Bremen - St. Ansgarii

  • Sichtachse Heerenstraße


    Lieber ursus carpaticus, die Schreibweise mit dem doppelten 'e' ist in der Tat die amtliche (siehe anliegenden Auszug aus dem Bremer Adreßbuch von 1939 mit zugehöriger Erklärung). Nachfolgend noch einige weitere Ansichten der besagten Straße.

  • Ansichtskarte aus dem Hause Rosenthal

    Eine Ansicht habe ich dann doch noch vergessen: Sie stammt aus dem Hause des - neben Louis Koch seinerzeit wichtigsten hiesigen - Ansichtskartenverlegers Albert Rosenthal, der sich mit seinen Karten unvergängliche Verdienste hinsichtlich der Bewahrung des Wissens über das Aussehen Bremens vor der Zerstörung erworben hat. Keiner, der an der Heilung des Bremer Stadtbildes interessiert ist, kommt ohne das Werk Rosenthals aus. Jeder Bremische Patriot fühlt sich ihm verbunden !

    https://de.wikipedia.org/wiki/albert_rosenthal_(verleger)

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  • Diskussion zwischen Axel Spellenberg und Hans Wilhelm Kaufmann dauert an

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    Verkaufsraum im Erdgeschoß des zu den 'Ansgarii-Höfen' umgebauten Bremer Carrées (Zeichnung: Axel Spellenberg).

    Axel Spellenberg bat mich, einen Teil des Fortganges der schriftlichen Diskussion zwischen Hans Wilhelm Kaufmann und ihm hier einzustellen. Dieser Bitte komme ich hiermit gerne nach:

    Email von Hans Wilhelm Kaufmann vom 04.05.2020:

    Sehr geehrter Herr Spellenberg,

    vielen Dank für Ihre lange Mail (NB: und zweite Mail) und offenen Worte!

    Es tut mir wirklich leid, dass Sie in einer existenziell schwierigen Lage sind, das wünsche ich niemanden. Ihr Entwurf eines Towers in Bremerhaven beeindruckt mich sehr und ich wünsche Ihnen damit viel Erfolg. Die Stadt kann (weitere) spektakuläre Bauten gut gebrauchen. Wie sehr starke Architektur den Charakter und auch das Selbstverständnis einer Stadt prägen kann, ist an vielen Beispielen belegt und ich brauche das bestimmt Ihnen nicht weiter zu erläutern. Die Gebäude, die mir dabei spontan einfallen, sind aber bis auf einer Ausnahme alles moderne, zukunftsweisende und visionäre Bauten und keine historisierenden Bauten. Nur der Wiederaufbau der Liebfrauenkirche in Dresden hatte mich ebenfalls gepackt und ich habe es gerne unterstützt.

    Ich muss Ihnen auch nicht den eigentlichen Charakter von "heiler Welt" erklären und auch nicht, was mit "Disneyland" gemeint ist. Dass Millionen Menschen etwas toll finden, kann nicht allein der Maßstab sein. Mit dem Argument der Popularität wurden in der öffentlichen Mediendiskussion schon Fernsehformate wie "Tutti Frutti" und "Dschungelcamp" gerechtfertigt. Verlassen wir diese rhetorischen Scharmützel. Ich habe Verständnis und Respekt für Ihren Wunsch nach Restaurierung und Rekonstruktion und bin in Ihrer Kritik an den Plänen Dr. Jacobs ganz bei Ihnen.

    Aber für die Bremer Innenstadt habe ich andere Vorstellungen, ich setze meine Hoffnung auf gut formulierte Wettbewerbe, die der Stadt neue Impulse und Inspiration geben können. Als gelungenes Beispiel sehe ich die Kunsthalle, wobei der Sieger sich sogar über die Vorgaben hinweggesetzt hat, UND die Preisrichter die Chance dieses Entwurfes auch begriffen und würdigten. Ich wünsche mir für die Innenstadt ein neues, visionäres Konzept von Wohn- und Geschäftsviertel, mit dem einen oder anderen prägenden Bau. Das könnte sogar der Wiederaufbau eines zentralen alten Gebäudes sein - mit der entsprechenden Funktion. Aber was sollte es an diesem Platz sein außer St.-Ansgarii-Kirche? Aber das hieße in der Konsequenz, es müsste eben auch genau dieser Kirchenbau sein und nicht ein dahinter verstecktes Geschäft oder andere Aktivitäten. Nur - wer will so eine Kirche in der Innenstadt? Das kann man betrauern, ändern kann man es nicht.

    Nachtrag zu Ihrer 2. Mail: Ihr Entwurf zum Asngarii-Kirchturm sind in sich schlüssig und überzeugend. Aber sie sind KEINE historischen Bauten. Da können Sie noch so viel rekonstruieren - die Atmosphäre eines echten alten Gemäuers werden Sie nicht wieder herstellen können. Ihre Beispiele aus Ulm und anderswo fußen gerade auf dem Erlebnis, dass es alte, also echte(!), Gebäude sind, die mit neuen Inhalten versehen wurde. Das geschieht sehr oft und ist auch gut, aber kann als Begründung für eine vollständige Rekonstruktion von etwas längst Verschwundenen, nicht herhalten.

    Dass die neue Architektur alte Formen wieder aufnimmt, zitiert, weiter entwickelt usw. ist unbestritten. Das ist in der Musik genauso: Kein Komponist kann heute etwas schreiben, was nicht in irgendeiner Form schon mal da war. Deswegen schreibt niemand wie J.S. Bach, selbst wenn er es versuchen würde (und deren Versuche gab und gibt es genug) und der jüngst publizierte Versuch mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz eine 10. Symphonie von Beethoven zu erstellen, ist einfach nur peinlich.

    Ich weiß nicht, was Sie dazu bringt, mich auf eine Ebene mit "(a)sozialen Medien" und "Facebook-Durchschnitts-Usern" zu setzen. Auch wollte ich Sie nicht persönlichen treffen und kann nach nochmaligem Lesen meines ersten Leserbriefes Ihren Vorwurf, ich hätte Sie verletzt und getroffen, nicht nachvollziehen. Wenn Sie mit Ihrer Meinung und bildlichen Vorschlag an die Öffentlichkeit gehen, müssen Sie sich auf einen öffentlichen Streit gefasst machen, das kennen Sie ja auch schon. Eine Meinung auf griffige Formel zu bringen, ist m.E. ein durchaus legitimes Mittel. Und meine Meinung habe ich auch begründet und kann daher den Vorwurf von "Abgedroschenheit" und Keulenschwingen nur zurückweisen. Im übrigen kam mir der Begriff "Disneyland" und "Playmobil" bei meinem Besuch der Frankfurter "Altstadt", die eben nicht alt ist.

    Ich denke, wir haben unsere Argumente ausgetauscht, wir haben in dieser Frage verschiedene Ideen und Positionen und ich bedaure, dass der WK Ihre Antwort nicht abdruckt. Aber das ist nicht Ihre und nicht meine Entscheidung. Ich wünsche Ihnen aber beim dem Bremerhavener Projekt, dass Sie damit Erfolg haben und Ihr Entwurf realisiert wird, es täte der Stadt wirklich gut.

    Mit besten Grüßen und Wünschen

    Hans Wilhelm Kaufmann

  • Die Antwort von Axel Spellenberg vom 04.05.2020


    Sehr geehrter Herr Kaufmann,


    das klingt doch schon viel besser als die ´Töne´ in Ihrem Leserbrief, worin Sie einen "Mief" herauszuriechen vorwandten. Nur leider sind Sie meiner Frage ausgewichen, woran Sie explizit diesen "Mief" gerochen haben wollen. Das ist es gerade, was mich und auch meine Vereinsfreunde verletzt hat, solcher an nichts-und-wieder-nichts herausgelesener "Mief", der Ihre Verbalattacke "Disneyland und Playmobil" erst gebar, und die aus der Luft heraus geschleudert wurde, um die "Heile-Welt-Bildchen"-Interpretation vor hundertausender Leseraugen erst ableiten glauben zu können. Nochmals im Klartext: an der von uns publizierten äußeren Fassadenskizze konnten Sie nicht und nichts dergleichen erkennen, was Ihnen im Gebäudeinnern beim Betreten am Eingang entgegenkommen würde: "der Mief eines stinknormalen Einkauscenters". Ich habe in 50 Jahren Berufstätigkeit viele kritische Meinungen in seriösen Medien über meine Arbeit erfahren, hören und lesen müssen, zuletzt vergangene Woche zu einer Publikation meiner Entwürfe über das Quartier Haven Höövt Vegesack in einem ausführlichen Pressebericht der NORDDEUTSCHEN, den Sie noch Online lesen können.

    Aber nicht solche aus dem hohlen Bauch heraus fabulierte, ohne Beweisführung und glaubhafte Argumente unterstellende. Das geschieht eben so in den (a)sozialen Medien. Es beeindruckt mich nicht, Sie können das bis zum St. Nimmerleinstag "zurückweisen", Sie stehen damit auf keiner anderen Ebene.



    Sei es dahingestellt. Wir haben jetzt mit Ihrer Antwort schon eine etwas sachlichere Ebene erreicht. "Impulse und Inspiration" für die Innenstadt, "gut formulierte Wettbewerbe", "neue visionäre Konzepte", das ist ja gerade momentan alles gescheitert. Siehe Sparkassenareal und Eingeständnis des Groß-Investors ZECH in einem jüngsten WK-Interview. Er errichtete und errichtet Bauten, die Ihnen möglicherweise gefallen - Atlantic Grand Hotel neben der Böttcherstraße, Quartier am Europahafen etc. - und wollte das Parkhaus-Mitte abreißen, um, zusammen mit Kaufhof, ein neues zukunftsweisendes Innenstadtkonzept zu verwirklichen, das Ihnen sicherlich aus der Seele gesprochen hätte. Wenn es jetzt nicht - wie er einräumte - krachend gescheitert wäre. Und zwar nicht nur alleine wegen Corona, sondern zudem der von ihm beklagten engstirnigen Haltung der Stadt sowie der von ihm konstatierten Rückläufigkeit der Kaufkraft in der Innenstadt durch u. a. den Online-Handel. "Mehr als 2000 Quadratmeter Verkaufsfläche für ein Geschäft in der Innenstadt gehen nicht mehr", das ist eine öffentliche Bankrotterklärung des Investors und das Aus für sein Großbauvorhaben.

    Und nun im Interview vom ´Saulus zum Paulus´ gewandelt: "Nur quadratisch zu bauen, reicht nicht aus." Aber: "urbanes Leben, Kleinteiligkeit und Vielfalt wie im Schnoor-Viertel und Ostertor als sein Vorbild". "Um so etwas mit Neubauten hinzubekommen, dürfen es keine Retorten sein, nichts Austauschbares", sagte er im Interview dem Weser Kurier. Guck mal einer an, der Erbauer austauschbarer Retorten ZECH will jetzt Neubauten im Puppenstubenstil à la "Heile-Welt-Bildchen"-Viertel Schnoor. Warum? weil ihm die ´quadratischen´ Felle davon schwimmen, sprich: mit seinen topmodernen Konzepten die Kohle ausgeht. Da ist die eigene Haut durch "Disneyland" zu retten allemal naheliegender, und so steuert man um vom schnörkellosen Quadratkistenbauer zum Ostertor-Schnörkel-Viertel-Fan.



    Unser Projekt Ansgarii geht da andere Wege: Revitalisierung der mittleren Innenstadt nicht durch "quadratisches Bauen", deren Verödungsfolgen nicht nur von ZECH beklagt werden. Auch nicht durch Kopieren von Schnoor- und Ostertor-Heimeligkeit. Wir können nämlich das auch ihm gehörende Bremer Carée nicht mir-nichts-dir-nichts dem Erdboden gleichmachen und eine alte gotische Kirche darauf stellen.

    Auf Eigentum ist Rücksicht zu nehmen. Oder wir bleiben Traumtänzer ohne Realitätssinn. Der neue Grundriß unseres Projekts erhält den 4200 Qaudratmeter großen des Carées und stellt den nur 170! qm großen Turm an die Platzecke auf dem Grundstücksareal. Dafür muß nur ein geringer Teil des Carées abgebrochen werden, den wir mit einem gläsernen Vorbau wieder schließen. Ist nicht "historisch", wollen wir auch nicht. Nur der Turm ist es, soweit man ihn historiengerecht wieder herstellen kann. Aber das ist für mich als ´Baumeister´ das geringste Problem. Entschieden abgelehnt hatte ich als 2.Vereinsvorsitzender Vorschläge von Mitgliedern, im Turm ein Hotel unterzubringen und die gotischen Blendarkaden und Fensteröffnungen durch moderne Fensterfronten zu ersetzen. Das sieht als schon publizierte Visualisierung auf den ersten Blick verlockend aus, wäre aber der Tod für St. Ansgarii.



    Kein ´Tod´, aber neues Leben, ist der Umbau des Carées zu einem Kaufzentrum im Stile von HARRODS London, das ich als Vorbild für meine Ideen schon begeistert besucht habe. Nur kleine feine und exquisit traditionelle Kaufflächen in individueller Gestaltung. Wir sehen ca.100 - max. 800 Quadratmeter für die Verkaufseinheiten vor, und wären damit sogar bei der derzeitig maximalen Corona-Fläche. Kleinere Kontors für typisch Bremer Produkte, feine kleine Cafés und Restaurants sollen das Angebot, das in den Obergeschoßen Büros und Kanzleien, in Dachgeschoßen Stadtwohnungen enthält, abrunden. Das ist haargenau, was sich Kurt Zech - neuerdings zum Erstaunen der modernen Bauamts- und Planerwelt und Bürger Bremens - vorstellt und erwünscht:"urbanes Leben, Kleinteiligkeit und Vielfalt".

    "Und wir müssen Attraktionen schaffen, gerade auch architektonisch", sagte er der Zeitung. Ja, wäre denn der Ansgarii-Turm keine architektonische Attraktion? Oder was ist es anders? Ah, "steht Ihnen im Wege". Ja, hat das auch mal auf diesem Erdenrund jemand zum dem nach dem Einturz 1902 rekonstruierten Campanile und Glockenturm von St. Marco auf dem Markusplatz Venedig gesagt? Was gäben Millionen Menschen darum, dort heute stehen zu dürfen. Und der Hamburger Michel?Nicht gerade historiengerecht rekonstruiert, ausgerechnet vom erbittertsten Rekonstruktions-Feind und Denkmalschützer GEORG DEHIO!

    Er geißelte um 1900 den Weiterbau des 19. Jahrhunderts von u. a.gotischen Domen und trug mit der >Charta von Venedig< entscheidend dazu bei, dass der Denkmalschutz bis heute Rekonstruktionen ablehnend gegenüber steht. Was im übrigen nur auch Ihre und unzähliger Reko-Gegner Haltung beinflußt haben muß. Der von ihm entgegen eigener Überzeugung und Ideologie dennoch rekonstruierte Bau St. Michael wurde auf Wunsch der Hamburger nach Wiederherstellung des äußerlichen Wahrzeichens von 1906- 1912 nach einem vernichtenden Brand wieder aufgebaut. Allerdings mit Stahl und Beton anstelle der historischen Holzkonstruktion. Und? was tut das der Beliebtheit als der Hauptsehenswürdigkeit Hamburgs für einen Abbruch? Wer stört sich an diesem "Disneyland"? Unser Ansgariiturm wird mit keinem Stück Beton oder Stahl wieder aufgebaut, sondern aus Stein, Holz, Schmiedeeisen und Kupfer in ganz und gar mittelalterlichen Bautechniken. Nur der Fahrstuhl muß in moderner Technik hergestellt werden. Da höre ich schon wieder die Kritiker lamentieren. Wir bauen auch nicht im Stil der "Frauenkirche", deren Erbauer Beton und Stahl verwendeten und im Innern mehr als freihändig rekonstruierten.



    Im übrigen war ich als "die treibende Kraft für den Wiederaufbau von Altstadtquartieren" (s. Anhang, Schreiben des Kolumnisten und Redakteurs von DIE WELT Dr. Dankwart Guratzsch) nicht rundum amused über den im Innern zum großen Teil nicht authentischen Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt. Da ist in der Tat vorneweg viel "Puppenstube", dahinter überwiegend "stinknormale" Moderne und Beton drin. Was soll´s, das interessiert die Leute keinen Deut: laut Tourismusamt der Stadt besuchen seit der Eröffnung 2018 jährlich 3 Millionen Besucher alleine nur das kleine neue Quartier Am Hühnermarkt zwischen Dom und Römer. Da geht´s um sehr viel Geld für Geschäftsleute, Immobilienkaufleute und die Stadt, das durch den Tourismus reinkommt, nicht "Tutti-Frutti"-Unterhaltungsshows.

    Ausgerechnet die erklärten Rekogegner konnten den Riesenerfolg der neuen Frankfurter Altstadt nicht genug in den Himmel loben. Die goldkettenumhangene Brust des erklärten Altstadtgegners und OB´s Frankfurts Feldmann war zur Eröffnung vor Stolz angeschwellt, der Mund prallvoll von Lobeshymnen und Dank an die Initiatoren, meine Freunde von Pro Altstadt e. V. Das sollte Bremen mal aufweisen! Und davon kann Kurt Zech nur träumen. Nur, leider sind die Bremer nicht geneigt, mal über ihren Tellerrand nach Frankfurt, oder auch Dresdner Neumarkt, zu schauen, um nur die dortige Erfolgsbilanz mal ´anzukucken´, wie der Norddeutsche zu sagen pflegt. Nein, der hanseatische Stolz verbietet das. Also, immer weiter so mit der Innenstadtverödung, Niedergang und Gejammer à la ZECH. Bis die Tore vollends geschlossen werden. Sieht ja derzeit schon trostlos genug aus.



    Ja, die "Feinde" und Gegner sind die eigentlichen Freunde (s. Spruch von John Steinbeck im Anhang). So auch in unserer Initiative. Sie sind herzlich willkommen, uns zu unterstützen, mit einer Geldspende oder auch Vereinsbeitritt. Einen "zuverlässigen", und auch kenntnisreichen,´Gegner´ unseres Ansgarii-Projekts sähe ich in Ihnen schon. [...]

    Wir brauchen dringend Unterstützer und neue Mitglieder.

    Mitgliedsgebühren im Jahr 12 Euro, ist doch geschenkt? Und lauter nette Leute im Rund. Wir würden uns auf Ihr Kommen freuen, sind derzeit aber durch die Corona-Krise und Einschränkungen an einer Vereinsversammlung gehindert.



    Danke für Ihr ausführliches und aufschlussreiches Schreiben.



    Mit freundlichen Grüßen



    Axel Spellenberg



    2. Vorsitzender ANSCHARI e. V.




  • So schön das alles ist und so wichtig der Turm erscheint, frage ich mich trotzdem, ob nicht die Komplettreko der Kirche leichter zu argumentieren wäre. Noch dazu, wo das Kirchenschiff ja nicht besonders aufwändig erscheint. Man müsste gar keine Nutzung als Kirche anstreben. So macht man sich ein bisschen des reinen Ästhetizismus um seiner selbst Willen verdächtig. Das Argument der Funktionslosigkeit des Glockenturms ist schwachsinnig, keine Frage, aber im medialen Disput recht wirkungsvoll, wie ich fürchte. Eine historisch korrekte Reko eines ganzen Baus ist doch eine andere Sache. Ich weiß nicht, ob man in Potsdam mit diesem Konzept erfolgreich gewesen wäre. Auch wenn jetzt der Turm allein bleiben würde - für die Kraft der Bewegung war wohl entscheidend, dass man immer die gesamte Kirche im Auge gehabt hat. Spellenberg räumt eventuell zu früh sein Feld, womit er einerseits zugibt, dass von einem Feld als solchem bzw dessen Innehabung gar nicht die Rede sein kann, dass er nichts in Händen hat, und macht sich andererseits von allen Richtungen aus angreifbar. Sogar Rekopuristen könnten leicht umschwenken.

    Das wirklich Tragische ist, dass die protest. Kirche so am Sand ist, dass von ihr so gut wie keine Unterstützung zu erwarten ist.

  • Lieber ursus carpaticus,

    ich kann Ihre Vorbehalte durchaus nachvollziehen. Aber bedenken Sie bitte, daß Bremen eine Hochburg der Reko-Gegner ist. Unter diesen Umständen bietet uns die weiter oben geschilderte Kehrtwende Kurt Zechs möglicherweise die einmalige Gelegenheit, ein Referenzobjekt zu schaffen, welches bei verhältnismäßig geringem Grundflächenbedarf ein Höchstmaß an Verbesserung des Stadtbildes verspricht. Das Kirchenschiff (wie übrigens auch Essig- und Kornhaus) wertet lediglich das unmittelbare bauliche Umfeld auf. Schon zwei 'Häuserecken' weiter, ist es nicht mehr zu sehen. Der Turm hingegen wirkt massiv auf das Erscheinungsbild der gesamten Altstadt ein und ist bis weit ins niedersächsische Umland hinein dominant sichtbar. Er wäre somit ein regelrechtes 'Leuchtturm-' und Werbeprojekt für weitergehende Reko-Vorhaben. Mit dem Turm könnten wir einen Fuß in die Tür der Zitadelle 'reko-freies Bremen' bekommen. Viele bisherige Gegner und Skeptiker würden anhand des Turms nun auch in Bremen aus eigener Anschauung erkennen können, welch heilende Wirkung Rekos auf geschundene Stadtbilder ausüben. Der Turm hätte somit das Potential 'Appetit auf mehr' zu machen. Seien Sie bitte versichert, daß Axel Spellenberg den Turm statisch so plant, daß - bei entsprechendem Willen - der Anbau des Kirchenschiffes später möglich wäre (das in der jetzigen Planung geschlossene Turmjoch könnte problemlos zum Mittelschiff hin geöffnet werden). Ja, ich weiß, diese Formulierungen erinnern sehr stark an die Aussagen zum historischen Innenausbau des Berliner Schlosses....und das sollen sie auch ;).

    P.S.: Was Sie in Bezug auf die 'Evangelische Kirche' geschrieben haben, trifft leider in der Tat auf die Institution in ihrer Gesamtheit weitestgehend zu, allerdings gibt es durchaus einige Amtsträger, die den Gedanken der Rückkehr von St.Ansgarii - in welch kleinen Schritten auch immer - als reizvoll und unterstützenswert erachten.

  • Der Turm hingegen wirkt massiv auf das Erscheinungsbild der gesamten Altstadt ein und ist bis weit ins niedersächsische Umland hinein dominant sichtbar.

    Der Gedanke hat was. Vor allem wäre es wohl die Wiederkehr eines alten Bremer Wahrzeichens.

  • Ansicht von 'Ansgari-Höfen' und Turm von der Obernstraße aus:

    Erdgeschoß. Blick nach West zum Eingang. Rechts im Bild das rekonstruierte Widfeld-Epitaph. Man beachte die spitzbogige Struktur der Glasverkleidungen von Wendeltreppe und Aufzug.

    Erstes Obergeschoß. Kapelle im historischen Turmjoch. Blick nach Osten.

  • Aha. Ja, ich finde, ein markantes Backsteingebäude wäre an dieser Stelle nicht verkehrt - die Blockgröße war ja wohl "immer so", weil da vorher die Hallenkirche stand, also auch schon ein Hallengebäude - und der Turm würde es rausreißen. Das könnte ein Treffpunkt werden. Sieht man von vielen Stellen, könnte man sich dran orientieren.

    Was ich noch nicht so ganz begriffen habe: warum steht der Turm "diagonal" bzw. "auf Eck" zum Gebäude?

    Hatte die Hallenkirche früher eine andere Orientierung als der Block heute?

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    Liebe Loggia,

    sie haben es genau richtig erkannt. Die Kirche stand - anders als das gegenwärtige 'Bremer Carrée' - nicht parallel zum Straßenverlauf der Obernstraße, sondern war streng gen Jerusalem orientiert. Daher die 'schräge' Stellung des Turms.

    Anbei noch einige Bilder zur Verdeutlichung:

    01. Überlagerung der Grundrisse von 'Bremer Carrées' (rot) und St. Ansgarii (grau schraffiert)

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    02. Turm, Kirchenschiff und an die Außenmauer angebaute Häuser.

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    03. Das historische Luftbild- mit ersten Luftkriegsschäden im Umfeld des Gotteshauses - macht dessen 'diagonale' Stellung besonders deutlich.

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    04. Collage.

  • Aha, da war also mal ein dreieckiger Platz.

    Hm. Wenn ich etwas überlege, finde ich die Turm-auf-Eck-Lösung eigentlich durchaus richtig, denn der Turm sollte wieder so sein, wie er war, aber das Gebäude hat einen anderen Zweck und das auch so schräg zu stellen, wie die Kirche es war, leuchtet nicht so recht ein. Zumal man mit ehem. Ansgari-Kirchhof ("vor dem Turm") und Hanseatenhof zwei ganz ordentliche Stadtplätze hat. Die Häuser drumrum sind ja alle höher geworden, insofern sollte das neue Gebäude auch nicht zu niedrig sein...

  • Und hier - aus ganz ähnlicher Perspektive - eine Animation des Einsturzes des Turms (von dem bisher keine originalen Filmaufnahmen bekannt sind):

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  • Zitat von Loggia aus dem Themenstrang 'Zukunft des APH':

    " [...] etwa bei St. Ansgari wüßte ich keine sinnvolle Nutzung für eine Kirchenreko, und erstmal eine Kirchenreko zu bauen, um sie dann Umzunutzen à la Graues Kloster o.ä. ist mir denn auch ein paar Umdrehungen zuviel."

    Sehr geehrte Loggia,

    Sie sprechen da einen wesentlichen Punkt an.

    In der Tat hat man bei manchen – ausdrücklich aber nicht bei allen ! – Maximalisten, welche die sofortige komplette Rekonstruktion von St. Ansgarii (inklusive Kirchenschiff und Anbauten) propagieren, den Verdacht, daß sie das primär nur deshalb tun, um das Projekt von vorneherein zum Scheitern zu bringen. Denn sie müßten doch – ebenso wie wir - ganz genau wissen, daß seit dem Entscheid gegen Fritz Brandts Wiederaufbauplan von Turm und Kirche von November 1948 sowie dem seltsamen Baustopp für die bereits begonnene Rekonstruktion der Essighausfassade, Bremen zu einer der landesweit stärksten Festungen der Reko-Gegner geworden ist. Für die diese ‚Zitadelle’ absolutistisch beherrschenden Modernisten ist der Vorhalt eines fehlenden, schlüssigen Nutzungskonzepts das einfachste und effektivste Mittel, um eine sich anbahnende ‚Belagerung’ durch Reko-Befürworter bereits im Vorfeld zu unterbinden.

    Die Beschränkung auf den für die Heilung des übergeordneten Stadtbildes essentiellen Turm (Wortmann zu Stein: „Fehlen des Turms wird immer eine schmerzliche Lücke im Stadtbild sein.“) ist daher die momentan einzig richtige Entscheidung. Denn so kann die schwierige Frage nach der würdigen Art der Nutzung des Kirchenschiffs (museal-kulturell oder doch wieder christlich-religiös) vertagt und erst einmal nicht zum Hemmschuh oder gar zur Verhinderin des gesamten Projektes werden. Dabei würde die angestrebte Mischnutzung des Turms (Museum der Bremer Reformation und kultureller Veranstaltungsort) nicht nur Wohlmeinende, sondern auch viele – im Konflikt eher neutrale – Zeitgenossen überzeugen können. Außerdem würde die 'Kosten-Nutzen Analyse' äußerst günstig ausfallen: Für die Abtretung einer verhältnismäßig kleinen Grundfläche, erhielte man einen extrem großen Nutzen an Attraktivitätssteigerung für die mittlere Altstadt.

    Mit dieser Vorgehensweise setzte man die Modernisten unter Zugzwang, erklären zu müssen, warum sie - in geradezu verbissener Weise – Stadt und Bürgern dieses Stück ‚Schönheit’ vorenthalten wollen. Sie müßten bekannen, daß der Faktor ‚Schönheit der eigenen Stadt’ für sie ganz offenbar keine Bedeutung hat.