Maß, Zahl und Goldener Schnitt - Proportionen in der klassischen Architektur

  • Folge 1: Der Konstantinsbogen zu ROM

    Schauen wir uns zuerst die historischen Fakten mit Daten aus der Wikipedia an:

    "Der Konstantinsbogen ist ein dreitoriger Triumphbogen in Rom. Er wurde zu Ehren des Kaisers Konstantin in Erinnerung an dessen Sieg bei der Milvischen Brücke (im Jahre 312) über seinen Widersacher Maxentius errichtet."

    Und weiter:

    "Der Konstantinsbogen wurde bereits 312 begonnen und am 25. Juli 315 geweiht. An diesem Tag feierte Konstantin den Beginn seines zehnten Regierungsjahres (decennalia). Auftraggeber für das Werk war der Senat. Der Bogen wurde an prominenter Stelle errichtet: Er überspannt in unmittelbarer Nähe des Kolosseums die Via Triumphalis, die sich nur wenige Meter nach dem Bogen mit der Via Sacraverbindet. Diesen Weg schlugen traditionell alle Triumphatoren ein, wenn sie vom Circus Maximus kommend den Palatin umrundeten, um dann über die Via Sacra und das Forum zum Kapitol zu gelangen. Ursprünglich soll der Bau von einer Quadriga gekrönt gewesen sein, die jedoch bei der Plünderung Roms durch die Westgoten unter Alarich im Jahr 410 oder die Plünderung Roms durch die Vandalen unter Geiserich 455 abhandengekommen sein soll.

    Im Mittelalter integrierte man den Triumphbogen, ebenso wie das Kolosseum, in die Stadtbefestigungsanlagen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde er in den derzeitigen baulichen Zustand versetzt. Im modernen Rom litt der Bogen, wie viele andere antike Monumente auch, sehr stark unter den Belastungen durch den motorisierten Straßenverkehr."

    512px-RomeConstantine%27sArch03.jpg

    RomeConstantine'sArch03

    User:Alexander Z. [CC BY-SA 3.0 (Creative Commons — Attribution-ShareAlike 3.0 Unported — CC BY-SA 3.0)], via Wikimedia Commons


    Hier noch eine ältere, wohl aus dem 19.Jahrhundert stammende Aufnahme:


    Arco_Constantino_Doppelton__794x500_.jpg

    Im Folgenden habe ich die Fassade anhand einer kolorierten Zeichnung nach Verhältnissen des Goldenen Schnittes untersucht und zahlreiche Beziehungen der Architekturteile untereinander gefunden und diese graphisch und in Farbe gekennzeichnet und dargestellt.

    Zunächst die reine Zeichnung ohne die eingetragenen Maßverhältnisse:


    00012633.jpg


    (Bei genauerem Hinschauen ergeben sich Unstimmigkeiten/Unterschiede zwischen Fotos und Zeichnung. Die Frage ist halt, welche Seite gezeigt wird!? Die Zeichnung ist eine Teilrekonstruktion.)

    Fortsetzung folgt.

  • Folge 1.2

    Die Betrachtung der Fassade des Konstantinsbogen ergibt mit dem darüber gelegten Goldenen Schnitt Proportionen ein sehr komplexes Muster. Erstaunlich wie oft in sich verschachtelt und aufeinander bezogen die Maßverhältnisse des GS in Erscheinung treten. Ich fand den GS allein durch Nachmessen, nicht nachvollziehendes Konstruieren der Fassade mit einem Entwurfsmuster, wie es wohl der römische Architekt gemacht hat. Das wäre mal noch eine Aufgabe, z.B. die Triangulatur herauszufinden.

    Jetzt möchte ich bei den Verhältnissen des GS bleiben und damit der großen Harmonie und Strahlkraft der klassischen Architektur auf die Spur kommen.

    Zunächst das Gesamtbild, das sich durch die Entdeckungen des GS an zahlreichen Stellen, Linien-, wie auch Flächenbezügen finden ließ.


    Im Folgenden möchte ich ein wenig in den Dschungel der Maßlinien Licht bringen.

    Bleiben wir einmal bei der Mittelachse des Konstantinsbogen.

    Von einer definierten Strecke ist jeweils die längere mit Minor bezeichnet und die kürzere mit Major. Nach dem GOLDENEN SCHNITT, rein in Zahlen ausgedrückt, wäre die Teilung von 1 mit 0.618 als Major und 0,382 als Minor gegeben.

    (Weitere Erläuterungen zum GS, siehe auch hier:

    Berliner Schloss - Geometrie, Zahl, Maß und Goldener Schnitt - Proportionsstudien zur Entdeckung des harmonischen Entwurfsrasters in den Fassaden)

    An der Mittelachse sehen wir, daß die Gesamthöhe des Monumentes zur Linie des Gesimes im Mittelbogen im GS steht. Die Linie des Bogengesimses markiert auch die Lage der umlaufenden Reliefs. Die untere Linie des Bogengesimes teilt die Gesamthöhe des Bogens auf Höhe der ersten Sockelstufe im GS.

    Nehmen wir die Mittelachsen der mittleren Säulen als Seitenlinien eines Rechteckes, so lassen sich 2 Goldene Rechtecke finden, die jeweils mit den Hauptgesimsen korrespondieren. (Die Seiten des Goldenen Rechteckes stehen im Verhältnis des GS zueinander)


    Fortsetzung folgt!

  • Folge 1.3

    In der Betrachtung und Analyse des Konstantinsbogen wende ich mich jetzt zur rechten Seite des Monuments. Dort setzen sich die harmonischen Verhältnisse "naturgemäß" fort. Für die untere Referenzlinie hat sich die obere Kante der unteren Sockelebene ergeben.

    • Von dort gemessen bilden das Bogengesims des Nebenportales und das Hauptgesims ein Goldenes Schnittverhältnis.
    • Das obere markante Abschlußgesims bildet mit seiner Linie wiederum zur Unterkante des profilierten Architravs eine harmonische Teilung.
    • Geradezu in sich verschachtelt, sozusagen wie Fraktale eines Ganzen erscheint ein Verhältnis im Goldenen Schnitt auch bei diesen Strecken: Sockellinie bis Oberkante Hauptgesims zur Strecke Basis Säulen bis Ende Kapitelle!

    Konstantinbogen---Kopie-2.jpg


    Weitere Verhältnisse zeigt ein Blick auf die linke Seite (damit es einseitig nicht zuviel und unübersichtlich wird):

    Konstantinbogen---Kopie-3.jpg

    • Die Scheitelhöhe des Nebenportals vom Boden aus bildet mit der Höhe der Portalgewände bis zur Oberkante des Kapitells/Bogenbeginn ein goldenes Verhältnis.
    • Die Mittellinie des Architrav schneidet die Gesamthöhe von der Referenzlinie aus bemessen golden!


    Betrachten wir noch die schwarzen Linien und ihre ganzzahligen Verhältnisse:

    • Die Gesamthöhe 1 findet sich im Abstand der Mittellinie der äußeren Säulen wieder.
    • Die Länge der Säulen 2 inklusive Basis, Sockel und Kapitell addiert ergibt die Gesamthöhe ab Säulensockeloberseite.
    • Diese "Maßeinheit" 2 ist aber auch bestimmend für die Lage der Reliefbänder!
    • Die Abstände der Mittellinien in den Säulen verhalten sich jeweils im GS zueinander!

    Konstantinbogen.jpg


    Damit soll die Betrachtung des Konstantinsbogen beendet sein. Ich hoffe ein klein wenig neue Einblicke in die Geheimnisse der harmonikalen Erscheinungen klassischer Architektur gebracht zu haben.

    Alsbald kommt eine Fortsetzung mit weiteren Bauten!

  • EXKURS I

    In diesem ersten Exkurs geht es um die proportionalen Strukturen, die andere Autoren in den klassischen Bauten gefunden haben. Es sind Netzfunde, die sich über die Jahre zu einer kleinen Sammlung angehäuft haben und jetzt mit einer Auswahl zur anschaulichen Bebilderung für weitere Einblicke in die Geheimnisse des Goldenen Schnittes dienen können.

    (Für die alten Netzfunde kann ich keine Quellen mehr angeben. Bitte um Nachsicht! Einzig die Angabe: alle Bilder dieses Beitrag fremde Autoren!)

    DER klassische Bau der Antike dürfte der Parthenon-Tempel auf der Akropolis zu Athen sein.

    Schauen wir uns seine Proportionen einmal genauer an!


    Hier die Fassade des Parthenon in einer Rekonstruktionszeichnung

    91hc.jpg

    In der einfachen Art, wie ich auch in meinem Analysen vorgehe, hat der Autor hier die offensichtlichen, horizontalen Hauptlinien betrachtet und den GOLDENEN SCHNITT auf Höhe der Säulenenden/Gebälk im Verhältnis zur Gesamthöhe gefunden.


    slide_7.jpg

    Die gefundene Teilung hier als Rechtecke dargestellt.

    image091.jpg

    In der folgenden Abbildung sind Quadrate konstruiert worden, deren Seitenlängen der Fibonacci Reihe folgen, also 1,1,2,3,5,8,13,21,34,55, ... . Die Teilung durch die jeweils folgende Zahl ergibt eine Annäherung an den Phi-Quotienten, also 0,618, dh. die Ergebnisse pendeln um dieses Ideal herum!

    ParthenonGoldenRatio.jpg


    Hier eine andere Version der Konstruktion der Fibonacci-Reihe.

    slide-4.jpg


    Verbindet man die diagonal gegenüberliegenden Ecken der Quadrate mit einem Kreisbogen, so ergibt sich eine Fibonacci-Spirale, wie wir sie auch in der Natur zahlreich vorfinden (z.B. Schneckengehäuse oder Wuchsformen bei den Pflanzen)

    2.19.jpg

    Das ist aber noch nicht alles, was der Parthenon an proportionalen Geheimnissen zu bieten hat. Schauen wir jetzt das komplexe Gewebe des Phi-Quotienten an:

    im Aufriß der Fassade

    parthenon12.gif

    und im Grundriß

    parthenon10.gif

    2.18.jpg

    Zum Absschluß noch eine Rekonstruktionsansicht mit Farbfassung:

    a_Parthenon_1.gif


    Fortsetzung folgt.

  • Exkurs II

    Die Analyse der vielfältigen Erscheinungen des Goldenen Schnittes in der Architektur ist das Eine. Diese Erkenntnis sagt aber noch nichts über die Konstruktionsmethode aus, das Andere, das uns die Kunst der Architektur erst richtig verstehen läßt. Wie haben die antiken Architekten das überhaupt geleistet? Mit welcher geometrischen Kostruktionsmethode haben sie ihrem Entwurf ein Muster zugrundegelegt. Ein Grundmuster, ein Raster, auf dem dann die konkrete Architektur aufschien, hineinprojiziert wurde!? Das herauszufinden ist noch viel spannender.

    Vielleicht gibt uns diese geometrische Analyse eines imaginären römischen Trimphbogens (Entwurf von Berlage, 1908) einen Hinweis und Einblick:

    Berlage_Raumkunst-und-Architektur1.gif

    Quelle: berlage1908.htm

    (Quelle ist ein Vortrag von 1908 zum Entwerfen von Fassaden und Innenräumen!)


    Zum Beitrag über den Konstantinsbogen hier noch eine Ergänzung:

    003-schema1.jpg

  • Wie haben die antiken Architekten das überhaupt geleistet? Mit welcher geometrischen Kostruktionsmethode haben sie ihrem Entwurf ein Musert zugrundegelegt.

    Das habe ich mich auch schon immer gefragt. Das Herauslesen von Proportionen aus einem bestehenden Bauwerk oder Plan ist eine Sache, aber umgekehrt? Ich stelle mir das wie die Arbeit eines Buchgrafikers vor, der sich zuerst einen Raster mit allen benötigten Hilfslinien herstellt. Aber ein Raster mit lauter Goldenen Schnitten, dazu noch auf unterschiedlichen Höhen? Wahrscheinlich müssen da Hilfslinien mit zwei verschiedenen Farben drin sein.

  • Wir haben schon Kenntnisse über die Entwurfsraster mit der sogenannten Triangulatur und der Quadratur. Ebenso eignen sich Pentagramme zur Konstruktion (dazu bringe ich noch Analysen). Freilich allen voran der Kreis und das Quadrat, wie oben von Berlage zu sehen und in meinen Analysen zum Berliner Schloß.

    Eine Fundquelle zu dieser Thematik sind auch die Bücher von Albrecht Kottmann, z.B. "Das Geheimnis romanischer Bauten".

    Edit:

    Wird das stimmige Entwurfsraster gewählt, auch auf der Grundlage eines Eichmaßes!, dann schneiden sich die geometrischen Figuren im GOLDENEN SCHNITT und schon hat der Meister die wichtigen Punkte seines Bauwerkes gefunden.

    Im Pentagramm beispielsweise, werden die Strecken im Goldenen Schnitt geteilt. Auch, wie oben aufgezeigt, sind die Quadrate der Fibonaccireihe in der Harmonie des GS angeordnet.

    Aber im Detail ist das immer noch ein riesiges Geheimnis und faszinierend, wie die alten Meister das gemacht haben ( ...und was uns mit dem Verlust dieser Kenntnisse (was ihre selbstverständliche Anwendung angeht) verloren gegangen ist). Das müßte in der Architekturlehre erst wieder mühsam gelernt, bzw. erstmal neu erforscht werden!!!

  • Eigentlich möchte ich den Lauf deines Stranges nicht allzu stark stören. Trotzdem nähme es mich wunder, wie dieser Grundraster am Beginn der Entwurfsplanung für den Konstantin-Bogen ausgesehen haben mag. Klar könnte ich mich auch mal hinsetzen und auf Grund deiner Ergebnisse oben diesen Raster zu rekonstruieren versuchen.

    Einer der weltweit am intensivsten erforschten Pläne ist sicher der St. Galler Klosterplan von 820. Obwohl das einzige erhaltene Exemplar in unserer Stiftsbibliothek selbst schon eine Kopie eines verschollenen Originals ist, weist er Zirkeleinstiche und manchmal bis zu fünf ins Pergament eingeritzte Halbkreise vom gleichen Zentrum aus auf. Es wurde also offensichtlich auch auf der Kopie gepröbelt. Und es existiert noch keine Untersuchung bezüglich des Goldenen Schnittes oder anderer 'schöner Proportionen' über ihn.

    Der Plan ist ja noch kein Architekturplan für ein auszuführendes Gebäude, sondern vielmehr ein Idealplan, wie ein Kloster aussehen sollte und was es alles umfassen sollte - in diesem Sinne also eher ein 'Nutzungsplan'. Es ist möglich, dass er wirklich ohne proportionale Studien entworfen wurde (auch über die Turmfront der heutigen Kathedrale - siehe mein Avatar - gibt es noch keine Untersuchungen in diese Richtung).

  • Nun, da hast Du mir ja potentielle Forschungsaufgaben gegeben. Kommt Zeit, kommt vielleicht auch das! Oder wir gehen das gemeinsam an!? stickpoke:)

    Jetzt erst einmal in dieser neuen Reihe einige meiner vor rund 3 Jahren gemachten Analysen, die ich hier erstmals veröffentliche und dazwischen jeweils Exkurse mit den Arbeiten anderer Autoren und zum Thema Proportionen allgemein!

  • In Bearbeitung

    EXKURS III

    Inwieweit harmonische Gestaltungsprinzipien in den Möbelbau hineinwirken, insbesondere in den klassischen Möbelbau ist auch eine interessante Frage um Umfeld der Betrachtung des Goldenen Schnittes.

    Antike Möbel können ja ausgespochene Kleinarchitekturen sein, an denen wir z.B. den gesamten Kanon der klassischen Säulenordnung finden.

    Es lag also nahe mal die Möbel meines Umfeldes genauer zu betrachten. Nehmen wir mal als Beispiel diesen Gründerzeitschrank, etwa 1880/90 gebaut, in typischer Neorenaissance dieser Zeit.

    DSC00215728924b8c4512107.jpg

    Der Kenner wird dem Schrank ansehen, daß er nicht mehr original vollständig ist. Ich habe ihn vor vielen Jahren mal restauriert, die statische Konstruktion verbessert, alle Oberflächen schonend aufpoliert. Jahre später entnahm ich den Spiegel in der mittleren Türe und habe diesen durch eine furnierte Platte mit diesem Rautenmuster ersetzt. Der Spiegel bekam einen profilierten Rahmen zum Aufhängen.

    Markant an diesem Schrank sind der wuchtige Mittelbau, der von 2 Seitenteilen flankiert wird. Ein kräftiger Sockelunterbau korrespondiert mit den ausladenden Gebälk- und Gesimsbedachungen. Die originalen Aufsätze fehlen. Der kleine Segmentbogen ist eine Notlösung.

    Ebenso markant sind die aufwändig gedrechselnden, manieristisch anmutenden Halbsäulen. Ihre gliedernden Quader finden sich in ähnlichen Quadern auf den Seitentüren und kennzeichnen damit eine horizontale Linie.

    Diese teilt die Höhe zwischen oberer Sockellinie und dem Beginn des Dachgebälks im GOLDENEN SCHNITT!

    Die untere niedrigere Hälfte ist der minor, die obere höhere Hälfte der major.

    Die Höhe der Dachgebälke stellt ungefähr den Major von der Höhe des Sockelgeschosses dar.

    Für das Rautenmuster (eigentlich über Eck gestellte Quadrate) wollte ich freilich den Goldenen Schnitt auch bemühen.

    Zentrum ist eine Raute aus Messingblech als Grundmaß. Die weiteren umgebenden Rauten aus verschiedenen edlen Furnieren schließen sich im Goldenen Schnitt an. So ist die Diagonalstrecke von der Mittellinie aus jeweils der Minorabschnitt für die folgende Raute. Siehe vertikale gelbe Linien, die die Punkte der Teilungen anzeigen.

    DSC002166d9e2bae1fd4f366.jpg



    Hier stehen diesen gelben Linien ebenfalls im GOLDENEN SCHNITT.

    Das Rautenmuster ist also nicht willkürlich vermaßt. Die Wirkung wird deutlich. Man schaut es gern an. Es hat was beruhigendes, zentrierendes ... !