Böblingen (Galerie)

  • Im Folgenden nun eine kurze Galerie zu Böblingen, einer industriereichen Stadt etwas südwestlich von Stuttgart und mehr oder weniger mit Sindelfingen zusammengewachsen - die geplante Fusion zu einer Doppelstadt scheiterte in den 70er Jahren aber am Widerstand der Bürger.

    Wobei es eigentlich gar nicht speziell um Böblingen geht, sondern Böblingen nur stellvertretend für so viele andere Städte der Region steht, die teilweise sogar ohne größere Kriegszerstörungen ein recht durchwachsenes Stadtbild aufweisen.

    Genauso gut hätte ich andere Städte als Beispiel heranziehen können:

    Nagold präsentiert sich dem Besucher beispielsweise so (auch die Fachwerk-Altstadt ist ziemlich fragmentiert):

    Im selben Stil wird weitergebaut:

    Dieser Betonklotz steht mitten in der Nürtinger Altstadt (und ist kein Einzelfall):

    Die Reutlinger Fußgängerzone ist ja ganz nett, aber gleich daneben gibt es solche Bauwerke (vom unpassenden Rathaus ganz zu schweigen):

    Oder wie wäre es mit Calw?

    Dazu kommt noch ein häufig recht mäßiger Erhaltungszustand - recht konzentriert kommt all dies in Böblingen zum Ausdruck, daher im Folgenden auch diese leicht sarkastische Galerie :wink:

    sou perfeito porque / igualzinho a você / eu não presto

  • Im selben Stil wird weitergebaut:

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    Dieser Anblick ist ja ausgesprochen deprimierend. Im Hintergrund erkennen wir, was für wunderbare Häuser es in dieser alten Stadt (noch) gibt, und vorne, was die Bauenden unserer Tage damit anzufangen wissen: nämlich gar nichts. Ihre Vision ist wohl, alles Alte über kurz oder lang abzuräumen und durch solche unmenschlichen Kästen zu ersetzen, wie wir sie auf dem Plakat sehen.

  • Nichts gegen Böblingen! Böblingen hat mich sehr geprägt! [/sarkasmus]

    In Böblingen gab es den Modellbahnzubehörhersteller KIBRI. Mitte der Siebziger Jahre begann ich mit dieser Leidenschaft des Modellhäuserbaus. Kibri hatte damals von der Fertigungstechnik her die schönsten Fachwerkhäuschen, weit vor Faller und Vollmer.

    kibri urach - Google-Suche

    Was damals noch möglich war: Mit den Eltern und meinem Bruder waren wir einige Tage unterwegs in Baden-Württemberg. In Böblingen wollte ich unbedingt "meine" Fabrik, wo meine Häuschen herstammen, wenigstens von aussen sehen. Dort angelangt, klopfte mein Vater von aussen an eine Büroscheibe, und ein paar Minuten später standen wir schon in den Produktionshallen mit allen Spritzgussautomaten. Zum Schluss durften mein Bruder und ich noch einen Bausatz aussuchen und mitnehmen. Solch spontane Erlebnisse scheinen heute nicht mehr möglich, aber dennoch gelingt es mir immer noch, wenigstens in meiner Heimatstadt zu unbeabsichtigten Führungen durch ein Wohnhaus durch den Hausbesitzer zu kommen. Du siehst, nach Jahrzehnten habe ich an Böblingen noch eine positive Erinnerung, auch wenn es die Fabrik leider nicht mehr gibt.

  • Ich durfte einige Wochen Berufsschulzeit in Sindelfingen verbringen. Ich fand es scheußlich, in jeder Hinsicht, und malte im Unterricht Sindelfingen-Haß-Postkarten. Besonders hirnrissig erschien mir die Empörung der Sindelfinger über die Marmorblöcke als Zebrastreifenmarkierung, die sie sich in einem fetten Steuerjahr angeschafft hatten: denn die mußten sie ja an dieser vielbefahrenen Stelle dann nicht mehr jedes Jahr neu hinmalen. Vermutlich liegen die wartungs- und somit folgekostenfrei heute noch dort, und für die anderen Straßenmarkierungen sperren sie immer noch all Jahr die Straße und malen sie auf, wodurch sie inzwischen wahrscheinlich sehr viel mehr Geld ausgegeben haben.

  • Besonders hirnrissig erschien mir die Empörung der Sindelfinger über die Marmorblöcke als Zebrastreifenmarkierung

    Habe ich vor vielen Jahren auch mal gelesen und dachte, mich würde eine absolut tolle Stadt erwarten - angesichts der wohl europaweit höchsten Steuereinnahmen muß so eine Stadt ja wunderbar sein. Ich mußte dann aber feststellen, daß abgesehen von einer vernachlässigten Mini-Altstadt wohl jedes Dorf in Mecklenburg-Vorpommern ein attraktiveres und viel gepflegteres Stadtbild aufweist.

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  • Eine Cousine von mir, die sogar über mehrere Jahre in Sindelfingen wohnte, äußerte sich komischerweise nie, und auch nie negativ, darüber. Vielleicht ist sie architektonisch/urbanistisch inert. Ich fand die Betonklötze an Straßenecken (in der "Altstadt") und dazwischen jedenfalls einfach gräßlich. Sonderbar fand ich, daß um 8 die Gehwege hochgeklappt wurden. Um 8.15 war man allein auf der Straße, es war geradezu unheimlich. Ich konnte mir das nicht erklären, denn das Werk arbeitete ja bestimmt in Schichten, wenn auch vielleicht nicht mit Nachtschicht, aber doch bestimmt nicht nur von 7.30 bis 17.00. Irgendwo müßte doch eine Kneipe oder sowas zu finden sein? Irgendwo müßten doch Leute zusammensitzen? Man sah nur blaues Flimmerlicht.

  • An sich wären diese devastierten Mittel- und Kleinstädte als Art Steinbruch für zerstörte und wiederaufbauwillige Großstädte ideal: man könnte von dort FWH zur Füllung zentraler Ensembles zB in Stuttgart translozieren, so wie man es in Braunschweig gemacht hat:

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    dieses einstige Zollhaus leistet großartige Arbeit am Braunschweiger Altstadtmarkt und wertet somit einen überaus wichtigen Stadtraum auf.

  • Na ja, in Sindelfingen gibt es überraschenderweise noch eine winzige, aber geschlossene Fachwerk-Altstadt - die hat der Fachwerkliebhaber ja schon im APH dokumentiert, und ich habe sie auch schon fotografiert. Allerdings gibt es dort nur Wohnhäuser, also keine Ausgehmöglichkeiten... entsprechend menschenleer ist es dort auch die meiste Zeit.

    In Stuttgart hätte garantiert niemand Interesse an einer translozierten Altstadt, daß man den winzigen verbliebenen Rest der alten Bebauung im Leonhardsviertel zu einem bemerkenswert schäbigen Rotlichtviertel hat herunterkommen lassen, sagt eigentlich schon alles.

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  • Zunächst einmal einige Fotos aus der Zeit vor dem Neubau der Mercaden Böblingen aus dem Jahr 2012 - dazu gibt es später noch Fotos (offensichtlich kommt da ein Einheitsdesign zum Einsatz, siehe Mercaden Dorsten).

    Schon der Bahnhof stimmt einen auf ein städtebauliches Erlebnis der Extraklasse ein:

    IMGP3289_DxO.jpg

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    Hier befindet sich heute das Einkaufszentrum, ich kann mich schwach erinnern, daß hier zuvor ein bemerkenswert primitiver Busbahnhof stand:

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    Hier hat die Abrißbirne gründlich zugeschlagen:

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    So sieht es jetzt in etwa auch aus:

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  • Zum Glück konnte das tolle Postgebäude erhalten werden:

    Fassadengestaltung vom Feinsten:

    Gekonnt komponierte Stadträume laden zum Verweilen ein:

    Nobel-Möbelketten in erlesener Architektur untergebracht, das zugehörige Parkhaus setzt neue Maßstäbe in Sachen Erhaltungszustand und Komfort:

    Über eine Betonkonstruktion überschreitet man das Herzstück des modernen Böblingen, die Wolfgang-Brumme-Allee:

    Die Allee mit Blick auf die großzügige Skyline:

    Das entschädigt einen auch für das fehlende Schloß (klar, rechnete sich einfach nicht - und die Wirtschaft braucht ja auch kein Schloß!)

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  • Früher habe ich mich über so etwas noch aufgeregt, heute gehe ich eher mit einer gewissen ironischen Distanz an die Dinge heran.

    Es ändert sich ja sowieso nichts - im Zuge des Wohnungsmangels wird momentan hier in der Gegend ziemlich viel abgerissen und dann durch die üblichen wärmegedämmten Standardkisten ersetzt, die kommen jetzt in jedes kleine Dorf rein. Wobei es hier wiederum offensichtlich schon seit 50 Jahren üblich ist, jeden noch so kleinen Ort mit einem großen Betonklotz im Zentrum und einigen Wohnblöcken am Ortsrand zu "verschönern". Dazu wollte ich auch schon lang mal eine Bildserie machen ...

    Jedenfalls ist es völlig illusorisch, hier an Verbesserungen zu glauben. Die einzige Stadt, in der mir die Neubauviertel wirklich gefallen, ist indes Tübingen - dazu habe ich auch schon seit Jahren Fotos, die ich sicher irgendwann auch noch mal präsentieren werde.

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  • Wobei es hier wiederum offensichtlich schon seit 50 Jahren üblich ist, jeden noch so kleinen Ort mit einem großen Betonklotz im Zentrum und einigen Wohnblöcken am Ortsrand zu "verschönern".

    In den 1960ern und 70ern waren das typischerweise die Banken, Volksbank und Sparkasse. Dafür wurden stets Häuser abgerissen und unpassende Klötze nach der "neusten Mode" hingestellt. Gefiel mir damals schon nicht, gefällt mir heute auch nicht. Wohnblocks am Ortsrand, naja, das ist ja noch Ortsrand; aber vielerorts in BaWü sind die Orte längst über die Blocks hinausgequollen...

  • vielerorts in BaWü sind die Orte längst über die Blocks hinausgequollen

    Ja, die Orte in Württemberg sind oft ungewöhnlich großflächig. Kein Wunder aber, denn da ist man ja drauf aus, unbedingt ein Haus zu bauen. Wer dort kein Haus hat, gilt als Depp, der es zu nichts gebracht hat: Wenn einer noch nicht einmal ein Haus hat, der taugt ja zu gar nichts, das ist die Einstellung dort. Nicht umsonst gibt es ja den uralten Spruch, der den Lebensinhalt des Württembergers quintessenzartig zusammenfasst: spare, spare, Häusle baue.

  • spare, spare, Häusle baue.

    Das ist an sich ja nichts Verkehrtes, aber es nimmt gerade um Stuttgart oft so eine Art Anti-Aussen-Haltung an, oder vielleicht sollte man es "keinen Sinn fürs Ensemble" nennen. Da wird drauflosgebaut, egal, was daneben steht.

    Kann Tübingen es besser? Ich bin gespannt auf silesiens Bilder.

  • Tübingen hat zwar auch seine häßlichen Seiten, und die Gegend um den Bahnhof finde ich komplett mißlungen. Aber eine ganze Reihe von Neubauvierteln, insbesondere Loretto und Alte Weberei, gefallen mir ausnehmend gut, hier eine Übersicht:

    Quartiersentwicklung

    Das große Areal am Alten Güterbahnhof, also zentrumsnah - mal schauen, wie das dann nach der Fertigstellung aussieht ...

    Was die Eigentümerquote in Deutschland betrifft, liegt BW übrigens (das hatte ich schon vor Jahren mal nachgeschaut und gerade nochmals überprüft) ziemlich am Ende der westlichen Bundesländer, der Wert von rund 50 % ist fast mit Bayern identisch. Übrigens gibt es weltweit nur ein einziges Land mit mehr Mietern als Deutschland, das ist die Schweiz (siehe Statistik). Bei Deutschland ist der Grund vermutlich die Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg, bei der Schweiz vielleicht der starke Zuzug?

    Umgekehrt habe ich mal gelesen, daß es z. B. in Mailand praktisch unmöglich ist, eine Wohnung zu finden, weil hier praktisch jeder im Eigenheim wohnt und fast keine Wohnungen neu vermietet werden, eine interessante Übersicht bietet auch hier Statista. Übrigens ist die niedrige Eigentümerquote wohl auch der Grund, weshalb die Deutschen beim "geldwerten Vermögen" auf dem vorletzten Platz in Westeuropa liegen.

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  • Ja, stimmt, die beiden Quartiere haben mit den kleinteiligen Häusern, die alle unten zugänglich sind, urbanes Potential. Nicht daß mir die Glas- und Stahlhäuser mit den knalligbunten Wänden so arg gefallen, aber sie haben auch eine Außenseite und schließen sich nicht einfach nur nach Außen ab.