Frankfurt am Main - Fachwerkbauten

  • 2. Das Gasthaus "zum Roseneck" in der Literatur:


    Walter Sage, "Das Bürgerhaus in Frankfurt a. M." (Verlag Ernst Wasmuth, Tübingen 1959, S. 79f.)

    Zitat

    [...] Dieses Haus stand an dem kleinen "Roseneckplätzchen", das einst einen Teil des "Löherhofes" bildete. Der Löherhof gehörte, wie sein Name sagt, den Lohgerbern, die hier im Mittelalter ansässig waren, nicht nur drüben in Sachsenhausen, wo sich die Löhergasse am Main entlangzog. Das auch in der Gegend der Grossen und Kleinen Fischergasse Löher zu finden waren, hatte seinen Grund in den Wasserverhältnissen, denn noch im 15. Jahrhundert muss hier ein Bach von der Braubach her in den Main geflossen sein, in welchen er in der Gegend des Metzgertores einmündete.[...]

    Ein später kanalisiertes und aufgefülltes Bachbett ruft noch nach Jahrzehnten Setzungen an darüber und in der Nähe errichteten Bauten hervor. Eine starke Setzung ist im Bereich der Südfassade des "Rosenecks" bereits festgestellt worden, und könnte auf ehemals sumpfigen Boden hinweisen.

    Zitat

    [...] Die Überhänge des zweiten Stockes ruhen dagegen auf hölzernen Knaggen, die aber nicht mehr die einfache "gotische" Form zeigen, sondern als Voluten gebildet sind, die oben unter dem Deckprofil in einem Kopf enden. Die Seitenflächen der Voluten sind offenbar mit Beschlagwerk verziert, die Stirnflächen geschuppt. Ihre Anordnung entspricht noch der althergebrachten Weise, an den Ecken sitzen je drei Knaggen. [...] Weiterhin war nach Reiffensteins Beschreibung Schnitzerei an den Eckpfosten vorhanden, von der wir nichts mehr sehen können. Auf einem der Eckpfosten befand sich eine Rose mit der Inschrift "Zum Roseneck", auf einem anderen die Jahreszahl 1545, was die Datierung des Hauses sichert, auch wenn wir sie an Einzelformen nicht mehr nachprüfen können.

    Demnach dürfte sich das Fachwerk sehr von den bisher behandelten "gotischen" Fachwerkbauten wie Alter Markt 31 und 33, Grosse Fischergasse 18 und Kleiner Kornmarkt 19 unterschieden haben, da diese noch keine beschnitzten Balken und Knaggen aufwiesen. Vielmehr gehört es in die Epoche bspw. des 1562 errichteten "Engels" am Samstagsberg.


    abb-roseneck-sage.jpg
    (Abbildung aus W. Sage)


    Der Eckpfosten mit der Rose und der Inschrift "Zum Roseneck" ist auf einer Abbildung im ersten Beitrag zum Haus abgebildet:

    akrosen5axx.jpg
    Ansichtskarte (Ausschnitt aus der Seitenfassade), M. Jacobs,
    Postkartenverlag Frankfurt a. M., 1940 gelaufen.

    Allerdings erkennt man auch die Zahl "87", welche am ehesten mit "1587" gelesen werden darf. Ob sie eingeschnitzt oder nur aufgemalt war, ist nicht festzustellen. Weiter gibt Sage in der Beschreibung Reiffensteins wieder, dass sich "auf einem anderen Eckposten die Jahreszahl 1545" befand. Eine genauere Erklärung kann ich hierzu nicht anbieten; jedenfalls ist das Pendant des Eckpfostens auf der Südseite nirgends genauer abgebildet, wo man das allenfalls noch nachprüfen könnte (dies war der einzige Pfosten neben dem Abgebildeten, der auch freigelegen gewesen sein könnte).

    Zitat

    Schliesslich hat das Haus noch einen geschweiften Giebel, der dem von Römerberg 15 gleicht. Er ist zweigeschossig und liegt mit dem dritten Obergeschoss in einer Fläche. Wegen der Verschieferung ist von seiner Konstruktion nichts zu sehen, aber allein die Umrisslinie genügt, um ihn für recht früh zu halten. [...] Typisch für die Entstehung des Butzbacher Giebels [auf das Beispiel des Butzbacher Rathausgiebels kam Sage ausserhalb der hier zitierten Textteile zu sprechen] erscheint mir ferner, dass der geschwungene Umriss nicht durch angesetzte Randbretter, sondern noch durch vollständige Fachwerkkonstruktionen erreicht wird. Ähnlich müssen wir uns die Konstruktion des Giebels hier am "Roseneck" und am Haus Römerberg 15 (das übrigens auch einen kleinen Krüppelwalm besass) vorstellen.

    Die Arbeit von Sage darf heute noch als das Standardwerk über die Frankfurter Fachwerkbauten angesehen werden. Da er für die Typisierung und Datierung der Bauten nicht mehr auf das Fachwerk zurückgreifen konnte, stützte er sich vor allem auf die Betrachtung der oft unveränderten Erdgeschosse, oder auf die Umrissformen der geschweiften Giebel.

    Seine Ausführungen zur speziellen Form des Giebels am "Roseneck" haben etwas an sich; darauf möchte ich später detailliert zurückkommen. Diese haben mich seinerzeit veranlasst, mich mit den geschweiften Giebel Limburgs genauer zu beschäftigen (s. APH-Beitrag Teil 3, "Giebelkunde", wo ich beim Beispiel Salzgasse 21 Bezug auf das Roseneck genommen habe). Der Kernpunkt Sages Aussage ist der, dass sich der Umriss des Giebels "aus zwei einfachen steilen Kreissegmentbögen zusammen [setzt], die genau an der Grenze zwischen erstem und zweitem Giebelgeschoss in stumpfem Winkelzusammentreffen". Die gewohnten Frankfurter Giebel bestanden aber in ihrer Blütezeit im 17. Jahrhundert fast ausschliesslich aus s-förmigen Umrisslinien, welche anfänglich die Geschosstrennung betonten, und in der Spätform mehr und mehr verflachten.


    Hans Lohne, "Frankfurt um 1850", Nach Aquarellen und Beschreibungen von Carl Theodor Reiffenstein (Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt a.M. 1967, S. 182f.)

    Schon der Künstler Reiffenstein hat diesem Haus einige kurze Notizen gewidmet (1877):

    Zitat

    15. Oktober 1877
    Ein Haus, das bis vor einigen Jahren noch beinahe ganz in seinem Originalzustande erhalten war, wie die verschiedenen Abbildungen zeigen, mit ziemlich reicher Holzschnitzerei und vortrefflicher Steinhauerarbeit...
    Früher, das heisst in den dreissiger Jahren, befand sich in den unteren Räumen ein Wirtschaftslokal, das von uns als Künstlerkneipe benutzt wurde, und worin wir mit die behaglichsten und vergnügtesten Stunden verbrachten. Durch wahrscheinliche Veränderung des Giebels sowie auf vielfache Anstriche hat das Haus seinen eigentümlichen Charakter eingebüsst...

    Was Reiffenstein mit "verschiedene Abbildungen" meint, geht leider nicht hervor. Vielleicht gibt es in den diversen Archiven Frankfurts tatsächlich historische Abbildungen, welche noch nicht publiziert worden sind. Und was meint er wohl mit "das bis vor einigen Jahren noch beinahe ganz in seinem Originalzustande erhalten war"? Etwa mit sichtbarem Fachwerk? Jedenfalls war das "Roseneck" auch noch im Zeitalter der Fotografe eines der urtümlichsten Häuser in der Altstadt. Auch die Passage mit "wahrscheinliche Veränderung des Giebels sowie auf vielfache Anstriche" ist unklar. Meint er den geschweiften Giebel, der durch seine altertümliche Form auf den Künstler weniger kunstvoll und zierlich wirkte wie die meisten anderen Giebel? Oder meinte er allenfalls die beiden Zwerchhäuser? Die "vielfachen Anstriche" könnte ich mir höchstens dadurch erklären, dass damals das Fachwerk noch unverputzt war, aber durch mehrfache Kalkschlämmen über die Balken und Putzfelder nur noch schwach erkenntlich.


    abb-roseneck-reiffenstein.jpg
    "Plätzchen am Roseneck", das Roseneck am rechten Bildrand. Aquarell von Carl Theodor Reiffenstein, undatiert (19. Jh.), publiziert im hier angegebenen Buch.


    Dreysse Architekten, "Spolien der Frankfurter Altstadt" (Stadt Frankfurt am Main, ca. 2009):

    (edit. 8.5.2015: Bericht nicht mehr online verfügbar)

    Im Kapitel "Spolien in Privatbesitz" sind sechs Werkstücke aufgeführt:
    - 3 Konsolen mit Löwenkopfen
    - 2 Konsolen mit Männerköpfen
    - 1 Eckkonsole (zweiteilig)


    Ansichtskarte, rückseitiger Text (keine Verlagsangabe, 1943 gelaufen)

    Die Karte, die als Werbekarte herausgegeben wurde, ist als zweitletztes Bild zum Einführungstext zum Roseneck abgebildet. Es scheint, dass die beiden Häuser bei der letzten Renovation in den Dreissigerjahren vereinigt worden waren, und erst damals neue Namen erhielten. Ich glaube aber kaum, dass es sich um historisch überlieferte Namen handelte. Das Erbauungsdatum "1587" wurde wahrscheinlich vom Eckpfosten übernommen.

  • Mantikor

    Vielen Dank für das Einstellen dieser tollen Fotografie, die ich gerade verwenden werde!


    3. Befunde an den Fassaden:


    a) Nordfassade

    Nun gehe ich an die detaillierte Betrachtung der einzelnen Fassaden, und beginne mit der Nordfassade gegen das Roseneckplätzchen. Hierzu verwende ich gerade mal die von Mantikor gefundene Fotografie aus "LIFE bei Google", die sich durch ihre Schärfe besser eignet als die Ansichtskarten. Wohl gibt es auch Foto-Ansichtskarten, aber solche habe ich erst von nach dem letzten Umbau des Hauses in den Dreissigerjahren, und nachgewiesenermassen haben dort umfangreiche Veränderungen auch vor den Fassaden nicht halt gemacht. Für eine baugeschichtliche Betrachtung sollten vor allem möglichst frühe Ansichten herangezogen werden.

    Für die Betrachtung habe ich die erwähnte Fotografie entzerrt, um ein ebenes Fassadenbild zu erhalten. Die Schwierigkeit bestand darin, dass die Fassade durch die Auskragungen in drei Ebenen bestand, und zudem die linke Partie leicht abgewinkelt war. Das hat zur Folge, dass das Erd- und 1. Obergeschoss weiter hinten standen, und somit minim verkleinert und verkürzt auf den Originalansichten festgehalten waren. Somit mussten diese nach der Entzerrung weiter "nach vorne geholt" (verschoben und vergrössert) werden, und die linke Fassadenpartie leicht "zurückgeklappt" werden. Erst so entstand eine Photo-Planansicht. Demselben Vorgang unterzog ich auch die Ansichtskarte, die das Haus nach dem letzten Umbau zeigt.


    roseneck-life-entz.jpg
    Grundlage: Fotografie von 1907 aus LIFE bei Google.
    1 = Steinkonsolen, 2 = konkave Knaggen, 3 = geschnitzte Knaggen

    Man sieht hier deutlich die Senkung in der linken Fassadenhälfte. Um diese aufzufangen, wurde wahrscheinlich das Erdgeschoss im 19. (evtl. 18.) Jahrhundert vorgebaut, sodass dort keine Auskragung mehr bestand (vier hohe Einzelfenster klassizistischen Formats). In der rechten Partie ist ein sehr niedriger, bogenförmiger Eingang sichtbar, welcher gemäss Beschriftungen der "Eingang zur Wirthschaft" war. Nebst der Eckkonsole aus Sandstein bestanden zwei weitere Konsolen unter der Auskragung (1). Diese dürften mit jenen im "Spolienbericht" identisch sein.

    Die Auskragung über dem 1. Obergeschoss wurde durch mehrere Holzknaggen unterstützt. In der linken Fassadenhälfte waren diese höher als in der rechten, und wiesen keine Schnitzereien auf, sondern nur eine konkave Rundung (2). Die mittlere dieser "drei" Knaggen war zudem breiter, aber bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass zwei Knaggen unmittelbar nebeneinander angebracht waren, just an der Stelle, wo die Fassade leicht abgewinkelt war. Es waren demnach also vier Knaggen. Von den kleineren Knaggen in der rechten Fassadenhälfte (3) waren an der Ecke drei Knaggen gebündelt angeordnet, wie man es an vielen Gebäuden des 16. Jahrhunderts beobachten kann. Die linke der kleineren Knaggen sass sehr nahe neben der rechten der hohen Knaggen (2), was eigentümlich ist, und bei einer einheitlichen Statik unnötig wäre. Dies weist auf eine sehr frühe Veränderung oder gar Erweiterung des Hauses hin.

    Die mittlere und die Eckkonsole am Erdgeschoss entsprechen in der Lage den kleinen Knaggen über dem 1. Obergeschoss. Die linke Steinkonsole prangt hingegen unter einer hohen Knagge, und nicht unter der kleinen Knagge unmittelbar rechts daneben. Stilistisch passen aber die Steinkonsolen zu den kleinen, geschnitzten Knaggen, und dürften miteinander entstanden sein. Dazu passte auch die Jahrzahl "1587" im Eckpfosten.

    Knaggen bestanden immer dort, wo ein Haupttragpfosten in der Fassade bestand, und meistens folgte dort auch eine Raumtrennwand dahinter. Wenn man nun das Fassadenfeld über dem "Eck" des Schriftzuges "zum Rosen-Eck" und wenig weiter nach rechts betrachtet, also zwischen zwei kleineren Knaggen, erkennt man drei Fensteröffnungen. Diese müssten demnach zu einem Raum gehören. Von der Sprossenteilung und den Gardinen her wird dies aber nicht der Fall gewesen sein, sondern das linke Fenster war gleich wie das Fenster über dem "zum Rosen" des Schriftzuges. Folglich dürften diese beiden Fenster zu einem Raum gehört haben, just unter den beiden verschieden grossen Knaggen hinweg laufend! Das sind nun Indizien, die vorerst für den Laien schwer nachvollziehbar sind, aber Hinweise zu baulichen Veränderungen liefern, die vor allem auch zu Beeinträchtigungen in der Statik des ganzen Hausesführen mussten.

    Mehr aussagekräftige Details sind nach einer ersten Betrachtung nicht zu erkennen.


    akrosen5b-entz-nord.jpg
    Grundlage: Ansichtskarte, Verlag von Emil Hartmann, Mannheim, nach 1935.

    Der letzte Umbau hatte den Charakter des Hauses nicht gross verändert. Trotzdem wurde die Fensteranodnung massiv verändert, indem einzelne Fenster lediglich zugemauert wurden, andere neu ausgebrochen oder verschoben. Augenfällig ist die Höhenverschiebung der Fenster in der Fassadenmitte. Hier dürfte ein neues Treppenhaus mit Zwischenpodesten an der Fassade eingebaut worden sein. In diesem Bereich wurde die Fassade im Erdgeschoss unter Eliminierung der Auskragung vorgebaut, und die Partie im 1. Obergeschoss lotrecht erneuert. Der schmale, geschosshohe Keil rechts davon zeigt, dass sich das 1. Obergeschoss stark in Richtung zum Plätzchen neigte.

    Der Umbau machte auch vor den Konsolen und Knaggen nicht halt, sodass hier die baugeschichtliche Aussage verwischt worden war. Die mittlere und linke Steinkonsole wurden versetzt, da an ihre Stelle zwei Pfeiler vor die Erdgeschosswand traten. Ihre Materialisierung ist nicht auszumachen (Beton, Stahlpfosten oder Mauerwerk). Die Konsolen wurden aber ihrer Stützfunktion beraubt und als reine Schmuckstücke wieder angebracht. Dies erklärt, dass gemäss den Abbildungen im "Spolienbericht" nur noch die sauber abgetrennten Köpfe vorhanden waren, und nicht mehr die ganzen Kragsteine. Zudem sind an ihnen auch Einschnitte sichtbar, gemäss denen die Köpfe an im Mauerwerk angebrachten Winkeleisen von vorne einegschoben und verschraubt wurden.

    Die Knaggen über dem 1. Obergeschoss wurden in der Höhe vereinheitlicht, das heisst, die linken vier Knaggen wurden unten verkürzt. Insbesondere gingen auch die nahe nebeneinanderliegnden, verschieden hohen Knaggen durch die Fassadenerenuerung im Bereich des Treppenhauses verlustig, und als Zierde wurde die kleinere, geschnitzte verschoben wieder angebracht.


    Alle Veränderungen sind in der dritten Abbildung eingetragen. Wie in einem Baueingabeplan zuhanden der Baubehörde sind Ab- und Ausbrüche gelb dargestellt, und neue Bauteile rot:

    roseneck-life-entz-eintr.jpg
    Grundlage: Fotografie von 1907 aus LIFE bei Google.
    gelb = Ausbrüche, rot = neue Bauteile, Fensterzumauerungen

  • b) Westfassade


    akrosen6-entz-west.jpg . akrosen5b-entz-west.jpg
    "Planansichten" der Westfassade nach der Entzerrung; links: Ausschnitt aus Ansichtskarte, Walch & Jacobs,
    Postkartenverlag, Frankfurt a. M., ca. 1910; rechts: Ausschnitt aus Ansichtskarte, Verlag von Emil Hartmann, Mannheim, nach 1935.

    Veränderungen an der Giebelfassade haben in den Dreissigerjahren nur am Erd- und 1. Obergeschoss stattgefunden. Das Schaufenster wurde zugunsten eines kleineren Fensters aufgegeben, und das Fenster im 1. Obergeschoss ersatzlos zugemauert, wobei die mittlere Knagge am Fensterpfosten belassen wurde. Zudem wurden die beiden Eckpfosten freigelegt. Die Auskragung über dem Erdgeschoss wurde durch einen Eisen- oder Betonträger zusätzlich unterstützt, wobei die Lage der Steinkonsolen unverändert blieb (die Position der Konsolen entspricht in beiden Ansichten infolge perspektivischer Verschiebung nicht den tatsächlichen Gegebenheiten!).

    Im Vergleich der beiden Ansichten sieht man, dass sich der Giebel stark zurückneigte, was vor allem im Zusammenhang mit der Setzung in Gebäudemitte stand. Der Fassadenaufbau war fast symmetrisch, wobei nur die Fenster im 2. Obergeschoss unerklärlicherweise nach links verschoben waren. Anhand der Fensterversprossung und den Gardinen nehme ich an, dass im 2. und 3. Obergeschoss nur je ein Raum in der Gebäudetiefe vorhanden war. Zwei sehr kleine Räume in der Gebäudetiefe sind an dieser prädestinierten Lage unwahrscheinlich, aber nur aufgrund der Indizien nicht absolut auszuschliessen. In beiden Dachgeschossen sassen je zwei Fenster, was darauf hindeutet, dass in der Mittelaxe Pfosten vorhanden waren. Zur Giebelform komme ich später in einem separaten Beitrag zurück.


    Nun gibt es noch zwei interessante Ansichten, welche ebenfalls von Westen entlang den Längsfassaden aufgenommen worden sind. Aus ihnen werden die statischen Verschiebungen besonders gut sichtbar:


    akrosen11.jpg
    Ansichtskarte, L. Klement, Franfurt a. M., 1912 gelaufen.

    Das "Roseneck" ist links angeschnitten. Allerdings dürfte die Ansichtskarte in diesem Bereich retuschiert worden sein, denn der Giebel zeigt hier keine geschweifte Umrisslinie, und das Fenster im 2. Obergeschoss ist etwas unbeholfen mit dem Pinsel nachretuschiert. Besonders ins Auge springt die starke Neigung des 1. Obergeschosses nach links (Norden). Somit wird verständlich, weshalb das Fenster hier beim letzten Umbau zugemauert worden war, um damit eine bessere Aussteifung der Wandscheibe zu erreichen.


    akrosen4.1.jpg
    Ansichtskarte, "G.G.F.", um 1910.

    Die Neigung der gesamten Hauptfassade in Richtung Norden ist am rechten Bildrand eindrücklich festgehalten. Es handelt sich bestimmt nicht um fotografisch stürzende Linien, da diese mit den frühen Plattenaufnahmen meist auskorrigiert wurden. Die Betrachtung der anderen Gebäude zeigt, dass die Aufnahme insgesamt nur sehr minimal nach oben "stürzt". Weiter erkennt man auch das teilweise vorgebaute Erdgeschoss der Hauptfassade.

  • c) Südfassade


    akrosen6-entz-sued.jpg . akrosen7-entz-sued.jpg
    "Planansichten" der Südfassade nach der Entzerrung; links: Ausschnitt aus Ansichtskarte, Walch & Jacobs,
    Postkartenverlag, Frankfurt a. M., ca. 1910; rechts: Ausschnitt aus Werbe-Ansichtskarte des damaligen Inhabers W. Thurecht, 1943 gelaufen.

    Veränderungen infolge des Umbaus in den Dreissigerjahren betrafen folgende Bauteile:
    - Vorsetzen zweier Stützen vor die Erdgeschossfasade
    - daraus resultierend Versetzung der Steinkonsole (wobei auf dem rechten Bild rechts eine weitere Konsole sichtbar ist!)
    - Zumauern eines Fensters im 2. Obergeschoss
    - Ausbrechen zweier neuer Fenster am 1. und 2. Obergeschoss
    - Versetzung des Kamins vom Hausinnern an die Südfassade, in derselben Ebene wie die breitere Stütze am Erdgeschoss

    Auf beiden Bildern ist am 1. Obergeschoss neben dem dreifachen Eck-Knaggenbündel eine weitere Knagge am Fenstermittelpfosten vorhanden. Vielmehr hätte man diese genau über der Steinkonsole erwartet, wo aber keine vorhanden war, wie an der Nordseite. Wie wir gesehen haben, sass auch an der Westfassade eine Knagge am Fenstermittelpfosten. Die Anordnung aller Knaggen wird später im Zusammenhang mit der Erforschung der frühen Baugeschichte des Hauses untersucht.

  • 4. Ermittlung der Gebäudestruktur:


    Anders als bei einem noch stehenden Gebäude, dessen Baugeschichte archäologisch erforscht wird, versuche ich mich der Baugeschichte des "Rosenecks" von rückwärts her anzunähern. Das heisst, dass ich die jüngsten Bauetappen zuerst ermittle, und dadurch Rückschlüsse auf die nächst ältere Bauetappe erhalte. Bei einem bestehenden Gebäude hingegen stösst man ziemlich schnell auf den Kernbau, und kann dann die weiteren Bauetappen wie Anfügungen und Aufbauten relativ-chronologisch erkennen.

    Bisher ist es noch nicht gelungen, den Umbau des "Rosenecks" in den Dreissigerjahren zu datieren. Bei der benachbarten Grosse Fischergasse 18, dem "Rosenbusch", ist die Fachwerkfreilegung mit der aufgemalten "1935" am Haus selber dokumentiert. Nun gibt es sehr wenige Ansichtkarten und Photos, welche das "Roseneck" bereits renoviert zeigen, und den "Rosenbusch" noch nicht. Ein Beispiel dazu ist die kolorierte Ansichtskarte im vorletzten Beitrag, welche leider nicht datiert ist.

    Eine interessante Foto-Ansichtskarte zeigt diesen Zustand ebenfalls, und dort fehlen sogar noch die Schriftzüge an den Fassaden, und die Gläser der neuen Fenster sind mit Leimfarbe markiert (bis in die 1970er Jahre war es üblich, neu eingebaute Fenster mit Tupfern oder einem grossen "S" vor Beschädigung zu markieren). Der "Rosenbusch" ist das zweite Gebäude von links. Versendet wurde die Karte im September 1933, also kann der Umbau spätestens 1932/33 stattgefunden haben. Aufgrund der Seltenheit von Ansichtskarten, die diesen Zustand mit dem renovierten "Roseneck" und dem nicht renovierten "Rosenbusch" zeigen, wird man nicht fehl gehen, den Umbau in diese Jahre zu setzen.


    akrosen13.jpg
    Ansichtskarte, Verlag Chr. Schöning, Lübeck, am 6.9.1933 gelaufen.


    Im Einführungsbeitrag zum Roseneck gibt es ein Ruinen-Bild, welches einige "Negativ-Abdrücke" der abgebrannten Holzkonstruktion zeigt. In diesem sind nun diese "Abdrücke" orange markiert. Die stehen gebliebenen Mauerscheiben wurden ja um die Holzkonstruktion herumgebaut, und somit zeugen noch Einschnitte vom Unterzügen, Mittelpfetten etc. von ihr. Bei der Auskragung über dem 1. Obergeschoss erkennt man möglicherweise Reste der abgebrannten, auskragenden Deckenbalken. Für eine verlässlichere Untersuchung müsste allerdings auf das Original-Diapositiv zurückgegriffen werden können:


    ruinenbild-roseneckx-eintr.jpg
    Markierung von baugeschichtlich relevanten Details in ein Ruinenbild.
    Grundlage: Ansichtskarte, ohne Verlagsangabe, 1944 (offenbar Ausschnitt aus einem Farbdiapositiv von
    Paul Wolff im Historischen Museum Frankfurt, Ph D 100)


    Ein weiteres Ruinen-Bild ergibt hierzu zwar keine neuen Ergebnisse, zeigt dafür aber das Innere des Treppenhauses:


    ruinenbild-roseneckx2.jpg
    Ausschnitt aus einer Fotografie aus einem Bildermäppchen, Bildverlag Peter Nagel, Frankfurt a. M., um 1945.


    Mit Hilfe dieser beiden Ruinen-Bilder können die Mauerscheiben und die Eisenskelettstruktur in die entzerrten Fassadenansichten eingezeichnet und anschliessend die baugeschichtlich relevanten Details lokalisiert werden. Die drei Mauerscheiben sind grün unterlegt, ebenso auch die Zwischenpodeste im Treppenhaus (entgegen dem Plan werden die Mauerscheiben senkrecht gemauert worden sein, und nicht schief; dies hat mit der ungenügend exakten Entzerrung der Fotografie zu tun. Der Absatz in der linken Wand hingegen bestand tatsächlich). Die Stahlträger sind grün umrandet, und das Kamin an der Südfassade grün-durchschimmernd.

    Die horizontalen Eisenträger waren offenbar nicht innerhalb der Bodenebenen eingebaut worden, sondern unmittelbar unter den historischen Balkenlagen. Bemerkenswert sind die Stützen nahe der westlichen Gebäudeecken: am Erdgeschoss sind sind sie aussen an der Fassade angebracht, im 1. Obergeschoss unmittelbar an der Innenseite, und im 2. und 3. Obergeschoss gar freistehend innerhalb der Räume!


    traggeruest.jpg
    Einzeichnung des in den 1930er Jahren eingebauten Traggerüsts. Von links nach rechts: Nordfassade, Westfassade, Südfassade.


    Als nächster Schritt werden dann die Details in den Ruinenbildern analysiert und in die Fassaden resp. in noch zu erstellende Grundrisse eingezeichnet. Im gleichen Schritt werden auch die Steinkonsolen und Knaggen eingetragen. Dies wird der spannendste Teil der Erforschung der Baugeschichte des "Rosenecks" sein!

  • 5. Grundrisse


    a) Erste Hypothese zur Baugeschichte:

    Nach der Betrachtung der Fassaden und des Traggerüsts des letzten Umbaus folgt ein Blick auf die Grundrisse. In diese werden die Fassaden mit den baugeschichtlich relevanten Details eingetragen, und ebenfalls das jüngste Traggerüst. Falls aus den Ruinenfotos weitere baugeschichtliche Details resultieren, können diese mit Hilfe des eingezeichneten Traggerüsts in den Grundrissen lokalisiert werden.

    Zuerst folgt aber eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse und ein möglicher Schluss daraus. Eigentlich müsste man zuerst Bestandespläne im Zustand von 1944 erstellen, und Schritt um Schritt rückwärts forschen. In einem zweiten Plansatz würden dann die baugeschichtlichen Details eintragen. Im Rahmen dieses Forums mache ich aber eine Abkürzung, und verwende die Fassaden im Zustand um ca. 1900, welcher ausreichend mit Bildern dokumentiert ist, und trage in dieselben Pläne das Traggerüst sowie die baugeschichtlichen Erkenntnisse ein. Das Vorgehen ist statthaft, denn es handelt sich hier nicht um eine abschliessende bauhistorische Abhandlung, sondern lediglich um ein erstes Herantasten in Form einer Arbeitshypothese.

    Bauhistorische Erkenntnisse lieferten bisher einzig die Steinkonsolen und Knaggen. Aufgrund der zwei unterschiedlichen Formen der Knaggen vermute ich, dass das Haus ursprünglich schmaler gewesen, und später verbreitert worden war. Die linken, östlichen Knaggen (2) waren höher und konkav ausgeschnitten, und unbeschnitzt. Solche Knaggen sind für das 15. Jahrhundert typisch, allerdings nahmen sie dort oft eine halbe Geschosshöhe und mehr ein. Erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts wird diese Form in der Höhe deutlich reduziert, und wird schliesslich durch kleinere, oft reich beschnitzte Knaggen verdrängt. Diese letzten beiden Formen kamen am "Roseneck" vor. Zu den beschnitzten Knaggen (3) in der rechten, westlichen Gebäudehälfte passten stilistisch auch die Steinkonsolen (1). Es ist demnach möglich, dass beide Hausteile zeitlich nahe beieinander im 16. Jahrhundert liegen.

    Diese Vermutung ist in der folgenden entzerrten Fotografie dargestellt:


    roseneck-life-entz-bauphasen.jpg
    Grundlage: Fotografie von 1907 aus LIFE bei Google.
    braun = ältere Bauphase mit konkaven Knaggen; rot = jüngere Bauphase mit Steinkonsolen und geschnitzten Knaggen; blau = nachträglich vorgerückte Erdgeschosswand.


    Erdgeschoss:
    - rechts: künstlerisch behauene Steinkonsolen (1)
    - links: vorgerückte Fassadenfront mit klassizistischen Fenstern, 19., evtl. 18. Jh.

    1. Obergeschoss:
    - rechts: beschnitzte Knaggen (3), ab Mitte 16./17. Jh., Datum an Eckpfosten "1587"
    - links: konkave Knaggen (2), drittels-geschosshoch, spätestens Mitte 16. Jh., abgewinkelte Fassade

    2. Obergeschoss:
    - rechts: im Verband mit den beschnitzten Knaggen (3) des 1. Obergeschosses
    - links: im Verband mit den konkaven Knaggen (2) des 1. Obergeschosses, abgewinkelte Fassade

    3. Obergeschoss:
    Dieses erscheint aufgrund der Fensterformate einheitlich, und könnte zusammen mit der ersten Erweiterung oder als spätere Aufstockung entstanden sein. Diese Frage bleibt noch offen, und ebenso die Frage nach der Entwicklung der Zwillingslukarne. Beim 3. Obergeschoss interessiert vor allem auch der geschweifte Giebel der Westfassade.


    Eine mögliche Zweiteilung umfasst also mindestens das Erd- und die ersten beiden Obergeschosse. Anhaltspunkte zur Zäsur könnten die ungewöhnlich nahe beieinanderliegenden Knaggen in der Mitte sein. Bei einer Erweiterung würde man nur eine Knagge allein erwarten, oder dann zwei unmittelbar nebeneinander liegende. Am "Roseneck" bestand aber ein Abstand von ungefähr einem Deckenbalkenfeld dazwischen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass der ältere Trakt einst auch nach Westen mit einer Auskragung abschloss, und bei der Erweiterung die auskragende Ecke eine neue Knaggenunterstützung anstelle eines älteren Knaggenbündels erhielt.

  • Vorbemerkung zu den Grundrissen:

    Die Erstellung der Grundrisse basiert nur auf den entzerrten Fassadenansichten und sind nicht massstäblich. Zuerst wurden sie auf Grund der Erkenntnisse aus den Fassaden mit den entsprechenden Farben eingefärbt. In einem zweiten Schritt folgte dann das Einzeichnen der Tragstruktur, und anschliessend die Details aus den Ruinenfotos. Die Grundrisse sind in etwa genordet, sodass die Fassade gegen das Roseneckplätzchen oben liegt.


    a) Erdgeschossgrundriss:

    Dem Erdgeschossgrundriss möchte ich zuerst meine neuste Erwerbung voranstellen, welche heute im Briefkasten lag: eBay sei Dank habe ich just in den letzten Tagen eine Innenaufnahme der Gaststätte gefunden! Diese befand sich demnach im Erdgeschoss hinter der im 19. Jahrhundert vorgerückten Aussenwand. Die Karte ist die Schwesterkarte der hier bereits gezeigten Ansichtskarte, welche vom damaligen Eigentümer in Auftrag gegeben worden war, und zeigt demnach den Zustand nach dem Umbau nach 1930:

    akrosen14.jpg
    Gaststube im Erdgeschoss, Ansichtskarte, keine Verlags- und Datumsangabe.

    Und hier nochmals die Schwesterkarte:


    Von baugeschichtlichem Interesse könnten die Balkendecke und die Innenansicht der Wand zum Roseneckplätzchen sein. Bei der Aussenwand erkennt man an den Stichbogen, dass sie gemauert war. Eigentümlich war die Auskragung kurz unterhalb der Decke.

    Die Decke war stark zum Plätzchen hin geneigt, was wir bereits an den Fassaden feststellen konnten. Ungewöhnlich scheint mir aber der Balkenverlauf in Querrichtung, statt in die Tiefe. Der kräftige Unterzug befand sich just an der Stelle des Fassadenknicks. Da in der Balkenlage keinerlei Unregelmässigkeiten vorkommen, vermute ich, dass es sich nur um eine Zierdecke handelte, und nicht um eine historische, tragende Balkendecke. Trotzdem sollte auch diese Decke Einzug in den Grundriss finden, um ihren Standort im Haus zu dokumentieren.

    akrosen14x-decke-eg.jpg
    Stark entzerrte Deckenbalkenlage; Ausschnitt aus der oben gezeigten Ansichtskarte.


    eg-bauphasen.jpg
    Grundriss mit den eingetragenen Erkenntnissen aus den Fassaden.
    braun = ältere Bauphase; rot = jüngere Bauphase mit Steinkonsolen; blau = nachträglich vorgerückte Erdgeschosswand.

    Im Grundriss sind die Aussenwände gemäss der letzten Fassadenansicht nach den mutmasslichen Bauphasen eingefärbt. Da der grössere Teil der Südwand durch Grosse Fischergasse 12 verdeckt, und die Ostwand gemeinsam mit Grosse Fischergasse 16 war, sind diese Wandbereiche nicht eingefärbt. Überhaupt bestand zwischen den Nrn. 14 und 16 mindestens in den Obergeschossen offenbar keine Brandmauer, sondern nur eine dünne (Fachwerk?)-wand, wie man auf diversen Fassadenansichten sehen kann.

    Ebenso ist die Auskragung des 1. Obergeschosses samt den Steinkonsolen gestrichelt eingezeichnet. Hierbei fällt auf, dass die Konsolen unregelmässig angeordnet sind.

    Im mutmasslich älteren Teil (braun) befand sich die Gaststube mit der vorgerückten Aussenwand (blau). Im jüngeren Teil (rot) befand sich ein Ladenlokal. Die Berührungspunkte der beiden Bauphasen sind hier unklar, weshalb ein "neutraler" Bereich belassen ist.

    Die drei Schaufenster im roten Bereich dürften erst im 19. Jahrhundert ausgebrochen worden sein, weshalb deren Leibungen genau genommen auch blau eingefärbt sein müssten. Doch ein solcher Detaillierungsgrad wäre zum jetzigen Zeitpunkt noch verfrüht. Hingegen könnten beide Rundbogenportale aus derselben Bauepoche wie die Steinkonsolen stammen.


    eg-bauphasen-eintr.jpg
    Grundriss mit der eingetragenen Tragstruktur (grün) und der "Balkendecke" über der Gaststube.

    Weiter ist nun auch die Tragstruktur der Dreissigerjahre eingetragen (Öffnungen in den Mauerscheiben unberücksichtigt, Mauerscheiben grün ausgefüllt, Stahlträger grün umrandet). Man sieht, wie die Tragstruktur unmittelbar vor die Aussenwände angebracht war, um die Auskragung des 1. Obergeschosses abzufangen. Auch ist jetzt die Balkendecke der Gaststube eingezeichnet, allerdings ohne Einfärbung, da ihr zeitlicher Ursprung unklar ist.

    Aus den Ruinenfotos sind leider keine Details ablesbar, welche weitere Kenntnisse über das Erdgeschoss Preis geben könnten.

  • b) 1. Obergeschoss


    Zum Vergleich stelle ich nochmals die Fassadenansicht aus dem vorletzten Beitrag ein:

    roseneck-life-entz-bauphasen.jpg
    Grundlage: Fotografie von 1907 aus LIFE bei Google.
    braun = ältere Bauphase mit konkaven Knaggen; rot = jüngere Bauphase mit Steinkonsolen und geschnitzten Knaggen; blau = nachträglich vorgerückte Erdgeschosswand.


    Im Grundriss sind die Aussenwände wiederum gemäss der Fassadenansicht mit den mutmasslichen Bauphasen eingefärbt. Ebenso ist die Auskragung des 2. Obergeschosses mit den Knaggen (2) und (3) gestrichelt eingezeichnet:

    1og-bauphasen.jpg
    Grundriss mit den eingetragenen Erkenntnissen aus den Fassaden.
    braun = ältere Bauphase mit konkaven Knaggen; rot = jüngere Bauphase mit geschnitzten Knaggen.


    Die Grenze zwischen der älteren und jüngeren Bauphase ergibt sich aus den unterschiedlichen Knaggenformen. Es ist eigenartig, dass in Fassadenmitte zwei unterschiedliche Knaggen nah nebeneinander bestanden. Nun gibt es eine mögliche Erklärung dafür:

    Es könnte sein, dass bereits der ältere Baukörper auf drei Seiten auskragte. Die Eckausbildung dürfte dann aus einem Knaggenbündel mit zwei oder eher drei Knaggen bestanden haben. Bei der Erweiterung wären dann die Knaggen der Stirnwand im Wege gewesen, aber trotzdem hätte die ehemalige Stirnwand des älteren Baukörpers, welche dann zur Zimmertrennwand wurde, weiterhin einer Abstützung bedurft. Dies wäre dann mit einer neuen Knagge neben der alten Knagge bewerkstelligt worden. Nur aufgrund dieses Details bin ich auf die Einteilung mit zwei Bauphasen an dieser Stelle gekommen; weitere Hinweise gibt es bisher noch nicht! Zeichnerisch lässt sich das besser erklären:

    eckdetail.jpg
    Erklärungsversuch für die nebeneinanderliegenden, unterschiedlichen Knaggen. links: Ausbildung der Eckauskragung am älteren Baukörper; rechts: nach der Erweiterung mit dem jüngeren Baukörper.
    Zeichnungsgrundlage: Skizze nach Reiffenstein (Reiffenstein zeichnete im 19. Jh. just diesen Fassadenausschnitt; wohl waren
    ihm die unterschiedlichen Knaggen nebeneinander auch aufgefallen.)


    abb-roseneck-sage.jpg


    Weiter ist noch die Verdoppelung der Knaggen beim Fassadenknick bemerkenswert. Rein konstruktiv hätte dieser Knick auch nur mit einer Knagge, resp. einem zugehörigen Deckenbalken erstellt werden können. Eine solche Verdoppelung sieht aber eher nach einem älteren Anbau mit derselben Knaggenform aus. Nur frage ich mich langsam, was denn solch kleine Bauabschnitte für einen Ursprung und Grund hätten. Doch hierüber weiter zu spekulieren, überschreitet irgendwann die Grenze des Hypothetischen, und solange die Geschichte des gesamten Löherhofes noch unerforscht ist, sollte man darauf noch verzichten. Man muss sich zuerst fragen, was denn der Löherhof genau gewesen ist; war es nur eine Ansammlung von verschiedenen kleinen Gewerbebetrieben (Gerbereien), oder gehörten bereits Wohnbehausungen dazu? Oder war es ein grosser Betrieb, an welchem verschiedene Gerber Teilhaber waren? Und wann wurde dieser aufgegeben (Walter Sage nimmt an, dass der Hof schon vor 1524 aufgelöst worden war), und wie wurde das Grundstück aufgeteilt? Könnten die Kernbauten des "Rosenecks" und von Grosse Fischergasse 18 noch aus der Zeit des Löherhofes gestammt haben? Aus diesem Grund verzichte ich noch auf die Einfärbung einer weiteren Bauphase.


    Im nächsten Schritt ist wiederum das moderne Traggerüst eingezeichnet, sowie ein Teil der Deckenbalkenlage:

    1og-bauphasen-eintr.jpg
    Grundriss mit der eingetragenen Tragstruktur (grün) und einem Teil der Balkendecke.


    Die Tragstruktur ist hier im Gegensatz zum Erdgeschoss unmittelbar an der Innenseite der Fassaden angebracht (vgl. im vorherigen Beitrag).

    Als weiteren Vergleich stelle ich nochmals das Ruinenbild ein, welches eventuelle Hinweise (umrandetes Feld) zur Konstruktion der Deckenbalkenlage gibt. Mit etwas Phantasie zählt man 12 Balkenfelder; fünf zwischen den Mauerscheiben, fünf zwischen der rechten Mauerscheibe und der Stütze, und zwei Felder rechts der Stütze (wie bereits einmal geschrieben, ergäbe ein Blick auf das Original-Diapositiv mehr Klarheit).

    ruinenbild-roseneckx-eintr.jpg
    Markierung von baugeschichtlich relevanten Details in ein Ruinenbild.
    Grundlage: Ansichtskarte, ohne Verlagsangabe, 1944 (offenbar Ausschnitt aus einem Farbdiapositiv von
    Paul Wolff im Historischen Museum Frankfurt, Ph D 100).


    Die 45° gestellten Eckknaggen weisen auf eine Stickbalkenlage bei der Stirnwand hin. Die einzelne Knagge in der Stirnwand ist nicht eingemittet, was für die kleinen Ausmasse eigentümlich ist. Ebenso befinden sich die Knaggen der Süd- und Nordfassade nicht in einer Ebene, sondern sind versetzt. Auch dies würde man so nicht erwarten. Eine Antwort hierfür habe ich bisher noch nicht gefunden und bewende es vorerst lediglich mit der Feststellung.

  • 2. Obergeschoss


    Zu diesem Geschoss gab es keine Befunde an den Fassaden, welche etwas über die Konstruktion aussagen konnten. Die Grenze zwischen der älteren und jüngeren Bauphase ergibt sich wiederum aus den nebeneinanderliegenden Knaggen am 1. Obergeschoss, wobei eine mutmassliche Auskragung des älteren Baukörpers gegen Westen berücksichtigt ist.

    Einen kleinen Befund liefert aber das Ruinenbild (s. oben), und zwar fallen dort in der mittleren und rechten Mauerscheibe unterhalb der Decke zwei grosse Löcher auf (orange eingekreist). Gleichartige Löcher an derselben Position gibt es auch im 3. Obergeschoss. Diese Löcher standen wohl nicht im Zusammenhang mit der Tragstruktur der Dreissigerjahre, und könnten von verbrannten Mittelunterzügen gestammt haben. Ein Mittelunterzug würde in diesem Geschoss einen Sinn machen, da die Gebäudetiefe gegenüber den unteren Geschossen beträchtlich angewachsen ist, und die Spannweite der Deckenbalken eine zusätzliche Unterstützung gegen Durchbiegen erforderten. Denkbar wäre auch, dass das Gebäude in der Tiefe zwei Räume aufwies, und dieser Unterzug als Rähm der Zwischenwand fungierte. Dagegen spricht aber die reichliche Befensterung, und es wäre nicht einzusehen, weshalb an dieser prädestinierten Lage des Hauses nur zwei kleine Kammern statt eines kleinen Saales hätten bestehen sollen.

    Einen bemerkenswerten Befund ergibt das Einzeichnen der modernen Tragstruktur. Danach standen also beide Stützen mitten im Raum, was man beim letzten Umbau offenbar in Kauf genommen hatte.

    2og-bauphasen-eintr.jpg
    Grundriss mit den angenommenen Bauphasen aus dem Fassadenbefund.
    braun = ältere Bauphase; rot = jüngere Bauphase; grün = moderne Tragstruktur.


    3. Obergeschoss


    Das 3. Obergeschoss sah von aussen ziemlich einheitlich aus, und unterschied sich von den unteren Geschossen durch einheitliche, aber kleinere Fensterformate. Gegenüber dem 2. Obergeschoss kragte es nicht aus. Die Geschosshöhe war auch geringer, aber nicht in dem Mass, wie es die Schieferverkleidung glaubhaft machen wollte, da diese erst oberhalb der Deckenbalken ansetzte, und dadurch das Geschoss niedriger erscheinen liess.

    Es stellt sich nun die Frage, ob dieses Geschoss nachträglich aufgestockt worden war, oder zusammen mit der Erweiterung (rote Bauphase) entstanden war. Die Antwort hierauf könnte der Schweifgiebel der Westfassade geben. Auf diesen Giebel möchte ich im nächsten Beitrag zu sprechen kommen, aber eines sei jetzt schon vorweg genommen: Walter Sage kam in "Das Bürgerhaus in Frankfurt a. M." darauf, dass dieser geschweifte Giebel eine sehr frühe Form darstellte, und wohl vor der Blütezeit solcher Giebel im 17. und 18. Jahrhundert entstanden war. Anhand heutiger noch bestehender Beispiele dürfte diese Behauptung immer noch richtig sein; auch analoge Beispiele in Limburg datieren dort vom Ende des 16. Jahrhunderts und somit vor der Blütezeit. Daher dürfte man also davon ausgehen, dass das 3. Obergeschoss eher zusammen mit der Erweiterung des Hauses gegen Westen entstanden ist.

    Es ist aber zu berücksichtigen, dass bei nachträglichen Aufstockungen oftmals auch die alten Dachstühle wiederverwendet worden waren. Somit wäre es beim "Roseneck" auch möglich, dass das 3. Obergeschoss erst nach der Erweiterung gegen Westen aufgestockt, und der ältere Giebel auf das neue Geschoss wieder aufgesetzt worden war. Eine abschliessende Antwort ist nicht möglich, und somit sollte dieser Bauphase eine eigene Farbe zugeordnet werden.

    3og-bauphasen-eintr.jpg
    Grundriss mit der eingetragenen Tragstruktur (grün) und dem Mittelunterzug.


    Wie bereits im 2. Obergeschoss geschrieben, zeigt das Ruinenbild, dass wohl auch im 3. Obergeschoss ein Mittelunterzug vorhanden war. Unter ihm könnte man sich eher eine Trennwand vorstellen, da in diesem Geschoss kleinere Räume eher vorstellbar sind, und sich die repräsentativen Räume eher in den ersten beiden Obergeschossen befanden. Auch die spärlichere Befensterung am ganzen Geschoss weist auf die Nutzung nur mit Kammern.

    Einen weiteren Befund gibt die moderne Tragstruktur, und könnte indirekt einen versteckten Hinweis auf die ältere Bausubstanz geben. Der in die Tiefe verlaufende Stahlträger an der Westfassade war nicht, wie in den ersten beiden Obergeschossen, unmittelbar an der Innenseite der Aussenwand, sondern mit einem kleinen Abstand zu ihr angebracht. Logisch wäre das direkte Anbringen an der Aussenwand gewesen, da diese dadurch an ihn hätte zurückgebunden werden können. Irgend etwas muss aber im Weg gewesen sein, sodass man einen kleinen Abstand einhielt. Auch diese Frage bleibt noch offen.

  • In einer Ratsverordnung von 1410 werden die Auskragungen begrenzt. Eine bestimmte Länge (die ich jetzt hier nicht verrate :P ) über dem EG, ein Teil der Länge über dem 1. OG. Darüber waren Auskragungen nicht mehr erlaubt. Da die von Riegel erkannten hinteren Knaggen durchaus auch eine Bauzeit um 1500 in Betracht kommen lassen (für den entsprechenden Teil) wären die Ratsbeschlüsse somit auch für das gesamte Gebäude, sowohl älterer als eben auch der möglicherweise neuere vordere Teil gleichermaßen relevant. Die Auskragungslängen liegen bei dem Gebäude auch in ensprechenden Grenzen.

    Solche "Massregelungen" durch den Rat gab es oft, und wenn es irgendwo wieder mal einen grösseren Brand gab, wurden diese Bestimmungen wieder erneuert. Diese wurden dann auch in die Zunftordnungen der am Bau beteiligten Handwerker aufgenommen. Für die Bauforschung sind diese Vorschriften leider nicht ergiebig, da solche zeitweise lasch gehandhabt wurden, und bei sogar tiefgreifenden Umbauten umgangen werden konnten (Goethe-Haus im 18. Jh.!). Ich stellte bisher einfach fest, dass in Frankfurt die Auskragungen nur über dem Erd- und 1. Obergeschoss vorhanden sind, egal ob es ein Haus aus dem 15. oder 18. Jahrhundert ist. Auch wenn bspw. 1433 in schmalen Gassen die Überhänge ganz verboten wurden, ergibt sich daraus nichts schlüssiges, wenn man alte Photos von schmalen Gassen sieht; d. h., dass bei einem Haus mit Auskragungen in einer schmalen Gasse nicht automatisch auf eine Bauzeit vor 1433 geschlossen werden darf.

    Walter Sage gibt in "Das Bürgerhaus in Frankfurt a. M." auf Seite 57 einige Beispiele solcher Bestimmungen. Wichtig scheint mir seine älteste Angabe zu sein: "1418 wird die Zahl der zulässigen Überhänge auf zwei beschränkt". Nun stellt sich mir folgende Frage: kennt jemand aus alten Abbildungen/Photos Häuser mit mehr als zwei Auskragungen? Ich kenne bisher noch keine. Ein solches Haus wäre dann interessant, da man dann dort wohl behaupten dürfte, dass dieses höchstwahrscheinlich vor 1418 errichtet worden wäre.

    Das wichtigste Merkmal für eine ungefähre Altersbetimmung sind bei verputzten Bauten nach wie vor vor allem die Knaggen, da diese oft sichtbar, oder zumindest in ihrer Grundform erkennbar blieben.

  • 1. Dachgeschoss


    Baulich bildet der Dachstuhl mit seinen zwei Geschossen wohl eine Einheit mit dem 3. Obergeschoss. Wie im Kapitel zu letzterem geschrieben, muss man auch in Betracht ziehen, dass das 3. Obergeschoss nachträglich aufgestockt, und dabei der bis dahin bestehende Dachstuhl wieder verwendet worden sein könnte. Dann würde er zur Erweiterungsphase (rot) gehört haben, und eventuell sogar auch Teile vom Kernbau (braun) umfasst haben. Abschliessend dürfte diese Frage heute nur noch sehr schwierig zu beantworten sein.

    Bei der Untersuchung bildet wiederum das Ruinenbild (s. oben) die Grundlage. Von den drei Mauerscheiben des modernen Traggerüsts reichten nur die äusseren beiden bis ins Dachgeschoss hinauf; die östliche innerhalb der Lukarne, und die westliche hart an der Innenseite der westlichen Seitenwand der Lukarne, weshalb auf dem Ruinenbild dort die Backsteinstruktur sichtbar geblieben war. Auf der westlichen Mauerscheibe ist möglicherweise der Abdruck eines liegenden Binders mit konischen Stuhlsäulen übrig geblieben. Auf beiden Oberkanten der Mauerscheiben fallen vier (schrägliegende?) Einschnitte auf, in welchen zwei Mittelpfetten gelegen haben könnten. Einschnitte für allenfalls einst vorhandene Fusspfetten sieht man jedoch keine.


    1dg-bauphasen.jpg
    Grundriss mit eingetragenen Mittelpfetten und mutmasslicher Sparrenlage (orange) und den äussern beiden Mauerscheiben (grün). Die Doppellukarne ist farblos eingezeichnet, da ihre zeitgleiche Zugehörigkeit zum Dachstuhl unklar ist (Westen links, Osten rechts).


    Die Sparrenlage ergibt sich aus der Dachaufsicht aus der Lage der kleinen Lukarnen. Hier kann auch beobachtet werden, dass zum Nachbarhaus Grosse Fischergasse 16 hin keine Brandmauer vorhanden war, denn üblicherweise sprangen solche in Frankfurt markant über die Dachflächen hinaus. Die Trennwand bestand demnach mindestens ab dem 1. Obergeschoss auch aus Fachwerk, und im Dachgeschoss verlief diese nicht rechtwinklig zu den Fassaden, so wie ich es in den Grundrissen der Vollgeschosse eingezeichnet habe.

    Bemerkenswert ist die Firstlinie, die in der westlichen Hälfte höher verlief als über der östlichen Hälfte. Dass dies nur auf Grund von Verformungen so war, ist bei der geringen Grösse des Daches unwahrscheinlich. Entweder waren die westlichen Dachflächen steiler als die östlichen, oder die Gebäudetiefe war im Westen ein bisschen grösser als im Osten. Anhand von Photos ist die Ursache nicht feststellbar; jedenfalls beschrieb der Grundriss des Erdgeschosses gemäss dem Ravensteinplan von 1861 ein Rechteck (dieser ist aber in einem sehr kleinen Massstab! Hier müsste also weiter nach Plänen gesucht werden, entweder nach genauen Katasterpläne oder allenfalls noch existierenden Grundrissaufnahmen).


    sparrenlage.jpg
    Nördliche Dachaufsicht mit mutmasslicher Sparrenlage (Westen rechts, Osten links).
    Grundlage: Fotografie von 1907 aus LIFE bei Google.

  • Von Interesse sind nun noch der geschweifte Giebel der Westwand sowie die eigentümliche Doppellukarne der Nordseite:

    Zum geschweiften Giebel:

    Walter Sage betrachtete in seiner Untersuchung zu den Frankfurter Bürgerhäuser bei verputzten Fachwerkbauten vor allem die Erdgeschossgestaltung, die Form der Knaggen und auch die Form der geschweiften Giebel. Nach ihm standen am Anfang dieser Entwicklung die Giebel aus nur-konvexen Formen. Bei diesen reichte das Fachwerk über die Dachflächen hinaus, und bestanden nicht aus auf die Sparren aufgesetzten Bohlen. Als Beispiele nannte er den Giebel am "Roseneck" und Römerberg 15 (bei letzterem bezieht er sich allerdings auf die Abbildung des Römerbergs nach Caspar Merian, wobei ich dort die Giebellinie aus nur-konvexen Formen bezweifle), und ausserhalb Frankfurts das Rathaus von Butzbach, das "Deutsche Haus" in Rhens und das Haus "Coffine" in Limburg (letzteres konnte ich bis heute noch nicht identifizieren).

    Diese Angaben hatten mich angespornt, die geschweiften Giebel in Limburg an der Lahn genauer zu betrachten. Deshalb empfehle ich zuerst die Lektüre meines Beitrages im Strang "Fachwerkbauten in Limburg" (Haupttitel: "Quintessenz aus meinem Limburg-Besuch", und dann hinunterscrollen bis auf "Die Entwicklung des geschweiften Giebels").

    Die Mehrzahl, und wohl auch jüngeren, der Giebel beschreiben dort allerdings Wellenformen, während sie in Frankfurt pro Geschoss eine S-Form aufwiesen. Diese bestehen resp. bestanden aus auf die Sparren aufgesetzten Bohlen, und nicht mehr aus bis an die Bogenlinien hinauslaufendem Fachwerk.

    Typische Vertreter mit dieser Giebelform waren die folgenden beiden Beispiele:

    akrebst6.jpg ak5fing5.jpg

    Links: Rebstock, L. Klement, Frankfurt a. M., um1900; rechts: Fünffingerplätzchen, Verlag von Emil Hartmann, Mannheim, um 1930.

    Auch das Salzhaus und die Goldene Waage wiesen solche Giebel auf.


    Um nun diese Erkenntnisse am Giebel des "Rosenecks" nachzuprüfen, dient ein Ausschnitt aus der entzerrten Westansicht. Mit den grünen Hilfslinien ist die äusserste mögliche Position der Dachhaut eingezeichnet. Die orangen Linien zeichnen dann den Verlauf der Sparren nach. Falls der Giebel aus aufgesetzten Randbohlen bestanden hätte, zeichneten diese eine eigenartige Form mit Kreissegmenten nach, eine mir bislang unbekannte Form:

    sparren.jpg


    Ein Versuch mit der Einzeichnung von gebogenen Randbalken, bei denen das Fachwerk über die Dachlinien hinauslief, ergibt ebenfalls eine ungewöhnliche Lösung, die von den Limburger Beispielen deutlich abweicht. Die gebogenen Balken des 1. Dachgeschosses hätten demnach nicht über den Fassadenkanten angesetzt, sondern erst ein Stück weit innerhalb:

    schweifgiebel.jpg


    Man könnte nun nach weiteren Vergleichsbeispielen suchen, aber ich lasse die Problematik des geschweiften Giebels des "Rosenecks" hier mal bewenden. Insofern konnte damit Sages Feststellung, dass sich dieser Giebel von allen andern in Frankfurt unterschied, wenigstens bestätigt werden. Ob dieser tatsächlich auch am Anfang der Entwicklung der geschweiften Giebel stand, ist damit aber noch nicht erwiesen. Vielmehr betrachte ich ihn vorerst mal als Unikat.


    Zur Doppellukarne:

    (siehe Bild oben mit der nördlichen Dachaufsicht)

    Solche Doppellukarnen sind aber auf alten Bildern noch mehrmals nachweisbar. In erster Linie dienten die Lukarnen dem Warenaufzug, sofern die Traufseite des Hauses auf eine Gasse oder in den Hof gerichtet war. Bei giebelständigen Bauten war die Aufzugsöffnung in der Giebelwand angeordnet, und eine Lukarne hätte sich demnach für diesen Zweck erübrigt. Auch wurden solche für die Wohnraumerweiterung geschaffen. Vor allem im 18. Jahrhundert sind aussergewöhnlich breite Lukarnen aufgekommen, beispielsweise beim "Rebstock" oder bei den Häusern "zum Hasen", Bendergasse 24, und den sog. "Pesthaus", Bendergasse 26, an der Seite gegen das Fünffingerplätzchen (s. Bilder oben). Breite Lukarnen waren aber nur bei hohen Dächern möglich, und so behalf man sich bei niedrigen Dächern wie beim "Roseneck" mit einem Doppelgiebel, damit der First nicht höher als der Hauptfirst zu liegen kam. Möglich ist es aber auch, dass der Doppelgiebel in zwei Etappen entstanden war. Es wäre allenfalls möglich, dies heute noch festzustellen, indem man auf einer scharfen Fotografie die Doppellukarne durchzeichnet und dann die Abmessungen und die Geometrie genau studiert.

    An der linken Kante der Roseneck-Lukarnen ist eine zu einem Fenster reduzierte, ehemalige Aufzugsöffnung mit rundbogigem Abschluss erkennbar. Rechts folgen zwei Fenster, die viel grösser als jene im 3. Obergeschoss sind. Von daher liesse sich folgern, dass die Lukarnen auf Grund der grösseren Fenster jünger als das 3. Obergeschoss waren, aber wegen der Funktion des Warenaufzugs aus einer Aufzugslukarne entstanden sein könnten, welche gleichzeitig mit dem 3. Obergeschoss errichtet worden wäre.

  • (als Zwischenablage; wird später richtig eingeordnet)

    Die Lage des 'Rosenenecks' südöstlich des Domes:

    ueberl-dom-fahrg-ravenstein.jpg

    Überlagerung vom Ravensteinplan 1861 und Google Maps.

    Und zwei Aufnahmen, welche vom gleichen Standpunkt neben dem Südquerschiff des Doms in Richtung Westen aufgenommen wurden:

    akrosen12.jpg

    Kolorierte Ansichtskarte, Ludwig Klement, Frankfurt a. M., ca. 1930/35; rechts angeschnitten das 'Roseneck'.

    gark40x1.jpg

    Dezember 2006...

    Das vorstehende Treppenhaus steht ziemlich genau anstelle der linken Gebäudeecke des verschieferten Hauses in Bildmitte (Weckmarkt 13) und dem links folgenden schmalen Giebelhaus (Weckmarkt 11). Der Neubau mit dem Treppenhaus wurde förmlich mitten ins Roseneckplätzchen hineingestellt, sodass sich die Grundfläche des Gasthauses "zum Roseneck" heute im Bereich des Gartens im Hinterhof befindet. Da alle 50er-JahreBauten in den letzten Jahren renoviert worden sind, ist kaum davon auszugehen, das hier in den nächsten Jahren was passiert. Es ist zwar fraglich, ob diese Bauten bei einem nächsten Sanierungsbedarf nochmals saniert werden.

  • Vielen Dank, Riegel, für diesen wunderbaren Strang!

    Im APH wurde vor einiger Zeit die ahistorisch wiederaufgebaute südliche Brandmauer der Goldenen Waage thematisiert. Früher schloß dort das Haus Höllgasse 11 (zur Stadt Miltenberg) an, heute das „Stadthaus am Markt“. Beim Neubau der Goldenen Waage wurde nun eine Betonwand erstellt, die sich hinter den Eckbalken befindet, nicht seitlich davon, wie bei der ursprünglichen Brandmauer. Im Dachbereich wird das deutlich, wie ‚svuzhohenburg‘ bemerkt hat:

    Frankfurter Altstadt (Dom-Römer-Areal) - Frankfurt am Main - Architectura Pro Homine

    Die Diskussion über dieses unstimmige Detail will ich nicht aufwärmen. Beim Lesen von Riegels alten Beiträgen in diesem Strang fiel mir aber ein Detail auf, das für die Baugeschichte des ehemaligen Nachbarhauses Höllgasse 11 relevant sein könnte und das in der Diskussion im APH damals nicht erwähnt wurde. Auf diesen beiden Fotografien erkennt man nämlich bei genauem Hinsehen, daß die alte Brandmauer zweigeteilt war:

    akgoldwkellner.jpg

    Goldene Waage und links davon Höllgasse 11, Foto: Rolf Kellner, Sammlung Riegel

    18-Haus-zur-Goldenen-Wage-mit-Belverderchen.jpg

    Blick vom Domturm auf das Haus „Zur Goldenen Waage“, aus: Frankfurt am Main – die Stadt des deutschen Handwerks. Ein Bilderbuch von H. und E. Reeck, 1936

    Die linken 2/3 der Mauerstärke folgen den Vorsprüngen von Höllgasse 11 (wobei der tiefe Kragstein im Bereich der Decke des 1. Obergeschosses auf ein früher niedrigeres Geschoß schließen lassen könnte), das rechte Drittel der Mauerstärke paßt aber zur Goldenen Waage. Über dem Erdgeschoß ruht der Mauerabschnitt sogar auf einer Sandsteinkonsole, die gleichzeitig den Schwellenbalken des 1. Obergeschosses trägt. Die Eckpfosten schließen sich natürlich an die Mauer an und stehen nicht davor.

    Ich denke, diese Zweiteilung der Brandmauer spricht dafür, daß auch das gesamte Haus Höllgasse 11 etwa zur gleichen Zeit wie die Goldene Waage (1618) gebaut wurde, oder? Riegel vermutete bisher nur für das 1. OG das 17. Jh. und für das EG spätestens das 16. Jh. Klick. Klick.

  • Karpfengasse 2 und ein Vergleich mit dem Haus "Zum Fleischer", Römerberg 14


    Fast symmetrisch dazu, so wie ich einst die Traufseite von Römerberg 14 skizzenmässig angedeutet hatte, gibt es eine Fotografie von Karpfengasse 2. Das traufständige Haus hatte zwei starke Auskragungen, die mit konkav geformten Bügen oder Knaggen unterstützt wurden. Die Ähnlichkeit ist frappant, sodass man hier eine Vorstellung vom ursprünglichen Aussehen von Römerberg 14 erhält, als im Westen noch weitere Häuser anschlossen, die wohl bereits im 15./16. Jahrhundert abgebrochen wurden:

    Karpfengasse-1902.jpg

    Die Karpfengasse nordwärts von 'Am Holzpförtchen' aus gesehen, bei der Kreuzung mit der 'Alten Mainzer Gasse', 1902.


    Fazit:

    Karpfengasse 2 und Römerberg 14 behalte ich mal im Auge als zwei möglicherweise sehr altertümliche Beispiele von Fachwerkbauten in Frankfurt am Main. Freilich sind die Indizien zu einer frühen Datierung rein hypothetisch: Bei Römerberg 14 ist es die Möglichkeit von durch mehrere Geschosse verlaufenden Ständern, wie man sie sonst nur vom oberen Fassadenbereich von giebelständigen Bauten aus der Übergangszeit her kennt (z. B. Haus 'Grünau' Kleiner Kornmarkt 19), und auch die starken Auskragungen an der Traufenseite. Bei Karpfengasse 2 ist es lediglich die Ähnlichkeit der Trauffassade mit Römerberg 14.

    Die meisten bekannten und erforschten Gebäude in der Frankfurter Altstadt waren jeweils giebelständig. Traufständige Gebäude - insbesondere aus der Übergangszeit - sind in der Forschung bisher sehr spärlich vertreten. Allenfalls müsste man Vergleiche zu Alte Mainzer Gasse 29 und 31 anstellen, deren Dokumentationsstand allerdings umstritten ist.

  • Das Stammhaus der Familie Rothschild - Börnestr. 26, vormals Judengasse 148


    Schon lange wollte ich einmal die Fachwerkbauten in der ehemaligen Judengasse vorstellen, insbesondere das Rotschildsche Stammhaus. Für die Fachwerkforschung sind diese Bauten zwar nicht so spektakulär, doch der Quellenstand dazu ist aussergewöhnlich gross. Die Bauten stammten vorwiegend aus dem frühen 18. Jahrhundert und dokumentierten zumindest das damals übliche Fachwerk in Frankfurt am Main.

    Um weitere Bauten zu dokumentieren, müssen zuerst mal deren Hausnummern eruiert werden. Der Bestand an Quellen - auch im Internet - ist ausserordentlich gross, aber bezüglich der Bauweisen ist dieser noch nicht abschliessend ausgewertet worden. Es gibt Stadt- und Quartierpläne, auf denen die Hausnummern eingetragen sind, und auch sehr viele fotografische Ansichten. Viele Häuser waren in der Breite aber auf zwei Besitzer aufgeteilt, was Aussen nur an wenigen Details erkannt werden kann und dementsprechend die Zuordnung der Hausnummern erschwert. Dennoch ist mir dies mit aufwändigem Vergleichen von Stadtplänen und Fotos für die Ostseite der Gasse gelungen. Den Weg hierzu zu veranschaulichen, würde den Rahmen in diesem Strang sprengen, sodass es sinnvoller ist, dereinst einen separaten Strang über die Judengasse zu eröffnen, in dem dann nicht nur der Fachwerkbau behandelt wird.

    Dennoch einige wenige Eckpunkte zur Geschichte der Judengasse:

    (die Geschichte des Judenghettos ist bei Wikipedia sehr anschaulich beschrieben)

    • 1458 bis 1462 Bau der Judengasse ausserhalb der Stadtmauer, Zwangsumsiedlung der Juden von der Altstadt ins neue Ghetto
    • 1711 Brand des Ghettos, komplette Zerstörung bis auf ein Haus
    • 1721 Erneuter Brand des Ghettos, über hundert zerstörte Häuser im nördlichen Teil
    • 1796 Beschiessung Frankfurts durch französische Revolutionstruppen, erneuter Brand des nördlichen Teils des Ghettos. In der Folge des Wiederaufbaus Befreiung der Juden vom Ghettozwang.
    • 2. Hälfte 19. Jahrhundert Abbruch des Ghettos bis auf die Synagoge und etwa fünf Häuser, darunter das Haus der Familie Rothschild
    • 1944 Vernichtung der letzten Reste des jüdischen Ghettos
    • 1987 Bau eines neuen Verwaltungszentrums für die Stadtwerke im südlichen Teil des ehemaligen Ghettos, archäologische Ausgrabungen und Einrichtung des Museums Judengasse.

    Beim Rothschild-Haus vermute ich deshalb eine Errichtung kurz nach 1721.


    Das Juden-Baubuch

    Eine wertvolle Quelle ist das 'Juden-Baubuch', in welchem viele Baueingaben mit Plänen erhalten sind. Das Fachwerk ist dort nicht schematisch gezeichnet, sondern entspricht der tatsächlichen Ausführung! Somit erhält man ein Bild der Häuser, wie sie sich im frühen 18. Jahrhundert präsentierten, auch wenn sie im Lauf der Zeit Veränderungen und Anpassungen an den jeweiligen Zeitgeschmack erhalten hatten. Dieses Baubuch war bis vor kurzem im Internet abrufbar, (den Link hierzu hatte ich schon 2017 gespeichert, ist jetzt aber inaktiv). Dafür präsentiert sich die Seite seit April in einem neuen Gewand, das für mich als Bauforscher zu intellektuell daherkommt. Aber macht Euch gleich ein eigenes Bild anhand des Einleitungstextes: https://metahubfrankfurt.de/about/

    Eine Navigation fehlt leider, und so darf man sich mühsam und SEHR zeitraubend durch 58 Seiten durchklicken, um zu den Artefakten und Bildern zu gelangen. Ich hoffe aber, dass dies nur vorübergehend so ist und die Seite besucherfreundlicher aufbereitet und erweitert wird. Durchstöbern kann man hier.

    Eine Idee hinter der Seite ist auch, die Artefakten und Quellen des Archäologischen, Jüdischen und Historischen Museums digital zusammenzuführen und Forschern zugänglich zu machen. Deshalb sind auch fast alle Bilder mit CC BY SA-Hinweisen versehen, wodurch man sie unter Namensnennung weiterveröffentlichen darf. Somit werde ich mich an diesem Projekt beteiligen und mich vor allem in der Bilderforschung einbringen. Oft sind Fotos falsch oder gar nicht datiert, und zwei Abbildungen zeigen sogar andere Gassen als die Judengasse. Doch mehr hierzu mal in einem separaten Strang.


    Das Rothschild-Haus nach dem Umbau um 1885


    Ak-Rothschildhaus-II.jpg

    Das Rothschild-Haus unter der Adresse Börnestr. 26 kurz nach der Neuerrichtung der Fassade und Errichtung der gründerzeitlichen Nachbarhäuser von 1885/90. Ungelaufene Ansichtskarte um 1910, Verlag R. Mannewitz, Frankfurt a. M., Sammlung Riegel.

    Dem kompletten Abbruch der Judengasse im 19. Jahrhundert war das Haus 'zum grünen Schild' nur entgangen, weil es das Stammhaus der bekannten Banquierfamilie Rothschild war (für das 'Steinerne Haus', dessen Fundamente im Museum besichtigt werden können, gab es damals ebenfalls Erhaltungsbemühungen, aber erfolglos). In ihm wurde nach der Neugestaltung und 1885 erfolgten Umbenennung der Judengasse in Börnestrasse ein Museum eingerichtet. Dementsprechend gibt es auch viele Abbildungen des Hauses. Doch eine Baugeschichte des Hauses findet sich nirgends. Es war nur schon schwer herauszufinden, welche Haushälfte der Familie Rothschild gehörte, oder ob sie das ganze Haus bewohnte und es erst später auf zwei Eigentümer aufgeteilt worden war. Eine Familienchronik und ein Stadtplanausschnitt von 1852 lieferten dann die Antwort, dass die Rothschilds nur die linke, nördliche Hälfte des Hauses bewohnten. Der Hausname 'zum grünen Schild' bezieht sich nur auf diese Hälfte. Den Namen der andern Haushälfte konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Edit.: Der name der südlichen Haushälfte mit der Nr. 147 war 'Goldene Arche'.


    Ak-Rothschildhaus-I.jpg

    Das Rothschild-Haus kurz nach der Neuerrichtung der Fassade, aber noch vor der Errichtung der gründerzeitlichen Nachbarhäuser von 1885/90. Ungelaufene Ansichtskarte um 1910, Verlag H. Nord, Frankfurt a. M., Sammlung Riegel.

    Über den ganzen Umbauvorgang des Hauses lassen sich keine Quellen finden. Wenn man aber bedenkt, dass die Frontlinie der neuen Häuserzeile gegenüber der alten um einen Meter zurückgenommen wurde, kann auch die Fassade des Rothschild-Hauses nicht mehr die ursprüngliche gewesen sein. Dass das Haus dennoch erhalten wurde, sieht man am Dach. Die Häuser an der Judengasse zeigten in diesem Bereich ausschliesslich Satteldächer, während das Rothschild-Haus nach dem Umbau ein Mansarddach aufwies. Diesen Bruch in der Dachfläche verursachte die Rücknahme der Fassade um diesen einen Meter; es handelte sich also nicht um ein richtiges Mansarddach, sondern nur um eine Anpassung des originalen Daches von 1721.

    Man merkt auch am Fachwerk, dass dieses ein historistisches Produkt war und nicht dem Urzustand von 1721 entsprach. Während die beiden Obergeschosse gegenüber dem Erdgeschoss auskragten, standen sie auch den gegenüber den Stirnseiten der gemauerten Giebelwände vor, sodass die Fachwerkfassade wie ein Erker wirkte. Dies unterstrich auch die Vorziehung des Daches im Bereich der Quergiebelkanten mit zwei kleinen Walmen. Während bei den originalen Wohnhäusern an der Judengasse die Seitenwände aus Fachwerk unmittelbar hinter den äussersten Fensterpfosten (welche damit auch die Eckpfosten bildeten) konstruiert waren, gab es nach dem Umbau nun zwei Brandmauern. Es ist aber unmöglich von aussen festzustellen, ob die Wände tatsächlich so dick (ca. 60 cm) waren, oder ob das Haus auf beiden Seiten verbreitert wurde. Jedenfalls schlossen die neuen Nachbarhäuser mit eigenen Brandmauern direkt an und nutzten jene des Rothschild-Hauses nicht mit.


    Das Rothschild-Haus vor dem Umbau um 1885


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    Das Rothschild-Haus unter der Adresse Judengasse 148 vor der Abtragung und Neuerrichtung der Fassade und dem Abbruch der Nachbarhäuser. Ungelaufene Ansichtskarte um 1900 mit einer Fotografie von 1869, Herausgeber Grand Hotel Frankfurter Hof, Sammlung Riegel.

    Die Häuser an der Judengasse erhielten nach dem Brand von 1721 noch keine Brandmauern. Nur nach jedem etwa zehnten Haus war eine solche vorgeschrieben. Im Bereich zum benachbarten Haus links, wo zwischen den Reihenfenstern nur Platz für zwei Eckpfosten vorhanden war, sieht man gut, dass dahinter unmöglich eine Brandmauer bestehen konnte. In Frankfurt war es zudem schon vor Jahrhunderten üblich, die Brandmauern über die Dachflächen hervorstehen zu lassen. Beim heute noch bestehenden Haus Töngesgasse 37, das nach dem Grossen Christenbrand 1719 neu errichtet wurde, sieht man diese hervortretenden Brandwände noch gut.

    Ich vermute, dass jedes Fachwerkhaus an der Judengasse vier eigene Wände hatte, sodass jeweils zwei Fachwerktrennwände unmittelbar aneinander zu stehen kamen - immerhin eine kleine Verbesserung zur althergebrachten Gewohnheit von nur einer Fachwerkwand. In Fachwerkstädten war es oft so, dass eine Fachwerk-Haustrennwand von beiden Anstössern benutzt wurde.

    Die Zweiteilung des Hauses sieht man gut an den unterschiedlichen Fenstergestaltungen (Simshöhen, Sprossenteilung). Auch die hohe Anzahl an Kaminen verrät, dass hier mehrere Haushalte drin lebten. Ebenso verraten unterschiedliche Schieferverkleidungen am selben Haus mehr als nur einen Hausbesitzer.


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    Das Rothschild-Haus (mit den Steinschlagbrettern am 2. Obergeschoss) bei Beginn der Abbrucharbeiten der Häuserzeile 1884(?). Von links nach rechts: Judengasse 155 - 144. Fotograf C. F. Mylius, Historisches Museum Frankfurt.

    Quelle: https://metahubfrankfurt.de/hmf/objects/ka…der-judengasse/.

    Ein aufschlussreiches Bild hat bisher erst wenig Beachtung gefunden. Es zeigt die östliche Häuserzeile frontal, was vor dem Abbruch der westlichen Häuserzeile (bereits ab den 1840er Jahren) noch nicht möglich war. An den eingeschlagenen Fensterscheiben sieht man, dass die Abbrucharbeiten unmittelbar bevorstanden. Am Rothschild-Haus wurde an einigen Stellen die Schieferverkleidung entfernt, wohl als sehr frühe 'Bauforschung' für den vorgesehenen Abbruch und Wiederaufbau der Fassade einen Meter zurückversetzt. Auch wurden an der Stube im 1. Obergeschoss die historischen Fenster entfernt und mit Jalousieläden verschlossen. Möglicherweise sollten diese Fenster beim Wiederaufbau wiederverwendet werden oder als Vorbild dienen (das Sprossenbild sah danach allerdings anders aus).

    Eine Beschreibung des Fachwerks folgt im nächsten Beitrag.

  • Beschreibung der Vorderfassade des Rothschild-Hauses

    Bei dieser Beschreibung stütze ich mich vorallem auf das vorangehende Foto, von welchem auch die Ausschnitte unten stammen.

    Erdgeschoss:

    Das Erdgeschoss war gemauert, so wie es die Bauvorschriften für den Wiederaufbau der Judengasse ab 1711 verlangte. Es war mit vier rundbogigen Türöffnungen versehen, zwei für jede Haushälfte. Je eine Tür war wohl der Hauseingang, und die andern beiden führten zu Läden oder separat erschlossenen Lagerräumen. Beim Rothschild-Haus war nur in der rechten Haushälfte ein Laden. Die Nutzung des linken Erdgeschosses, das die Familie Rothschild besass, ist schwer zu eruieren. Zwischen den beiden Türen je Haushälfte sass ein kleines vergittertes Fenster, das als Laden- oder Belüftungsfenster diente. Darunter war ein Kellerfenster. Beim alten Strassenniveau führten eine Stufe zu den Türen, während es nach der Strassenkorrektion um 1885 und auch nach dem Hausumbau zwei bis drei Stufen waren.


    1. Obergeschoss:

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    Dieses kragte über dem Erdgeschoss etwa einen Schuh aus, so wie es die Bauvorschrift maximal erlaubte. Auf ganzer Hausbreite war ein sechsteiliges Reihenfenster eingelassen, das links und rechts unterschiedlich Versprossungen aufwies und die beiden getrennten Haushälften verriet. Der Mittelpfosten war nur unmerklich breiter als die andern Fensterpfosten, was keine Aussage zulässt, ob schon nach 1721 zwei Bauherren oder nur einer die Auftraggeber waren.

    Die Brüstungsfelder waren mit vier Eckwinkelhölzern versehen, die eine ausgemauerte Raute bildeten. Die auskragende, enggelegte Balkenlage darunter stiess bündig bis zur profilierten Schwelle vor. Die Balkenköpfe waren demnach ursprünglich wohl nicht mit einem profilierten Brett abgedeckt, so wie es nach dem Um- oder Neubau der Fassade nach 1885 der Fall war.


    2. Obergeschoss:

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    Dieses entsprach in Form und Massen genau dem 1. Obergeschoss, ausser dass hier bei einer Fensterkorrektur links die Simsen tiefer gelegt und dadurch je die oberen beiden Eckwinkelhölzer entfernt wurden. Wenn man die letzten zwei Fotos oben genau betrachtet, sieht man, dass sich das Haus rechts leicht gesenkt hatte. Dies verursachte Korrekturen an den Fenstern und bedingte wohl auch Nivellierungen an den Bodenbelägen. An der rechten Haushälfte sassen die Fenstersimsen ein bisschen höher, woraus man schliessen kann, dass dort die Brüstungen unangetastet blieben. Beim Um- oder Neubau der Fassade nach 1885 wurden diese Veränderungen wieder Rückgängig gemacht.

    Die Balkenlage zwischen dem 1. und 2. Obergeschoss war mit einem vorstehenden Brett versehen, das nicht so recht zum profilierten Rähm darunter und der wohl ebenfalls profilierten Schwelle passte. Auch hier vermute ich, dass die Balkenköpfe ursprünglich sichtbar und nicht von Anfang an mit einem Brett versehen waren. Nach dem Umbau um 1885 wurde hier ein kleines profiliertes Gesimse angebracht, wodurch das Fachwerk ein historistisches Aussehen erhielt.


    1. Dachgeschoss:

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    Auch der Quergiebel wies ein sechsteiliges Reihenfenster auf, wiederum mit einem unmerklich breiteren Mittelpfosten. Nach dem Entfernen der Schieferverkleidung trat ein Fachwerk zutage, das unter jedem Fenster eine einzelne Brüstungsstrebe aufwies, die gegenläufig zueinander angeordnet waren. Die Gefache zeigen auf der Abbruchfotografie wohl unverputztes Backsteinmauerwerk. Der Quergiebel dürfte demnach von Anfang an verschiefert gewesen sein, was im frühen 18. Jahrhundert nicht unüblich war. Ob der Quergiebel ursprünglich oder eine nachträgliche Zutat war, kann anhand der Befunde auf den Fotos nicht eruiert werden. Hier müsste Quellenforschung betrieben werden, insbesondere in den bereits erwähnten 'Juden-Baubüchern'.

    2. Dachgeschoss: Im Giebelfeld des Quergiebels sassen zwei leicht unterschiedliche, auffallend hohe Fenster. Sie lassen vermuten, dass dahinter zwei Schlafräume eingerichtet waren. Die Judengasse war ja extrem überbevölkert, da die Stadt nie eine Vergrösserung des Judenghettos zuliess!

    3. Dachgeschoss: Dieses trat an der Fassade zwar nicht mehr in Erscheinung, aber dennoch ist es eine Erwähnung wert. Es wurde nämlich durch zwei kleine Dachgauben belichtet. Demnach waren die oberen Kehlbalken (Hahnenbalken) auch mit einem Bodenversehen. Bei vielen Bauten bestand unter dem First jeweils nur ein offener Dachstuhl ohne eingezogene Bodenbretter.


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    Das Rothschild-Haus kurz nach der Neuerrichtung der Fassade und dem Abbruch der Nachbarhäuser, aber noch vor der Errichtung der gründerzeitlichen Nachbarhäuser von 1885/90. Dahinter die 1860 fertiggestellte, 1938 zerstörte Synagoge. Fotografie (carte de cabinet) um 1890, Historisches Museum Frankfurt. Quelle: https://metahubfrankfurt.de/hmf/objects/di…chen-stammhaus/.

  • Die Rückseite des Rothschild-Hauses


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    Judengasse 144 - 150, Rückseiten. Fotografie von C. F. Mylius, 1885/86, Historisches Museum Frankfurt.

    Quelle: https://metahubfrankfurt.de/hmf/objects/ru…der-judengasse/.

    C. F. Mylius stand sehr wahrscheinlich im kleinen Hinterhaus von Allerheiligenstr. 67, das an den Hof von 'Hinter dem kalten Bad' 157 stiess (Adressen gemäss dem Ravenstein-Plan von 1861). Die Eruierung des Standortes des Fotografen ist wichtig, um den abgebildeten Rückseiten die Hausnummern zuordnen zu können. Bei der Fotografie muss beachtet werden, dass sie im linken oberen Bereich bei den Dachpartien infolge Überbelichtung nachretouchiert worden ist!

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    Ausschnitt aus dem Ravenstein-Plan von 1861. Blau = Blickwinkel, grün = Rückfronten Judengasse 144 - 150.

    In der Fotografie ist demnach links das nördliche Hinterhaus von Allerheiligenstr. 67 angeschnitten. Unmittelbar neben seiner Kante ist eine Brandmauer sichtbar und dahinter eine Baulücke. Letztere entstand durch den Abbruch von Judengasse 142/143 in den 1870er Jahren. Zwischen Judengasse 143 und 144 bestand nämlich eine der wenigen Brandmauern, wodurch die Häuser identifizierbar sind. Nr. 145 und 146 hatten gegenüber den meisten Bauten an der Judengasse niedrigere Erdgeschosse, was auch an der Rückseite erahnbar ist. Nr. 146 ist hier verdeckt, weil das Rothschild-Haus mit seiner Rückseite weiter in den Hof vorsprang als seine beiden Nachbarn. Dass im Plan die Rückfronten von Nr. 149 und 150 in gleicher Flucht wie beim Rothschild-Haus (147/148) verliefen, beruht wahrscheinlich auf einem Fehler im Plan.

    Das Rothschild-Haus war als einziges der hier abgebildeten Häuser verschiefert. Die beiden ins Freie führenden Türen im 1. OG zeigen, dass die Hinterhäuser bereits abgebrochen waren. Alle Häuser wiesen im Gegensatz zur Gassenseite drei anstatt zwei Obergeschosse auf, was gemäss den Bauvorschriften für das Juden-Ghetto aus dem frühen 18. Jahrhundert erlaubt war. An Baubefunden ist erwähnenswert, dass auch das Erdgeschoss in Fachwerk erstellt war und darüber wie an der Vorderseite eine enggelegte Balkenlage lag.

    Rechts sind Judengasse 149 und 150 abgebildet. Diesen Häusern werde ich später separate Beiträge widmen, möchte aber jetzt schon anhand der Abbildung darauf hinweisen, dass diese konstruktiv verbunden waren, also miteinander aufgerichtet wurden. Die profilierten Schwellen und Rähme laufen nämlich hindurch!