Bremen - St. Ansgarii

  • Ein vorenthaltener Leserbrief

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    Großes Panorama von Bremen aus dem Jahre1729 - Kupferstich von Friedrich Bernhard Werner.

    anbei ein Leserbrief, der im vergangenen März bei der hiesigen Lokalpresse zunächst alle zur Veröffentlichung üblichen Formalitäten durchlaufen hatte, dann aber von der Redaktion letztlich doch nicht publiziert wurde...

    Mit Ansgari aus der Krise

    Bremen befindet sich zweifellos in einer Identitätskrise. All das, was einst unser Selbstverständnis ausmachte, der Lloyd, die Werften, Borgward und die Genussmittelindustrie, ist heute nur noch wehmütige Erinnerung. Bei der Frage, wie mit der Krise umzugehen ist, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit, denn schon einmal hatten wir eine ähnliche Herausforderung zu meistern: Nachdem unser vordem bis nach Neufundland reichender Einfluss durch die Erhebung Lunds zum Erzbistum bereits im Jahre 1103 radikal beschnitten worden war, machte die Abspaltung der Rigaer Kirche zur Zeit Gerhards II., allen Plänen eines ‚nordischen Roms’ endgültig den Garaus. Bremen war damit im Wesentlichen auf den Stand zurückgeworfen, den es schon unter Willehad besessen hatte. Und genau zu dieser Zeit begannen die Bremer mit dem Bau einer Kirche zu Ehren desjenigen Mannes, der einst den Grundstein zur Weltgeltung Bremens überhaupt erst gelegt hatte: Ansgar von Corbie. Der alle anderen Gebäude weit überragende Turm dieser Kirche, war dabei nicht nur ein Bekenntnis zur großen kirchlichen Vergangenheit, sondern insbesondere auch ein Unterpfand dafür, dass mit Bremen auf europäischer Ebene weiterhin zu rechnen war. Unsere spätere ruhmreiche Rolle in der Hanse und während der wirtschaftlichen Hochblüte im Deutschen Kaiserreich beweist, dass der Turm die Funktion als Symbol der Selbstbehauptung, als moralische ‚Korsettstange’ und als Identitätsspender in perfekter Weise erfüllt hat. Es wäre ihm daher zuzutrauen, zum zweiten Mal für eine Renaissance Bremens zu sorgen. Lassen Sie uns daher „mehr Ansgari wagen“.

  • Busch und Mühsam

    Wilhelm Busch und Erich Mühsam haben in je eigener, aber kongenialer Art einen Menschenschlag beschrieben, der es seinen Zeitgenossen von jeher nicht einfach gemacht hat:

    Busch:

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    Mühsam:

    "Der Oberlehrer verleidet einem jeden Kunst-, jeden Naturgenuß, weil er alles glaubt erklären zu müssen,

    weil er verzweifelt, wenn er niemand erziehen kann."

  • Umstellung auf 'Mitteleuropäisches Normalzeit'

    Unter dem Vorbehalt eines zweimaligen 'Wenn':

    Sofern dieses Uhrwerk nicht bereits seit den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts im stadthistorischen Museum seinen Ruhestand gefristet und das Jahr 1944 nicht zum Einsturz des Turmes geführt hätte, würde der Verantwortliche für die Turmuhr von Anschari an diesem imposanten Werk heute Nacht einiges zu tun gehabt haben...

    Da der seinerzeitige Leiter des Focke Museums, Dr. Ernst Grohne, sämtliche Exponate seines Hauses vor den Bomben in Sicherheit bringen konnte, müßte auch dieses Uhrwerk und auch der alte Stundenzeiger in den Magazinen des neuen Hauses in Schwachhausen noch vorhanden sein. In der Dauerausstellung sind beide 'Reliquien' allerdings leider nicht zu finden.

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  • 500 Jahre Bremer Reformation

    Am 9. November 2022 wird es endlich so weit sein: Auch Bremen kann dann auf ein halbes Jahrtausend eigener Reformationsgeschichte zurückblicken.

    Die Mitfeier des Wittenberger Jubiläums 2017 war natürlich Ehrensache und konnte auch uneingeschränkt freudig begangen werden.

    Beim eigenen Jubiläum im kommenden Jahr dürfte hingegen das Fehlen des Herzortes der Bremer Reformation schmerzlich empfunden werden...

    Abbildung:

    Blick in das südliche Querhaus von Anschari. Hinter der kleinen Arkade liegt der Eingang zur südlichen Chorseitenkapelle, in der der Luther-Freund und Augustinermönch Heinrich von Zütphen die erste lutherische Predigt in Bremen hielt, über fünf Jahre nach dem Thesenanschlag in der kursächsischen Residenz.

  • Seltene Perspektive

    Anbei eine - bisher nie veröffentlichte - Perspektive auf den Turm von Anschari, auf einem Photo welches ich jüngst erwerben konnte. Ich habe mir erlaubt es mit einem Kolorierungsprogramm etwas einzufärben.

    Der Photograph stand seinerzeit in einer der oberen Etagen eines Hauses an der Südseite der Langenstraße (wohl nicht direkt das westliche Eckhaus zur 'Ansgaritränkpforte', sondern ein oder zwei Häuser westlich daneben) und blickte in die Straße 'Kurze Wallfahrt'. Man erkennt zunächst rechts (Eckhaus an der Ostseite Kurze Wallfahrt / Langenstraße) das Verlagsgebäude der seinerzeitigen Großherzoglich Oldenburgischen Hofbuchdruckerei H.M. Hauschild (mit dem neugotischen weißen Blendflächen im Giebel und den anschließenden kleinen Obelisken am Hauptgesims zur Kurzen Wallfahrt hin. Dahinter schließen sich die Giebel des Erweiterungsbaus des Restaurants Jacobihalle an. In der Bildmitte folgt dann das Ecktürmchen des Bekleidungshauses Dyckhoff an der Ostseite der Einmündung der Kurzen Wallfahrt in die Langwedeler Straße. Aus Anlaß des Zeppelin-Überflugs haben sich nicht nur Verlagsmitarbeiter bei Hauschild auf das Dach gestellt, sondern die Pastores von St. Ansgarii haben auch am Turmhelm feierlich die Kirchenfahne aufziehen lassen.

  • Einmal in der Art der ‚Gutmenschen’ argumentiert…

    Mit ungläubigem Staunen verfolgt man den zunehmend irrer werdenden Veitstanz des linken Meinungskartells um das Humboldt-Forum, welcher in jüngster Zeit nun auch auf die Stüler’sche Kuppel und die Fassaden des königlichen Schlosses übergesprungen ist und in blanken Wahnsinn umzuschlagen droht. Statt Freude und Dankbarkeit über die Heilung des baulichen Herzens von Berlin zu empfinden, wird - in nur noch pathologisch zu nennender Weise - Missgunst und Haß kultisch zelebriert.

    Wie wäre es nun aber, wenn wir, statt immer nur auf die kranken Hirnergüsse irgendwelcher Pseudointellektuellen zu reagieren, den Spieß einfach mal umdrehen und deren Argumentationsmuster für unserer Zwecke instrumentalisieren ?

    Was meine ich damit ?

    Nun, in einem gesellschaftlichen Klima, in dem Moral vor Recht geht und vertragliche Absprachen folglich wenn überhaupt, doch nur unter Vorbehalt der Prüfung durch nicht der rechtlichen Sphäre entstammenden, selbsternannten Inquisitoren Geltung haben sollen (viele ganz rechtmäßig von den Einkäufern des Berliner Völkerkundemuseums – zu denen u.a. auch der Direktor des Bremer Museums für Handelskunde, Prof. Hugo Schauinsland gehörte – käuflich erworbene Exponate, stehen z.B. heute auf der Rückgabeliste der vermeintlichen Gutmenschen), wäre einmal zu hinterfragen, ob Alles was seit dem Verkauf des heiligen Bodens der Ansgarikirche an den Warenhauskonzern Hertie mit diesem Areal geschah, moralisch einwandfrei war und damit heute noch Bestand haben kann ?

    Wenn es auch prima facie nach dem BGB möglich war, das Grundstück zu veräußern, durfte die Gemeinde dies unter höheren moralischen Gesichtspunkten überhaupt ? War ein Grund und Boden, welcher über sieben Jahrhunderte durch die Gebete und Gottesdienste, die Begräbnisse und Taufen geheiligt war, überhaupt veräußerungsfähig ? War das Kirchengebäude des Heiligen Ansgar durch seine mehr als halbtausendjährige Existenz nicht zu einem Subjekt eigenen Rechts geworden, dessen Interessen nicht kongruent mit denen der Gemeinde oder gar der Bremischen Evangelischen Kirche (der ‚BEK’) waren und die im Konfliktfall auch gegen den anderslautenden Willen der beiden letztgenannten Körperschaften zu verteidigen war ?

    Wenn der Kirche des Heiligen Ansgar somit äußerstes Unrecht angetan wurde, indem man sie nicht 1 zu 1 wieder aufbaute und statt dessen abriß, dann wäre die einzige Möglichkeit der ‚Wiedergutmachung’ der sofortige Entzug des – eh illegitimen – Eigentumsrechts, der sich als Usurpatoren entpuppenden gegenwärtigen Besitzer, der Rückbau des momentan bestehenden Gebäudes und die umgehende Planung des originalgetreuen Wiederaufbaus des seit fast 80 Jahren massiv Geschädigten: der Kirche !

  • In den 1950er Jahren hatte die turmlose und nach dem Kriege fast aller ihrer Giebel beraubte Ruine durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit der ebenfalls ruinösen St. Georgen Kirche in Wismar.

    Anders als St. Georgen erhielt Anschari allerdings keine zweite Chance...

  • Dieses unmittelbar nach Kriegsende aufgenommen Photo zeigt noch den Giebel des Hohen Chores und denjenigen des südlichen Querhaues (den 'Sonnenuhr-Giebel'). Beide wurden in den Folgejahren - vermeintlich - um der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, in mehr als eigentlich nötigem Umfang abgetragen. Beim Hohen Chor wurden sogar die drei Fenster bis ungefähr zur halben Höhe niedergelegt. Man erkennt die Absicht dahinter und ist verstimmt...

  • Dieses unmittelbar nach Kriegsende aufgenommen Photo zeigt noch den Giebel des Hohen Chores und denjenigen des südlichen Querhaues (den 'Sonnenuhr-Giebel'). Beide wurden in den Folgejahren - vermeintlich - um der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, in mehr als eigentlich nötigem Umfang abgetragen. Beim Hohen Chor wurden sogar die drei Fenster bis ungefähr zur halben Höhe niedergelegt. Man erkennt die Absicht dahinter und ist verstimmt...

    Weiss man denn, wann genau die beiden Giebel niedergelegt wurden? Als Aussenstehender, der die damalige Mentalität in Bremen absolut nicht kennt, würde ich jetzt noch keine böse Absicht dahinter vermuten. Ich kann hier nur sagen, dass Windkräfte nicht unterschätzt werden dürfen! Auch bei heutigen Neubauten wird ein Giebel nicht bis zur Spitze fertig gemauert, solange der Dachstuhl noch fehlt, da auch dort Bewegungen möglich sind.

    Beim Hohen Chor lastete das meiste Gewicht des Giebeldreiecks auf beiden Fensterpfeilern darunter, und nur zu einem geringeren Teil auf den die Ecken einschliessenden Wandscheiben. Für einen Sturm wäre das wohl ein leichtes gewesen, das Giebeldreieck umzustossen. Auch der Sonnenuhrgiebel war mit seiner Reihe von hochreckteckigen Nischen und den drei runden Vertiefungen sehr filigran gebaut, wohl aber mit einer geringen Biegesteifigkeit. Und - ich habe das schon zig-mal schreiben müssen - Mauerwerk wird durch Sprengbomben und Brand in sich sehr geschwächt, auch wenn man es ihm von aussen kaum ansieht. Klar hätte man 1945 die Giebel sichern können, aber woher das viele Bauholz für die Leergerüste nehmen, wenn man nicht mal genug davon zum Heizen hatte? Und wer trug die Verantwortung für die Kirchenruine, wenn kein Geld und Material für eine Erstsicherung vorhanden war? Ohne Absicherung hat dafür sicher niemand die Verantwortung übernehmen wollen.

    Mit den beiden Gewölbegurtbogen in Chor und Mittelschiff sah es auch nicht besser aus. Deren Sicherung hätte sehr viel Bauholz benötigt, und der Bogen im Chor sah gegen die Mitte sehr bröcklig aus. Wie hätte die in grosser Not lebende Bevölkerung reagiert, wenn man für diese Bogen einen irrsinns Aufwand für deren Sicherung betrieben hätte?

  • Sehr geehrter Riegel,

    vielen Dank für Ihre fundierte kritische Nachfrage !

    In der Tat war das Mauerwerk des Kirchenschiffs bei Kriegsende wesentlich geschwächter, als am Tage des Turmsturzes am 1. September 1944, da seither noch zwei Luftangriffe, mit massiven Brandbombenabwürfen, die Ruine getroffen hatten.

    Auch gab es einen bedenklichen Riß im Chorgiebel, der durchaus zu Sorge Anlaß gab.

    Aber die - von mir auf dem APH dargestellten -. Pläne von Fritz Brandt aus dem Jahre 1949, die einen Wiederaufbau des Ostteils der Kirche in situ vorsahen, arbeiteten mit beiden Giebeln (und zwar den Originalen), sodaß der Abriß erst hernach, also in den frühen 50ern, geschehen sein muß.

    Natürlich ist Ihr Hinweis auf die große materielle Not und den schieren Überlebenskampf in den unmittelbaren Nachkriegsjahren mehr als berechtigt. Allerdings schaffte es eine andere Innenstadtgemeinde, die katholische von St. Johann, die beiden - ebenfalls - Sturm und Wetter frei ausgesetzten, sehr hohen Giebel ihrer alten Franziskanerklosterkirche durch aufwändige, hölzerne Stützkonstruktionen zu retten.

    Und die katholische Gemeinde war nun nicht eben auf Rosen gebettet, anders als die Ansgari-Gemeinde zu der viele wohlhabende 'alte Familien' des bremischen 'Kaufmanns-Adels' gehörten.

    Aber - wie ebenfalls schon auf dem APH dargestellt - diese konnten sich nicht gegen die erst nach dem Kriege in Amt und Würden gelangten neuen Pastoren durchsetzen, die keine eigenen Erinnerungen an die intakte alte Kirche hatten und daher vollkommen emotionslos und nach rein praktischen Gesichtspunkten einen Neubau in der Vorstadt und den Abbruch der Ruine betrieben.

    Mit den - während des Krieges verstorbenen - langjährigen Ansagri- Pastoren Bode und Leonhardt (der Letztere aus Starzeddel, Kreis Guben, gebürtig) wäre ein Abriß 'ihrer' Kirche nie machbar gewesen. Wahrscheinlich hätten sie ganz ähnliche Stützkonstruktionen für Chor- und Sonnenuhrgiebel organisiert wie die Pfarrherren von St. Johann.

    Bezüglich der beiden 'bröseligen' Gurtbögen stimme ich Ihnen allerdings zu: Diese hätten - wenn auch schweren Herzens, da sie ja Originalsubstanz waren - niedergelegt und später wieder aufgemauert werden müssen.

    Anbei zwei Ansichten der Stützbalken an den Giebeln von St. Johann (Bild aus den frühen 50er Jahren):

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  • Die Bremer Evangelische Kirche hat heute Geburtstag

    Nein, nicht die heutige BEK (Bremische Evangelische Kirche), die ist nämlich erst ein Kind der Weimarer Republik. Aber die Kirche lutherischer Prägung in der Hansestadt, die hat heute ihr Wiegenfest, denn auf den Tag genau vor 499 Jahren, am 9. November 1522 hielt Heinrich von Zütphen in der südlichen Chorseitenkapelle von Anschari die erste Predigt im Sinne seines Freundes Luther. Im nächsten Jahr wird hier somit viel zu feiern sein, auch wenn der Platz, an dem von Zütphen damals stand, heute vom Kassenbereich eines Drogeriemarktes eingenommen wird...

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  • Total marode scheint das Mauerwerk beim Abbruch 1959 allerdings noch nicht gewesen zu sein. Denn trotz vierzehnjährigem Ausgesetztsein Wind und Regen gegenüber, waren die Mauerverbünde - selbst in großer Nähe zum Epizentrum des 1. September 1944 - noch erstaunlich fest, wie das anliegende Foto des Südfensters des westlichsten Jochs beweist. Der fehlende Mörtel oben rechts im Bild dürfte schon den Abbrucharbeiten geschuldet sein. Diese zogen sich über drei Monate hin...

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