2. Das Gasthaus "zum Roseneck" in der Literatur:
Walter Sage, "Das Bürgerhaus in Frankfurt a. M." (Verlag Ernst Wasmuth, Tübingen 1959, S. 79f.)
Zitat[...] Dieses Haus stand an dem kleinen "Roseneckplätzchen", das einst einen Teil des "Löherhofes" bildete. Der Löherhof gehörte, wie sein Name sagt, den Lohgerbern, die hier im Mittelalter ansässig waren, nicht nur drüben in Sachsenhausen, wo sich die Löhergasse am Main entlangzog. Das auch in der Gegend der Grossen und Kleinen Fischergasse Löher zu finden waren, hatte seinen Grund in den Wasserverhältnissen, denn noch im 15. Jahrhundert muss hier ein Bach von der Braubach her in den Main geflossen sein, in welchen er in der Gegend des Metzgertores einmündete.[...]
Ein später kanalisiertes und aufgefülltes Bachbett ruft noch nach Jahrzehnten Setzungen an darüber und in der Nähe errichteten Bauten hervor. Eine starke Setzung ist im Bereich der Südfassade des "Rosenecks" bereits festgestellt worden, und könnte auf ehemals sumpfigen Boden hinweisen.
Zitat[...] Die Überhänge des zweiten Stockes ruhen dagegen auf hölzernen Knaggen, die aber nicht mehr die einfache "gotische" Form zeigen, sondern als Voluten gebildet sind, die oben unter dem Deckprofil in einem Kopf enden. Die Seitenflächen der Voluten sind offenbar mit Beschlagwerk verziert, die Stirnflächen geschuppt. Ihre Anordnung entspricht noch der althergebrachten Weise, an den Ecken sitzen je drei Knaggen. [...] Weiterhin war nach Reiffensteins Beschreibung Schnitzerei an den Eckpfosten vorhanden, von der wir nichts mehr sehen können. Auf einem der Eckpfosten befand sich eine Rose mit der Inschrift "Zum Roseneck", auf einem anderen die Jahreszahl 1545, was die Datierung des Hauses sichert, auch wenn wir sie an Einzelformen nicht mehr nachprüfen können.
Demnach dürfte sich das Fachwerk sehr von den bisher behandelten "gotischen" Fachwerkbauten wie Alter Markt 31 und 33, Grosse Fischergasse 18 und Kleiner Kornmarkt 19 unterschieden haben, da diese noch keine beschnitzten Balken und Knaggen aufwiesen. Vielmehr gehört es in die Epoche bspw. des 1562 errichteten "Engels" am Samstagsberg.
(Abbildung aus W. Sage)
Der Eckpfosten mit der Rose und der Inschrift "Zum Roseneck" ist auf einer Abbildung im ersten Beitrag zum Haus abgebildet:
Ansichtskarte (Ausschnitt aus der Seitenfassade), M. Jacobs,
Postkartenverlag Frankfurt a. M., 1940 gelaufen.
Allerdings erkennt man auch die Zahl "87", welche am ehesten mit "1587" gelesen werden darf. Ob sie eingeschnitzt oder nur aufgemalt war, ist nicht festzustellen. Weiter gibt Sage in der Beschreibung Reiffensteins wieder, dass sich "auf einem anderen Eckposten die Jahreszahl 1545" befand. Eine genauere Erklärung kann ich hierzu nicht anbieten; jedenfalls ist das Pendant des Eckpfostens auf der Südseite nirgends genauer abgebildet, wo man das allenfalls noch nachprüfen könnte (dies war der einzige Pfosten neben dem Abgebildeten, der auch freigelegen gewesen sein könnte).
ZitatSchliesslich hat das Haus noch einen geschweiften Giebel, der dem von Römerberg 15 gleicht. Er ist zweigeschossig und liegt mit dem dritten Obergeschoss in einer Fläche. Wegen der Verschieferung ist von seiner Konstruktion nichts zu sehen, aber allein die Umrisslinie genügt, um ihn für recht früh zu halten. [...] Typisch für die Entstehung des Butzbacher Giebels [auf das Beispiel des Butzbacher Rathausgiebels kam Sage ausserhalb der hier zitierten Textteile zu sprechen] erscheint mir ferner, dass der geschwungene Umriss nicht durch angesetzte Randbretter, sondern noch durch vollständige Fachwerkkonstruktionen erreicht wird. Ähnlich müssen wir uns die Konstruktion des Giebels hier am "Roseneck" und am Haus Römerberg 15 (das übrigens auch einen kleinen Krüppelwalm besass) vorstellen.
Die Arbeit von Sage darf heute noch als das Standardwerk über die Frankfurter Fachwerkbauten angesehen werden. Da er für die Typisierung und Datierung der Bauten nicht mehr auf das Fachwerk zurückgreifen konnte, stützte er sich vor allem auf die Betrachtung der oft unveränderten Erdgeschosse, oder auf die Umrissformen der geschweiften Giebel.
Seine Ausführungen zur speziellen Form des Giebels am "Roseneck" haben etwas an sich; darauf möchte ich später detailliert zurückkommen. Diese haben mich seinerzeit veranlasst, mich mit den geschweiften Giebel Limburgs genauer zu beschäftigen (s. APH-Beitrag Teil 3, "Giebelkunde", wo ich beim Beispiel Salzgasse 21 Bezug auf das Roseneck genommen habe). Der Kernpunkt Sages Aussage ist der, dass sich der Umriss des Giebels "aus zwei einfachen steilen Kreissegmentbögen zusammen [setzt], die genau an der Grenze zwischen erstem und zweitem Giebelgeschoss in stumpfem Winkelzusammentreffen". Die gewohnten Frankfurter Giebel bestanden aber in ihrer Blütezeit im 17. Jahrhundert fast ausschliesslich aus s-förmigen Umrisslinien, welche anfänglich die Geschosstrennung betonten, und in der Spätform mehr und mehr verflachten.
Hans Lohne, "Frankfurt um 1850", Nach Aquarellen und Beschreibungen von Carl Theodor Reiffenstein (Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt a.M. 1967, S. 182f.)
Schon der Künstler Reiffenstein hat diesem Haus einige kurze Notizen gewidmet (1877):
Zitat15. Oktober 1877
Ein Haus, das bis vor einigen Jahren noch beinahe ganz in seinem Originalzustande erhalten war, wie die verschiedenen Abbildungen zeigen, mit ziemlich reicher Holzschnitzerei und vortrefflicher Steinhauerarbeit...
Früher, das heisst in den dreissiger Jahren, befand sich in den unteren Räumen ein Wirtschaftslokal, das von uns als Künstlerkneipe benutzt wurde, und worin wir mit die behaglichsten und vergnügtesten Stunden verbrachten. Durch wahrscheinliche Veränderung des Giebels sowie auf vielfache Anstriche hat das Haus seinen eigentümlichen Charakter eingebüsst...
Was Reiffenstein mit "verschiedene Abbildungen" meint, geht leider nicht hervor. Vielleicht gibt es in den diversen Archiven Frankfurts tatsächlich historische Abbildungen, welche noch nicht publiziert worden sind. Und was meint er wohl mit "das bis vor einigen Jahren noch beinahe ganz in seinem Originalzustande erhalten war"? Etwa mit sichtbarem Fachwerk? Jedenfalls war das "Roseneck" auch noch im Zeitalter der Fotografe eines der urtümlichsten Häuser in der Altstadt. Auch die Passage mit "wahrscheinliche Veränderung des Giebels sowie auf vielfache Anstriche" ist unklar. Meint er den geschweiften Giebel, der durch seine altertümliche Form auf den Künstler weniger kunstvoll und zierlich wirkte wie die meisten anderen Giebel? Oder meinte er allenfalls die beiden Zwerchhäuser? Die "vielfachen Anstriche" könnte ich mir höchstens dadurch erklären, dass damals das Fachwerk noch unverputzt war, aber durch mehrfache Kalkschlämmen über die Balken und Putzfelder nur noch schwach erkenntlich.
"Plätzchen am Roseneck", das Roseneck am rechten Bildrand. Aquarell von Carl Theodor Reiffenstein, undatiert (19. Jh.), publiziert im hier angegebenen Buch.
Dreysse Architekten, "Spolien der Frankfurter Altstadt" (Stadt Frankfurt am Main, ca. 2009):
(edit. 8.5.2015: Bericht nicht mehr online verfügbar)
Im Kapitel "Spolien in Privatbesitz" sind sechs Werkstücke aufgeführt:
- 3 Konsolen mit Löwenkopfen
- 2 Konsolen mit Männerköpfen
- 1 Eckkonsole (zweiteilig)
Ansichtskarte, rückseitiger Text (keine Verlagsangabe, 1943 gelaufen)
ZitatAlles anzeigenHistorische Gaststätten
"Zur alten Dorfschmiede im Roseneck"
erbaut 1587
"Doctor-Stübchen im Heisterhaus"
erbaut 1563
Inh.: Walter Thurecht, Frankfurt a. M.
Grosse Fischergasse 14 - Ruf 26194
Die Karte, die als Werbekarte herausgegeben wurde, ist als zweitletztes Bild zum Einführungstext zum Roseneck abgebildet. Es scheint, dass die beiden Häuser bei der letzten Renovation in den Dreissigerjahren vereinigt worden waren, und erst damals neue Namen erhielten. Ich glaube aber kaum, dass es sich um historisch überlieferte Namen handelte. Das Erbauungsdatum "1587" wurde wahrscheinlich vom Eckpfosten übernommen.