Nürnberg - Fachwerkbauten

  • Nun möchte ich einige Bauten an der Pfeifergasse vorstellen. Diese Gasse hat es mir besonders angetan, weil sie versteckt in einem ruhigen Randgebiet der Altstadt liegt, genau wie meine Lieblingsgasse in St. Gallen, der Schwertgasse. Von der Lage und dem langen Dornröschenschlaf sind beide vergleichbar, auch liessen sich in solchen Randlagen vor allem einfachere Handwerker nieder, welche ihre Häuser immer wieder anpassten, anstatt Neubauten zu errichten. Deshalb findet man meistens an solchen Gassen eine Anhäufung von besonders alten Bauten.

    Mit dem Niedergang des Handwerks im Stadtzentrum verwahrlosten solche Gassenräume besonders, da für die Erdgeschosslokale nur noch schwer eine Nachnutzung gefunden werden konnte. Von der Besonnung her war die Lage der Gasse auch nicht prädestiniert, um begehrten Wohnraum darzustellen. So verkamen solche Häuserzeilen zu Billigstwohnraum, und es wurde während langer Zeit nichts mehr in die Häuser investiert.

    Den Weltkrieg überdauerte leider nur die westliche Hälfte der Gasse. Heute werden die Häuser vor allem (oder nur?) durch die Altstadtfreunde Nürnbergs vorbildlich saniert. Am Eingang zum historischen teil der Gasse steht die Scheune Zirkelschmiedsgasse 30, und anschliessend die Häuser Peifergasse 6, 8 und 10 aus dem 16. Jahrhundert. Gegenüber stehen die Häuser Nrn. 7 und 9 aus dem 15. Jahrhundert, und weiter vorne noch die Nr. 17 (gemäss Denkmalliste ein Massivbau aus dem 16. Jh.; meines Erachtens könnte es sich aber auch um einen Fachwerkbau handeln).

    Ich beginne mit den beiden Bauten auf der Südseite:


    Pfeifergasse 7


    Dieses Haus fällt besonders durch seine Farbgebung auf. Über einem gemauerten Erdgeschoss folgen zwei Fachwerkgeschosse, und im Dachgeschoss ein breites Zwerchhaus innerhalb eines Kniestocks.

    In der Bayerischen Denkmalliste sind vor allem nur Baudaten angegeben:
    - 1432 Kernbau
    - 1562 Umbau
    - 1872/73 Aufstockung 2. Obergeschoss

    Leider habe ich von dieser Gasse keine Gesamtansicht der Bauten, da ich auf bessere Besonnung hoffte, und somit nur Detailansichten.


    pfeife7fassade-entz15.jpg
    Pfeifergasse 7, 1. und 2. Obergeschoss nach der Entzerrung. Vergrösserung.


    Die Entzerrung war hier aufwändiger, da die Fassade im 1. Obergeschoss schief steht (stärkere Entzerrung als eine senkrechte Fassade), und das 2. Obergeschoss auskragt (Verkleinerung, da näher beim Aufnahmestandpunkt). Beide Stockwerke mussten separat entzerrt, und anschliessend wieder zusammengefügt werden.

    Im 1. Obergeschoss erkennt man - allerdings rekonstruierte - Fuss- und Kopfbänder. Das Binnenfachwerk, also Fensterpfosten und Riegel, rechnet nicht mehr mit diesen Bändern, und stammt demnach nicht mehr vom Kernbestand. Dies ist heute nicht mehr leicht nachvollziehbar. Als Rekonstruktion verraten sich die Bänder anhand der neuen Holzoberfläche. Beim linken Eckständer sind die Bänder weggelassen worden, und im Brustriegel sowie im Brüstungspfosten gibt es keine Einschnitte des einst hier vorhandenen Fussbandes. Also entstammen der Brustriegel und der Brüstungspfosten einer Umbaumassnahme, anlässlich der die Bänder entfernt worden waren. Ob das Fachwerk bereits damals verputzt wurde, und ob dies bereits 1562 erfolgte, weiss ich nicht. Jedenfalls unterscheiden sich das Fachwerkbild und die einzelnen Balken von jenen im 2. Obergeschoss.

    Das Fachwerk des 2. Ober- und Dachgeschosses ist einheitlich. Auffallend und typisch für das 19. Jahrhundert sind die Brüstungsstreben und der Kniestock. Hier handelt es sich um rein konstruktives Fachwerk, wie es 1872/73 üblich war.


    Interessant ist nun die Partie mit den alten, konservierten Putzresten. An ihnen kann man Weiteres über die Baugeschichte ablesen... Will sich da mal jemand anders versuchen?


    pfeifergasse7_3132x44_15.09.09.jpg

  • Auf dem obigen Bild erkennt man drei Lagen konservierter Putzreste, insbesondere auf dem rechten Feld. Die auffälligste Schicht ist jene mit der Quaderbemalung, die über die Holzbalken hinweg zieht. Also handelt es sich hier um eine Fassung, bei der das Fachwerk nicht mehr sichtbar war. Wie man rechts gut sieht, gehört sie zur mittleren der drei Schichten.

    Die darauf folgende dritte Schicht weist genau denselben rötlichen Farbanstrich auf wie die heutige Fassung des ganzen Hauses. Unter den Fenstersimsen sieht man Reste einer breiten, dunkler gestrichenen Fensterumrandung.

    Die älteste Schicht rechnet mit dem sichtbaren Fachwerk. Allerdings sind die Farbfassungen unterschiedlich: links eine Halbierung in Rot und Weiss, auf dem zweiten Feld eine Rotfassung mit weissem Begleitstrich, und bei den beiden rechten Feldern sind die Farbfassungen undefinierbar mit Weiss und Rot. Zu dieser ersten Schicht gehören auch die Ausmauerungen der Blattsassen im Eckpfosten, von denen nur eine kleine rote Partie erhalten ist. Sie gehört sicher nicht zur zweiten Schicht mit der Quaderbemalung, da der Fugenstrich fehlt.

    Konsequenterweise sind hier bei der letzten Renovation auch die Holzbalken nicht mehr gestrichen worden, sodass die letzte historische Fassung sichtbar ist. Somit kann gesagt werden, dass das veränderte Fachwerk noch als Sichtfachwerk konzipiert worden war (generell muss man in Betracht ziehen, dass bei einem Fassadenumbau zweitverwendetes Holz mit Farbresten zum Einbau gelangt sein könnte, welches von einem andern Fachwerkhaus stammte. Hier aber sind die Balken einheitlich rot, sodass diese Möglichkeit unwahrscheinlich ist). Streng genommen hätten also die Fuss- und Kopfbänder bei der letzten Restaurierung nicht rekonstruiert werden dürfen, da diese nie mit dem heutigen Fachwerk zusammen existierten, sondern genau wegen diesem entfernt worden waren!


    Erfolgte dieser Fassadenumbau also um 1562?
    Die Antwort kann man nicht an der Fassade "ablesen", aber in einer Baudokumentation mit den Resultaten der dendrochronologischen Datierung sollte die Antwort zu finden sein.


    Stammt die letzte, rot gestrichene Verputzschicht von der Aufstockung des 2. Obergeschosses von 1872/73?
    Auch diese Antwort ist bei einer oberflächlichen Betrachtung nicht zu finden. Nun fällt aber auf, dass vor allem die Schwelle mit einem Beil aufgerauht worden ist (zur besseren Verputzhaftung beim Zudecken des Fachwerks). Bei den darüber liegenden Balken ist dies nicht der Fall, dafür aber am 2. Obergeschoss wieder. Dieses Geschoss kragt leicht aus, ohne aber auf einer auskragenden Balkenlage zu sitzen. Dafür prangen viele Eisenklammern in der Schwelle, welche offenbar die Lastabtragung übernehmen.

    Auf den Photos ist nicht gut sichtbar, dass sich die Fassadenpartie des 1. Obergeschosses stark rückwärts neigt. Ich vermute, dass bei der Aufstockung 1872/73 am 1. Obergeschoss zuerst eine Schiftung angebracht worden war, welche die Rückwärtsneigung ausglich und teilweise auch die Last der Auskragung abnehmen konnte. Über diese Schiftung wurden dann flächig Gipslättchen zur Aufnahme des Deckputzes genagelt, sodass darunter ein keilförmiger Hohlraum entstand. Dadurch könnten auch die alten Putzreste überdauert haben (die dritte Putzschicht wäre dann die letzte Fassung unmittelbar vor der Aufstockung; schlüssig kann das aber anhand der Fotos nicht beurteilt werden). Am Schluss entstand somit 1872/73 eine ebene Fassade. Es wäre interessant, dies anhand einer Fotografie vom verputzten Zustand des Hauses nachprüfen zu können.

    Diese Version tönt vielleicht abenteuerlich und gesucht; wenn man aber selber einmal einen solchen Befund angetroffen hat, zieht man solche Möglichkeiten in Betracht. Anhand der Fassadenrestaurierung von Schwertgasse 21 in St. Gallen 1990/91 sei dies demonstriert:

    schwer12.5.90d.jpg
    Schwertgasse 17-21 in St. Gallen (CH).


    Der zweigeschossige Kernbau von 1468 neigte sich stark rückwärts. Die Aufstockung des 2. Obergeschosses von 1628/31 erfolgte über einer teilweise starken Auskragung. 1710 stockte man das Haus abermals auf. Im 19. Jahrhundert wurde das Fachwerk zugedeckt, und um eine ebene Fassade zu erhalten, wurden besonders am 1. Obergeschoss Schiftungen und Gipslättchen angebracht, und anschliessend mit dem deckenden Verputz versehen. Nach Sondierungen 1990 kamen vor allem links solche Hohlräume zum Vorschein.

    Zurück zu Pfeifergasse 7:

    Die heutige Fassung der Verputzfelder in einem altrosa Ton ist nirgends auf den ältesten Putzresten zu finden, dafür aber auf den beiden das Fachwerk verdeckenden Putzschichten. Um eine optische Integration des "Schaufensters" mit den historischen Putzresten zu erreichen, finde ich die Farbwahl sehr gelungen!


    edit. 12.12.2009:
    Die Restaurierung des Hauses wurde 2002 oder 2003 abgeschlossen und danach mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.

  • Pfeifergasse 9


    Dieses Haus wird zur Zeit von den Altstadtfreunden umgebaut. Seitlich am Baugerüst sieht man, dass es bis zum 1. Obergeschoss gemauert ist. Vom 2. Obergeschoss ist mindestens die Fassade, mit Ausnahme der Schwelle, in neuem Fachwerk erstellt worden. In der Fensterbrüstung besteht nur eine einzelne Strebe, was im städtischen Kontext eher auf konstruktives Fachwerk hinweist (im ländlichen Raum wurde diese Fachwerkform noch als Sichtfachwerk bis ins 19. Jahrhundert angewendet). Offenbar wird hier also ein Konstruktionsfachwerk aus dem 18./19. Jahrhundert rekonstruiert. Ob es sichtbar belassen wird, weiss ich nicht.

    Bayerische Denkmalliste:
    - 1401 Kernbau
    - 1619 Dach
    - 18. Jh. Veränderung


    pfeifergasse9_3135_15.09.09.jpg
    Pfeifergasse 9 im September 2009.

  • Pfeifergasse 17


    Der Vollständigkeit halber möchte ich noch dieses historische Haus erwähnen. In der Bayerischen Denkmalliste (mit Bild) wird es als zweigeschossiger massiver Steildachbau beschrieben, dessen Kern in die 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückreichen soll.

    Ich persönlich schliesse aber nicht aus, dass es sich auch um ein Fachwerkhaus handeln könnte. Für einen Massivbau erscheinen mir die "Pfeiler" zwischen den Fenstern zu schlank. Dass die Fenster sehr weit aussen sitzen, ist ebenfalls ein Indiz für dünne Aussenwände.

  • Zirkelschmiedsgasse 30 (Eckhaus zur Pfeifergasse)


    Der einstige Speicher zählt nicht zur Pfeifergasse, wendet dieser aber die Giebelwand mit dem restaurierten Fachwerk zu. Mit seinem dreigeschossigen Dach über nur einem Erdgeschoss bildet er den Auftakt zu einer restaurierten Häuserzeile. In der Bayerische Denkmalliste sind nur das Baudatum 1422 und die Umbaudaten 1557 und 1629 vermerkt. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Giebelwand ursprünglich mit einem Halbwalm abschloss, aber nach langem Suchen finde ich diesen Hinweis nicht mehr. Auch auf der Webseite der Altstadtfreunde findet man nichts über die Baugeschichte des Gebäudes, obwohl die Restaurierung unter ihrer Hand erfolgte, und sie dort kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen organisieren ("Kunst in der Scheune").

    Also bleibt nichts anderes übrig, als selber mal nachzuschauen:


    zirkel30fassade-entz30.jpg Zirkelschmiedsgasse 30. Entzerrte Fotomontage der Südgiebelwand gegen die Pfeifergasse. Vergrösserung.


    Es gibt ein Nebeneinander von Fuss- und Kopfbändern, geschossübergreifenden Steigbändern, K-Streben und Fussstreben. Dass die eingezapften Fuss- und K-Streben jünger sind als die angeblatteten Bänder, darf ich nun als bekannt voraussetzen. Die geschossübergreifenden Bänder habe ich bereits in einem früheren Beitrag gestreift und an der Unteren Krämersgasse dazu ein weiteres Beispiel gefunden:

    - Weinstadel 1446/48
    - Prechtelsgasse 10 (zerstört)
    - Tetzelgasse Nr. ? (zerstört)
    - Untere Krämersgasse 18 (Aufstockung 1477)

    Offenbar wurden also geschossübergreifende Steigbänder mindestens im Verlauf des 15. Jahrhunderts verwendet. Bei Zirkelschmiedsgasse 30 gehören demnach das ganze 1. Dachgeschoss und Teile des 2. Dachgeschosses zum Kernbestand von 1422. Wenn man nun die Partien mit den K-Streben farbig markiert, wird sofort deutlich, wo Umbauten stattgefunden haben:


    zirkel30fassade-bauphasen30.jpg
    Zirkelschmiedsgasse 30 mit farbiger Markierung des Fassadenumbaus in der Giebelwand.


    Auffallend sind beim 2. Dachgeschoss die aufgedoppelten Schwelle und Rähm, welche nur bis zu den beiden Fuss- respektive beiden Steigbändern reichen. Als Teil des Kernbaus machten diese konstruktiv so keinen Sinn. Wahrscheinlich wollte man damit beim Umbau des Wandfelds eine saubere Unterlage schaffen, weil möglicherweise die originalen Kehlbalken schadhaft waren.

    Beim 2. und 3. Dachgeschoss stehen die K-Streben im baulichen Zusammenhang mit den Aufzugsöffnungen. Ich nehme an, dass der Einbau der Aufzugsöffnungen und der zusätzliche Raumgewinn im 3. Dachgeschoss (Aufstockung des ursprünglichen Halbwalms) den Anlass zu diesem Fassadenumbau bildeten. Ob dies 1557 oder 1629 geschah, weiss ich nicht. Über und unter der unteren Aufzugsöffnung erkennt man die Blattsassen der Bänder, die einen Bundpfosten vor dem Einbau der Aufzugsöffnungen verstrebten. Ebenso prangt ein Einschnitt im Kehlbalken darüber, der einen Mittelunterzug über dem einstigen Bundpfosten dokumentiert.


    edit. 12.12.2009
    Die Restaurierung des Speichers wurde 2001 oder 2002 beendet. Den Hinweis, dass der einstige Halbwalm durch einen vollständigen Giebel ersetzt worden war, habe ich im Buch "Nürnberg - Die historische Altstadt" von Pablo de la Riestra, 2005, wieder gefunden (Seite 152). Dort wird allerdings das Datum 1559 angegeben und die Baumassnahme nicht näher beschrieben.

  • Pfeifergasse 6


    (Bild: s. nächsten Beitrag, rechts angeschnitten)

    Bei der letzten Restaurierung wurde das Fachwerk verputzt belassen. Dass es sich effektiv um eine Fachwerkkonstruktion handelt, erkennt man an den Fenstergewänden aus Holz.

    Bayerische Denkmalliste:
    - 1551 Kernbau
    - 1885 Dacherker im Zuge eines Umbaus

    Von wann die heutige Fassadengestaltung stammt, geht daraus nicht hervor. Die Konsölchen unter den Fenstersimsen sehen sehr historistisch aus, und man wird nicht fehl gehen, die Fassadengestaltung in die gleiche Zeit wie die beiden Dacherker zu datieren. Ich hoffe nur, dass das Fachwerk bei der letzten Restaurierung aufgezeichnet und fotografiert worden ist.

  • Pfeifergasse 8


    pfeifergasse8_3136x40_15.09.09.jpg


    Die Bayerische Denkmalliste gibt für dieses Haus nur die Bauzeit im 16. Jahrhundert an. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das Fachwerk grosse Teile an Konstruktionsfachwerk aufweist; dies aufgrund der fast regelmässigen Fensteranordnung und den beiden identischen Obergeschossen. Veränderungen sind aber keine sichtbar, ausser, dass die Fenster infolge leichter Setzung der Fassade in der Höhe korrigiert wurden (im 1. Obergeschoss mittels Abschrotung des Brustriegels, im 2. Obergeschoss treppenartig ansteigend).

    Auffälligstes Merkmal sind aber die ¾-wandhohen, konkav gebogenen Streben an den Eckpfosten mit Kopfwinkelholz darüber. Diese Verstrebungsart ist eher dem fränkischen als dem alemannischen Fachwerk eigen, und steht in Nürnberg allein da. Die leicht unregelmässige Aneinanderreihung von Fussstreben hingegen ist häufiger in Nürnberg anzutreffen. Bereits im Beitrag über das Haus Mühlgasse 2 ist mir dies schon aufgefallen:

    Diese lückenlose Aneinanderreihung von kurzen Fussstreben ist mir hier erstmals aufgefallen, und erinnert an Niedersächsisches Fachwerk. Gleichartiges Fachwerk kommt auch an folgenden Bauten vor:

    - Albrecht-Dürer-Str. 24, nach 1570
    - Mostgasse 2, 1566?
    - Obere Krämersgasse 16, 2. Obergeschoss, 1564?/17. Jh.? (Haus der Altstadtfreunde)
    - Schlotfegergasse 7/9, 1564?


    Es ist aber eigenartig, dass die Fussstreben bei Pfeifergasse 8 manchmal allein in einem Brüstungsfeld sitzen, manchmal zu zweit, und manchmal in einem Wandfeld. Dies macht es wohl aus, dass man zuerst den Eindruck erhält, man stünde vor einem Sichtfachwerk mit veränderter Fensterteilung, was aber offensichtlich nicht der Fall ist. Bei der Betrachtung der rechten drei Fenster zusammen mit den Fussstreben entsteht wieder ein symmetrisches Bild. Die Fassade ist in sich harmonisch, und doch eigenwillig zugleich.

    Eine Rhythmisierung der Fassade mittels Bundständern, welche die Zimmertrennwände nach aussen abbilden, ist hier nicht mehr erkennbar. Nur am Wechsel von der enggelegten zur weiten Balkenlage ist die Zäsur in zwei Räume pro Geschoss zu vermuten. Insofern darf man hier von einer "modernen" Fassade des 16. Jahrhunderts sprechen, da dem Fassaden- resp. Balkenbild bereits mehr Beachtung geschenkt worden ist, als dem rein konstruktiven Entwerfen und sich daraus ableitendem "Fassadenschmuck". Bei älteren Bauten konnte ich so ein Gleichstellen der Bund- und Fensterpfosten noch nie so konsequent feststellen.

    Die Annahme einer Bauzeit im 16. Jahrhundert übernehme ich deshalb vorerst mit Vorbehalten, halte aber auch das 17. Jahrhundert für möglich.


    edit. 16.12.2009:
    Ein Vergleich mit der Rückfassade (siehe viertnachfolgenden Beitrag) lässt nun doch Zweifel aufkommen, dass die Vorderfassade in einem Guss entstanden ist.

  • Ich habe versucht, das oben Geschriebene in einer Fassadenansicht grafisch darzustellen:

    - orange: Wandfelder mit Eckverstrebung (eher fränkisch als alemannisch)
    - blau: Wand-/Fensterfelder mit Fussstreben beidseits an Pfosten
    - grün: Fensterfelder mit Fussstreben einseitig an Fensterpfosten

    Gleichartige Wandfelder wie die Blauen findet man bei allen vier oben verlinkten Beispielen, solche wie das Grüne hingegen findet sich nur noch bei Mostgasse 2. Zudem fällt auf, dass der Wechsel von der engen zur weiten Balkenlage über beiden Obergeschossen nicht mit dem "Wandfeldwechsel" übereinstimmt. Somit ist unklar, wo sich im Innern nun eine Trennwand findet.

    pfeife3136entz40.jpg
    Pfeifergasse 8; entzerrte Fassadenansicht mit farbiger Markierung der unterschiedlichen Wandfelder.


    edit. 16.12.2009:
    Zur Rückfassade siehe drittnachfolgenden Beitrag

  • Pfeifergasse 10


    Der letzte der hier vorgestellten Fachwerkbauten an der Pfeifergasse ist ein Idealbeispiel eines Fachwerks mit K-Streben. Ursprünglich als Getreidespeicher konstruiert, hat die Fassade einheitliche Fachwerkfelder, welche ohne Rücksicht auf unterschiedliche Nutzungen wie Stuben, Schlaf- und Nebenräume konstruiert werden konnten.

    Bayerische Denkmalliste: ehemaliger Getreidespeicher um 1550


    pfeifergasse10_3137x40_15.09.09.jpg


    pfeifergasse10_3138x40_15.09.09.jpg


    Trotz kleinerer Unregelmässigkeiten im Fachwerkbild ist die Fensteranordnung regelmässig. Somit gehe ich davon aus, dass diese nicht mehr die Ursprüngliche ist.


    Beschreibung des Fachwerks:

    - Primärstruktur in beiden Obergeschossen identisch, was von der Lagernutzung herrührt
    - jedes Geschoss durch drei Bundpfosten in vier leicht unterschiedlich breite Wandfelder eingeteilt
    - Eckpfosten durch klassische K-Streben gehalten, mit fehlendem Riegelstück zwischen Eckpfosten und Fussstrebe
    - bei mittlerem Bundpfosten beidseits Fussstreben, aber keine Kopfstreben (solche könnten einst vorhanden gewesen, und der allfälligen Fensterumdisponierung zum Opfer gefallen sein. Nachweisen liesse sich dies anhand von Holznagelspuren in den Fussstreben und Rähm; auf meinen Originalphotos leider nicht feststellbar)
    - linker und rechter Bundpfosten durch kurze Fussstreben verstrebt (kurze Fussstreben ermöglichen die Anordnung von Fenstern unmittelbar an den Bundpfosten anstossend. Dies könnte ein Überbleibsel der gotischen Fachwerkbauten bis ins 15. Jahrhundert mit Fenstererkern sein.)
    - Pfostenstellung unabhängig von der Balkenlage
    - Brüstungsfelder ohne Unterteilung

    pfeife3137entz-streben.jpg
    Entzerrte Fassadenansicht von Pfeifergasse 10.


    Trotz der unterschiedlich breiten Wandfelder und unterschiedlich langen Fussstreben sind alle Streben in einem regelmässigen Wechsel - mal links, mal rechts ansteigend - angeordnet. Deshalb kann man sie mit einer Zick-Zacklinie nachzeichnen. Freilich ist dies auch bei der älteren Fachwerkbauweise mit angeblatteten Fuss- und Kopfbändern der Fall, aber dort ist mir diese graphische Eigenheit noch nicht aufgefallen. Diese Feststellung kann zur möglichen Eruierung fehlender Streben dienen. Während nach der Entfernung von Fuss- oder Kopfbändern jeweils die Blattsassen übrig blieben, hinterliessen entfernte Fuss- oder Kopfstreben ausser kleinen Holznagellöchern keine offensichtlichen Spuren. Bei mit dem Beil aufgerauhten Balkenoberflächen sind diese zudem nur schwer zu erkennen, wie hier bei Pfeifergasse 10.

    Eine Beschreibung der Rückfassade wäre zur Nachprüfung interessant. Auf der Vogelschauansicht (Süd einstellen) ist diese nur schwach sichtbar. Bemerkenswert ist links davon auch die nach historischen Befunden komplett rot gestrichene Fachwerkrückfassade von Pfeifergasse 8.

    Das Grundprinzip des Fachwerks mit K-Streben ist mit diesem Beispiel bereits beschrieben, soll bei weiteren Bauten nachgeprüft und nach allfälligen weiteren "Regeln" untersucht werden. Hierzu werde ich als nächstes Beispiel das bereits vorgestellte Haus Dötschmannsplatz 13 nochmals betrachten. Eine vorgängige Lektüre empfiehlt sich daher.

    Schliesslich folgt ein Rekonstruktionsversuch der Südfassade mit angenommener ursprünglicher Fenstereinteilung:

    pfeife3137entz-rek50.jpg pfeife3137entz50.jpg
    Pfeifergasse 10; links Rekonstruktionsversuch, rechts Bestand.

    Auch wenn die Annahme der Fenstereinteilung nicht auf Befunden oder Beobachtungen basiert, so vermittelt der Rekonstruktionsversuch ein Idealbild eines Fachwerks mit K-Streben. Zudem könnte damit auch die unterschiedliche Grösse der Fussstreben erklärt werden. Das Weglassen der Kopfstreben beim mittleren Bundständer erfolgte in Analogie zur Rückseite.

  • Eine Beschreibung der Rückfassade wäre zur Nachprüfung interessant. Auf der Vogelschauansicht (Süd einstellen) ist diese nur schwach sichtbar. Bemerkenswert ist links davon auch die nach historischen Befunden komplett rot gestrichene Fachwerkrückfassade von Pfeifergasse 8.


    Im Buch "Nürnberg - Die historische Altstadt" von Pablo de la Riestra, 2005, Seite 147, gibt es eine Ansicht der Rückfassade von Pfeifergasse 10. Wegen des Urheberrechts und mangels einer eigenen Fotografie gebe ich eine Skizze dieser Fassade wieder:


    pfeifergasse10rueckfassade.jpg
    Rückfassade Pfeifergasse 10.


    Das Grundgerüst entspricht weitgehend der Vorderfassade. Auch hier werden die Eckpfosten durch eingezapfte K-Streben gehalten, und die mittleren Bundpfosten nur mit hohen Fussstreben. Beim linken Bundpfosten sitzen, wie an der Vorderseite, beidseits kleine Fussstreben, hingegen am rechten Bundpfosten ebenfalls hohe Fussstreben.

    Die Fensterenteilung ist regelmässig und harmoniert nicht mit den Bundpfosten. Demnach postuliere ich auch hier eine nachträgliche Veränderung der Fensterdisposition. Wären ursprünglich auch am mittleren Bundpfosten Kopfstreben vorhanden gewesen, so hätten hier mindestens die rechten Kopfstreben überdauern können. Zwischen den Bund- und Fensterpfosten wäre genug Platz geblieben, sodass ein Entfernen der Streben sinnlos gewesen wäre. So vermute ich, dass schon bei der Errichtung des Speichers nur an den Eckpfosten K-Streben angeordnet worden waren.

    Ein kleiner Unterschied ist auch den Deckenbalkenlagen festzustellen. Die Deckenbalken weisen ein regelmässiges Sprungmass (= Abstand zwischen zwei Deckenbalken) auf, welches nur an der linken, östlichen Fassadenkante kleiner ist. An der Vorderfassade ist es genau umgekehrt, wo an der westlichen Fassadenkante ein kleineres Sprungmass besteht. Einen ersichtlichen Grund für diese Unregelmässigkeit könnte sein, dass die Seitenwände dahinter massiv gemauert sind, aber dann würde man diese auf derselben oder bei beiden Seiten erwarten.

    Bei beiden Fassaden stehen die Bundpfosten jeweils nicht über einem Deckenbalken. Dies lässt nun möglicherweise einen Rückschluss auf die Dachstuhlkonstruktion zu. Bei Weissgerbergasse 10 ist es gerade anders. Dort stehen die Bundpfosten exakt über den Deckenbalken, und auch die Dachbinder des stehenden Stuhles darüber befinden sich in denselben Axen. Bei Bergstrasse 10 vermutete ich dies auch, allerdings ohne Kenntnis des Dachstuhles (siehe diesen und diesen Beitrag).

    Da die Dachbinder zwingend auf einem Deckenbalken stehen müssen, können diese bei Pfeifergasse 10 nicht in den Axen der Bundpfosten angeordnet sein! Ein stehender Dachstuhl wäre theoretisch dennoch möglich, aber ein Beispiel dazu kommt mir nicht in den Sinn. Hingegen ist hier ein liegender Dachstuhl vorstellbar, da sich ein solcher ausschliesslich auf die Fassaden abstützt, und nicht auf die inneren Querwände des obersten Vollgeschosses. Dies ist eine rein hypothetische Annahme, welche ich mal im Auge behalte. Ein liegender Dachstuhl ist insbesondere bei einem Lagerhaus wie bei diesem Objekt von Vorteil, da der Dachraum dadurch stützenfrei ist.

  • Pfeifergasse 8, Rückfassade


    Auch diese Rückfassade ist im Buch "Nürnberg - Die historische Altstadt" von Pablo de la Riestra, 2005, Seite 147, teilweise abgebildet. Vor der Beschreibung des Fachwerks und dem Vergleich mit der Vorderfassade lohnt sich ein Blick auf die Farbgebung. Pablo de la Riestra schreibt "... 1985 nach Befund rekonstruierte Farbgebung mit hellroten Balken, zwei rosafarbenen Begleitstrichen und dunkelroten Putzfeldern ...". Wiederum aus Gründen des Urheberrechts und mangels einer eigenen Fotografie gebe ich eine Skizze dieser Fassade wieder:


    pfeifergasse8rueckfassade.jpg
    Rückfassade Pfeifergasse 8.
    (nicht ausgemalte Balken angenommen, da auf der Abbildung nicht sichtbar)


    pfeife3136entz23.jpg
    Vorderfassade Pfeifergasse 8.


    Der Vergleich der beiden Ansichten lässt nun doch wieder Zweifel aufkommen, ob die Vorderfassade wirklich von Anfang an in der aktuellen Form entstanden ist. Die Verstrebung mit ¾-wandhohen Fussstreben und Kopfwinkelhölzern findet sich auch an der Rückseite, aber es gibt keine geschosshohe Fensterpfosten, und auch keine kurze Fussstreben. Dafür ist die Brustsriegelkette durchgehend, wobei auf der Abbildung der Kreuzungspunkt mit den senkrechten Balken (zwischen den Eck- und mittlerem Bundpfosten) unklar ist. Die Fensteranordnung scheint verändert zu sein, wobei das Zwillingsfenster im 2. Obergeschoss links original sein dürfte. Jedenfalls ist das Fachwerkbild im Einklang mit der Verstrebungsart.

    Die Behauptung im ersten Beitrag zur Vorderseite von Pfeifergasse 8, dass diese Verstrebungsart eher dem fränkischen als dem alemannischen Fachwerk eigen sei, und in Nürnberg allein da stehe, lasse ich weiterhin gelten. Weitere Mutmassungen zu diesen beiden Fassaden führten aber zu weit ins Unsichere, bevor das Fachwerk genauer betrachtet und nach baugeschichtlichen Details untersucht wird.

    Einzig eine Aussage zur rückseitigen Dachfläche kann noch gesagt werden. Das Dach macht die starke Setzung der Fassade nicht mit. Möglicherweise wurde es durch Anhebung der Sparren stark korrigiert, oder sogar gänzlich erneuert, denn das ursprüngliche Dach hätte die Setzung mitmachen müssen. Der Dacherker zeigt eine klassizistische Form, was ebenfalls auf Veränderungen am Dach hinweist.

  • Auf der Burg


    Die Fachwerkbauten auf der Burg habe ich bisher noch nicht angeschaut, aber eine Ansichtskarte von 1912 weckte mein spezielles Interesse:

    ak-burg-haeuser1912.jpg
    Ansichtskarte "T.S.N.", 1912 gelaufen.


    Auf den ersten Blick handelt es sich um eine rechte Bruchbude, welche man auf einer Burg nicht erwarten würde. Wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass es sich um zwei Gebäude handelt, je mit einer abgewalmten Dachgaube im Stil des 18./19. Jahrhunderts. Mein Interesse gilt aber der linken Seitenwand mit ihren übergrossen, angeblatteten Kopfbändern. Auch stehen die Pfosten nicht auf einer Schwelle, sondern direkt auf einem Steinfundament (es könnte sich hierbei allerdings auch um eine nachträgliche Steinunterfangung handeln, durch welche die verfaulte Schwelle ersetzt worden wäre). Kopfbänder in dieser Grösse sind mir in Nürnberg noch nirgends begegnet, und die enorme Grösse für einen so niedrigen Bau deutet auf ein sehr hohes Alter hin!

    Heute sucht man nach diesen Häusern vergeblich, und die Lokalisierung der Bauten auf dem Burgberg war schwierig. Im Hintergrund sieht man einen Quergiebel, der zum Komplex des Burgamtsmannhauses gehört; somit muss die Aufnahme von Südosten aufgenommen worden sein. In Frage kam demnach nur ein Standort ungefähr bei der Walpurgiskapelle, und tatsächlich fand sich im Marburger Bildindex unter den über 600 Aufnahmen zur Burg eine Ansicht, welche diese beiden Bauten ebenfalls festhält:

    mi02550a12b.jpg

    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    Sie standen also in der Verlängerung der Walpurgiskapelle. Heute befindet sich hier im Winkel zwischen der Kapelle und der Wehrmauer zur Burgamtsmannwohnung hin eine Wiese mit Gebüsch. Die Bauten waren demnach an die Wehrmauer angebaut und mit einem Pultdach versehen. Abgebrochen wurden sie gemäss Bilddokumenten spätestens um 1930. Gemäss den Idealen des 19. und frühen 20 Jahrhunderts war es "Pflicht", kunsthistorisch bedeutsame Bauwerke (Walpurgiskapelle) freizulegen und von störenden Zutaten zu befreien. Offenbar hatte man dabei nicht bemerkt, dass hiermit älteste Zeugen der Holzbaukunst Nürnbergs zerstört wurden. Die ältesten Fachwerkbauten in Nürnberg stammen vorwiegend aus dem 15. Jahrhundert, und ich neige dazu, die beiden Bauten auf dem Burgberg diesen voranzustellen.

    Beide Ansichten beruhen auf Fotografien von G. M. Eckert. Im Werk ("Nürnberger Studien in Photographien von G. M. Eckert", K. Theod. Voelcker's Verlag, Frankfurt a. M.) gibt es unter den 64 Fotografien aus dem 19. Jahrhuindert gleich vier, welche die Häusergruppe auf der Burg zeigen! Sie sind es jedenfalls wert, genauer unter die Lupe genommen zu werden!

  • Untere Krämersgasse 18


    Bei der Einmündung der Unteren Krämersgasse in die Obere Krämersgasse hat sich ein wunderbares, historisches Gebäudeensemble erhalten:

    untere_oberekraemersgasse_3270_40_16.09.09.jpg
    Blick von der Unteren Krämersgasse nordwärts in die Obere Krämersgasse; von links nach rechts: Ob. Krämersgasse 14, 12, 10, Unt. Krämersgasse 18 und 16.


    oberekraemersgasse_3208_40_15.09.09.jpg
    Blick in die Obere Krämersgasse ostwärts auf das Eckhaus Nr. 18.


    Beschreibung in der Bayerischen Denkmalliste:

    - nach 1454 Errichtung als dreigeschossiges Eckhaus
    - nach 1477 Aufstockung des 3. Obergeschosses
    - 2. H. 16. Jh. Aufzugserker
    - 1974/75 Freilegung des Fachwerks

    Situation: https://www.google.ch/maps/place/Untere+Krämersgasse+18,+90403+Nürnberg,+Deutschland/@49.456712,11.0768197,48m/data=!3m1!1e3!4m5!3m4!1s0x479f57b01f84e1b5:0x645a38c9c6d953e2!8m2!3d49.4566949!4d11.0768177


    Beschreibung des Baukörpers:

    Über einem massiven Sandsteinerdgeschoss folgen drei Fachwerkobergeschosse und drei Dachgeschosse. Alle Geschosse weisen Fuss- und Kopfbänder auf, und die infolge des Halbwalms trapezförmige Giebelwand durch zwei Geschosse verlaufende Steigbänder (Schwerter). Am 2. Und 3. Obergeschoss sitzen zudem Fenstererker. Das 2. Obergeschoss kragt gegen die Seite teilweise aus.

    Im Vergleich mit der Ersten Auslegeordnung über die Verstrebungsformen gehört das Fachwerk zur Gruppe "Verstrebung mit angeblatteten hohen Fussbändern und kurzen Kopfbändern". Von daher sollte also eine Betrachtung dieses Hauses nichts grundlegend Neues bringen. Auch sieht das Haus noch sehr urtümlich aus, und erst bei genauerem Hinschauen erkennt man viele Veränderungen späterer Jahrhunderte. Gerade deshalb ist seine Betrachtung interessant, weil an kleinen Details vieles über die Baugeschichte abgelesen werden kann.

    Ein Blick auf das 1. Obergeschoss der Hauptfassade offenbart schon vieles:

    unterekraemersgasse18_3218_40_15.09.09.jpg
    1. Obergeschoss der Westfassade.


    In der Schwelle sitzen zahlreiche Blattsassen einstiger Fuss- und Kopfbänder, aber keine Bänder mehr selbst. Die Kopfbandsassen offenbaren, dass ursprünglich auch das Erdgeschoss aus Fachwerk errichtet worden war. Das heutige Sandsteinerdgeschoss wurde also nachträglich untermauert. Dabei entpuppt sich die scheinbar sehr kräftige Schwelle als Rähm des Erdgeschosses (zugleich auch äusserster Deckenbalken) und als dünnere Schwelle des 1. Obergeschosses.

    Auch das 1. Obergeschoss wurde demnach weitgehend erneuert, da die Fussbänder heute fehlen. Dem Fachwerk mit dünnen Balken und einzelnen Brüstungsstreben gemäss dürfte diese Erneuerung im 18./19. Jahrhundert stattgefunden haben. Die vier Blattsassen in der Schwelle zeugen von einstigen kurzen, breiten Fussbändern, wie wir sie schon oft an den ältesten Fachwerkbauten bei den Stuben im 1. Obergeschoss angetroffen haben (Grolandhaus, Waaggasse 11). Demnach scheint dahinter eine einstige Bohlenstube gelegen zu haben. Auch im Rähm darüber prangen vier Blattsassen der einstigen Kopfbänder.

    Von den Pfosten ist nur noch der rechte Eckpfosten original, welcher ebenfalls Spuren dieser Bänder bezeugt. Er hatte sich allerdings sehr stark nach links geneigt, wie wahrscheinlich das ganze originale Wandfeld. Dieses Verziehen dürfte die Erneuerung am 1. Obergeschoss veranlasst haben, und so lässt sich auch die "Auskragung" der Seitenwand im Geschoss darüber erklären (mehr darüber dann bei der Betrachtung der Seitenwand). Die drei Brüstungsstreben sollten also Gegendruck erzeugen, was sie auch nicht ganz zu bewerkstelligen vermochten, wenn man die leicht schiefen Fensterpfosten mit den Fensterrahmen vergleicht.


    Das 2. Obergeschoss besteht aus einer Ständerkonstruktion mit hohen Fuss- und kurzen Kopfbändern:

    unterekraemersgasse18_3220_40_15.09.09.jpg
    2. und 3. Obergeschoss der Westfassade.

    Die Fenstererker vermute ich als spätere Zutat, denn Fenstererker an Wandfeldern mit hohen Fussbändern sind eher unüblich. Diese Frage hatte ich bei Waaggasse 11 bereits einmal untersucht. Auch die Profilierung der Simsbalken im Vergleich mit jenem am 3. Obergeschoss links spricht dafür, da der letztere ja jünger als das 2. Obergeschoss sein muss und mit seiner Auskehlung älter anmutet.


    Das aufgestockte 3. Obergeschoss zeigt links wiederum kurze, breite Fussbänder und rechts doppelte Fussbänder. Auch der über beide Wandfelder verlaufende Fenstererker hat unterschiedlich profilierte Simsbalken; links wie gerade vorhin erwähnt eine einfache Auskehlung und rechts eine Profilierung wie am 2. Obergeschoss. Der linke Simsbalken wurde einst von zwei Konsölchen unterstützt, was man an den beiden Flicken auf den Fussbändern ersehen kann. Die breiten Fussbänder verraten zusammen mit dem sehr dünnen Brüstungspföstchen auch hier eine Bohlenstube. Ich vermute, dass dieses linke Wandfeld samt Fenstererker original aus der Zeit der Aufstockung "nach 1477" stammt. Analog dem 2. Obergeschoss vermute ich auch beim rechten Fenstererker eine nachträgliche Anbringung desselben.

    Interessant sind nun drei weitere Blattsassen einstiger Fussbänder im Randdeckenbalken zwischen dem 2. und 3. Obergeschoss. Diese dürften zur einstigen Giebelwand des Kernbaus gehört haben. Demnach war ursprünglich die Dachneigungsrichtung um 90° gedreht. Dies verrät auch die Balkenlage über dem 2. Obergeschoss, welche nicht in Richtung der Haustiefe, sondern in Querrichtung verläuft (siehe später im Bild der Seitenfassade). Am ehesten ist also für den Kernbau von 1454 ein zur Oberen Krämersgasse hin geneigtes Pultdach denkbar.


    Das bisher Geschriebene ist im folgenden Bildpaar verdeutlicht, wo die fehlenden Ständer und Bänder (teilweise verdeckt durch die Fenstererker) eingezeichnet sind:

    untkrae18west.jpg untkrae18west_ergaenzt.jpg
    Fotomontage der Westfassade von Untere Krämersgasse 18; rechts mit ergänzten Pfosten und Bändern (orange = Kernbau, grün = Aufstockung).

  • Die Nordfassade von Untere Krämersgasse 18


    untkrae18nordwest.jpg
    Fotomontage der Nord- und Westfassade von Untere Krämersgasse 18 ab dem 1. Obergeschoss.


    An der nördlichen Seitenfassade könnte man auch vielen Details nachgehen, doch ich möchte mich hier auf das Wesentlichste beschränken:


    Erdgeschoss:

    Vom ursprünglichen Fachwerkerdgeschoss hat nur noch der Rähm überdauert (s. nächstes Bild). Anhand der Blattsassen der Kopfbüge kann ein dreizoniger Grundriss ermittelt werden, dessen beide Querwände nicht unter den Deckenbalken lagen. Ein dreizoniger Grundriss besteht auch bei allen drei Obergeschossen, aber auch dort liegt keine Querwand über der anderen.


    untkrae18nord1og.jpg
    Fotomontage des 1. Obergeschosses der Nordfassade.


    1. Obergeschoss:

    Hier dominieren wie an der Westfassade dünne Balken, und zudem fast keine Streben und Bänder. Die Fensterformate und die Höhe der beiden Riegelketten entsprechen weitgehend dem Fachwerk der Westfassade aus dem 18./19. Jahrhundert. Auch ist erkennbar, dass die Auskragung des 2. Obergeschosses nur in der rechten Fassadenhälfte vorhanden ist. In der Fassadenmitte springt dann die Auskragung nach unten auf Brustriegelhöhe, und läuft dann nach links auf null aus. Die Fenster- und Bundpfosten weisen oben eine konsolartige Verdickung auf.

    Bei dieser Partie handelt es sich um dieselbe Reparaturmassnahme wie an der Westfassade, als sich die ursprünglichen Wände stark gegen Norden neigten, und sich so das Haus ab dem 2. Obergeschoss gefährlich gegen die Gasse verschob. Links (östlich) fand diese Verschiebung nicht statt. Anhand der Blattsassen in der Schwelle kann das ursprüngliche Aussehen dieses Geschosses rekonstruiert werden. Insbesondere rechts befanden sich vier sehr breite Fussbänder, welche die bereits an der Westfassade ermittelte Stube bezeugen. Der Bundpfosten der Rückwand dieser Stube lag zudem genau unter dem Wechsel der Deckenbalkenlage mit breitem und schmalem Balkenabstand.

    Das mittlere und linke Wandfeld waren ursprünglich mit hohen Fussbändern und kurzen Kopfbändern verstrebt.


    2. Obergeschoss:

    An diesem Geschoss dominieren hohe Fussbänder, welche von Pfosten zu Pfosten reichende Brustriegel überschneiden. Nur an der Gebäudeecke befindet sich ein kleines Kopfband. Darüber folgt die bereits bei der Westfassade erwähnte Querbalkenlage, die über dem Kernbau auf eine gegenüber heute um 90° gedrehte Dachneigung schliessen lässt.


    3. Obergeschoss (Aufstockung nach 1477):

    Rechts deuten wie an der Westfassade kurze Fussbänder, das dünne Brüstungspföstchen und der Fenstererker mit ausgekehltem Simsbalken auf das Bohlenstübchen hin. Das links anschliessende Wandfeld ohne jegliche Unterteilung dürfte ebenfalls mit Bohlen ausgefacht sein. Das mittlere und linke Wandfeld wird jeweils mit hohen Fuss- und kurzen Kopfbändern verstrebt.


    1. und 2. Dachgeschoss:

    Die Ähnlichkeit mit der Giebelwand von Zirkelschmiedsgasse 30 (im ursprünglichen Zustand, ohne die K-Strebenpartien) ist frappant, auch wenn diese von 1422 datiert. Charakteristisch bei beiden sind die über zwei Geschosse verlaufenden Steigbänder. Kurze Fuss- und Kopfbänder, sowie an der Mittelaxe hohe Fuss- und kurze Kopfbänder, sind ebenfalls beiden gemeinsam. Der Dachstuhl baut auf einem mehrfach stehenden Stuhl auf.

  • Rekonstruktionsversuch


    Die Hefte 2 (1977) und 7 (1982) der Altstadtberichte der "Altstadtfreunde Nürnberg" beinhalten Artikel über das Haus Untere Krämersgasse 18, nachdem die Fassaden 1975 und das Innere zwischen 1980 und 1982 restauriert worden waren:
    Veröffentlichungen 1976-1985 - Altstadtfreunde Nürnberg
    Ohne diese Artikel jemals gelesen zu haben, versuche ich trotzdem mal eine Rekonstruktion des Kernbaus von 1454 aufgrund der Beobachtungen an den Fassaden. Dazu seien zuerst die Erkenntnisse zum Kernbau zusammengefasst:


    a) Errichtung des dreigeschossigen Kernbaus nach 1454:

    Erdgeschoss
    - dreizoniger Grundriss
    - aus Fachwerk mit grossen Kopfbändern
    - aufgrund der grossen Kopfbänder vermutlich keine Fussbänder
    1. Obergeschoss
    - dreizoniger Grundriss
    - vorne aufgrund kurzer, breiter Fussbänder und kurzer Kopfbänder vermutlich eine Bohlenstube mit Fenstererker
    - enggelegte Balkenlage über der Stube
    - der mittlere und hintere Raum mit langen Fuss- und kurzen Kopfbändern
    2. Obergeschoss
    - dreizoniger Grundriss
    - alle drei Räume mit langen Fussbändern, nur der vordere Raum zusätzlich mit kurzen Kopfbändern
    Dach
    - aufgrund der Querbalkenlage über dem 2. Obergeschoss mit Traufe gegen die Obere Krämersgasse (Pultdach?)
    - gegen die Untere Krämersgasse Giebelwand
    - halbierter Halbwalm aufgrund vergleichbarer Bauten aus der Zeit (bspw. Zirkelschmiedsgasse 30) möglich

    untkrae18rek.jpg
    Rekonstruktionsversuch des Kernbaus von 1454.


    b) Aufstockung um ein 3. Obergeschoss und dreigeschossigem Dachstuhl nach 1477:

    - dreizoniger Grundriss
    - an der Ecke aufgrund kurzer Fuss- und Kopfbänder Bohlenstube mit Fenstererker
    - restliche Räume mit hohen Fuss- und kurzen Kopfbändern
    - dreigeschossiger, mehrfach stehender Dachstuhl mit Halbwalm
    - Aussteifung des Dachstuhls mit über zwei Geschosse hinweg verlaufenden Steigbändern und unterschiedlich langen Fuss- und Kopfbändern

    Damit hat das Haus bereits sein heutiges Aussehen erhalten, und wurde seither nur noch unwesentlich verändert. So wie es den typischen Nürnberger Steinbau gibt (Sandsteinfassade, quadratische Fenster, Traufständigkeit), repräsentiert dieses Haus den typischen Nürnberger Fachwerkbau des 15. Jahrhunderts.

    Interessant ist eine Gegenüberstellung von Untere Krämersgasse 18 mit einem typischen Fachwerkhaus aus derselben Zeit aus St. Gallen (CH); s. Beitrag. Beide Orte liegen im Gebiet des alemannischen Fachwerkbaus; der hauptsächlichste Unterschied ist die geschossweise Abzimmerung in Nürnberg und die Ständerbauweise über zwei Geschosse in St. Gallen.

    untkrae18nordwest1.jpg
    Fotomontage der Nord- und Westfassade von Untere Krämersgasse 18 ab dem 1. Obergeschoss.

    fassadenabwicklung-rekx.jpg
    Rekonstruktionsversuch von Metzgergasse 2 in St. Gallen (CH), erbaut wahrscheinlich nach dem Stadtbrand von 1418, Erweiterung und neuer Dachstuhl Mitte 15. Jh., Abbruch 1958.


    c) spätere Veränderungen:

    - Ersatz des Fachwerks im Erdgeschoss durch Sandsteinmauerwerk (diese Massnahme könnte bereits mit der Aufstockung des Hauses stattgefunden haben, da das Volumen des Hauses damals annähernd verdoppelt worden war)
    - Hinzufügung weiterer Fenstererker am 2. Obergeschoss und am 3. Obergeschoss rechts
    - 2. H. 16. Jh. Aufzugserker
    - grösstenteils Ersatz der Aussenwände des 1. Obergeschosses infolge Verschiebung im 18./19. Jahrhundert

  • Albrecht-Dürer-Str. 6


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    Blick von der Albrecht-Dürer-Strasse ostwärts in die sehr schmale Agnesgasse.

    Auch wenn es auf den ersten Blick nicht sofort ersichtlich ist, hat das Eckhaus an der Albrecht-Dürer-Strasse / Agnesgasse sehr viel Gemeinsamkeiten mit dem Kernbau des vorher betrachteten Eckhauses Untere Krämersgasse 18. Eigentlich wollte ich jetzt die Gruppe von Fachwerkbauten mit angeblatteten Fuss- und Kopfbändern verlassen und die weitere Entwicklung des Fachwerks in Nürnberg erforschen. Weil aber ein Vergleich der beiden Bauten faszinierend ist, und jüngere Sanierungsmassnahmen des Fachwerks von Albrecht-Dürer-Str. 6 leicht ersichtlich sind, soll dieses Haus auch noch eine Würdigung erfahren.

    Da nicht eine eigentliche Beschreibung des Hauses folgen soll, sondern nur Hinweise auf einzelne Details, verzichte ich auf eine zeichnerische Aufnahme der Fassaden oder entzerrte Photos. Eine solche Bearbeitung wäre zwar aufschlussreich für das Haus selbst, bringt aber für die Fachwerkforschung wenig Neues her.

    Beschreibung in der Bayerischen Denkmalliste:

    - Eckhaus, viergeschossiger Bau mit abgewalmtem [dreigeschossigem] Pultdach und Schleppgauben, im tieferen östlichen Bereich Satteldach, Erdgeschoss Sandsteinquadermauerwerk, Obergeschosse Sichtfachwerk, rückseitig verputzt
    - im Kern nach 1437 (dendro.dat.)
    - Umbauten um 1559 (bez.)
    - weitere Veränderungen 1877

    Vogelschauansicht:
    Bing Maps - Wegbeschreibungen, Routen, Verkehr


    Aufnahmen im Marburger Bildindex zeigen das im Krieg mittelschwer beschädigte Haus bereits mit dem freigelegten Fachwerk. Die mittelbare Umgebung wurde offenbar nur von Sprengbomben und nicht von Brandbomben getroffen, was vor allem den Steinbauten zum Verhängnis wurde. So überlebte das Fachwerkeckhaus ziemlich alleine fast in seiner gesamten Höhe. Teile der Südfassade wurden weggesprengt, und das oberste Dachgeschoss ebenfalls. Von letzterem überdauerten links und rechts des Kamins drei Ständer, welche die ehemalige Firstlinie kennzeichnen. Der tiefere östliche Bereich des Hauses, mit Fenstern zum Hof hinaus und unter Satteldach, wurde offenbar schwerer in Mitleidenschaft gezogen.

    MI02564d13b.jpg
    Blick in die Albrecht-Dürer-Strasse hinauf auf die südliche Seitenfassade.

    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)


    Einen interessanten Blick auf die nördliche Haustrennwand gab das eingestürzte Nachbarhaus Nr. 8 frei:

    MI02564e03b.jpg
    Blick südostwärts die Albrecht-Dürer-Strasse hinunter auf die Hauptfassade und die teilweise freiliegende, nördliche Seitentrennwand.

    Vergrösserung (Quelle: bildindex.de)

    Man erkennt, dass die Nr. 6 und 8 je eine eigene Seitenwand besassen. Dies ist sonst selten der Fall, aber für die Statik der Häuser ist es der Idealfall. Häufig wurden in früheren Jahrhunderten Teile der eigenen Seitenwand abgebrochen und dann die Wand des Nachbars mitbenutzt, was häufig zu Streitereien führte.

    Im 1. Obergeschoss der Nr. 6 fehlt die Wand; ob sie schon sehr früh ausgebrochen worden oder eine Folge der Bombardierung ist, kann man nicht erkennen.
    Im 2. Obergeschoss wurde die Wand teilweise durchbrochen, um einem Einbauschrank Platz zu machen. Das Kopfband hatte überdauert.
    Interessant ist das 3. Obergeschoss: hier ist die Wand noch vollständig erhalten, und dort, wo der Verputzt fehlt ist eine Lehm-Rutengeflecht sichtbar!
    Das 1. Dachgeschoss lag teilweise über dem Dach von Nr. 8 frei; im zweiten Wandfeld wurde offenbar ein Gefach mit stehend gestellten Tonbodenplatten zugemauert. Ganz schön ist das Detail mit dem auskragenden Rähm für den Dachvorsprung des Halbwalms, welcher durch einen verzierten Bug unterstützt wird.
    Vom 2. und 3. Dachgeschoss überdauerte nur das untere Geschoss, dessen Schäden notdürftig verschlossen wurden. Vom obersten Dachgeschoss verblieben einzig noch die drei bereits genannten Ständer. Dass diese überhaupt so stehen blieben, kann ich mir nur so erklären, dass sie durch beide Geschosse hindurch liefen. Bis heute wurde das Dach nicht rekonstruiert, sondern mit dem Notdach belassen, sodass ein mansardenähnlicher Knick in der Dachfläche besteht (vgl. mit dem Vogelschaubild am Anfang des Beitrages).


    Weiteres Bild aus dem Bildindex: mi02564c08a.jpg

  • Vergleich Albrecht-Dürer-Str. 6 und Untere Krämersgasse 18

    (bei Untere Krämersgasse 18 gehe ich vom ursprünglichen, dreigeschossigen Urzustand gemäss der Skizze im vorletzten Beitrag aus)


    Beide Häuser haben einen langrechteckigen Grundriss, wobei die Schmalseite von der Stube im 1. Obergeschoss eingenommen wird, und damit als Hauptfassade gilt. Gemäss diesen Seiten erfolgte auch die Hausnummernzuteilung zur entsprechenden Strasse. Zur Längsseite hin (Seitenfassade) fällt ein Pultdach mit der Traufe, und an der Hauptfassade besteht ein (halbierter) Halbwalm.

    albrechtduererstr6_3443x30_17.09.09.jpg untkrae18west_ergaenzt.jpg
    Links: Albrecht-Dürer-Str. 6, Westfassade, erb. nach 1454; rechts: Untere Krämersgasse 18, Westfassade, erb. nach 1437 (mit ergänzten Pfosten und Bändern; orange = Kernbau, grün = Aufstockung).

    Die Verstrebung ist bei beiden Bauten identisch:
    - im 1. Obergeschoss kurze, breite Fuss- und normale Kopfbänder, und ab dem 2. Obergeschoss lange Fuss- und normale Kopfbänder
    - das Giebelfeld bei Albrecht-Dürer-Str. 6 wird durch zwei lange Fussbänder, ein Kopf- und ein flacher geneigtes Steigband verstrebt; bei Untere Krämersgasse 18 zeugen zwei steile und ein flacheres Blattsasse (über dem 2. Obergeschoss, orange gestrichelt gezeichnet) von einem identischen Giebelfeld

    Die Balkenlagen verlaufen längs zur Hauptfassade. Die Geschosstrennung wird an den Fassaden durch den äussersten Deckenbalken und eine dünne Schwelle gebildet. Die Deckenbalken fungieren gleichzeitig auch als Rähme des unteren Geschosses.

    Pfosten: die Eckpfosten sind dünner als die Bundpfosten


    Vergleichfotos des 1. Obergeschosses belegen dies deutlicher:

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    Albrecht-Dürer-Str. 6, Westfassade, 1. OG.

    unterekraemersgasse18_3218_30_15.09.09.jpg
    Untere Krämersgasse 18, Westfassade, 1. OG.

    Bei Untere Krämersgasse 18 bezeugen Blattassen von Kopfbändern im Erdgeschoss-Deckenbalken von einem ursprünglichen Erdgeschoss in Fachwerkbauweise. Die Fussbänder greifen in die Schwelle und in den Deckenbalken hinein.
    Bei Albrecht-Dürer-Str. 6 sind keine solchen Blattsassen vorhanden; demnach bestand hier wahrscheinlich von Anfang an ein gemauertes Erdgeschoss. Hier hat auch viel mehr vom ursprünglichen Fachwerk überdauert: Brust- und Sturzriegel sowie einige Fensterpfosten (in schieferer Lage als die heutigen Fenster). Dünne Brüstungspföstchen deuten auf Bohlenausfachungen hin; in Analogie zu andern zeitgleichen Bauten sind einstige Fenstererker denkbar. Als letzte Gemeinsamkeit seien auch hier die Fussbänder erwähnt, welche in die Schwelle und in den Deckenbalken hineingreifen.


    Nun interessiert mich als letztes die Seitenwand der Stube im 1. Obergeschoss:

    albrechtduererstr6_3308x25_16.09.09.jpg albrechtduererstr6_3309_25_16.09.09.jpg
    Albrecht-Dürer-Str. 6, Südfassade gegen die Agnesgasse.

    Bei beiden Bauten ist die ursprüngliche Stubenseitenwand nicht mehr vorhanden.
    - bei Untere Krämersgasse 18 ist sie durch ein konstruktives Fachwerk ersetzt worden, aber die Blattsassen belegen einen Bundpfosten in der Mitte der Stubenseitenwand (s. drittletzten Beitrag).
    - bei Albrecht-Dürer-Str. 6 sind am Eckpfosten ein breites Fussband und die Blattsassen eines Kopfbandes erhalten. Es folgt in der Mitte der Stubenseitenwand ein schlanker Bundpfosten mit langen Fuss- und normalen Kopfbändern. An der hinteren Stubenecke (ganz rechts) sitzt ebenfalls ein Bundpfosten mit langen Fuss- und normalen Kopfbändern. Auf dem ersten Bildindex-Bild im letzten Beitrag ist hier zwar ein kleineres Fussband sichtbar, von dem jetzt nur noch eine Fehlstelle in der Schwelle, und ein Einschnitt im Pfosten zeugt. Demnach wären auch am mittleren Bundpfosten die Einschnitte zweier breiter Fussbänder zu erwarten, aber just hier ist die Schwelle geflickt, und ein allfälliger Befund damit verdeckt worden. Ganz offensichtlich ist hier bei der Wiederinstandstellung ungenau ergänzt worden.

    Die Befundlage bei beiden Bauten spricht dafür, dass auch die ursprünglichen Stubenseitenwände wohl gleichartig mit breiten Fuss- und Kopfbändern und Bohlenausfachungen konstruiert waren.


    Fazit:
    Albrecht-Dürer-Str. 6 und Untere Krämersgasse 18 sind beide in der Mitte des 15. Jahrhunderts mit nur etwa 17 Jahren Abstand erbaut worden. Die mutmasslichen Rekonstruktionen des ursprünglichen Zustandes ergeben auffallend viele Gemeinsamkeiten, sodass man leicht geneigt sein könnte, beide Bauten demselben Zimmermann zuzuordnen. Wenn man aber bedenkt, dass zu damaliger Zeit weit über 1000 Fachwerkbauten in Nürnberg bestanden, welche immer nach dem gleichen Prinzip erstellt wurden, wäre diese Folgerung abwegig. Vielmehr wäre zu untersuchen, ob es zimmermannsmässige Regeln gab, nach welchen die Bauten zu errichten waren, und wie weit solche in die Details gingen.

  • Fachwerkbauten mit dominierenden Fussstreben


    Seit dem Beginn der Untersuchungen über die Nürnberger Fachwerkbauten habe ich mich bisher vorwiegend mit Fachwerkkonstruktionen befasst, welche entweder mit Fuss- und Kopfbändern oder mit K-Streben verstrebt werden. Bei beiden Verstrebungstypen spielten jeweils die Beobachtungen zu den Fussbändern resp. Fussstreben in den Fensterbrüstungen eine Rolle, welche ich bisher noch nicht in einen Zusammenhang untereinander gebracht habe.

    Bei den Fachwerken bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts mit angeblatteten Bändern, egal ob kurz, lang, verdoppelt oder überkreuzt, sind im Bereich der Hauptstuben kurze, sehr breite Fussbänder aufgefallen. Diese haben ihren Ursprung darin, dass die Gefache der Stubenwände der besseren Wärmeisolation wegen mit Bohlen ausgefacht sind. Somit können die Bänder hier nicht die ganze Wandstärke aufweisen, sondern nur etwa Brettdicke (4 bis 5 cm; Differenz zwischen den Balken- und Bohlenoberflächen), weshalb der Bandquerschnitt mit einer umso grösseren Breite kompensiert werden muss. Die Gefache der restlichen Wände sind entweder mit Lehm oder Backsteinen ausgefüllt, und lassen deshalb Bänder mit einem normalen Balkenquerschnitt zu, womit diese auch nicht die auffallende Breite wie bei den Stubenwänden benötigen. Die mit angeblatteten Bändern verstrebten Fachwerkbauten werden zudem oft mit Fenstererkern ausgezeichnet.

    MI07686b02b.jpg zoom.gif
    Paniersplatz 20, "Grolandhaus" (zerstört).
    (Quelle: bildindex.de)

    MI02570b09b.jpg zoom.gif
    Waaggasse 11/Winklerstrasse (zerstört).

    (Quelle: bildindex.de)


    Die Weiterentwicklung führte dann zu Fachwerken mit K-Streben. Dieser Typ trat ab dem 16. Jahrhundert auf, und wurde bis ins 18. Jahrhundert angewendet. Hier fallen kurze Fussstreben vor allem im Bereich von Fensterbrüstungen auf, über denen Reihenfenster sitzen, welche seitlich keine geschosshohen K-Streben mehr zulassen. Auch unterhalb kleinerer Fenster können ab und zu kurze Fussstreben beobachtet werden. Fensterkerker kommen praktisch nicht mehr vor.

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    Dötschmannsplatz 13 (zerstört).

    (Quelle: bildindex.de)


    Nun gibt es aber Bauten, welche keiner der beiden Gruppen zuordenbar sind. An der Pfeifergasse 8 haben wir ein solches Fachwerk gesehen, bei welchem aber unklar ist, ob es durch eine Veränderung eines bestehenden Fachwerks entstanden war:

    pfeifergasse8_3136x30_15.09.09.jpg
    Pfeifergasse 8.


    Ähnlichkeit besitzen auch die Häuser Mostgasse 2 oder Schlotfegergasse 7/9. Beide Bauten weisen ausschliesslich Fussstreben als Aussteifung auf (mit Ausnahme des Giebeldreiecks). Auch Fenstererker kommen hier nicht mehr vor (man muss allerdings die Vermutung aufstellen, dass die Fenstererker hier nachträglich entfernt worden sein könnten, was ich aber eher für unwahrscheinlich halte, da im Fachwerk praktisch nicht mehr in Stuben und andere Räume differenziert wird).

    mostgasse_schlotfegergasse_3368_30_16.09.09.jpg
    Mostgasse 2, bez. 1566, Umbau um 1830.

    schlotfegergasse7_9_3381x30_16.09.09.jpg
    Schlotfegergasse 7/9, bez. 1564.


    Nun gibt es noch einen andern Typ, der ausschliesslich Fussstreben aufweist, aber auch dominierende Fenstererker:

    burg_3170_30_15.09.09.jpg
    Burgamtmannshaus.

    albrechtduererstr24_3446_30_17.09.09.jpg
    Albrecht-Dürer-Str. 24, nach 1570(d).


    Als letzte Gruppe fallen Bauten mit regelmässiger Aneinanderreihung von Fussstrebenpaaren auf, ähnlich wie beim niedersächsischen Fachwerk:

    Maxplatz 29 (Rückseite), nach 1594 (dendro.dat.):

    Google Maps

    muehlgasse2_3390x30_16.09.09.jpg
    Mühlgasse 2, 2. Obergeschoss (rechts verändert).


    Man kann also Fachwerkbauten allein auf Grund der Fussstrebenanordnung gruppieren, womit ich mich in den nächsten Beiträgen beschäftigen werde. Eine chronologische Reihenfolge der Gruppen ist am Anfang noch nicht möglich, bleibt aber ein Ziel dieser Betrachtungen.

    Als Grundlagen dienen mir ausschliesslich die Kurzangaben in der Bayerischen Denkmalliste sowie Angaben aus dem Buch "NÜRNBERG, Die historische Altstadt" von Pablo de la Riesta (Michael Imhof Verlag, 2005). Die beiden Quellen stimmen nicht immer genau überein, da die Denkmalliste laufend ergänzt wird und die Quellen von Riesta nur pauschal angegeben sind, was eine Nachprüfung deshalb erschwert.

    Selbstverständlich müssen die herangezogenen Bauten zuerst wieder auf nachträgliche Veränderungen am Fachwerk untersucht werden, bevor sie definitiv als stellvertretende Beispiele herangezogen werden können.

  • Als erstes versuche ich die Bauten mit dominierenden Fussbändern/Fussstreben gemäss dem vorangegangenen Beitrag zu Gruppen zu ordnen, und dann jeweils die Bauten bezüglich der Fussstrebenthematik unter die Lupe zu nehmen. Interessant wird schliesslich der Vergleich der Baudaten, sofern solche überhaupt in genügender, repräsentativer Zahl bekannt sind. Ich vermute, dass die Bauten mit Fussstreben, also nicht Fussbänder, alle sehr zeitnah im 16. und 17. Jahrhundert entstanden sind.

    Das Gruppieren ist in erster Linie ein Herantasten an das Thema, und nicht als abschliessend gedacht!

    1. Bauten mit angeblatteten Bändern
    2. Bauten mit eingezapften K-Streben
    3. Bauten mit dominierenden eingezapften Fussstreben ohne Fenstererker
    4. Bauten mit dominierenden eingezapften Fussstreben mit Fenstererker
    5. Bauten mit aneinandergereihten, eingezapften Fussstreben

    Die bei den Gruppen angeführten Beispiele sind grösstenteils in diesem Strang bereits vorgestellt worden. Eine direkte Verlinkung zum jeweiligen Beitrag findet sich in der Liste im 1. Beitrag auf Seite 1 dieses Stranges.

    Die erste Gruppe von Bauten beschreibe ich hier nur noch kurz, da diese Bauten schon eingehend und zur Genüge eine Vorstellung erfahren haben. Um doch eine geschlossene Abhandlung zu erhalten, und weil die Thematik bei ihnen beginnt, seien sie dennoch mit Bildbeschreibungen aufgeführt.


    1. Bauten mit angeblatteten Bändern


    Zitat

    Bei den Fachwerken bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts mit angeblatteten Bändern, egal ob kurz, lang, verdoppelt oder überkreuzt, sind im Bereich der Hauptstuben kurze, sehr breite Fussbänder aufgefallen. Diese haben ihren Ursprung darin, dass die Gefache der Stubenwände der besseren Wärmeisolation wegen mit Bohlen ausgefacht sind. Somit können die Bänder hier nicht die ganze Wandstärke aufweisen, sondern nur etwa Brettdicke (4 bis 5 cm; Differenz zwischen den Balken- und Bohlenoberflächen), weshalb der Bandquerschnitt mit einer umso grösseren Breite kompensiert werden muss. Die Gefache der restlichen Wände sind entweder mit Lehm oder Backsteinen ausgefüllt, und lassen deshalb Bänder mit einem normalen Balkenquerschnitt zu, womit diese auch nicht die auffallende Breite wie bei den Stubenwänden benötigen. Die mit angeblatteten Bändern verstrebten Fachwerkbauten werden zudem oft mit Fenstererkern ausgezeichnet.

    (Zitat aus dem vorangegangenen Beitrag)

    Zusammenfassung:
    Bei den ältesten bekannten Fachwerkbauten Nürnbergs erfolgt die Verstrebung generell mit kurzen und langen Fuss- und Kopfbändern, unabhängig vom Geschoss und dem dahinterliegenden Raum. Eine Ausnahme bilden die Bohlenstuben, die bis fast an die Bund- und Eckpfosten reichende Fenster aufweisen. Die Verstrebung kann hier nur mit breiten, brett-dicken Bändern erfolgen.


    1a) Fachwerke mit kleinen Fuss- und Kopfbändern:

    - Burgstr. 27 (zerstört)
    - Halbwachsengässchen 1 (zerstört)
    - Obere Schmiedgasse 64/66 "Pilatushaus", 1489
    - Weinstadel, 1448

    Bei diesen Bauten ist, mit Ausnahme am Weinstadel, keine Differenzierung in der Ausbildung der Bänder erkennbar.


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    Obere Schmiedgasse 64/66 "Pilatushaus".

    Das Pilatushaus (links) besitzt am 3. Obergeschoss wohl einen Fenstererker, aber dieselbe Bandform wie an den ersten beiden Obergeschossen. Die ersten beiden Obergeschosse sind im 18./19. Jahrhundert verändert worden, weisen aber noch die ursprüngliche Verstrebung auf.


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    Weinstadel.

    Beim Weinstadel sitzen im 1. Obergeschoss breitere Fussbänder als am 2. Obergeschoss. Die breiteren Fussbänder und die dünnen Brüstungspföstchen weisen dort auf Bohlenausfachungen hin.


    1b) Fachwerke mit langen Fuss- und kurzen Kopfbändern:

    - Albrecht-Dürer-Str. 6, 1437
    - Albrecht-Dürer-Str. 39 "Dürerhaus", 1419
    - Augustinerstr. 7, Mitte 15. Jh.
    - Bergstr. 16, 1438
    - Paniersplatz 20 "Grolandhaus" (zerstört)
    - Untere Krämersgasse 18, 1454
    - Weissgerbergasse 10, 1389


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    Augustinerstr. 7. (Bild: baukunst-nbg)

    Augustinerstr. 7 ist ein Beispiel mit erhaltener, ursprünglicher Fenstereinteilung. Da die Fenster im 1. Obergeschoss fast bis an die Pfosten reichen, blieb seitlich kein Platz für lange Fussbänder wie am 2. Obergeschoss. Die dünnen, von der Fassadenflucht zurücktretenden Brüstungspföstchen und die breiten Bänder deuten auf Bohlenausfachungen an diesem Geschoss hin.


    1c) Fachwerke mit doppelten Fussbändern

    - Am Ölberg 1 (zerstört)
    - Obstmarkt 1 (zerstört)
    - Prechtelsgasse 10 (zerstört)
    - Unschlittplatz 8, 1. H. 15. Jh.


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    Am Ölberg 1 (Bild: entzerrter Ausschnitt aus einer Foto-Ansichtskarte, Verlag Liebermann & Co., Nürnberg, 1930er Jahre)

    Bei Am Ölberg 1 war die Fenstereinteilung verändert. Aufgrund der unterschiedlichen Pfostenstellungen an beiden Obergeschossen vermute ich zwei Stuben im 1. Obergeschoss. Wie beim letzten Beispiel Augustinerstrasse 7 verhinderten breite Fenster die Anlage von langen Fussbändern. Auch hier verraten die breiten Fussbänder und die dünnen Brüstungspföstchen Bohlen.


    1d) Fachwerke mit überkreuzten Bändern

    - Hintere Beckschlagersgasse 22 (zerstört)
    - Irrerstr. 9, 2. H. 15. Jh.
    - Waaggasse 11 (zerstört)


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    Waaggasse 11/Winklerstrasse. (Bildindex.de)

    Bei Waaggasse 11 dominieren zwei Verstrebungsarten
    - überkreuzte Fuss- und Kopfbänder am 2. und 3. Obergeschoss sowie an der Giebelwand
    - kurze, breite Fussbänder am ganzen 1. Obergeschoss, in der Mitte des 2. Obergeschosses und am Eckraum im 3. Obergeschoss

    Bei allen Brüstungspartien mit kurzen, breiten Fussbändern befinden sich auch schlanke Brüstungspföstchen. Dies sind wiederum Anzeichen von Bohlenausfachungen. Die Lage der entsprechenden Räume ist prädestiniert für beheizte Stuben, was diese Vermutung unterstützt. In den Wandfeldern mit überkreuzten Bändern sitzen durchwegs kleinere Fenster. Hier müssen die Gefache aufgrund der sich überkreuzenden Balken zwingend ausgemauert oder mit Lehm verschlossen sein.


    Fazit:
    Einfach die "Zusammenfassung" am Anfang dieses Beitrages und eine zeitliche Eingrenzung...

    Zitat

    Zusammenfassung:
    Bei den ältesten bekannten Fachwerkbauten Nürnbergs erfolgt die Verstrebung mit kurzen und langen Fuss- und Kopfbändern, unabhängig vom Geschoss und dem dahinterliegenden Raum. Eine Ausnahme bilden die Bohlenstuben, die bis fast an die Bund- und Eckpfosten reichende Fenster aufweisen. Die Verstrebung kann hier nur mit breiten, brett-dicken Bändern erfolgen.

    Die datierbaren Beispiele liegen alle zwischen 1389 und 1489.

  • 2. Bauten mit eingezapften K-Streben


    Die Fachwerke mit K-Streben habe ich noch nie eingehend untersucht, sondern erst bei einzelnen Bauten und im Beitrag "Der Wandel von der X-Verstrebung zur K-Verstrebung" gestreift. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie nebst K-Streben meistens auch kurze Fussstreben aufweisen, aber in noch unklarer Anordnung. Ebenso fällt auf, dass an solchen Fachwerken nur noch selten Fenstererker vorkommen. Die K-Verstrebung kam im 16. Jahrhundert auf, und dürfte noch bis ins 19. Jahrhundert bei konstruktiven Fachwerken angewendet worden sein.

    - Augustinerstr. 7
    - Dötschmannsplatz 13 (zerstört)
    - Geiersberg 17, nach 1551
    - Pfeifergasse 10, Mitte 16. Jh.
    - Prechtelsgasse 10 (zerstört)
    - Schildgasse west (zerstört)
    - Schulgässchen, "Sebaldusklause" (zerstört)
    - Zirkelschmiedsgasse 26, 16./17. Jh.
    - Zirkelschmiedsgasse 30, evtl. 1557 oder 1629?

    (Datumsangaben gemäss Bayerischer Denkmalliste)


    Pfeifergasse 10


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    [...] Pfeifergasse 10 ist ein Idealbeispiel eines Fachwerks mit K-Streben. Ursprünglich als Getreidespeicher konstruiert, hat die Fassade einheitliche Fachwerkfelder, welche ohne Rücksicht auf unterschiedliche Nutzungen wie Stuben, Schlaf- und Nebenräume konstruiert werden konnten. [...] Trotz kleinerer Unregelmässigkeiten im Fachwerkbild ist die Fensteranordnung regelmässig. Somit gehe ich davon aus, dass diese nicht mehr die Ursprüngliche ist. [...] Trotz der unterschiedlich breiten Wandfelder und unterschiedlich langen Fussstreben sind alle Streben in einem regelmässigen Wechsel - mal links, mal rechts ansteigend - angeordnet. Deshalb kann man sie mit einer Zick-Zacklinie nachzeichnen. Freilich ist dies auch bei der älteren Fachwerkbauweise mit angeblatteten Fuss- und Kopfbändern der Fall, aber dort ist mir diese graphische Eigenheit noch nicht aufgefallen.

    Die Eckpfosten sind mit K-Streben fixiert, der mittlere Bundpfosten nur mit langen Fussstreben, und der linke und rechte Bundständer jeweils mit kurzen Fussstreben. Bei der gegenwärtigen Fensteranordnung können keine schlüssigen Angaben zur zwingenden Verwendung von kurzen Fussstreben gemacht werden. Eine mögliche ursprüngliche Anordnung der Fenster direkt an die linken und rechten Bundständer gemäss der Photomontage im verlinkten Beitrag ist hypothetisch, und darf deshalb nicht zur weiteren Forschung herangezogen werden.

    Als Fazit gilt bei diesem Beispiel nur die Beobachtung des regelmässigen Wechsels der Strebenrichtung - mal nach links, mal nach rechts ansteigend.

    pfeife3137entz-streben_75.jpg
    Entzerrte Fassadenansicht mit eingezeichneter "Zick-zack-Linie" der Strebenabfolge.


    Dötschmannsplatz 13


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    Entzerrte Fassadenansichten mit markiertem ursprünglichen Fachwerk.
    (Bildgrundlage: bildindex.de)

    Bei diesem Haus dominierte ebenfalls die K-Verstrebung. Allerdings handelte es sich hier um den Umbau eines älteren Fachwerks, da Blattsassen von Bändern beobachtet werden konnten (im Bild gelb eingekreist). Zudem wurde die Fensteranordnung im 18./19. Jahrhundert verändert.

    [...] Die K-Strebenpaare kommen jeweils nicht nur an den Eck- und Bundpfosten vor (Hauptverstrebung), sondern teilweise auch an den Fensterpfosten (Giebelwand 3. Obergeschoss rechts, evtl. ursprünglich auch 2. Obergeschoss links oberhalb des Erkers)! In Kombination mit einer Hauptverstrebung führte dies nun zu einer frühen Zierform, welche nicht mehr nur rein konstruktiv begründet war. Zusammen mit den kurzen Fussstreben in den Fensterbrüstungen wechseln sich die ¾-wandhohen Fussstreben in ihrer Neigung regelmässig ab.[...] Im 3. Obergeschoss [der Trauffassade] scheint es auch ursprünglich keine ¾-wandhohen Streben gegeben zu haben, denn solche hätten trotz der Fensterumgestaltung mindestens beidseits des Bundpfostens überdauert. Dass hier nur kurze Fusstreben vorhanden waren, könnte als Ursache entweder breite Reihenfenster oder gar Fenstererker gehabt haben.

    Die kurzen Fussstreben kommen an der Giebelseite wiederum im Bereich von Fenstern vor, allerdings nicht im Zusammenhang mit Stubenfenstern, sondern mit untergeordneten Fenstern. Die kurzen Fussstreben sitzen nur an Fensterpfosten, und nicht an den wichtigeren Eck- und Bundpfosten. Die bei Pfeifergasse 10 gemachte Feststellung des Zick-zack-Verlaufs aller Fussstreben lässt sich auch bei Dötschmannsplatz 13 nachzeichnen.

    Anders könnte es sich bei der Trauffassade verhalten haben, denn hier hatten sich nur drei kurze Fussstreben erhalten. Wären hier ursprünglich auch K-Streben vorhanden gewesen, so erwartete man solche auch am Bundpfosten, da der Wandbereich hier nicht durch Fensterausbrüche gestört worden war. Die Lage von Stuben wäre hier prädestiniert gewesen (Südfassade!).

    Als Fazit gilt auch hier die Beobachtung des regelmässigen Wechsels der Strebenrichtung - mal nach links, mal nach rechts ansteigend. Kurze Fussstreben kommen bei untergeordneten Fenstern vor, und verstreben jeweils nur die Fensterpfosten, nicht aber die Eck- und Bundpfosten. Eine Aussage zu den kurzen Fussstreben an der Trauffassade kann nur vage im Zusammenhang mit allfällig breiteren (Stuben-)Fenstern formuliert werden.


    Prechtelsgasse 10


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    Entzerrte Fassadenansichten mit eingetragenen Bauphasen.
    Rot = Kernbau 15./16. Jh., gelb = Aufstockung 16./17. Jh., blau = Fensterumdisponierung 18./19. Jh.

    (Bildgrundlage: bildindex.de)

    Prechtelsgasse 10 war ursprünglich ein dreigeschossiges Eckhaus, und dürfte aufgrund der Fuss- und Kopfbandverstrebung aus dem 15. Jahrhundert gestammt haben. Traufseitig wurde es später aufgestockt, und noch später die Fensteranordnung verändert.

    Die Aufstockung (gelb) erfolgte hier in K-Streben-Fachwerk. Da das Haus nur gegen Norden und Osten frei stand, war der durch die Aufstockung entstandene Eckraum prädestiniert für eine Stube. Dies könnte erklären, weshalb dort nur kurze Fussstreben vorhanden waren, um oberhalb des Brustriegels Platz für breite Fenster zu lassen (siehe ausführlicheren Beitrag).

    Als Fazit gilt hier wiederum die Beobachtung des regelmässigen Wechsels der Strebenrichtung - mal nach links, mal nach rechts ansteigend. Eine Aussage zu den kurzen Fussstreben an der Trauffassade könnte nur vage im Zusammenhang mit allfällig breiteren (Stuben-)Fenstern formuliert werden. Zudem handelte es sich um eine Aufstockung, was eine repräsentative Aussagekraft weiter mindert.


    Geiersberg 17


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    Durch die Veränderung der Fensteranordnung wurde das ursprüngliche Fachwerk massiv gestört, sodass am 2. Obergeschoss ausser dem Rahmen kein originales Fachwerk mehr vorhanden ist.

    Beim 1. Obergeschoss haben sich allerdings ein kurzes Fussstrebenpaar, evtl. im Zusammenhang mit einem ursprünglich vorhandenen Reihenfenster, sowie eine lange Fussstrebe erhalten. Im 1. Obergeschoss wurden normalerweise die Stube und Nebenstube angeordnet, weshalb hier ein Reihenfenster angenommen werden könnte. Ob die lange Fussstrebe rechts der Überrest einer K-Verstrebung ist, muss offen bleiben; allerdings kann die "einfachere Ausführung einer K-Verstrebung nur mit einer Fussstrebe" (also ohne Kopfstrebe) öfters beobachtet werden. Eine Zick-zack-Linie kann nicht nachgezogen werden; möglicherweise fehlt eine zweite lange Fussstrebe am Bundpfosten.


    Augustinerstr. 7


    DSC01241Kopie.jpg
    (Bild: baukunst-nbg)

    Das 3. Obergeschoss ist sicher nachträglich aufgestockt worden. Das Fachwerkbild dort kann fast wörtlich vom 1. Obergeschoss von Geiersberg 17 übernommen werden, ausser dass die Breitenverhältnisse anders, und zwei lange Fussstreben vorhanden sind, statt nur einer. Über der Brüstung mit den kurzen Fussstreben sitzt tatsächlich ein bis an den Eck- und Bundpfosten reichendes Fenster, sodass keine langen Streben Platz fanden!


    Zirkelschmiedsgasse 26


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    Über einem gemauerten Erdgeschoss besteht nur ein Fachwerkgeschoss. Die Giebellukarne entstammt einem Umbau im 19. Jahrhundert. Auch wenn die Fensteranordnung nicht mehr die ursprüngliche sein mag, stimmt das Grundgerüst des Fachwerks mit jenen von Geiersberg 17 und Augustinerstr. 7 überein.

    Im linken Wandfeld mit den langen Fussstreben verläuft ein von Pfosten zu Pfosten reichender Brustriegel, was typisch für ein Reihenfenster wäre. In den ältesten Fachwerkbauten des alemannischen Stils sind durchgehende Brustriegel bei allen Fenstertypen die Regel, und diese Eigenheit hat bis in die Zeit der K-Verstrebung überdauert.

    Das rechte Wandfeld zeigt zwei kurze Fussstreben, aber eine Binnenteilung mit verändertem Fachwerk (die originale Schwelle zeigt eine starke Senkung, während die jüngere Brustriegelkette annähernd horizontal ist). Ob hier einst ein Reihenfenster einer Stube vorhanden war, müsste anhand des Hausgrundrisses festgestellt werden.


    Zirkelschmiedsgasse 30


    zirkel30fassade-bauphasen20.jpg
    Entzerrte Ansicht der Giebelwand mit grün markierter Umbauphase mit K-Streben.

    Hier sei nur das jüngere Fachwerk in der Giebelwand betrachtet, welches einer Umbauphase entstammt, als der ursprüngliche Krüppelwalm zu einem Giebel ausgebaut wurde (siehe ausführlicheren Beitrag).

    In der Mittelaxe sind zwei Aufzugsöffnungen vorhanden, an deren Pfosten K-Strebenpaare anschliessen (im 2. Dachgeschoss bestand ursprünglich in der Mitte ein Bundpfosten). An den Stuhlpfosten desselben Geschosses beliess man beim Umbau die ursprüngliche Bandverstrebung, sodass hier die erwartete K-Verstrebung nicht erforderlich war. Die beiden Brüstungsfelder sind mit kurzen Fussstreben versehen, so wie es auch schon bei Dötschmannsplatz 13 anzutreffen war. Eine "Zick-zack-Linie" kann eingezeichnet werden.


    Nun folgen noch zwei Beispiele von K-Streben-Fachwerkbauten mit Fenstererkern:


    Schulgässchen, "Sebaldusklause"


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    (Bild: bildindex.de)

    Die "Sebaldusklause" war ab 1900 ein sehr häufiges Postkartenmotiv. Deshalb dürfte dem Haus schon sehr früh eine Denkmalpflegerische Behandlung zugute gekommen sein, wobei das Fachwerk eine Freilegung erfuhr (sofern es vorher jemals verputzt worden war). Die Erforschung von sehr früh einer "denkmalpflegerischen" Renovation unterworfenen Bauten ist allerdings mit Vorsicht anzugehen, da damals gerne mit viel Fantasie zusätzlich geschmückt wurde (wie beim Hans-Sachs-Haus!).

    Hier vermutete ich zuerst die Fenstererker als eventuelle historistische Zutat um 1900, da bei Fachwerkbauten mit K-Streben solche nur selten vorkommen. Dem müsste mit Hilfe älterer und schärferer Fotos zuerst nachgegangen werden.

    Auffallend ist aber das Wandfeld im 2. Obergeschoss; während unter dem Fenstererker zwei Kurzstreben sitzen, folgt links ein Wandfeld mit einem K-Strebenpaar, welches der These mit einer "Zick-zack-Linie" nicht folgt. Das 3. Obergeschoss zeigt eine klassische K-Verstrebung mit durchgehendem Brustriegel, und einem am Brüstungspföstchen anliegenden Fussstrebenpaar.

    Fazit: ein eher konfuses K-Streben-Fachwerk


    Schildgasse west


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    Ausschnitt aus mi07687c11a.jpg.

    Der Kopfbau der einst mitten in der Schildgasse stehenden Häuserreihe besass zwei fast identische Fachwerkobergeschosse. Die Lage der Bundpfosten ist unklar; einerseits gibt es einen in Fassadenmitte mit Kurzstrebe, und andererseits einen rechts neben dem Fenster mit einem K-Strebenpaar. Die rechten Eckpfosten zeigen nur am 1. Obergeschoss eine lange Fussstrebe.

    Eine "Zick-zack-Linie" gibt es hier nicht; doch weitere Nachforschungen über allfällige Veränderungen sind nur aufgrund des unscharfen Bildausschnitts unmöglich. Vielmehr interessiert hier wiederum der Fenstererker, unter welchem die Kurzstreben sitzen. Im Gegensatz zum Haus am Schulgässchen sind die Fenstererker hier mit Sicherheit keine historistische Zutat, wenn man ein Bild mit dem noch verputzten Fachwerk beizieht.


    Fazit aus allen in diesem Beitrag vorgestellten Bauten mit K-Verstrebung:

    Fenstererker kommen praktisch nicht mehr vor. Auch die Bauweise mit Bohlenausfachungen konnte nirgends mehr beobachtet werden, denn bei Streben mit voller Wandstärke können unmöglich Bohlenausfachungen bestehen. Da Streben eingezapft, und nicht angeblattet sind, müssen sie zwingend den vollen Wandquerschnitt aufweisen. Das heisst, dass aus Gründen der nicht mehr angewendeten Bohlenausfachungsart auch keine kurzen, breiten Fuss- und Kopfbänder mehr nötig sind.

    Trotzdem haben kurze Fussstreben ihre Nachfolge angetreten, und sich neben den "moderneren" K-Streben behauptet. Der Grund liegt nun viel mehr bei der Fensterbreite, wenn zwischen Fenster und Pfosten kein Platz mehr für ein K-Strebenpaar vorhanden war. So entwickelten sich die kurzen Fussstreben vor allem im Bereich von (Stuben-)Reihenfenster.

    Daneben können kurze Fussstrebenpaare auch bei schmaleren und untergeordneten Fenstern beobachtet werden. Dies ist besonders dann der Fall, wenn K-Streben nicht nur an den Eck- und Bundpfosten angeschlagen werden, sondern auch an den Fensterpfosten. Es könnten sich somit zwei K-Fachwerktypen herauskristallisieren:
    - K-Streben nur an Eck- und Bundpfosten, kurze Fussstreben nur unter breiteren (Stuben-)Reihenfenstern (bspw. Prechtelsgasse 10, Augustinerstr. 7)
    - K-Streben nebst Eck- und Bundpfosten auch an Fensterpfosten, kurze Fussstreben unterhalb aller Fensterformate (bspw. Dötschmannsplatz 13, Zirkelschmiedsgasse 30)

    Die Strebenabfolge, egal ob lang, kurz oder in K-Form, zeichnet meistens eine "Zick-zack-Linie" nach.