Metz - Teil 11: die östliche Neustadt (deutsches Gründerzeitviertel)

  • Befassen wir uns nun mit dem östlichen Teil des kaiserlichen Viertels, auch Neustadt genannt. Bereits 1869, noch vor der deutschen Zeit, hatte sich Benoît Faivre, ein Intellektueller, beklagt über über die Enge der stark befestigten Stadt Metz, die in ihren militärischen Bollwerken praktisch "erstickt". Nach 1871 wurde zunächst das Festungssystem durch die Deutschen verstärkt, und mit zwei weiteren Festungsgürteln zu der mächtigsten Festung Europas ausgebaut!

    Die steigende Bevölkerungszahl tat ihr Übriges und machte das Leben in dieser verengten Metropole zu stickig, sodass man sich entschlossen hatte ab 1902 die Festungsmauern zu schleifen und ein neues Viertel zu errichten. 60 Hektar wurden von der Stadt nach harten Verhandlungen mit dem bisherigen Eigentümer, da Militär erworben. Nur die Südseite zur Alstadt schien für eine Stadterweiterung geeignet, da es hier keine Wasserstraße, Moselarme, etc. gab und das Gelände relativ flach war. Nun konnte sich Metz endlich öffnen!


    Wie diese Neustadt aussehen sollte verdeutlicht dieser Plan von 1903.

    Städtebaulich wurde das ganze Viertel von Conrad Wahn geplant, damals Chefarchitekt der Stadt Metz. Er ließ sich von vielen neuen Erkenntissen des Städtebaus inspirieren wie von dem Buch des Wiener Architekturtheoretikers Camillo Sitte "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen", dem Werk "Stadterweiterungen" von Reihnard Baumeister sowie das Buch "Städtebau" von Josef Stüben. Vorallem Sitte war ausschlaggebend für die Realisierungf des Stadtviertels unter Wahn: denn seine Vision war dass die Stadt ihren Bewohnern gehört und neben der Funktionalität und Technik auch das Talent des Künstlers bei der Enstehung solcher Stadterweiterungen eine Rolle spielen. Auch die verschiedenen Straßen, Blickwinkel und Plätze, die nicht 100% symmetrisch sind, sondern eher "zufällig" geplant wurden, standen im Fokus der Stadtplanung des kaiserlichen Viertels. Auch das Konzept der zunächsten englischen "Gartenbaustädte" wurde mitintegriert.

    Der neue Bahnhof stellt das Herzstück dieses Viertels und wurde zur Personenförderung im großen Stil (u.-a. bis zu 25.000 Mann/Soldaten, was die Bedeutung der Garnisonstadt Metz zur damaligen Zeit unterstreicht). Alle Straßen gehen mit ihrer Sichtachse auf das Bahnhofsgebäude zu.

    Beginen wir unseren Rundgang am Bahnhosplatz. direkt gegenüber vom Kaiserbahnhof.

    Platzgestaltung vor dem Umbau für den Stadtbus "Mettis":

    ... und danach:

    In der Mitte des Platzes, direkt gegenüber vom Haupteingang des Bahnhofs befindet sich zwischen der Rue Gambetta und der Rue Francois de Curel dieses Ensemble aus Wohn-und Geschäftshäusern:

    Das östliche neobarocke Ekchaus, ein Hotel, wir mit einem Türmchen hervorgehoben. Es ist im örtlichen Jaumontstein errichet:

    In der Mitte der Südseite dieses Häuserblocks befinden Gebäude teils schon im Jugendstil. Sie wurden im grauen Kalkstein erbaut:

  • Das Nachbarhaus in der Rue Gambetta:

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    Gegenüber, noch am Eck des Bahnhofsvorplatz, die neue Hauptpost. die 1911 vom Architekten Ludwig Bettcher im zum Bahnhof passenden neoromanischen Stil errichtet wurde. Zuvor gab es auch für dieses Bauvorhaben ein Stilrichtungsstreit mit zb Freunden des Neobarocks. Der rote Vogesensandstein kontrastiert stark mit der Umgebung. Architektonisch hat man sich mit dem Turm an die Marienburg in Ostpreußen, mit den Verzierungen an die Liebfrauenkirche zu Gelnhausen und dem Speyrer Dom orientiert:

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    Der kleine Seiteneingang sieht schon prächtig aus!

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  • Sein gegenüberliegendes Pendant:

    An den teilweisen verwinkelten Ecken erkennt man auch was die Stadtplaner mit ihrer eher "zufälligen" Platzauswahl ausdrücken wollten

    Der Arkadendurchgang im deutschen Neorenaissancestil:


    Wieder ein Blick zurück Richtung Bahnhof:

  • Wieder zurück zur Rue Pierre Perrat. Diese ist schon mehr geprägt von Bauten aus der französischen Stadterweiterung der 1920er Jahre. Man erkennt praktisch keine Brüche


    Ein angepasster Neubau wohl aus der postmodernen Zeit der 1990er Jahren:

    An der Ecke zur Rue Henry Maret, ein Mietshaus im Art-Déco Stil der 1920-30er Jahre:

  • Anschließend am Place du Roi George, befindet sich der alte Bahnhof von 1878. Er wurde als erster deutscher Bahnhof im Rundbogenstil vom Berliner Architekten Johann Eduard Jacobsthal errichet und sollte den 1852 erbauten Vorgänger ersetzen.

    Westlicher Seitenflügel:

    Aktuell wird der Komplex saniert, damit die nationale Statistikbehörde INSEE 2020 dort einziehen kann:

    An der Nordsseite des Platzes, ein weiterer Gebäudeblock der aus der französischen Zeit der 1920er im neoklassizistischen Stil errichtet wurde:

  • Nördlich von der Avenue Joffre, noch ein Häuserblock in Richtung Porte Serpenoise der aus der wilhelminischen Zeit stammt:

    Besonder elegant der Abschluss an der Ecke Avenue Robert Schuman und Rue Harelle:

    Inh der Rue Harelle eines der wenigen neogotisch inspirierten Wohnhäuser:


    Gegenüber:

    An der Einmündung zum Place Raymond Mondon, ein Bankgebäude von 1907, überraschend schmuckloses Werk vom Architekten Konrad Reich:

  • Der Place Mondon ist der Auftakt für den "Ring" eine Straßenanlage mit Grünanlage in der Mitte, der aus Mittel- und Ostdeutschland importiert wurde.

    Der Platz selbst hatte in seiner Mitte ein Reiterstandbild von Wilhelm I, der 1918 von französischen Chauvinisten zersört wurde zugunsten eines Denkmals für Paul Déroulède. Dieses wurde wiederum 1940, als Revanche von den Deutschen abrasiert. Seitdem befindet sich in der Mitte des Platzes eine Wasserfontäne:

    Im Hintergrund, der neuklassische Häuserblock der 1920er:


    Besonder imposant ist die Südseite des unregelmäßigend Platzes:

    Das Eckhaus an der Ecke zur Rue Gambetta, ein herrlicher deutscher Neorenaissancebau von 1909:

  • Daneben, befand sich der Kristallpalast von 1910, ein Freizeit-und Schwimmzentrum, dessen Fassade vollständig aus böhmischen Kristallen und Keramik im Sinne der Wiener Sezession gestaltet wurde. Das Gebäude selbst besteht aus Beton, ein technische Innovation damals. Heute ist die Fassade schlicht modern gehalten. Alte Ansichten wie es vorher aussah:

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    Und jetzt...

    Kommen wir nun zum Gegenstück des vorhin gezeigten Neorenaissancehaus, die ehemalige Handwerkskammer. Sie wurde 1906-1909 vom elsässer Architekten Gustav Oberthur aus Straßburg errichtet im roten Vogesensandstein. Ebenfalls wie der neue Hbf ist es auf einem Betonfundament aufgebaut.

    Der Balkon im ersten OG wird von zwei Eckerkern umrahmt: