Nürnberg - Blendarkadengiebel in der Altstadt

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    Blendarkadengiebel an Adlerstr. 14 im Jahr 2009. Zwischenzeitlich restauriert und erdrot / weiss gestrichen.


    Seit geraumer Zeit beschäftigen mich die Blendarkadengiebel in der Altstadt. Ich hatte hierzu mal ein bisschen an einem nicht mehr existierenden Giebel am Theresienplatz 'gepröbelt', um hinter das Geheimnis seiner Geometrie zu kommen. Heute existieren leider nur noch sehr wenige solcher Giebel, und oft sind diese auch nicht mehr vollständig.

    Auf historischen Fotos findet man einige weitere Giebel, und so sollte eine genügende Anzahl zusammenkommen, um sich mit ihrer Entstehung und Gestalt auseinandersetzen zu können. Spannend sind die Vergleiche dieser Giebel untereinander, um so etwa eine Verwandtschaft ausmachen zu können. Viele Giebel sind oder waren nicht mehr vollständig, insbesondere was die filigranen Fialen betrifft. Vielleicht gelingt es, das ursprüngliche Aussehen dieser Blendarkadengiebel zu rekonstruieren und mehr über ihre Entwicklungsgeschichte zu erfahren.

    In der Renaissance und im Frühbarock veränderte sich das Gesicht der Ziergiebel massiv. Die Giebelkonturen erhielten runde Formen wie Voluten, Schweifformen, Schnecken, Muscheln etc. . Auch an den Fassadenflächen wurden ganze Architekturen geschaffen, die dann vor allem im Barock zugunsten glatter Wandflächen allmählich verschwanden. Die Vielfalt dieser Giebel ist einiges grösser als jene der Blendarkadengiebel, weshalb ich mich hier auf Letztere beschränken möchte. Die Vorbilder von spezifischen Architekturelementen findet man meistens bei kirchlichen und öffentlichen Bauten. Diese habe ich in Nürnberg zwar noch nicht offensichtlich gefunden, aber wenn man das Wesen dieser Giebel besser versteht, findet man ihre Vorbilder wohl leichter. Nah verwandt war sicher der Giebel der Moritzkapelle, und auch an der Frauenkirche am Hauptmarkt gibt es verwandte Elemente.


    Doch nun zu meinem ersten Versuch bei Theresienplatz 1:

  • Bevor ich weitere Giebel mit Bildern vorstelle, lasse ich zuerst eine Adressliste folgen, wo solche Giebel bestehen oder bestanden. Die Liste wird laufend erweitert bei Neuentdeckungen. Die noch bestehenden Giebel sind fett hervorgehoben.

    - Adlerstr. 14 (gemäss Denkmälerliste 15. Jh.)
    - Adlerstr. 28
    - Albrecht-Dürer-Platz 4a, Rückgebäude am Halbwachsengäßchen
    - Albrecht-Dürer-Str. 1 (frühbarock überformt)
    - Burgstr. 8
    - Burgstr. 19
    - Füll 18
    - Josephsplatz 6
    - Kaiserstr. 23
    - Kaiserstr. 25
    - Karlstr. 11
    - Karolinenstr. 6
    - Karolinenstr. 12
    - Königstr. 32
    - Lorenzer Platz 3
    - Obstgasse 2 (Seite Hauptmarkt)
    - Schulgässchen 3 (Reste in Brandgiebelwand?)
    - Theresienplatz 1
    - Theresienplatz 8 (neugotisch, Heideloff)
    - Theresienstr. 10
    - Tucherstr. 8
    - Untere Krämersgasse 4
    - Untere Talgasse 3
    - Weinmarkt 2 (gemäss Denkmälerliste 2. H. 15. Jh.), Teil 2
    - Weinmarkt 12
    - Winklerstr. 29

  • '15. Jahrhundert' liest man überall im Zusammenhang mit diesen Blendarkadengiebeln. Ein genaues Datum ist aber nirgendwo bekannt. Könnte auch das 14. Jahrhundert in Frage kommen? Ich weiss es selber nicht, und deshalb möchte ich diese Giebel mal miteinander vergleichen. Ich bin allerdings nicht so hoffnungsvoll, dass es gelingt, eine chronologische Reihenfolge zu erstellen, zumal die Anzahl der Giebel überschaubar klein und damit nicht repräsentativ ist. Beim Fachwerkbau in Nürnberg war dies anders.

    Im Vordergrund steht für mich vielmehr die Frage nach dem ursprünglichen Aussehen dieser Giebel. Einige davon waren nicht mehr vollständig, insbesondere was die Bekrönungen der einzelnen Stufen betrifft.


    Weinmarkt 2


    Dies ist heute auch bei Weinmarkt 2 der Fall. Die Lisenen und Blendarkaden bestehen aus Backstein, während die Rücklagen verputzt sind. Auf Höhe der Dachhaut sind die ursprünglichen Treppenstufen wohl später abgeschrotet worden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der heutige Zustand dem ursprünglichen entspricht.

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    Weinmarkt 2 im Jahr 2017. Quelle: Wikimedia Commons, by Tilmann2007.
    Gemeinfrei unter Creative-Commons-Lizenz 4.0. Vergrösserung.


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    Weinmarkt 2 vor 1945. Ausschnitt aus einer Ansichtskarte mit dem Sebalder Pfarrhof. Stoja-Verlag.

    Der Giebel wurde 1945 nur an der Spitze oben beschädigt, obwohl das Haus ab dem 2. Obergeschoss ausbrannte. Auch sehr alte Fotos zeigen den Giebel so, wie er sich heute präsentiert. Die Abschrotung der Stufen und allfälligen Aufsätzen fand also bereits vor 1900 statt.

    Im Gegensatz zur verputzten Lisenengliederung bei Adlerstr. 14 besteht sie bei Weinmarkt 2 aus Sichtbackstein. Bei den Blendarkadenbogen handelt es sich nicht um gemauerte Spitzbogen, sondern um pyramidenförmige Abschlüsse mittels zwei schräggestellter Backsteine. Gleich wie bei Adlerstr. 14 ist die mittlere Lisene breiter als die restlichen.


    Tucherstr. 8


    mi07687d10b.jpg
    Tucherstr. 8, 1943/45 zerstört. Vergrösserung.
    Quelle: bildindex.de mi07687d10.

    Des guten Zustands wegen vermute ich, dass die Fassaden in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts eine sorgfältige Restaurierung erfuhren. Dennoch ist sie kein Beweis, dass der Giebel noch sein ursprüngliches Gesicht - mutmasslich aus dem 15. Jahrhundert - zeigte. Sogar der Dacherker wiese eine Gliederung mit Blendarkaden auf. Im Gegensatz zu den ersten beiden Beispielen standen auf den Stufen gemauerte Fialen mit zeltdachförmigen Abschlüssen. Auch war die mittlere Lisene nicht breiter als die andern Lisenen. (Dieses Gebäude wäre einer meiner Lieblingsrekonstruktionskandidaten.)

  • Ich denke nicht, dass das eine Mode war. Es war einfach eine frühe Art von Denkmalpflege, siehe Viollet-le-Duc und C. A. Heideloff. Und deshalb interessiert es mich, welche dieser Blendarkadengiebel um die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine 'Rekonstruktion' erhielten und welche noch ihr originales Aussehen hatten. Allfällig jüngere Rekonstruktionen wären uns aufgrund des umfangreichen Bildmaterials sicher bekannt, aber es kommt mir keine in den Sinn.

    Zwei solcher frühen Giebelumformungen streiften wir ja bereits, siehe hier (ab dem 4. Bild) und hier (gerade das erste vorgestellte Haus).

  • Dann stelle ich doch gleich das zweite Beispiel eines Hauses mit einer Giebelumgestaltung im 19. Jahrhundert vor, die Mohrenapotheke an der Königstr. 32 (das erste vorhin genannte Beispiel betrifft keinen Blendarkadengiebel):


    Königstr. 32


    Konigstr.-32-Mohren-Apotheke-1940.jpg
    Mohrenapotheke, Königstr. 32 und Nr. 28/30 um 1920/40. Quelle: Google Arts & Culture, Staatliche Bildstelle Berlin.

    Bei diesem Gebäude vermutete ich aufgrund des Hauszeichens und den beiden nebenan liegenden Fensterstürzen mit Kielbogenornamentik eine neugotische Umgestaltung, die auch den Giebel betroffen haben könnte. Und tatsächlich, auf einem älteren Bild von Frederic sieht man das Haus rechts angeschnitten noch ohne diese beiden Zutaten:

    Königstraße 38-32 vor 1881:

    K-nigstra-e-38-36-34-32-vor-1881-Im-Wandel-Seite-64-Abb-49.jpg

    Quelle: Im Wandel

    Stattdessen bestand eine glatte Fassade bis zum Giebelansatz. Auch der Treppengiebel war hier 'abrasiert' und erhielt erst später effektiv eine Rekonstruktion. Von C. A. Heideloff scheint diese 'Rekonstruktion' nicht mehr zu stammen, denn er starb 1865. An eine Falschdatierung von '1881' glaube ich kaum, denn Fotos vor 1865 sehen anders aus.

    Vom Giebel erkennt man nur fassadenbündige Lisenen und oberhalb einer Abschrägung die Rücklagen. Über alles erstreckte sich ein einheitlicher Verputz. Bei der 'Rekonstruktion' brachte man unterhalb des Giebelansatzes ein breites, vorstehendes Band an, wie ich es von keinem andern Haus kenne. Die Stufen mit Absetzungen und Fialen unter Zeltdächlein hatten ihr Vorbild wahrscheinlich von Theresienplatz 1 und Tucherstr. 8 (falls es sich hier nicht auch um eine Rekonstruktion handelte). Die mittlere Lisene war ebenfalls breiter als die andern, verjüngte sich aber auf halber Höhe des Giebels. Zusätzlich sassen in ihm noch zwei Aufzugsöffnung, die eine Asymmetrie erzeugten. Das Backsteinmauerwerk des Giebels und das Sandsteinquaderwerk der Vollgeschosse wurden damals vom Verputz befreit.

    Mit dem Giebel müsste man sich mittels Quellenstudium und weiterer Abbildungen beschäftigen, um die Veränderungen bezüglich des ursprünglichen Zustands zu verifizieren. Das Haus wurde 1943/45 zerstört.

  • Ich habe noch etwas Neues für die Liste. Das Rückgebäude von Albrecht-Dürer-Platz 4a im Halbwachsengäßchen. Der Giebel lt. F.T. Schulz vom Ende des 15. Jahrhunderts.

    Zustand 1904:

    Albrecht-D-rer-Platz-4a-Giebel-1904-II.jpg

    Zustand 1911 (es wurden die Backsteine freigelegt und die barocken Urnen aus gebranntem Ton entfernt):

    Albrecht-D-rer-Platz-4a-Giebel-1911-N-rnbergs-B-rgerh-user-u-i-A-Seite-334-Abb-448.jpg

  • Mit dem Giebel müsste man sich mittels Quellenstudium und weiterer Abbildungen beschäftigen, um die Veränderungen bezüglich des ursprünglichen Zustands zu verifizieren. Das Haus wurde 1943/45 zerstört.

    Die Datenbank Topo N des Stadtarchivs geht leider nicht explizit auf den Giebel ein. Allerdings gab es 1898 eine umfassende Fassadensanierung, bei der ich annehme, daß auch der Giebel rekonstruiert wurde. Jedenfalls zeigt ein Foto von 1900 bereits die bis zum Untergang bestehende Gestaltung.

    Zu finden war jedoch eine - leider recht kleine - Zeichnung von J.A. Boener aus dem Jahre 1716:

    Inwieweit man sich auf deren Details verlassen kann, kann ich nicht beurteilen. Allerdings diente diese Zeichnung wohl als Vorlage für die Rekonstruktion des Chörleins 1890, das in den 1830er Jahren entfernt worden war.

  • Es ist schwer zu sagen, ob die Zeichnung als Vorbild für die Rekonstruktion des Giebels gedient hatte. Ich sehe keine grosse Übereinstimmung. Es ist aber interessant, zu sehen, dass die Lisenen auf ihrer ganzen Höhe nicht unterbrochen waren, so wie bei Tucherstr. 8 auch.

    Bei Theresienplatz 1, Adlerstr. 14 und Weinmarkt 2 bestanden auch zwischen den Lisenen Blendarkaden, nicht nur bei den Giebelstufen.

    Das Rückgebäude von Albrecht-Dürer-Platz 4a (ich habe es in der Liste noch ergänzt) ist da wie ein Zwittter: zwischen den Lisenen einzelne Blendarkaden, nicht aber bei den Giebelstufen. Dieser Giebel scheint aber eine Abänderung erfahren zu haben, indem zwei Aufzugsöffnungen angebracht wurden, die zudem nicht genau in der Mittelachse angeordnet sind. Das nachträgliche Ausbrechen von Aufzugsöffnungen in dickerem Mauerwerk kann man bei einigen weiteren Blendarkadengiebeln (Lorenzer Platz 3, Karolinenstr. 6) feststellen. Bilder dazu folgen gelegentlich.

    Somit sind bereits drei Unterarten von Blendarkadengiebeln mit Lisenen bekannt: Blendarkaden nur am Dachort bei den Giebelstufen, Blendarkaden nur zwischen den Lisenen, Blendarkaden am Dachort und zwischen den Lisenen. Man muss aber im Auge behalten, dass die Giebel nicht mehr ihr ursprüngliches Gesicht zeigten.

    Passend zu Albrecht-Dürer-Platz 4a war der Giebel von Untere Krämersgasse 4, die fast benachbart waren:


    Untere Krämersgasse 4


    Untere-Kramersgasse-4-Ellenbogengasschen.jpg
    Untere Krämersgasse 4. Die Gasse führte links am Haus vorbei, und
    durch den Bogen rechts gelangte man ins Ellbogengässchen.
    Bildherkunft: https://raumzeichner.de/haus-eckstein-in-nuernberg/

    Der Giebel war nur durch Lisenen gegliedert, wobei die mittlere wieder breiter war als die andern. Sie schlossen oben mit einer Pyramiden-oder Zeltdachform ab. Blendarkaden fehlten völlig. Das wäre dann ein vierter Typ: Lisenengiebel. Dadurch entsteht der Eindruck von vorgeblendeten 'Kerzen'. Lisenen, die wie vorgeblendete 'Kerzen' wirkten, gab es auch bei frühen Renaissancegiebeln, allen voran am Toplerhaus. Möglicherweise war das eine Weiterentwicklung aus den gotischen Lisenengiebeln:


    Ak-Toplerhaus-I.jpg
    Das Toplerhaus von Osten. Ungelaufene Ansichtskarte um 1900/1910. Verlag Hermann Martin, Nürnberg.

  • An der Verbindung 'Köpfleinsberg' von der Kaiserstrasse zur Adlergasse hinauf existierten gleich drei vier Bauten mit Ziergiebeln. Kaiserstr. 25 und Adlerstr. 28 wiesen gotische Blendarkaden auf, während Adlerstr. 22 einen Giebel mit einer Renaissancegliederung besass. Edit.: Auch das vierte Eckhaus, Kaiserstr. 23 besass einen Blenarkadengiebel; s. nächsten Beitrag.


    Kaiserstr. 25


    Kaiserstr.-25-1910.jpg
    Kaiserstr. 25 vor dem Abbruch um 1910.

    Das Haus besass einen Giebel mit einer besonders regelmässigen Blendarkaden- und Lisenengliederung. Allerdings dürften auch hier die einstigen Giebelstufen abgeschrotet worden sein. Immerhin bestand aber über der Dachhaut noch ein Überstand mit geradem Abschluss. Die Eisenveranda und die kielbogige Vertiefung, in welcher der Erker sass, haben möglicherweise die Handschrift Heideloffs oder sonst eines Neugotik-Architekten. Somit muss man rechnen, dass auch der Giebel eine tiefgreifende Restaurierung erfahren haben könnte.

    Die mittlere Lisene ist wieder breiter als die andern, und die Kanten aller Lisenen sind gefast. Die Blendarkaden sitzen auf abgetreppten Konsolen auf, die knapp über dem Scheitelpunkt der Rundbogenfenster aus der Wand wachsen. Auf Blendarkadenhöhe erkennt man Maueranker. Die Giebelkontur beginnt mit zwei 'Schultern' mit Löwen(?)masken und endet in einem quadratischen Turmaufsatz. Der ganze Giebel war verputzt.


    Adlerstr. 28


    Adlerstrasse-I.jpg
    Die Adlerstrasse um 1870/80. Rechts mit schräggestelltem Ecktürmchen am 1. Dachgeschoss Adlerstr. 28.

    Auch der Giebel von Adlerstr. 28 war verputzt. Er bestand aus Lisenen, die miteinander auf Kehlbalkenhöhe durch einzelne Blendbogen verbunden waren. Am 1. Dachgeschoss waren diese rundbogig, und am 2. und 3. Dachgeschoss stichbogig. die äussersten Bogen, welche die Dachhaut überragten, bestanden aus einem Spitzbogen. Die Giebelkontur war mit kleinen Treppenstufen mit aufgesetzten Vasen(?) unterbrochen. Die Stufen sassen aber nicht über den Lisenen, sondern über den äussersten Blendbogen. Ob der Eckerker eine spätere Zutat war, kann hier nicht beurteilt werden. Jedenfalls standen wegen ihm die beiden äussersten Lisenen näher beieinander. Die Form der Giebelkontur steht bis jetzt allein da. Das Haus wurde nach einer Teilzerstörung nach 1945 vereinfacht wieder aufgebaut.


    Lorenzer Platz 3


    Lorenzer-Platz-Wikipedia.jpg
    Lorenzer Platz 3, Bankgasse 8 und 6. Bildherkunft: Wikipedia.


    Lorenzer-Platz-3-Google-Arts--Culture.jpg
    Lorenzer Platz 3, Südfassade um 1920/40. Bildherkunft: Google Arts & Culture / Staatliche Bildstelle Berlin.

    Durch mehrfache Umbauten hatte der Giebel von Lorenzer Platz 3 ein altertümliches Gepräge. Er wies Lisenen und Blendarkaden in Backstein und verputzte Rücklagen auf. In der Mitte wurde das Mauerwerk infolge Einbaus von Aufzugsöffnungen ohne Rücksicht auf die Liseneneinteilung verstärkt und später ein zweites mal verändert, wie man an den zugemauerten Öffnungen sehen kann. Wahrscheinlich wurde der viergeschossige Dachstuhl in einen dreigeschossigen abgeändert, weshalb die Öffnungen angepasst werden mussten.

    Die Rücklagen werden oben durch Spitzbogenpaare abgeschlossen, wobei sie sich auf aus der Wand herauswachsenden, treppenartigen Konsolen abstützen. Es ist bemerkenswert, dass die Konsolen nicht regelmässig ansteigen, sondern zuerst einen grossen Höhensprung machen, dann einen kleinen, dann nochmals einen höheren und kleineren. Es ist anzunehmen, dass einst über jeder Rücklage Spitzbogenpaare bestanden, von denen jedes zweite anlässlich einer Abschrotung der Giebelkontur zum Opfer fielen. Ein skizzenmässiger Rekonstruktionsversuch eines allfällig ursprünglich vorhandenen Treppengiebels ist nicht einfach zu bewerkstelligen.

  • Ich wollte eben etwas in meinen Ansichtskarten zur Adlerstrasse nachsehen, und dabei ist mir auf einer Ansicht aufgefallen, dass am Köpfleinsberg alle vier Eckhäuser Giebel mit einer architektonischen Gliederung aufwiesen, also auch die im vorangehenden Beitrag übersehene Karolinenstr. 23. Mit einem Bild von diesem Haus beginne ich diesen Beitrag (die Renaissance-Giebel wie denjenigen an Adlerstrasse 22 werde ich in diesem Strang nicht behandeln, da sie auf einem andern Konzept basieren. Sie wären es aber auch Wert, gesondert betrachtet und untereinander verglichen zu werden).


    Kaiserstr. 23


    Ak-Adlerstrasse-Kriegerdenkmal-1903-Ausschnitt-1.jpg
    Köpfleinsberg mit dem Kriegerdenkmal, Blick von der Adlerstrasse zur Kaiserstrasse, also genau in entgegengesetzter Richtung wie das erste Bild im vorangehenden Beitrag. Links Kaiserstr. 23 und rechts Adlerstr. 22. 1903 gelaufene Ansichtskarte, Verlag Dr. Trenkler&Cie, Leipzig.

    Der Giebel von Kaiserstr. 23 hatte sicher auch schon einige Veränderungen erfahren, zum Beispiel der Bau eines Kamins entlang der Innenseite der Giebelfassade und die Anhebung der rechten Dachfläche. Ein Detail ist mir schon bei Lorenzer Platz 3 aufgefallen, weshalb ich einen Bildausschnitt vergrössert und entzerrt habe:


    Ak-Adlerstrasse-Kriegerdenkmal-1903-Ausschnitt-2.jpg
    Blendarkadengiebel von Kaiserstr. 23. Ausschnitt aus der Karte oben.


    Ak-Adlerstrasse-Kriegerdenkmal-1903-Ausschnitt-2x.jpg
    Entzerrter Ausschnitt mit dem Blendarkadengiebel von Kaiserstr. 23.

    Der Giebel zeigt eine regelmässige Lisenengliederung mit Spitzbogenpaaren als oberen Abschluss der Rücklagen. Jede zweite Rücklage zeigt aber nur noch die abgetreppte Konsole abgegangener Spitzbogenpaare, genau wie bei Lorenzer Platz 3! Am 2. Dachgeschoss rechts sieht man aber ein weiteres Spitzbogenpaar ohne in der Höhe versetzte Spitzbogen, das genau an einer Stelle sitzt, wo die Spitzbogenpaare sonst fehlen. Das könnte ein hilfreicher Hinweis für eine zeichnerische Rekonstruktion sein, insbesondere für eine allfällige Treppengiebelkontur, was ich sie mir bei Lorenzer Platz 3 noch nicht vorstellen konnte.

    Der Kamin ist wohl nachträglich zwischen zwei Lisenen eingebaut worden, wobei ich mir den Aufwand nur schwer vorstellen kann, zuerst einen Schlitz aus der massiven Giebelwand auszubrechen und dann mit dem Kaminzug wieder zuzumauern. Die rechte Dachfläche hatte beinah unmerklich eine Anhebung erfahren, weshalb sich das 'Spitzbogenpaar ohne höhenversetzte Spitzbogen' rechts erhalten hatte. Dies geschah wohl anlässlich des Baus oder Höherbaus des zugehörigen Hinterhauses. Innerhalb des Giebels sind keine weiteren Blendarkaden auszumachen. Das Haus wurde 1943/45 zerstört.


    Karlstr. 11


    Karlstr.-1-vor-1919.jpg
    Karlstr. 11 um 1900.

    Diesem eigenwilligen Gebäude sind wir bereits in einer Beitragsreihe über den Gasthof 'zum Krokodil' begegnet. In den neusten Ausgabe der 'Nürnberger Altstadtberichte 48/2023' gibt es von Michael Taschner ab S. 43 eine Abhandlung über die historischen Pultdachhäuser. Gemäss ihr war die Existenz solch 'halber Häuser' in früheren Jahrhunderten nichts besonderes; jedenfalls gibt es nirgendwo Hinweise, dass breitere Häuser einmal halbiert wurden und die eine Hälfte durch einen Neubau ersetzt worden wäre.

    Die hauptsächlichste Veränderung geschah wohl im Barock, als die Fassade eine regelmässige Fensteranordnung und ein Chörlein erhielt. Dabei war der halbe Blendarkadengiebel wohl störend, und seine gegenüber den Vollgeschossen zurückversetzte Lage nutzte man aus, um einen neuen Fassadenabschluss aufzumauern, wonach der ursprüngliche Giebel optisch in den Hintergrund trat. Aber auch sein oberer Abschluss wurde wohl zurechtgestutzt, sodass die abschliessenden Blendarkaden und allfällige Fialen darüber fehlten. Das Haus wurde 1943/45 zerstört.


    Burgstr. 19


    Burgstr.-19-1641.jpg  
    Burgstr. 19 und rechts das heute noch existierende Hinterhaus an der Oberen Krämersgasse. Zeichnung von 1641 im Stadtarchiv.

    Auch dieses Gebäude wurde im oben erwähnten Artikel über die Pultdachhäuser behandelt. Wie Karlstr. 11 präsentierte es sich als 'halbes Haus', das zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert vorne aufgestockt wurde und fortan als traufständiges Haus erschien, bis es 1943/45 unterging.

    Das Giebeldreieck zeigte eine Lisenengliederung mit Spitzbogenpaaren unter abgesetzten Treppenstufen mit Fialen darüber als Abschluss. Die Giebelkontur folgte nicht der Schräge des Hauptdaches, sondern der Schräge des fassadenbündigen Schleppdacherkers, wodurch das Haus stattlicher erschien. Die rückwärtige Giebelwand war einfacher gestaltet: auch sie in Form eines 'Treppengiebels', dessen Stufen aus einzelnen Backsteinen gebildet wurden und aus Distanz nur als Linie erscheint (Backsteintreppengiebel). Diese Form eines Giebelabschlusses kann man bis mindestens ins 16. Jahrhundert beobachten (z. B. bei Obere Schmiedgasse 54/56). Zusätzlich standen zwei Fialen mit Zeltdächlein oben auf. Taschner benennt diese Fialen in seinem Artikel mit 'Giebelmännchen', einem treffenden Ausdruck, den man wohl auch für die sonst dazwischen stehenden Fialen verwenden darf.


    Karolinenstr. 6


    Karolinenstr.-6-Cafe-Kuschx.jpg
    Karolinenstr. 6. Aufnahme unbekannter Herkunft und Datierung.

    Einen markanten Giebel besass das 1943/45 zerstörte Haus Karolinenstr. 6. Es war oft als Hintergrundkulisse auf Aufnahmen mit dem Nassauer Haus zu sehen. Die Lisenengliederung mit gleichmässig ansteigenden Blendarkaden wird nur durch den Mauerpfeiler mit den Aufzugsöffnungen unterbrochen. Die Lisenen sind gegenüber der Fassadenfläche wie die Rücklagen zurückversetzt. Ihre Verlängerungen laufen über die Giebelkontur in Form von Giebelmännchen hinaus, wobei keine Stufen erkennbar sind. Sie schliessen mit einer Kugel ab. Möglicherweise wurde die Giebellinie nachträglich egalisiert, denn die Blendarkaden deuten unten einen einstigen Dachknick an.


    Karolinenstr.-6-und-2-Konigstr.-20-um-1875x.jpg
    Karolinenstr. 6. Ausschnitt aus einer Fotografie um 1875.

  • Das Haus habe ich gerade gestern Abend auch entdeckt, aber auf einem andern Weg. Ich suchte nämlich alle gespeicherten Zeichnungen und Stiche von Nürnberg nach Blendarkadengiebeln ab. Ich hatte mir mal die Mühe gemacht, alle Stiche des Nürnberger Künstlers Johann Adam Delsenbach (1687-1765), die im Netz zu finden waren, abzuspeichern. Und prompt bin ich auch auf dieses Gebäude gestossen. Es war aber die einzige Ausbeute. Heute steht dieses wundervolle Haus mit einem Aluminiumgiebel hier.


    Josephsplatz-Kornmarkt-Delsenbach-1715.jpg
    'Der Platz bey der Rosen genannt, am Kornmarckt in Nürnberg'. Kupferstich von J. A. Delsenbach 1715 mit der Ansicht des heutigen Josephsplatzes Richtung Weisser Turm.

    Vergleiche zwischen historischen Fotos und Zeichnungen/Stichen etc. sind immer sehr wertvoll, um die Genauigkeit von ihnen abzuschätzen. Während auf der Fotografie des Hauses Josephsplatz 6 ein abgeschroteter Giebel zu sehen ist, dessen Stufen wie bei Kaiserstr. 23 und Lorenzerplatz 3 nur über jeder zweiten Rücklage Spitzbogenpaare zeigen, zeichnete Delsenbach einen Giebel mit regelmässiger Blendarkadenfolge, aber ebenfalls ohne Stufen. Das Haus davor, Josephsplatz 4 zeigte auch Reste eines solchen Giebels, der aber barock überformt war.

    Nebenbei 1: Links sieht man die St. Salvator Kirche. Bei Recherchen nach ihr bin ich auf das Buch 'Nürnbergs untergegangene Baudenkmale' aus dem Jahr 1847 gestossen. Es ist eine sehr interessante Lektüre mit interessanten Bildern! Auf Seiten 27-32 wird St. Salvator behandelt. Die ehemalige Klosterkirche wurde 1817 zur Vergrösserung der benachbarten Post abgerissen.

    Nebenbei 2: Das zweite Haus rechts von St. Salvator (Josephsplatz 7?) besass ein Ecktürmchen und auch einen Giebel mit Stufen oder Aufsätzen. Die oben treppenartig abgeschlossenen Aufsätze gleich sehr denjenigen bei Königstr. 32, allerdings nicht den um 1890 rekonstruierten, sondern jenen auf der Zeichnung von J. A. Boener von 1716 (Abb. oben).

  • Detailzeichnungen von Einzelgebäuden um 1700 - und dann nicht gerade wenige. Eine Stadt kann sich glücklich schätzen, einen solchen Fundus zu besitzen! Und gerade wenn eine ganze Serie von Zeichnungen eines Künstlers vorhanden sind, können sie viel gewissenhafter auf ihren Wahrheitsgehalt erforscht werden. Jedenfalls habe ich einen sehr guten Eindruck über sie erhalten. Und es ist auch sehr positiv zu erwähnen, dass sie der Öffentlichkeit hochaufgelöst und mit einer Beschreibung zur Verfügung gestellt werden. frederic Du hast mir da wieder mal einige Stunden Studium beschert! :wink:

    Dieselben Bilder kann man auch auf folgendem Link sehen, bei dem die Navigation noch einfacher ist und die Bilder noch schneller geladen werden: https://www.bavarikon.de/object/bav:NSB-OBJ-00000BAV80012253

    Wikipediaseite zu Johann Alexander Boener.

    Dann möchte ich gerade das Bild von Weinmarkt 2 weiter oben zum Vergleich mit der Zeichnung von Boener nochmals einstellen, damit man die Unterschiede sieht:

    Ak-Sebalder-Pfarrhof-vor-1945x.jpg
    Weinmarkt 2 vor 1945. Ausschnitt aus einer Ansichtskarte mit dem Sebalder Pfarrhof. Stoja-Verlag.

    Sebalder-Pfarrhof-Boener-Ausschnitt.jpg
    Weinmarkt 2 nach J. A. Boener, 1702. Ausschnitt aus einem Stich vom Sebalder Pfarrhof.

    1702 gab es also noch Giebelmännchen, wobei über deren Detaillierung nichts erkennbar ist. Die Anzahl der Lisenen und Rücklagen unterscheidet sich sehr vom Bestand, aber immerhin hat er die mittlere Lisene wahrheitsgetreu breiter als die restlichen gezeichnet. Interessant sind die kleinen Felder oberhalb der Spitzbogenpaare entlang der Giebellinie, die heute infolge Abschrotung nicht mehr existieren. Ich möchte jetzt aber noch nichts hineininterpretieren, sondern diese Feststellungen einfach mal im Hinterkopf behalten, bevor ich die Blendarkadengiebel eingehender erforschen werde. Die Giebel mit ihrem filigranen Giebelschmuck waren zur Zeit Boeners bereits etwa zweieinhalb Jahrhunderte alt und bestanden damals möglicherweise auch nicht mehr alle im Ursprungszustand. Ich folgere daraus, dass die von Boener gezeichneten Giebel nicht eins zu eins als wahrheitsgetreue Darstellungen betrachtet werden dürfen. Sie können wohl aber interpretiert werden.

    Dann folgt gleich eine weitere Probe auf's Exempel:


    Obstgasse 2, Seite Hauptmarkt


    Das links (nördlich) von der Frauenkirche am Hauptmarkt stehende Gebäude Obstgasse 2 ist auf sehr vielen Ansichten zu sehen. Das Haus besass vier Vollgeschosse und vier Dachgeschosse. Sein breiter Westgiebel war dem Hauptmarkt zugekehrt und war mit Lisenen gegliedert, die über der Giebellinie in Männchen ausliefen. Blendarkaden gab es nur an der Giebelspitze.


    Ak-Hauptmarkt-1910-Ausschnitt.jpg
    Hauptmarkt mit Obstmarkt 2, im Vordergrund der Neptunbrunnen. Ausschnitt aus einer 1910 gelaufenen Ansichtskarte, Soldan'sche Verlagsbuchhandlung Nürnberg.

    In einer Schrägansicht sieht man, dass die Giebelfassade einen Versatz aufwies, der sich bis zur Giebellinie hinauf fortsetzte. Dieser verleihte der Fassade eine Asymmetrie, was eine regelmässige Lisenenarchitektur erschwerte. Die Fassadenpartie am ersten Dachgeschoss war möglicherweise in dickerer Mauerstärke einmal ersetzt, aber nicht bis zur Giebellinie hinaus geführt worden. In einer Frontalansicht sieht man den architektonischen Aufbau und die allfälligen Veränderungen besser:


    Ak-Hauptmarkt-1936-1904-Ausschnitte.jpg
    Links Ausschnitt au einer 1938 gelaufenen Ansichtskarte aus dem Verlag P. Janke, Nürnberg. Rechts Ausschnitt aus einer 1904(?) gelaufenen Ansichtskarte aus dem Kunstverlag H. Martin, Nürnberg.

    Die Lisenen, die über der Giebellinie in Giebelmännchen ausliefen, bildeten neben den drei Giebelstufen am First den einzigen Schmuck. Die mittlere Lisene war wiederum breiter als die andern. Die Giebelmännchen jeweils links und rechts standen nicht auf gleicher Höhe, wohl infolge der erschwerten regelmässigen Anordnung im Fassadenversatz. Blendarkaden gab es nur in den Giebelstufen. Der Giebel ist vergleichbar mit jenem von Untere Krämersgasse 4 und - abgesehen von den Blendarkaden innerhalb der Giebelfläche - jenem am Rückgebäude von Albrecht-Dürer-Platz 4a. Zeitlich zwischen beiden Aufnahmen erfolgte eine Fassadenrenovation, bei der das Quadermauerwerk der Vollgeschosse vom Verputz und Schlämme freigelegt und die Giebelstufen mit Abschrägungen versehen wurden. Die Partien der Lisenen auf Fensterhöhe bestanden offenbar aus Sandstein anstatt aus Backstein (auf der linken Aufnahme sehen diese wie Fensterläden aus).

    Und nun zu einer Ansicht Boeners:

    Hauptmarkt-gegen-Norden-Boener-Ausschnitt.jpg
    Ausschnitt aus einer Ansicht der Nordseite des Hauptmarkts um 1700, J. A. Boener.
    Quelle: https://online-service.nuernberg.de/viewer/fullscreen/06113056/77/

    Obstmarkt 2 ist ganz am rechten Rand festgehalten, weshalb Boener auf die Exaktheit des Abbildes vielleicht weniger Wert legte als auf die Bauten im Bildzentrum. Am Giebel sind keine Lisenen gezeichnet, wohl aber Giebelmännchen in unregelmässiger Anordnung. Dafür ist der Fassadenversatz bis in den Giebel hinauf gezeichnet. Eine zweite Linie links davon lässt eine Partie wie mit dickerem Mauerwerk gemauert erscheinen, so wie wir es bei Lorenzer Platz 3 und ein paar weiteren Bauten gesehen haben. Solches scheint aber nie bestanden zu haben, wie man auf den Fotos sehen kann. Eine Teilrekonstruktion zur Mitte des 19. Jahrhunderts, bei der diese Mauerpartie wieder entfernt worden wäre, ist theoretisch möglich. Auf dem First sass ein Vogel, der sich vielleicht auf den Hausnamen bezog. Weiss jemand den Hausnamen?

    Neben dem Giebel ist noch das zweite Chörlein links vom barocken Chörlein erwähnenswert. Es entstand wohl bereits zur Bauzeit des Hauses etwa im 15. Jahrhundert. Im 18./19. Jahrhundert wurde dieses gotische Chörlein abgebrochen. Auf der linken Frontalansicht oben sind im Mauerwerk keine Spuren von ihm ersichtlich. Es scheint, das zu jener Zeit die Fassaden einer grösseren Renovation unterzogen wurden. Auch an der Giebellukarne über der Südfassade sieht man Teile (Fialen und die Fensterrahmung) in neugotischem Stil.

  • Außer dem eher neumodischen Namen Eisenbachhaus, kann ich leider bzgl. dem Vogel nichts beitragen. Allerdings habe ich noch drei aufschlußreiche Bilder gefunden:

    Aus dem Stromerschen Baumeisterbuch um 1600:

    Stromersches-Baumeister-Buch-149.png

    Lucas Schnitzer 1671:

    SCHNITZER-Lucas-Hauptmarkt-montiert-Gr-A-o-Nr-ausschnitt3.png

    Auf beiden sind volutenförmige Elemente zwischen den Lisenen zu sehen. Und diese gab es doch tatsächlich 1885 noch:

    Stadtarchiv-N-rnberg-A-47-I-Nr-KS-125-5.jpg

  • Kaum zu glauben, wie dieser Giebel im späten 19. Jahrhundert noch ausgesehen hat, weil man nur immer Fotos ab 1900 zu Gesicht bekommt. Man ist bei Nürnberg einfach 'auf Mittelalter getrimmt' und hat den Giebel immer mit den Giebelmännchen vor Augen.

    Der Zustand mit den Voluten und Kugeln könnte ab 1600 erfolgt sein und zeigt Parallelen zum 1590/91 errichteten Toplerhaus. Auch der Dreiecksgiebel zuoberst passt dazu. Dennoch vermute ich, dass der Giebel ursprünglich anders aussah, wenn man die beiden Blendarkadenpaare oben betrachtet. Sie waren wohl der letzte Rest des ursprünglichen, gotischen Giebels.

    Beachtenswert bezüglich des Giebels sind noch folgende zwei Ansichten aus dem Wikipedia-Artikel über den Hauptmarkt:
    Nürnberger Gesellenstechen 1561
    Der Markt zu Nürnberg 1594
    Dort sind nochmals andere Zustände festgehalten... Aber ich möchte hier nicht jetzt schon eine ganze Abhandlung über diesen Giebel schreiben.

    Es ist überhaupt interessant, dass in Nürnberg eine lange Tradition des Auf-Mittelalter-trimmens und Rekonstruierens bestand, begonnen mit C. A. Heideloff in den 1820er Jahren, fortgesetzt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts u. a. durch Friedrich Wanderer und dann bis in die 1930er Jahre hinein. Also eine etwa 100-jährige Tradition. Dieser langenTradition sollte man mal in einer Nürnberger Zeitung einen grossen Artikel widmen. :biggrin::biggrin:

    Erwähnen möchte ich nochmals das 'Erker-Paar' (ein Begriff, den ich noch nie verwendet habe). Der gotische Erker sass nahe neben dem schrägen Fassadenversatz. Der Raum dazwischen wurde dann auch bis auf die Erkerfront hinausgezogen, sodass dort alles mit der vorderen Fassadenebene fluchtete. In der Zeichnung und im Stich sind die Auskragungen aber unterschiedlich dargestellt. Ebenso bestand vor dem barocken Chörlein offenbar ein trapezförmiges Chörlein von etwa 1600.