Nürnberg - Blendarkadengiebel in der Altstadt

  • Burgstr. 8


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    Die Burgstrasse von einem Rathausturm aus mit Blick auf das Fembohaus (Stadtmuseum) und die Kaiserstallung. 1915 gelaufene Ansichtskarte, Verlag Krause & Baumann, Dresden. Sammlung Riegel.

    Gegenüber dem Fembohaus erweckt der Blendarkadengiebel von Burgstr. 8 das Interesse. In seiner Regelmässigkeit und den unterschiedlichen Giebelstufenhöhen sieht er auf den ersten Blick wie ein gründerzeitliches Werk aus. Gemäss einer Ansicht von J. A. Delsenbach aus dem frühen 18. Jahrhundert bestand dort aber bereits ein Treppengiebel. Das Haus ging 1943/45 unter.


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    Ausschnitt aus der Ansichtskarte oben.

    Der Giebel war nicht nur mit Blendarkaden entlang der Giebellinie versehen, sondern auch auf Höhe der Geschossdecken. Die mittlere Lisene war wiederum breiter, und ebenso eine Lisene links davon. Die Giebelstufen waren rhytmisierend angeordnet: eine hohe Stufe, dann eine niedrige, und dann nochmals eine hohe und niedrige, bis dann zuoberst eine Stufe mit einem mittleren Höhenmass folgte und als Bekrönung eine Fiale in der Breite der mittleren Lisene. Die restlichen Lisenen liefen in schlankeren Fialen aus. Aufgrund der Fiale an der Giebelspitze vermute ich eine im 19. Jahrhundert vorgenommene Restaurierung.

    Die Menge an Blendarkaden erinnert an die Giebel von Weinarkt 2 und Kaiserstr. 25, während der Rhytmus mit hohen und niedrigen Giebelstufen ein Vorbild für die Rekonstruktion von Lorenzer Platz 3, Kaiserstr. 23 und Josephsplatz 6 sein könnte.

  • Danke frederic Ich wusste, dass auf dich mit besseren Bildern Verlass ist. :wink: Es geht ja in erster Linie vor allem mal ums Sammeln von Bildmaterial und allenfalls auch um Angaben von allfälligen Renovationsdaten. Bei der Erstbeschreibung mache ich mir natürlich schon Gedanken um Verwandtschaften zwischen Giebeln und deren ursprünglichem Aussehen und schreibe Hinweise dazu. Für eine Auswertung müssten alle Giebel aber in Frontalansicht gezeichnet werden, ebenso die Tiefen der Rücklagen und Dicken der Giebelmauern. Ähnlich verfuhr ich bei den Halbwalmdächern im Nürnberger Fachwerkstrang.

    Der Giebel von Burgstr. 8 macht auf mich einen authentischen Eindruck. Nichts Fehlendes, und auch keine neugotische (oder auch in einem andern Stil) Zutat, ausser vermutlich der Fiale am Giebelspitz. Auch die Doppelkugeln auf jedem Giebelmännchen sind sehr stimmig. Die Mittellisene steht zwar im 1. Dachgeschoss auf einem breiten Korbbogen, der vielleicht zu einer zugemauerten Aufzugsöffnung gehörte. Auf dem ersten Bild sieht man aber links des Giebels drei offensichtlich neugotische Gauben, welche anzeigen, dass im 19. Jahrhundert eine Restaurierung stattfand. Ein Aktenstudium dürfte hier Klarheit bringen. Ganz speziell und gelungen finde ich die Erweiterung nach rechts mit dem Zinnenkranz. Dahinter verbirgt sich gemäss der höheren Abschrägung der untersten Giebelstufe ein abgeschlepptes Dach.

    Ich bin versucht, mir den Giebel zweifarbig vorzustellen, auch wenn ich noch keine Ahnung über die ursprüngliche Oberflächenbeschaffenheit (backsteinsichtig oder verputzt) und Farbigkeit habe. Dazu denke ich mir noch die vergoldeten Kugelaufsätze. Zweifarbig ist ja kürzlich der Giebel von Adlerstr. 14 behandelt worden, den ich als erstes Bild in diesem Strang noch in seiner monochromen Fassung zeigte. So präsentiert er sich heute:


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    Adlerstr. 14, 16 und 18/20 (von rechts) im Jahr 2020 (Bildherkunft unbekannt).

    Weshalb aber die Seitenflächen der Lisenen und Blendarkaden weiss anstatt rot gestrichen sind, ist mir nicht klar. Ich hätte mich mit dem Weiss auf die Rücklagenflächen beschränkt. Gerade wenn die Lisenen und Blendarkaden backsteinsichtig wären, könnten deren Seitenflächen auch nicht weiss sein. Da hier eine aufwändige Restaurierung stattfand, nehme ich an, dass der Giebel baugeschichtlich untersucht worden ist und eine Dokumentation vorliegt.

    Bei so einem Bild ist man doch versucht, auf die Giebelmännchenstümpfe noch Pyramiden und vergoldete Kugelaufsätze hinein zu retuschieren...

  • Füll 18


    Dieser prächtige Giebel als Abschluss einer Häuserzeile stand mit seinem Schmuck allein da. Dieser bestand in der Überlagerung von zwei verschobenen Blendarkadenreihen, die so ein Masswerkfries bildeten. Im Grunde genommen bestand der Giebel wie die meisten Blendarkadengiebel aus Lisenen, die auf Kehlbalkenhöhe des 1. und 2. Dachgeschosses mit spitzbogigen Blendarkadenfriesen unterbrochen waren. Die Mittellisene war wiederum breiter. Über der Giebellinie war der Giebel leider abgeschrotet, sodass sein ursprüngliches Aussehen schwer vorstellbar ist. Auf der Giebelspitze stand eine Vase. Mehr zur Fotografie siehe hier.


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    Die Füll gegen Osten um 1900 (die Aufnahme ist im Katalog des Stadtarchivs fälschlicherweise seitenverkehrt abgebildet; hier ist sie richtig wiedergegeben).


    Full-1911-Ausschnitt-entzerrt.jpg
    Entzerrter Ausschnitt aus der Abbildung oben mit dem Giebel von Füll 18.

    Anhand der abgeschroteten Aufsicht sieht man, wie grazil diese Giebel waren. Ich schätze, dass die Ziegel im Bereich der Rücklagen nur als Läufer (ca. 15 cm) vermauert waren, und bei den Lisenen und Blendarkaden als Binder (ca. 30 cm). Die historischen Ziegelmasse werden sicher irgendwo beschrieben sein. An einer Wand der Mauthalle sind offenbar einige Ziegelmasse eingemeisselt, wohl für Tonplatten, Mauerziegel und Dachziegel: https://dlc.mpg.de/toc/mpilhlt_sf_00305/1/ (nach dem Öffnen des Links das PDF-Zeichen anklicken).

    Unterhalb der Giebellinie sind die Wände vielleicht dicker gemauert. Jedenfalls fällt auf, das viele der Blendarkadengiebel schief standen (Obstgasse 2, Weinmarkt 2, Königstr. 32). Bei Füll 18 neigte sich die Giebelwand ab dem 2. Dachgeschoss bedrohlich nach aussen. Wohl nicht zufällig war die Bruchstelle im Bereich des unteren Masswerkbandes, wo die stützenden Lisenen durch die Bogenscheitel geschwächt waren.

  • Karolinenstr. 12


    Das Haus ist auf vielen Abbildungen der Karolinenstrasse mit Blick auf die Türme von St. Lorenz abgebildet. Man sieht jedoch nur immer auf die Seitenwand mit dem Fachwerk zuoberst und nimmt den auf die Karolinenstrasse zugewandten Giebel fast nicht wahr. Auf dieser Ansichtskarte ist die Giebelseite links angeschnitten:


    Karolinenstrasse-1899.jpg

    Die Karolinenstrasse gegen Osten. Links angeschnitten die Giebelseite von Nr. 12. 1899 gelaufene Ansichtskarte.

    Auf mehreren Ansichten mit dieser Blickrichtung ist der Giebel nicht klar definierbar, weshalb ich hier einen Aufruf nach weiteren Abbildungen des Hauses machte. Auf den daraus resultierenden Fotos erkennt man einen Giebel, der durch Abschrotung und Fensterausbrüche ziemlich ramponiert war. Das oberste Geschoss der Seitenwand bestand aus K-Fachwerk, also sicher nach 1500 (das mir früheste bekannte K-Fachwerk in Nürnberg bestand an den Dacherkern der 1498 bis 1502 erbauten Mauthalle). Der Giebel und somit das ganze Haus waren aber bestimmt älter; das Fachwerk wird einmal ausgetauscht worden sein, was nicht ungewöhnlich war.


    Karolinenstrasse-6-12-1913.jpg
    Karolinenstr. 6 - 12 (von rechts).

    Um den Giebel besser sehen zu können, folgt wieder eine Entzerrung:

    Karolinenstrasse-6-12-1913-Ausschnitt-entzerrt560ce684f42e842b.jpg
    Entzerrter Ausschnitt aus der Abbildung oben mit dem Giebel von Karolinenstr. 12.

    Mittels Hilfslinien und der nächsten Ansicht wollte ich die Giebelspitze ergänzen, was mir aber gar nicht gelingen wollte. Es empfiehlt sich wohl, zuerst die Konturen auf der nicht entzerrten Fotografie nachzuzeichnen, evtl. unter Zuhilfenahme der schärferen Originalfotografie. Zusammen mit der nächsten Ansicht sollte es aber gelingen. Der Giebel war wohl von der Lisenenverteilung und den Dachneigungen her asymmetrisch und neigte sich gegen das Hausinnere. Bemerkenswert ist der regelmässige Wechsel von breiten und schmalen Lisenen über die ganze Giebelbreite, wobei die Mittellisene noch breiter war. Die Blendarkaden schlossen nicht in Spitzbogen, sondern wie bei Weinmarkt 2 als giebelförmige Abschlüsse mittels schräggestellter Backsteine.


    Karolinenstrasse-nach-Westen-um-1920-Ausschnitt.jpg
    Ausschnitt aus einer Fotografie der Karolinenstrasse gegen Westen (siehe oben angegebenen Link).

  • Ich vermute, dass dieser Giebel respektive das ganze Haus irgendwann gegen Westen (Richtung ehem. Hörmannsgässchen) erweitert worden ist. Wenn man die Bayerische Uraufnahme von 1811 betrachtet, gibt es aber keinerlei Hinweise dazu. Oft haben sich nämlich Spuren alter Häuserfluchten im Grundriss von Nachbarliegenschaften erhalten. Auf dem zweitletzten Bild des vorangehenden Beitrags sieht man aber in der vierten Rücklage des 1. Dachgeschosses von links und auch in der zweiten Rücklage des 2. Dachgeschosses von links schräg eingemauerte Backsteine. In der rechten Giebelhälfte haben sie keine Gegenstücke, weshalb ich diesen Backsteinen nicht weiter Beachtung schenkte und sie als unsachgemässe Reparaturen betrachtete.

    Wenn ich aber das Bild betrachte und mir die rechte steilere Dachfläche nach links gespiegelt vorstelle, dann kommt die gespiegelte Giebellinie just auf diese beiden schrägen Backsteine zu liegen! Aber weshalb hat man dort zwei Backsteine schräg eingemauert? Ich habe keine Antwort darauf gefunden und trage diese Erkenntnis einfach mal in die Ansicht ein.

    Wenn man im letzten Bild des vorangehenden Beitrags die horizontalen Backsteinfugen betrachtet, sind sie links in der angenommenen Verbreiterung tatsächlich in der Höhe leicht versetzt, was einen zweiten Hinweis auf meine Vermutung gibt:


    Karolinenstrasse-6-12-1913-Ausschnitt-entzerrt-2.jpg
    Entzerrter Ausschnitt mit dem Giebel von Karolinenstr. 12 mit ergänzter hypothetischer, älterer Dachschräge gegen Westen, wodurch sich eine symmetrische Giebelform ergibt. Die schräg gestellten Backsteine sind umrandet.

  • Bei Füll 18 neigte sich die Giebelwand ab dem 2. Dachgeschoss bedrohlich nach aussen. Wohl nicht zufällig war die Bruchstelle im Bereich des unteren Masswerkbandes, wo die stützenden Lisenen durch die Bogenscheitel geschwächt waren.

    Der Blendbogenfries zwischen dem 1. und 2. Dachgeschoss ist interessant. Zwischen den Lisenen wurden giebelförmige Arkaden gemauert. In der Mitte der Rücklagen bestanden kleine Konsolen, von denen je zwei einen Spitzbogen trugen, der die Lisenen unterbricht. Dadurch waren letztere geschwächt und die Giebelwand kippte leicht nach vorn. Eine solche Überlagerung von giebelförmigen und spitzbogigen Arkaden habe ich in Nürnberg sonst noch nie angetroffen. Über dem 2. Dachgeschoss wiederholte sich dieser Fries, der aber durch zwei Öffnungen unterbrochen war. Anzeichen, wie die Giebelkontur ursprünglich ausgesehen haben könnte, gibt es keine.

    Ganz markant ist wiederum die Mittellisene. Sie erinnert mich beim Fachwerkbau an einen Firststud, wie sie bis ins 15. Jahrhundert - also gleichzeitig mit den Blendarkadengiebeln - angewendet wurden. Einen Dachstuhl mit Firststüden hatte ich am Beispiel von Am Ölberg 1 dokumentiert.


    Albrecht-Dürer-Str. 1


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    Albrecht-Dürer-Str. 1, 2013. Quelle: commons.wikimedia.org, by Z thomas. Bild gemeinfrei unter Creative-Commons-Lizenz 3.0.

    Die Kombination von zwei Blendarkadengiebeln über Eck ist sehr speziell. Auch wenn die Giebel barockisiert worden sind, erkennt man an den Giebelmännchen, dass hier möglicherweise eine spätgotische Grundlage vorhanden ist. Unter den Giebelmännchen könnten die Lisenen einst bis zum vierten Obergeschoss hinabgeführt haben. Durch die jetzigen Fenseröffnungen ist dies aber nicht mehr möglich. Man muss aber auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es sich nie um Lisenen handelte, sondern um Giebelschmuck in Kerzenform (ich habe noch keinen passenden Begriff dazu gefunden) wie beim Toplerhaus (nur an der Giebelspitze) oder Karlstr. 14 (4. und 6. Bild).

    J. A. Böner hielt das Haus auf seiner Ansicht 'Das gulden Creutz auf der Füll' 1701 links fest:

    Albrecht-Durer-Str-1-3-Boener-111.jpg
    Bildquelle: https://online-service.nuernberg.de/viewer/fullscreen/06113056/111/


    Albrecht-Durer-Str-1-3-Boener-111-Ausschnitt.jpg
    Ausschnitt aus dem Stich oben mit dem Giebeln von Weinmarkt 12 und Albrecht-Dürer-Str. 1.

    Die beiden Giebel von Nr. 1 sind unterschiedlich dargestellt. Ob sie damals tatsächlich unterschiedlich gestaltet waren oder ob Böner hier der künstlerischen Freiheit frönte (Randlage), muss vorerst offen bleiben. Eine spätere Angleichung beider Giebel ist auch möglich. Die Bayerische Denkmalliste gibt Folgendes über das Haus an, aber auch ohne eine Antwort zu geben:

    Eckhaus, schmaler fünfgeschossiger Sandsteinquaderbau mit Satteldach, Giebel und Zwerchgiebel jeweils als Treppengiebel mit Lisenengliederung ausgeführt, weitgehend verputzt, im Kern 15. Jh., heutige Gestalt um 1600 (dendro.dat.), Umbauten im 19. Jh. und 1902/03.

  • Weinmarkt 12a


    Die östliche Giebelwand ist mit Nischen gegliedert, die oben im Stichbogen abschliessen. Eine eigentliche Blendarkadenarchitektur ist nicht vorhanden. Die Lisenen sind als solche fast nicht erkennbar, da sie oben heute in die Wandfläche übergehen. Der Giebel schliesst mit einer geraden Giebellinie ab.


    576px-Weinmarkt12a_Nürnberg_Feb2017_-_2.jpg
    Weinmarkt 12, 2017. Quelle: commons.wikimedia.org, by Z thomas. Bild gemeinfrei unter Creative-Commons-Lizenz 3.0.

    Den Giebel sieht man auch auf zwei Ansichten von J. A. Böner im Jahr 1701, einerseits auf der Abbildung im vorangehenden Beitrag und andererseits von der Südseite her:


    Weinmarkt-Rotes-Roesslein-1701-Boener-109.jpg
    Weinmarkt 12, 'Rotes Rösslein'. Quelle: https://online-service.nuernberg.de/viewer/fullscreen/06113056/109/.

    Demnach bestanden damals über der Giebellinie noch Giebelmännchen mit Kugelaufsätzen, die miteinander durch ein undefinierbares Element verbunden waren.

    Das Haus ist abgesehen vom reich beschnitzten Wohndacherker leider in einem denkmalpflegerisch schlechten Zustand. Der Wohndacherker stammt übrigens erst von 1896 und wurde durch die Altstadtfreunde mittels deren finanziellem Engagement hier 1995 aufgesetzt. Ursprünglich sass er mit einem Zwillingsstück auf der Gaststätte Seerose am Dutzendteich, die 1990 abgerissen wurde. Der andere Dacherker thront heute auf Hauptmarkt 9 an der Westseite des Hauptmarkts.

  • Winklerstr. 29


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    Winklerstr. 29 'zum Palmhaus'. Ungelaufene Ansichtskarte um 1930, Verlag Riffelmacher, Fürth.

    Der Giebel gegen die Schustergasse war wie bei Weinmarkt 12a nur mit Rücklagen gegliedert, die oben aber mit einem Kielbogen abschlossen. Die mittleren drei Felder waren zusammengefasst und schlossen mit versetzten Kielbogen, wobei unklar ist, ob dort zwei Lisenen entfernt wurden. Jedenfalls wären diese beiden Lisenen keinem Fenster oder einer Aufzugsöffnung im Weg gestanden. An der Giebelspitze thronte ein kleines Firstmännchen.

    Links angebaut sieht man die letzte Fensterachse des 1877 fertiggestellten Gerichtsgebäudes. Es ist das übergrosse Gebäude, das man auf vielen Stadtansichten gegen Norden mit der Burg im Hintergrund sieht. Heute steht hier das Parkhaus Augustinerstrasse.

    Das ganze Geviert Karlstrasse-Schustergasse-Winklerstrasse-Augustinerstrasse wurde schon im 19. Jahrhundert bis auf fünf resp. sieben Gebäude (drei davon zusammengefasst) abgebrochen: 1816 die in der Reformation aufgehobene Klosterkirche, 1872 die nicht mehr genutzten Klostergebäude, 1875 fünf Bürgerhäuser an der Winklerstrase. Anstelle der abgebrochenen Bauten folgte dann das Gerichtsgebäude. 1943/45 wurde das gesamte Geviert nochmals eingeebnet und erst gegen 1970 mit dem Parkhaus 'Hauptmarkt' und zwei privaten Gebäuden bebaut. Der gleiche Blick heute: Google maps.

  • Nun folgen drei Giebel, die nicht mehr dem Aufbau mit Lisenen und Blendarkaden folgen, sondern mit einem Netzwerk überzogen sind. Ihre Entstehung reicht möglicherweise noch in die Blütezeit der Blendarkadengiebel im 15. Jahrhundert zurück oder sie traten deren Nachfolge an, bis dann in der Renaissance eigenständige Giebeltypen entstanden.


    Untere Talgasse 3


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    Untere Talgasse 3 um 1920/30. Im HIntergrund der Seitenflügel des Herrenschiesshauses Talgasse 8.
    Quelle: Google Arts & Culture / Staatliche Bildstelle Berlin. Gemeinfrei unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

    Der ganze Giebel war mit einem Netz von Spitzbogen aus Backsteinen überzogen. Die drei Fensteröffnungen nahmen Rücksicht auf diese Gliederung. Die Mauerkrone überragte die Dachfläche nicht, sondern war durch den Dachvorsprung geschützt.


    Rathausgasse


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    Rathausgasse um 1910/20. Ungelaufene Ansichtskarte, Soldan'sche Verlagsbuchhandlung, Nürnberg.

    Ein ähnliches Netz weist auch ein Giebel des Rathauskomplexes auf, nicht aber mit Spitzbogen, sondern mit Rundbogen. Die Fensteröffnungen sind ebenfalls in das Netzmuster hineinkomponiert. Der Giebel gehört nicht zum Rathaustrakt aus dem 14. Jahrhundert und auch nicht zum Beheimschen Ratsstubentrakt von 1514/15, sondern besteht heute noch direkt nördlich angrenzend. Der zugehörige Bau ist ein Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg, bei dem der Giebel integriert wurde.

    Der heute noch bestehende Übergang gehört zum 1896/99 errichteten Rathauserweiterungsbau am Fünferplatz.


    Mauthalle


    Die beiden Giebel von Untere Talgasse 3 und dem Rathauskomplex gehören in die gleiche Kategorie wie der Ostgiebel der 1498/1502 errichteten Mauthalle an der Königstrasse. Auch dieser ist von einem Netz aus Spitzbogen, Kielbogen und stehenden Längsovalen überzogen. In der Mitte besteht ein Band mit den Aufzugsöffnungen. Dieses erinnert an die breitere Mittellisene bei den 'klassischen' Blenarkadengiebeln. Der Giebel überragt die Dachflächen nur leicht und schliesst gerade. Auch wenn dadurch die Netzformen abgeschnitten werden, scheint dies dem Urzustand zu entsprechen. Eine Zeichnung Boeners von 1701 zeigt ihn bereits in der heutigen Gestalt. Auch in der Literatur finden sich nirgends Hinweise auf ein anderes Aussehen.


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    Ostgiebel der Mauthalle gegen die Königstrasse. Quelle: commons.wikimedia.org, by Rainer Halama.
    Bild gemeinfrei unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA.

  • Theresienstr. 10


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    Theresienstr. 10, ehemaliges Gemeindehaus, vormals Haus 'zum goldenen Löwen'. Um 1920/40.
    Quelle: Google Arts & Culture / Staatliche Bildstelle Berlin. Gemeinfrei unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.


    Theresienstr.-10-Ausschnitt-Google-Arts--Culture.jpg
    Ausschnitt aus dem Bild oben.

    Der Giebel von Theresienstr. 10 wies mit einem Netz von Lisenen und Horizontalbändern eine ganz eigenständige und eigenwillige Gestaltung auf. Diese war mit Backsteinen gemauert und lag in einer Ebene. Von weit her konnte man das Netz mit einem Fachwerkgiebel verwechseln. Im Gegensatz zu den bisher gezeigten Giebeln war hier nicht die mittlere Lisene breiter, sondern die beiden benachbarten. Bauliche Veränderungen kann ich nicht feststellen, ausser dass der Giebel zur Stabilisierung mit zahlreichen Zugankern versehen war. Es ist bemerkenswert, dass die Horizontalbänder aussen mit stehenden und innen mit liegenden Backsteinen gemauert waren. Die Giebellinien schlossen gerade und standen gegenüber den Dachflächen nur leicht vor.

    Das Giebeldreieck war nicht symmetrisch. Wenn man die beiden Trauffassaden betrachtet, sieht man, dass das Haus auf einem trapezförmigen Grundriss stand. Ein Satteldach darüber müsste dann entweder windschiefe Dachflächen oder bei geraden Dachflächen einen schief verlaufenden First haben. Im Normalfall wurden solche Dächer wie hier nach der ersten Vorgabe konstruiert. Aber nach beiden Lösungen wäre ein symmetrischer Giebel dennoch möglich. Weshalb das hier nicht der Fall ist, ist rätselhaft. Vielleicht ein Zusammenhang mit dem Aufzugserker?

    Das Haus ist 1943/45 zerstört worden. Die Gasse links, das Hahnengässchen, besteht heute nicht mehr und ist im Fünferplatz aufgegangen. Der Treppengiebel rechts gehörte zur gründerzeitlichen Rathauserweiterung mit dem Rathausturm (siehe Bild im vorletzten Beitrag), die allesamt nicht mehr existieren.

  • Der Giebel von Theresienstr. 10 sieht so "modern" aus - ich könnte mir vorstellen, daß der in den frühen 1920ern so gestaltet worden wäre... das wäre gewiß recht singulär, aber weiß mans? Gibt es noch ältere Aufnahmen von diesem Giebel?

  • Ich denke schon, dass dieser Giebel sehr alt ist, gerade wenn man das unregelmässige Backsteinmauerwerk am Dachfuss betrachtet. Und die ersten beiden Horizontalbänder von links unten her hängen zudem durch. Beidens hätte man im 20. Jahrhundert nicht so gemacht. Eine weitere Aufnahme kenne ich allerdings nicht.

    Der Giebel hat aber durchaus etwas Expressionistisches.

  • Einen Minigiebel - ehrlicherweise ist es nur ein Erker - der mit Lisenen verziert war, hätte ich noch zu Bieten. Hofseite des Stromerstadels (Paniersplatz 24). Aufnahme von 1903:

    Ich hoffe, er ist dennoch würdig, hier stehen bleiben zu dürfen.

  • Theresienstraße 4 hatte auch einen recht interessanten Giebel, der zwar später nicht weg war, aber durch die Rathauserweiterung kaum mehr zu sehen war:

    Theresienstra-e-4-2-vor-1884.jpg

    Die 1884 abgerissene Theresienstraße 2 gefällt mir durch die an den Hausseiten befindlichen Erker (oder nennt man das Zwerchhaus?). Das war in Nürnberg relativ selten, aber dennoch gab es einige Häuser, von denen aber erstaunlich viele vor 1945 abgerissen wurden. Dazu hätte ich mal Lust einen Strang aufzumachen.

    Riegel Was denkst du darüber?

  • Jetzt, wo Du den Dacherker an der Rückseite von Paniersplatz 24 gezeigt hast, erinnere ich mich wieder an die beiden Flugaufnahmen mit dem Egidienplatz und dem Pellerhaus, wo man diesen auch sieht. Der Dacherker und die Rückseite des Hinterhauses vom Pellerhof standen sich direkt gegenüber.


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    Flugaufnahme des Egidienplatzes um 1940. Oben Mitte bis rechts der Paniersplatz. Vergrösserung. Quelle: bildindex.de fm930485b.


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    Flugaufnahme des Egidienplatzes um 1940. Am oberen Bildrand leicht links von der Mitte sieht man den Dacherker von Paniersplatz 24. Vergrösserung. Quelle: bildindex.de fm930495b.

    Natürlich gehört dieser Dacherker auch zu den gotischen Blendarkadengiebeln, auch wenn es sich nur um ein kleines Exemplar handelt. Er ist ja auch nach dem Prinzip der hier gezeigten Giebelwände aufgebaut. Es ist schwer zu sagen, ob die Aufzugsöffnung mit dem Stichbogen später ausgebrochen wurde oder nicht. Das Auflasten der Mittellisene auf dem Stichbogen erinnert mich an Burgstr. 8. Einen ähnlichen Dacherker besass auch das Haus Tucherstr. 8.


    So versteckte Giebel wie bei Theresienstr. 4 erkennt man oft nur auf Übersichtsaufnahmen von erhöhtem Standort aus. Auch auf Aufnahmen, die man schon mehrmals betrachtet hat, erkennt man in der Dachlandschaft plötzlich wieder einen Giebel, weil das Auge jetzt darauf sensibilisiert ist. Irgendwo im Bereich der Karolinenstrasse entdeckte ich kürzlich wieder einen Giebel, habe aber das Foto bereits wieder aus den Augen verloren.


    Das Thema mit zwei Zwerchhäusern über den Hausecken wie bei Theresienstr. 2 wäre durchaus interessant. Eigentlich ist es ein Motiv, das für München ganz typisch ist, und weniger für Nürnberg. Es sind mir auch schon einige solcher Gebäude aufgefallen. Ihr Höhepunkt gipfelte dann wohl bei Gebäuden mit mehreren Wohndacherkern in der Renaissance, wie hier bei Egidienplatz 35-37:


    Egidienplatz-3537-Pfarrhaus.jpg
    Egidienplatz 35-37 mit drei Wohndacherkern. Um 1920/40.
    Quelle: Google Arts & Culture / Staatliche Bildstelle Berlin. Gemeinfrei unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

    Zwerchhaus / Lukarne: die Front ist fassadenbündig. Sie steht also auf der Fassade. Hierzu gehören die Aufzugsdacherker, die gegenüber der Fassade meist mehr oder weniger auskragen.
    Gaube: die Front ist zurückversetzt von der Traufe. Sie steht also nicht auf der Fassade.
    Wohndacherker: von der Breite und Befensterung her offensichtlich zum Wohnen gedachte Dacherker, wie bei Egidienplatz 35-37.
    Spitzdacherker: darunter fallen die Wohndacherker im Stil von oben. Auch Aufzugserker können aber ein Spitzdach haben. Im Historismus war das ein sehr beliebtes Motiv.
    Spitzdachgaube: die beiden kleinen Gauben zwischen den Wohndacherkern oben.

  • Das Thema mit zwei Zwerchhäusern über den Hausecken wie bei Theresienstr. 2 wäre durchaus interessant. Eigentlich ist es ein Motiv, das für München ganz typisch ist, und weniger für Nürnberg. Es sind mir auch schon einige solcher Gebäude aufgefallen.

    Danke für die Erläuterungen. Dann mache ich das demnächst mal. Erinnert hat es mich auch an München, allerdings schauen die dort nochmal anders aus:

    https://www.denkmalschutz.de/fileadmin/media/Bilder/Objekte/BY/ID5070_Nr1380.jpg

    Für hier hätte ich noch die Königstraße 55 (Haus Glockenstuhl) anzubieten. Einmal vor 1860 und einmal um 1880. Die Umgestaltung des Hauses sieht sehr nach Heideloff aus:

    Ab 1889 wurde dann durch einen massiven Umbau (Neubau?) das Hotel Deutscher Kaiser daraus: