• Jetzt zum Passauer Domplatz: im Schatten des beeindruckenden Domes stehen verschiedene Domherrenhöfe, die mit Ausnahme des eleganten, spätbarocken Palais Lamberg eher schlicht gestaltet sind. Die oktogonalen Aufbauten mit den Hauben auf den Türmen des Doms stammen erst aus den 1890er Jahren, vorher hatten die Türme einen Abschluss mit Flachdächern ähnlich der Jesuitenkirche St. Michael, siehe eine alte Aufnahme von 1890: passau_dom_fass_alt_gr.jpg. Weitere sehr interessante Informationen zum Dom von Passau bietet wie immer die hervorragende Seite "Süddeutscher Barock" von Pius Bieri: passau_dom.html
    Bzgl. dieser neubarocken Aufbauten und einer für heutige Verhältnisse undenkbaren Auffassung von "Denkmalschutz" schreibt Bieri einen interessanten Satz: "Nach dem Vorbild des Salzburger Domes erhalten die Türme bis 1898 nach Plänen von Architekt Heinrich von Schmidt oktogonale Aufbauten, welche mit welschen Hauben bekrönt sind. Sie stellen eine ausserordentlich glückliche und heute undenkbare Lösung im Sinne der jetzt verpönten schöpferischen Denkmalpflege dar." Bzgl. der seit der letzten Restaurierung vorgenommenen weißen Kalkfassung des gesamten Äußeren schreibt er: "Sie ist ausserordentlich gewagt, kaum lange haltbar und gehört auch zum Thema der schöpferischen Denkmalpflege." Meiner Meinung nach schaut die weiße Kalkfassung auf der Fassade sehr gut aus, die erhaltenen gotischen Teile des Chores erscheinen in weiß hingegen sehr gewöhnungsbedürftig bis eigenartig; ich hätte den Chor auf jeden Fall steinsichtig d.h. grau gelassen. Sei es wie es sei, dieser Dom St. Stephan ist schon etwas Besonderes und nicht nur, wie Ursus im APH geschrieben hat, ein "Italoprotz" - die Integration des spätgotischen Chores in den barocken Neubau ist durchaus außergewöhnlich! Dass der barocke Neubau insgesamt noch sehr italienisch daherkommt, ist außerdem nicht verwunderlich, da der Zeitpunkt des Baubeginnes 1668 für den Barock in mitteleuropäischen Gefilden ja noch sehr früh ist und St. Stephan somit eine der ersten großen Barockkirchen nördlich der Alpen ist, nach dem Dom in Salzburg und der Theatinerkirche in München dürfte es die dritte komplette Barockschöpfung in diesen Dimensionen sein. Das Innere ist für meinen Geschmack etwas zu voll und pathetisch geworden, die vielen Stuckaturen wirken recht schwer und grob. Trotzdem ist es ein eindrucksvoller Raum, der nördlich der Alpen für die damalige Zeit schon etwas Außergewöhnliches darstellte. Im Vergleich dazu hat die Münchner Theatinerkirche aber etwas Höfisch-Geschliffeneres, sie wirkt auf mich erhebender. (Ich habe bis auf eine Ausnahme keine Aufnahmen des Inneren angefertigt, diese gibt es hier ja schon in den Beiträgen von Markus und Ursus.)

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    Das Palais Lamberg:

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    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

    Einmal editiert, zuletzt von Leonhard (4. Dezember 2019 um 21:11)

  • Hier sieht man schön die spätgotischen Reste des Chores:

    Ein kleines Stil-Kuriosum im Dom: links und rechts neben der barocken Kanzel hängen 2 Jugendstillampen :D

    Schönes Portal in der Zengergasse hinter dem Dom:

    Blick aus der Zengergasse auf den Südturm des Domes:

    Nochmal der Dom:

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • So, das war's :) ich finde nicht, dass Passau - wie hier in einigen früheren Beiträgen im APH beschrieben - eine schlichte Stadt ist, sie bietet eine schöne Abwechslung aus mitunter sehr dekorativen und dann wieder bescheideneren Fassaden und dazwischen präsentiert sie einige außergewöhnliche Höhepunkte! Der Residenzplatz ist für mich einer der malerischsten Plätze überhaupt, er strahlt bei aller Festlichkeit doch noch eine wohltuende Natürlichkeit und Menschlichkeit aus, er hat Gemüt. Die größtenteils flachen Dachabschlüsse mögen vielleicht für nördlichere, an Giebelbauten gewöhnte Menschen langweilig erscheinen, für mich ergeben sie - vor allem in Anbetracht der teilweise sehr engen Gassen - ein ruhigeres und nobleres Straßenbild, das nicht durch eine ständige, steile Zick-zack-Bewegung nervt. Aber das werden wohl viele hier anders sehen ;)
    Zusätzlich hat die Altstadt von Passau natürlich durch die Lage auf der Halbinsel zwischen Donau und Inn auch seinen großen landschaftlichen Reiz, den ich jetzt gar nicht fotografiert habe; es ergeben sich immer wieder schöne Ausblicke auf die Flüsse und die Hügellandschaft drumherum.
    Was mich bei der Ankunft in Passau anfänglich sehr gestört und auch gewundert hat, ist, dass wenn man mit dem Auto von Südwesten her in die Stadt fährt, man an übelsten Neubauten vorbeifährt, die so gar nicht dazu passen wollen, was man sich unter der Stadt eigentlich vorstellt; diese neumodische Kommerzbebauung geht bis zum schon recht zentralen Platz an der Kirche St. Nikola am Nibelungenplatz, der wirklich häßlich ist. Ich hab mir im ersten Moment gedacht, wo ich denn hier gelandet bin! Auch die ersten Schritte in die Altstadt sind noch empfindlich gestört durch unsensible Ladeneinbauten in den Erdgeschoßzonen, danach wird es aber Gottseidank Schritt für Schritt besser. Der erste Eindruck ist aber wie gesagt sehr schlecht, wenn man durch die Neuburger Straße Richtung Altstadt fährt, das lässt einem fast die Lust vergehen, weiterzufahren. Die spätere Altstadt entschädigt aber dann sehr reichhaltig für die Anfahrt :)

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Passau erschließt sich für uns Österreicher erst bei sehr genauem Hinsehen.

    Zunächst ist man enttäuscht.

    Was soll uns ein Stadtbild wie dieses:

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    Davon hamma wirklich genug, deswegen fährt man nicht nach Deutschland, nicht einmal ein paar Kilometer!

    Ein Klein-Salzburg ohne den Salzburger Glanz, möchte man sagen.

    Dazu noch der Verdruss mit den Kirchen. Deutschland hat uns gefälligst mittelalterliche Dome zu bieten, Barock, noch dazu italienischen, haben wir selber. Passau hat noch dazu (phänotypisch) keine einzige mittelalterliche Kirche, und das ist für ein Bistum, von dem aus wir christianisiert worden sind, schlicht ein Skandal. Da ist man schnell mit Abfälligkeiten wie Italoprotz bei der Hand.

    Man braucht lange und etliche Halbe, bis man sich mit Passau versöhnt hat.

    Schließlich gefällt es einem doch sehr gut.

    Die Ausführungen zu den Domtürmen sind sehr interessant. Die Helme sind in der Tat sehr glücklich, eine Glanztat der Denkmalpflege, die sich hier den eklektizistischen Zeitgeist überhaut nicht anmerken ließ. Bei Barockturmhelmen hatte diese Epoche überhaupt eine glücklichere Hand als bei gotischen.

    Bildergebnis für wien Piaristenkirche

    Was das Dominterieur betrifft, so erachte ich den Salzburger Dom für gelungener:

    Bildergebnis für Salzburg dom

    Bildergebnis für passau dom

  • Geh Ursus, jetzt enttäuscht du mich aber schwer... was soll dieser oberflächliche und deiner immensen Bildung unwürdige Kommentar?

    Was der gemeine ungebildete österreichische Tourist über Passau denken mag, ist dir doch sicher eh wurscht und gerade du müsstest doch wissen, dass es nicht auf der einen Seite ein Österreich und auf der anderen Seite ein monolithisches Deutschland gibt, sondern dass die kulturellen Übergänge fließend sind. Passau gehört genau dem selben Kulturraum an wie Salzburg und andere Inn-Salzach-Städte und Barock gibt's in Bayern genauso wie in Österreich oder Böhmen, wenn auch natürlich mit regionalen Unterschieden in der Ausprägung; reines Mittelalter hingegen gibt's in Altbayern genauso selten wie in Österreich, weil im katholisch gebliebenen Mitteleuropa halt das meiste barockisiert worden ist. Außerdem ist die Tatsache, dass Passau heute zu Deutschland und Salzburg zu Österreich gehört, ein ziemlicher Zufall, das hätte im Geschacher des Wiener Kongresses genauso gut andersrum kommen können; du weißt doch sicher, dass beide Städte in den Jahrhunderten ihrer Blütezeit selbständige Fürstbistümer waren und weder zu Bayern noch zu Österreich gehörten. Des weiteren ist das alles vom kulturellen Standpunkt aus auch völlig wurscht, weil gerade Südostbayern und das westliche Oberösterreich kulturell nun wirklich sehr ähnlich bis identisch sind; dass die Politik dort irgendwann Staatsgrenzen gezogen hat, ändert nichts an dieser grundsätzlichen Verwandtschaft dieser beiden Regionen.

    Dass es jetzt in Passau keine mittelalterliche Kirche mehr gibt, liegt einfach daran, dass es des öfteren verheerende Brände gegeben hat, nicht nur den berühmten von 1662, sondern auch u.a. 1512, 1680 und 1809, bei dem alle Kirchen irgendwann beschädigt oder gar zerstört wurden (und so viele Kirchen gab's eh nicht). Der Grund für den Bau des barocken Doms ab 1668 liegt doch gerade in der Zerstörung des alten spätgotischen Domes!

    Wie ich oben bereits geschrieben habe, finde ich außerdem schon, dass der Passauer Dom für seine Zeit etwas Besonderes war; ich bin mir nicht sicher, ob es zur Entstehungszeit in Österreich Barockkirchen gab, die es an Dimensionen und Ambition des Entwurfes mit dem Stephansdom aufnehmen konnten (außer Salzburg, aber das gehörte damals ja noch nicht zu Österreich). Ich finde allerdings auch, dass der Passauer Dom später von so einigen anderen Barockkirchen der gleichen Größenordnung übertroffen wurde, doch kann man ihm immerhin seine Vorreiterrolle für den bayrisch-österreichischen Raum nicht ganz absprechen.

    Was das Stadtbild von Passau betrifft: natürlich gibt es das in Österreich auch zur Genüge, aber es kommt doch schließlich auch auf die Qualität an, oder nicht? Ich finde z.B., dass Salzburg keinen Platz hat, der so bezaubernd ist wie der Residenzplatz in Passau, der mit seiner leichten Unregelmäßigkeit der Form, den wirklich hübschen Fassadendekorationen der umliegenden Häuser und der festlichen, prachtvollen und doch nicht erdrückenden Residenz den Hauptplätzen Salzburgs für mein Empfinden überlegen ist. Aber das ist natürlich Ansichts- und Geschmackssache. Salzburg ist natürlich ebenfalls eine sehr schöne Stadt und hat auf jeden Fall die noch bezauberndere Lage und wahrscheinlich auch mehr Flair, das kann man gar nicht abstreiten; aber die architektonische Qualität finde ich jetzt nicht glanzvoller als die Passaus. Von daher finde ich deinen Hinweis, dass man sich Passau erst schöntrinken muss, einen ziemlichen Schmarrn :wink:

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Danke für den Hinweis auf die Piaristenkirche in Wien, ich wusste nicht, dass sie ihre Turmaufsätze ebenfalls erst im 19. Jhd erhalten hat!

    Eine übrigens sehr schöne Kirche, eine der schönsten Barockkirchen in Wien, wie ich finde.

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    Karl Kraus

  • Leonhard. natürlich hast recht, ich hab ja nur meine ursprüngliche österr. Befindlichkeit (nicht die eines UNgebildeten Ösis, denn der stellt sich solche Fragen doch gar nicht) wiedergegeben. Ich hab den Standpunkt eh schon überwunden. Passau ist natürlich weit österreichischer als Salzburg bzw wäre es heute mit einer weit größen Selbstverständlichkeit. In Salzburg benötigte man dazu das Hig-Snobiety-Brimborium der Festspiele (übrigens auch nicht ganz ohne genuin bajuwarische Mitwirkung). Dass der Passau Residenzplatz kein Salzburger Pendant hat, unterschreib ich gern, wie ich überhaupt die Passauer Altstadt über die Salzburger stellen würde. Salzburg verdankt seinen unerreichbaren Status der unvergleichlichen Lage und dem kirchlichen Reichtum, nicht seiner sagen wir mal so: als solchen nicht überwältigenden Altstadt.

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  • "Einige von Markus seinzerzeit ins APH-forum eingestellte patinagetränkte Bilder"

    Nein, das war ich, hatte die Bilder zufällig gefunden, als ich nach Farbbildern des alten Hildesheims suchte. :)

    Mir ist die Patina hier aber doch etwas zu heftig, etwas mehr Farbe mag ich schon. Nur nicht diese sterile, chemisch hergestellte Pastellfarben, die man heute überall sieht...

  • Salzburg verdankt seinen unerreichbaren Status der unvergleichlichen Lage

    Also wenn es um die Topographie des Stadtgebietes geht, dann kann Passau da aber wesentlich mehr bieten. Aber gut, ich habe mit Salzburg an dem einzigen Tag meines Lebens, an dem ich es in natura gesehen habe, nicht viel anzufangen gewusst. Und das persistiert bis zum heutigen Tag. Vielleicht ist Salzburg ja ganz schön, aber überschattet worden ist mein Eindruck von der damaligen Baustelle, die an der Griesgasse einen Höllenlärm verbreitet hat, so dass man noch die letzte Lust verloren hat, diese Stadt als attraktiv zu empfinden.