiegte, und diese von innen verdeckte. Aus Symmetriegründen von der Innenansicht her wurde wohl die Fussstrebe rechts des Kamins zusätzlich angeordnet. Jedenfalls ist dies ein Anzeichen auf den beginnenden Verfall des Fachwerkbildes, wie es schon bei einem Haus an der Schildgasse beobachtet werden konnte.


    Beim Kopfbau in der Schildgasse aber ist nicht einmal mehr klar, ob die Felder mit den K-Strebenpaaren zum linken oder rechten Raum gehörten. Da das Haus möglicherweise einen trapezoiden Grundriss besass, wäre es denkbar, dass der rechte Raum an der Giebelwand nur so schmal in Erscheinung trat, und sich gegen hinten verbreiterte.

    Im Giebeldreieck sind das Andreaskreuz aus geraden Balken, das rundbogige Fenster (ursprünglich Aufzugsöffnung?) und die Giebelnase erwähnenswert. Diese Details sollten bei weiteren Bauten beobachtet werden, ob sie vor allem bei Fachwerkbauten mit K-Streben vorkommen. Beim Grolandhaus beispielsweise waren beim K-verstrebten Giebeldreieck ebenfalls ein rundbogiges Fenster und eine Giebelnase vorhanden.


    Bei beiden Kopfbauten gilt, definitive Rückschlüsse durch baugeschichtliche Forschung nur anhand schärferer Aufnahmen zu tätigen. Auf ein Fazit verzichte ich daher noch.

  • Schildgasse ca. 27


    MI07687c11b.jpg
    Schildgasse von Osten nach Westen (falsche Angabe im Bild!) um 1930/40. In der Bildmitte Schildgasse ca. 27. Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    schildgasse-auss2MI07687c11a.jpg
    Entzerrter Ausschnitt aus dem Bild oben.

    Das 2. und 3. Obergeschoss waren identisch; fassadenbreite Fenstererker, allseits verstrebte Eck- und Bundpfosten, sowie einige Brüstungspföstchen. Auf dem vergrösserten Bildausschnitt sind evtl. sogar aufgesetzte Pilaster zu erkennen wie bei Albrecht-Dürer-Str. 24!

    Wen man das ganze Bild [...] betrachtet, erkennt man auf der Haustrennwand eine fast geschosshohe Strebe, welche in dieser Form kaum eine Blattverbindung, sondern eher eine Zapfenverbindung besessen haben dürfte. Die Grösse der Strebe entspricht einer Fussstrebe bei einem K-Strebenpaar. Somit denke ich, dass auch die Fussstreben der Vorderfassade eingezapft gewesen waren. Dies könnte eine schärfere Aufnahme nachweisen.

    Zu diesem nicht mehr existierenden Haus kann ich nichts Neues schreiben, hingegen lohnt sich eine bildliche Gegenüberstellung mit Albrecht-Dürer-Str. 24 von 1570. Auf einer älteren Aufnahme aus dem Marburger Bildindex sind die Pilaster besser zu erkennen, weshalb ich diese Aufnahme für die Gegenüberstellung heranziehe. Solches Fachwerk mit eingezapften Fussstreben an jedem Eck- und Bundpfosten sowie spärlichen Brüstungspföstchen entstand zur gleichen Zeit wie Fachwerk mit K-Streben, wie weiteraus diesem Beitrag hervorgeht, und im Beitrag im Abschnitt "4. Bauten nur mit kurzen Fussstreben und mit Fenstererker" erläutert wird.


    schildgasse-aussmi12955a05a.jpg albrechtduererstr24_3446_30_17.09.09.jpg
    Links: leicht entzerrter Ausschnitt aus mi12955a05a.jpg; rechts: Albrecht-Dürer-Str. 24, erbaut 1570.

  • Am Ölberg 1 (2. Teil)


    Link zum 1. Teil: Am Ölberg 1

    Zitat

    Von Ölberg 1 standen mir nur Aufnahmen der Giebelfassade zur Verfügung (sicher wird es auch Aufnahmen der Trauffassaden und evtl. Grundrisse geben), aber für einen Rekonstruktionsversuch sind noch mehr Kenntnisse über das Haus erforderlich.


    Im Einleitungsbeitrag zur Zeile Am Ölberg stellte ich drei Fotos vor, welche die Häuserzeile Am Ölberg von Norden zeigen. Auf zwei von ihnen ist das freigelegte Fachwerk der nördlichen Trauffassade von Am Ölberg 1 in seinen Umrissen klar erkennbar, nicht aber in den Details der Verbindungen. Das Fachwerk wurde gemäss diverser Fotos sicher nach jenem der Giebelseite freigelegt, wohl erst Ende der Dreissigerjahre.


    oelbergpanorama_links_15.jpg
    Blick von der Burg aus in Richtung Südosten; im Vordergrund "Am Ölberg", nach hinten hinab
    die "Burgstrasse"; rechts die Nordseiten von Am Ölberg 1 und 3.


    Weiter findet sich im Marburger Bildindex eine Flugaufnahme der Burg von Osten (um 1942/44), auf der unten links wiederum Am Ölberg 1 festgehalten ist, diesmal mit dem freigelegten Fachwerk der südlichen Traufseite und der Giebelwand:


    fm930575b.jpg
    Flugaufnahme mit der Burg von Osten um 1942/44. Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    flugaufn.fm930575a_auss.jpg
    Ausschnitt aus dem Bild oben mit der Häusergruppe Am Ölberg 1-11 zum
    Zeitpunkt, als die Nr. 7 bereits einen ersten Bombentreffer erlitten hatte.


    Im Folgenden interessieren mich vier Aspekte, die ich anhand der Aufnahmen aller drei Fassaden genauer betrachten möchte:
    - a) die Verteilung der Bänder
    - b) der Dachstuhl
    - c) die Bundebenen
    - d) die Ausbildung der Fensterstürze
    Auf eine detaillierte Beschreibung der beiden Traufseiten wie bei der Giebelwand (im 1. Teil) verzichte ich, da diese nichts wesentlich Neues mehr hergeben.


    oelberg1_fass-abw_50.jpg
    Links: Südfassade, entzerrter Ausschnitt aus der Flugaufnahme oben; Mitte: Ostfassade, entzerrter Ansichtskartenausschnitt aus dem 1. Beitrag zu Am Ölberg 1; rechts: Nordfassade, entzerrter Ausschnitt aus der ersten Fotografie dieses Beitrags. Vergrösserung


    a) Die Verteilung der Bänder:

    Im 1. Teil zur Giebelwand wurde Folgendes festgestellt:
    - kurze, breite Fuss- und Kopfbänder am 1. Obergeschoss, demnach Stube und Nebenstube mit Bohlenausfachungen hinter der östlichen Giebelfassade
    - lange Fuss- und kurze Kopfbänder am 2. Obergeschoss, doppelte Fussbänder an den Eckpfosten


    oelberg1_fass-abw_durchz_f_50.jpg
    Durchzeichnung der Rahmen und Verstrebungen, vermutete Bohlenausfachungen, angenommener Dachstuhl. Vergrösserung


    Während an beiden Traufseiten die Bänderanordnung am 2. Obergeschoss analog der Giebelwand wiederholt wird, ist sie am 1. Obergeschoss unklar. Bei der Giebelfassade ist aufgefallen, dass im 1. Obergeschoss die linken beiden Wandfelder schmaler sind als das rechte, und daher postulierte ich hinter den schmaleren beiden Feldern die Stube (Südosten) und hinter dem breiteren Feld eine Nebenstube (Nordosten). Breite Fuss- und Kopfbänder und dünne Brüstungspföstchen sind die Merkmale von Bohlenausfachungen anstatt Lehm- oder Mauerwerkausfachungen.

    Für die Tiefe der Stube würde man zwei Wandfelder an der Südfassade annehmen, doch sitzen hier lange Fussbänder, teilweise in Verdoppelung, anstatt zu erwartender kurzer, breiter Bänder, und demnach ebenfalls Bohlen. Lange Fussbänder "vertragen" sich aber wegen dem dickeren Balkenquerschnitt nicht mit Bohlenausfachungen. Aus diesem Grund sind in der Durchzeichnung nur beim rechten Wandfeld Bohlen eingezeichnet. Vielleicht helfen schärfere Aufnahmen und andere Vergleichsbauten diese Frage einmal zu klären. Für die Tiefe der Stube mit zwei Wandfeldern statt nur mit einem spricht auch die Lage des mächtigen Kamins (mit drei Zügen?), das unmittelbar links vom mittleren Bundständer stand (s. Abb. im nächsten Beitrag).

    Sonst ist es denkbar, dass am 1. Obergeschoss an allen Bundpfosten doppelte Fussbänder angeschlagen sind, und nicht wie am 2. Obergeschoss nur an den Eckpfosten.

    An der nördlichen Traufseite erkennt man im 1. Obergeschoss am ersten Wandfeld von links wiederum breite Kopfbänder, was mit einer postulierten Nebenstube übereinstimmen würde. Am zweiten Wandfeld ist je ein breites und normales Kopfband angeschlagen, was die Bestimmung der Ausfachungsart erschwert (die Fussbänder sind durch einen Baum verdeckt). Zudem stand davor ein Aussenkamin. Ein Rückschluss auf den Grundriss ist daher auch hier nicht möglich.

    Bei den rechten beiden Wandfeldern ist die Bänderanordnung ebenfalls konfus. Nebst den normalen Kopfbändern am mittleren Bund- und rechten Eckpfosten sind am Bundpfosten links der Türe zwei sehr kurze Kopfbänder angeschlagen, während am rechten Türpfosten an unlogischer Lage ein weiteres, breites Kopfband sitzt. Möglicherweise wollte man damit den Hauseingang betonen, vorausgesetzt, dass die Lage der Türe mit Oblicht original oder mindestens sehr alt ist.

  • b) Der Dachstuhl:

    Gemäss den Pfosten in der Giebelwand handelt es sich um einen zweifach oder dreifach stehenden Dachstuhl. Auf der Aussenaufnahme ist allerdings nicht ersichtlich, ob im Firststud unter der Kehlbalkenlage ein Unterzug eingezapft war, und ob zuoberst eine Firstpfette sass.

    oelberg1_fass-abw_50.jpg
    Links: Südfassade, entzerrter Ausschnitt aus der Flugaufnahme aus dem letzten Beitrag; Mitte: Ostfassade, entzerrter Ansichtskartenausschnitt aus dem 1. Beitrag zu Am Ölberg 1; rechts: Nordfassade, entzerrter Ausschnitt aus der ersten Fotografie des letzten Beitrags. Vergrösserung der Giebelwand


    Beide seitlichen Stuhlpfosten tragen Mittelpfetten. Allfällige Schwellen der "Stuhlwände" sieht man auf der Aufnahme nicht; deren Köpfe könnten durch die Schwelle des Giebeldreiecks verdeckt sein, aber dann erwartete man mindestens einen durchgesteckten Zapfen in der Schwelle. Aber nicht mal ein solcher ist feststellbar. Ich vermute, dass Schwellen unter den "Stuhlwänden" in Nürnberg eher selten vorkommen (s. hierzu auch Beitrag über den Vergleich der Dachstühle von Bergstr. 10 und Weissgerbergasse 10).

    Schwellen hätten generell den Vorteil, dass in Längsrichtung zur besseren Stabilisierung des Dachstuhls auch Fuss- oder sogar auch Steigbänder eingebaut werden könnten. Ohne Schwellen sind aber nur Kopfbänder möglich, so wie in der Durchzeichnung eingezeichnet. Schwellen würden dafür die Dachraumnutzung als "Stolperschwellen" beinträchtigen, da sie ja über der Balkenlage liegen würden.

    Markant ist vor allem der durch alle drei Dachgeschosse verlaufende Firststud. In ihm könnten Unterzüge eingezapft gewesen sein, die beide Kehlbalkenlagen zusätzlich unterstützt hätten, aber auch bei dieser Annahme müssten im Firststud mindestens die durchgesteckten Zapfen solcher Unterzüge sichtbar sein. Eine Firstpfette ist wegen Schattenwurfs auf der Foto nicht erkennbar, und bei Sparrendächern auch nicht anzunehmen.

    Unterzüge und eine Firstpfette würden zusammen eine "Firstwand" bilden, in die zusätzliche Glieder zur Längsaussteifung eingebaut werden könnten. Beim Dachstuhl von Am Ölberg 1 sind aber nur in den beiden Mittelpfetten längsaussteifende Kopfbänder möglich, was ungenügend scheint. Anders als gezeichnet könnten (oder müssten?) längere Kopfbänder oder gar doppelte Kopfbänder vorhanden gewesen sein.


    oelberg1_fass-abw_durchz_f_50.jpg
    Durchzeichnung der Rahmen und Verstrebungen, vermutete Bohlenausfachungen, angenommener Dachstuhl. Vergrösserung


    Zur Sparreneinteilung:

    oelbergpanorama_mitte_auss_dachstuhl.jpg flugaufn.fm930575a_auss_dachstuhl.jpg
    Links: mutmassliche Sparreneinteilung auf der nördlichen Dachfläche (Grundlage s. Bild hier); rechts: mutmassliche Sparreneinteilung auf der südlichen Dachfläche. (Grundlage: Flugaufnahme aus dem letzten Beitrag).

    Die Einteilung der Sparren erfolgte zuerst auf der Nordseite gefühlsmassig aufgrund des gewohnten Sparrenabstandes, und eine Übereinstimmung mit den Dachgauben ergab eine Einteilung in 9 Sparrenfelder. Auffallend sind die Lagen des sechsten und achten Sparrens von links exakt über den Bundpfosten. Das Resultat wurde dann auf der Südseite anhand des unscharfen Flugbildauschnitts nachgeprüft, und auch dort eine Übereinstimmung mit den Dachaufbauten und dem Kamin festgestellt. Ich gehe aber aus, dass die giebelförmigen Dacherker und insbesondere auch der Kamin nicht original waren. Der zweigeschossige (Aufzugs?)-Erker nahm etwa eineinhalb Sparrenfelder ein, und durfte wohl aus nachbarrechtlichen Gründen nicht auf die Haustrennwand abgestellt werden.

  • c) Die Bundebenen:

    Erklärungsversuch für den Begriff "Bundebene"

    Da Holzbalken früher von Hand durch Beilen oder Sägen angefertigt wurden, hatten sie jeweils unterschiedliche Dicken, und waren teilweise auch leicht konisch. Je nach konstruktiver Funktion wurden die Balkenstärken zusätzlich variiert. Um die Anfertigung einer Fachwerkwand zu erleichtern, wurden auf der einen Seite die Balken flächenbündig eingebaut, und auf der andern Seite variierend, so wie es sich eben ergab. Das heisst, dass so eine "schöne Seite" und eine "wüste Seite" entstanden (die letzten beiden Begriffe sind von mir).

    Auf der "schönen Seite" wurden die Balkenlängen, Zapfen, Einschnitte, Zapfenlöcher etc. eingezeichnet (die Zimmerleute, zumindest in der Schweiz, nennen das "aufreissen") und anschliessend bearbeitet. Insbesondere für die Anschlagung von angeblatteten Bändern war eine "schöne Seite" von Vorteil, wenn nicht sogar Voraussetzung. Diese Seite ist die Bundebene.

    Die Bundebene liegt immer an der Aussenseite eines Hauses, sodass eine flächenbündige Fassade entsteht. Auch für die Zwischenwände und "Stuhlwände" müssen Bundebenen bestimmt werden. Analog zu Forschungen zum Fachwerkbau in St. Gallen wird auch in Nürnberg die Bestimmung der Bundebenen im Grundriss vom Hauptraum, der Stube, ausgegangen sein, das heisst, dass die Bundebenen immer an die Aussenseiten der Stube zu liegen kamen. Paradoxerweise kamen so zur Stube hin lauter "wüste Seiten" zu liegen, dafür aber wurde das Bild nicht durch Fuss- und Kopfbänder beeinträchtigt, da diese an der Aussenseite der Bohlen lagen. Dies sei am Beispiel von Kugelgasse 5 (erbaut 1458) in St. Gallen erläutert:

    kugelgasse5-2.og-rek_75.jpg
    Kugelgasse 5 in St. Gallen, 2. Obergeschoss (Süden oben!); der Grundriss des 1. Obergeschosses ist analog.

    Die Stube befindet sich rechts oben (im 1. Obergeschoss!). Ihre Eckpfosten, die durch zwei Geschosse hindurch laufen, haben einen Querschnitt von bis zu 30 cm und die Wände etwa 14 cm. Deshalb stehen alle Pfosten stubenseitig vor, ebenso die beiden seitlichen Deckenbalken (gestrichelt) mit einem Querschnitt von 20 bis 25 cm. Rechts unten liegt die Nebenstube mit drei "wüsten Seiten" und einer "schönen Seite" gegen die Hauptstube. Rückseitig (links) befinden sich wiederum zwei Räume, die wie die beiden Stuben ein eigenes "Gehäuse" bilden. Die Bestimmung der Bundebenen erfolgt wiederum von dem in der Axe der Stube liegenden grösseren Raum aus.

    Die Bundebenen befinden sich demnach
    - an allen vier Aussenseiten des Hauses
    - links ausserhalb der Stube und Nebenstube zum Mittelraum hin
    - rechts ausserhalb der beiden rückwärtigen Räume zum Mittelraum hin
    - unterhalb der beiden (im Grundrissplan horizontal liegenden) Querwände.
    (in diesem Beitrag wird die Kugelgasse 5 in St. Gallen weiter beschrieben).


    oelberg1_fass-abw_durchz_linien_50.jpg
    Am Ölberg 1. Von links nach rechts: Südfassade, Ostfassade, Nordfassade; Eintragung der Bundebenen (rot) und der Geschossböden (blau).

    Bei Am Ölberg 1 können anhand der Fotografien die Bundebenen ebenfalls ermittelt werden. Bei der Giebelwand (Foto) fluchten jeweils die rechten Kanten des mittleren Bundpfostens des 2. Obergeschosses und des Firststuds. Bei den linken Kanten ist dies nicht der Fall. Demnach kann für das 2. Obergeschoss und die Dachgeschosse eine Mittellängswand angenommen werden, deren Bundebene nordseitig liegt. Dies stimmt auch mit der asymmetrischen Lage des Unterzuges über dem Bundpfosten überein.

    Die Eruierung der Bundebene zwischen der Stube und Nebenstube im 1. Obergeschoss ist an der Fassade nicht abzulesen. Idealerweise sollten auch die Deckenbalken in diesen Bundebenen liegen, doch in Nürnberg ist mir aufgefallen, dass dies meistens nicht der Fall ist. Ich registriere dies vorerst mal als eine Nürnberger Eigenheit. Zwischen der Stube und Nebenstube nehme ich die Bundebene rechts an, auch wenn kein Deckenbalken mit ihr fluchtet.

    Eine Bundebene muss also nicht unbedingt durch alle Geschosse hindurch gehen, da jedes Geschoss unabhängig von den andern in sich gezimmert ist. Wenn jedoch Wände übereinander liegen, ist es von Vorteil, dass die Bundebenen jeweils auf der gleichen Seite angenommen werden.

    An der nördlichen Traufseite könnten an allen Bundpfosten Bundebenen liegen, doch von einem vernünftigen Raummass her darf jeweils an den mittleren Bundpfosten eine Zwischenwand angenommen werden. Tatsächlich liegen die rechten Kanten der beiden Bundpfosten exakt übereinander, und die linken nicht. Dies würde übereinstimmen, dass folglich die Bundebene ausserhalb der links vom Bundpfosten befindlichen Nebenstube liegt.
    >> Dies ist allerdings noch kein Beweis, dass sich tatsächlich hier eine Zwischenwand befand; lediglich die Indizien sprechen dafür!

    Für eine ideale Lastabtragung des Dachstuhls wird ein Dachbinder (eine parallel zu den Giebelwänden stehende, tragende Dachstuhlebene) am besten über der Zwischenwand des 2. Obergeschosses platziert. Tatsächlich lag über dem mittleren Bundpfosten das 6. Sparrenpaar (siehe vorangehenden Beitrag), und kein Sparrenfeld, sodass also die Annahme möglich scheint. Für die Herstellung von Dachbindern sind ebenfalls Bundebenen erforderlich, und diese werden möglichst auf der gleichen Seite wie jene der darunter liegenden Zwischenwände angeordnet.

    Gleich verhält es sich auch mit den "Stuhlwänden" (oder "Mittelpfettenwänden"); die Bundebenen liegen auch hier ausserhalb des "Gehäuses", das durch die Giebelwände, Stuhlpfosten und Mittelpfetten gebildet wird.

    Die Böden (Balkenlagen) werden nicht in Bundebenen definiert, obwohl auch dort solche für den Abbund angenommen werden müssen. Von Hand gefertigte Deckenbalken sind jeweils nie genau gleich hoch, aber für die Aufnagelung der Dielen müssen deren oberen Flächen logischerweise auf gleicher Höhe liegen. Die unterschiedlichen Balkenhöhen werden innerhalb der Verkämmung ausgeglichen, mittels derer sie auf den Rähmen der unteren Wände aufliegen.

    Für die Rekonstruktion der ursprünglichen Masse eines historischen Hauses wird immer von der Oberkante der Balkenlage zur nächst höheren gemessen, und die Grundrissmasse von Bundebene zu Bundebene. Der Nachweis, dass die Grundriss- und Höhenmasse in Schuhlängen und Teilen davon aufgehen, gelingt sehr oft, wenn man das exakte Schuhmass des jeweiligen Ortes kennt. Mit den mir zur Verfügung stehenden dürftigen Unterlagen von Am Ölberg 1 geht diese Massrekonstruktion natürlich nicht, aber mit Hilfe des Stadtvermessungsplanes vor 1945 und allfällig noch vorhandener Pläne des Hauses würde vielleicht Erfolg beschieden. Nach der Entzerrung der Fotos fällt aber auf, dass die drei Dachgeschosse exakt gleich hoch waren, gemessen von

    Oberkant Balkenlage 2. OG > Oberkant 1. Kehlbalkenlage > Oberkant 2. Kehlbalkenlage > First (blaues Mass "b").

    Für die beiden Vollgeschosse gelang dieser Massvergleich nicht exakt, doch dürfte die Massdifferenz im Bereich von weniger als 5 cm liegen (blaues Mass "a"). Dies dürfte mit der Entzerrung der nur sehr kleinen Fotoausschnitte zusammenhängen.


    (Bemerkung:

    Der Beitrag zu den Bundebenen ist jetzt ausserordentlich lang geworden, und ursprünglich hatte ich nur vor, einen kurzen Erläuterungstext zur Abbildung mit den Bundebenen zu schreiben. Das Thema "Bundebene" ist aber von sehr grosser Bedeutung für die Herstellung, Erforschung und Rekonstruktion von Fachwerkbauten, weshalb ich es als nötig erachtet habe, diesen komplexen und mit viel Fachbegriffen befrachteten Beitrag zu schreiben. Es ist mir aber klar, dass der Beitrag deshalb für einen Laien schwer verständlich ist und viel mehr erläuternde Abbildungen nötig wären.)

  • Die Bundebenen in den Grundrissen:


    1. Obergeschoss:

    oelberg1_1.og_50.jpg oelberg1_1.og_bundebenen_50.jpg
    (Norden oben)

    Die ostwärts gerichtete Grundrisshälfte dürfte von einer Stube und Nebenstube mit eng gelegten Balkendecken eingenommen worden sein. Ihre Bohlenwände sind schwarz dargestellt, und die hypothetische Möglichkeit von Fenstererkern mit einer Linie ausserhalb der Fassadenfluchten. Allerdings ist unklar, wo überall Bohlenwände bestanden; normalerweise waren jeweils alle vier Wände der Stuben mit Bohlen ausgewandet, was aber speziell bei Am Ölberg 1 fraglich ist:

    Für die Tiefe der Stube würde man zwei Wandfelder an der Südfassade annehmen, doch sitzen hier lange Fussbänder, teilweise in Verdoppelung, anstatt zu erwartender kurzer, breiter Bänder, und demnach ebenfalls Bohlen. Lange Fussbänder "vertragen" sich aber wegen dem dickeren Balkenquerschnitt nicht mit Bohlenausfachungen. Aus diesem Grund sind in der Durchzeichnung nur beim rechten Wandfeld Bohlen eingezeichnet.

    Wie die westliche Grundrisshälfte unterteilt war, geht aus den Fassaden nicht hervor. Hier befanden sich der Hauseingang, und wohl auch die Treppen und Küche. Weiter gehe ich hier von einem normalen Sprungmass der Balkendecken aus, d.h. jeder zweite Deckenbalken der Stuben lief durch das ganze Haus hindurch. Theoretisch kommen drei Positionen für eine Raumunterteilung in Betracht:
    - in der Verlängerung der Stubentrennwand, was statisch am besten wäre (Pos. 1)
    - in der Gebäudemitte (Pos. 2)
    - in der Ebene des Bundständers der Stube (Pos.3, am wenigsten wahrscheinlich, weil hier wahrscheinlich gar kein Deckenbalken lag)

    Gegen das Nachbarhaus Am Ölberg 3 (links) bestand offenbar eine Brandmauer. Fachwerkbauten brauchen aus Stabilitätsgründen aber in jedem Fall vier "eigene" Wände, auch wenn eine massive Brandmauer vorhanden ist. Dann ist die davor gestellte Fachwerkwand nicht ausgefacht, und nur mit den notwendigsten Balken (Schwellen, Pfosten, Rähm, evtl. Strebeglieder) gebildet, wie bei einer Stuhlwand in einem Dachgeschoss.

    Im rechten Grundriss sind nun die Bundebenen rot eingezeichnet, und zwar an allen vier Aussenseiten der Fassaden (also auch an der nicht vollständig ausgebildeten "Westwand" gegen die Brandmauer), sowie an den von der Stube abgewandten Seiten der beiden Binnenwände (für die Längswand wurde "Pos. 1" angenommen).


    2. Obergeschoss:

    oelberg1_2.og_bundebenen_50.jpg

    Im 2. Obergeschoss gibt es nur eine Verschiebung der Längswand in die Gebäudemitte. Hier gab es ja keine Hauptstube mehr, von der aus die Lagen der Bundebenen bestimmt worden wären. In Analogie zum 1. Obergeschoss wurden normalerweise von derselben Gebäudeecke aus die Lagen der Bundebenen bestimmt. Dass die Lage der Bundebene auf der nördlichen Seite der Längswand bestand, konnte auch an der Beschreibung der Giebelfassade im letzten Beitrag schon angenommen werden.


    Dachgeschoss:

    oelberg1_dg_bundebenen_50.jpg

    Im Dachgeschoss bestanden ausser der Giebelwand keine eigentlichen Wände mehr. Vielmehr muss man sich diese bis auf die allernotwendigsten Balken reduziert vorstellen, wie Schwellen (teilweise), Pfosten, Mittelpfetten (als Rähme), Kehlbalken (als Rähme) sowie aussteifende Bänder. Freilich können diese "Wände" dennoch mit sekundärem Fachwerk oder mit Bretterwänden verschlossen worden sein, sodass auch im Dachraum abgeschlossene Räume entstanden. Da an der Giebelfassade über alle drei Dachgeschosse ein Firststud verlief, wäre dahinter eine "Firstwand" vorstellbar, aber aufgrund der nicht nachgewiesenen Schwelle, Kehlbalkenunterzug und Firstpfette unwahrscheinlich. Vielmehr sehe ich im Vorhandensein eines Firststuds ein Überbleibsel einer älteren Bauweise vor dem 15. Jahrhundert.

  • Einer der neusten Zugänge in meine Ansichtssammlung zeigt eine Luftaufnahme der Burg von Südosten. Links davor ist wiederum die Häusergruppe Am Ölberg erkennbar, und das alles in schärferer Auflösung als die vier Beiträge vorher verwendete Luftaufnahme aus dem Marburger Bildindex:

    ak-burg-flugaufn1.jpg
    Die Burg von Südosten. Ansichtskarte vor 1944, Verlag Ludwig Riffelbacher, Fürth.


    Der stark vergrösserte und entzerrte Bildausschnitt zeigt das Fachwerk der Südfassade ein bisschen besser:

    ak-burg-flugaufn1_auss.jpg
    Grundlage: Ausschnitt aus der Ansichtskarte oben.


    Die bisher verwendete Ansicht:

    oelberg1_fass-abw_50.jpg


    Die beiden einzigen Präzisierungen entfallen auf das rechte Wandfeld des 1. Obergeschosses: rechts oben fehlt der Kopfbug, und links unten ist nicht nur ein langes Fussband, sondern auch ein kleines Fussband (in den Ansichten der letzten Beiträge ist dies nun korrigiert, sodass kein Vergleich mehr möglich ist). Mit diesen doppelten Fussbändern kann ich mir hier Bohlenausfachungen nur schwer vorstellen, und trotzdem gehörten solche hierher. Könnte es sein, dass man hier auf Bohlen verzichtete, weil es eine Südwand war? Die Frage bleibt offen...