Bei diesem Thema geht es nicht um Verfehlungen im Stalinismus oder irgendwelche längst abgehakten Dinge. Sondern es geht um die gezielte Vernichtung kultureller Werte, um fehlende Bildung, mangelnde Aufklärung und Desinformation.
Ein Beispiel soll dies zeigen. Nicht etwa aus den „wilden“ 1968ern stammt dieser Ausschnitt des SED-Lokalblattes, der „Leipziger Volkszeitung“, sondern vom 18. Juli 1979. Der ganze innere Osten Leipzigs sollte plattgemacht und mit minderwertigen Wohnscheiben (im Volksmund „Arbeiterschließfächer“ bzw. „Karnickelbuchten“) bepflastert werden. Da ist kaum noch etwas von tradierter Bausubstanz übrig. Turnerstraße, Seeburgstraße, Sternwartenstraße – alles weg. Vom Mendelssohn-Haus sollten keinerlei Spuren bleiben.
Ausschnitt „Leipziger Volkszeitung“ vom 18. Juli 1979
Und das Schlimme ist nicht etwa, daß das nur ausgestellte Pläne der Genossen aus dem Leipziger Rathaus (im Volksmund „Rattenhaus“) waren, sondern daß dort Unterlagen und Akten im großen Maßstab vernichtet wurden bzw. verschwanden. Im Zusammenhang mit dem Mendelssohn-Haus stellte ich die Fragen nach der Stadtbildsammlung und anderen Unterlagen. Leipzig hatte einen wundervollen Bestand mit tausenden von hervorragenden Glasnegativen. Bis heute gibt es hierzu keine Antwort. All diese Dinge sind bis heute nicht aufgeklärt.
D.h. das, was nach der „Wende“ dringend gebraucht worden wäre, ist verschollen. Lediglich im Internet tauchen manchmal noch kleinere Bestände auf, die vermutlich aus Einbrüchen bei dem Fotografen Manfred Lindner stammen. Um es nochmal zu verdeutlichen: Viele Arbeit und Suche nicht nur für dieses und andere städtebauliche Foren wäre nicht erforderlich gewesen, wenn nicht kriminelle und kulturbarbarische Vandalen der SED & Co. ihre bildungsfeindliche Gesinnung an Kulturwerten der Vorgängergenerationen ausgelassen hätten.
Denn mit diesen Bildungsdefiziten treten immer wieder Argumente der SED-Propaganda zur Deckelung von SED-Verbrechen, Geschichtsklitterung und Verdummung auf wie:
„In Leipzig hat man schon immer neu gebaut.“ Dazu ist zu sagen, daß ein wesentlicher Unterschied zu nennen ist: Man baute nicht immer, aber – wie in den Gründerzeiten – oft besser.
Ein weiteres Argument lautet: „Man hat öfters die Standorte gewechselt.“ Doch in der Geschichte Leipzigs wechselte man Standorte aufgrund der notwendigen Stadterweiterung (wie bei der Peterskirche, dem St. Georg oder Gewandhaus). Zu DDR-Zeiten wurde dies einfach notwendig aufgrund des sozialistischen Mangels (Gewandhaus auf den „Karl-Marx-Platz“ wegen fehlenden Versorgungsleitungen an anderer Stelle, Unfähigkeit der „Karl-Marx-Universität“ bezüglich angestrebten „Auditorium maximum“ etc.).
Und um jeden Murks zu rechtfertigen, kommt dann das Argument: „Er dauert immer länger und wird immer teurer.“
Das einzige, was sich bewahrheitete in der Konsequenz der Weiterführung von intransparenten Planungen und durch o.g. Unterdrückung der Bau-, Kultur- und Geistesgeschichte ist, daß möglichst alles, was neu gebaut wird seit der „Wende“, noch scheußlicher sein soll als das, was zu DDR-Zeiten geschaffen wurde.
(Hans Olzmann, Foto vom 25.11.2004 aus der Serie „Arschittecktour in Leipzig“ 1985-2009, Mappe „Wir sind Leipzig!“ des Leipziger Stammtisches Gogelmohsch)
Der „leuchtende Kristall“ über Leipzig (so damalige Jubelmeldungen im Leipziger Rathaus) kostete dem Steuerzahler nicht nur 58 Millionen Euro, sondern noch 15 Millionen Euro zusätzlich, ohne daß es dadurch schöner, funktional besser oder von den Leipziger Bürger angenommen wurde.
Gleiches läßt sich auch für die im Volksmund bereits als „Heinz-Gronau-“ bzw. „Stasi-“ oder auch „Lügenkirche“, die noch im Bau befindlich ist, konstatieren. Die Benennung resultiert daraus, da die Katholische Kirche wegen der Stasischule, in der die politische Karriere von Genossen Wolfgang Tiefensee begann, von ihrem geweihten Standort vertrieben und einen ungünstigeren Platz versetzt wurde. Dies wurde mit der Geschichte eines Klosters legitimiert, das dort aber – wie nach intensiven archäologischen Untersuchungen als erwiesen gilt – gar nicht existierte. Wo der Turm gegenwärtig entsteht, war lediglich u.a. das Stadtvollstreckungsamt. Jedenfalls bejubelte dies der von nur 15,28 % der Leipziger Bevölkerung gewählte derzeitige Oberbürgermeister bereits vor Baubeginn.
Hier der geschichtliche Bezug auf dem ehemaligen Königsplatz mit dem Kaufhaus Ury.
Kaufhaus Ury um 1910
etwa gleicher Standort 15.02.2014
Blick Ecke Peterssteinweg / Martin-Luther-Ring 15.02.2014
Blickrichtung zum Neuen Rathaus und zur Hugo-Licht-Straße
An die Fassade werden dann noch laut LVZ vom 4.10.2013 „Granitplatten aus rötlich-braunem Rochlitzer Porphyr“ angebracht.
Bauzustand 05.03.2014
Bauzustand 05.03.2014 in Blickrichtung Peterssteinweg
Dazu passend der Ausstieg schräg gegenüber aus dem Citytunnel.
Hier nochmals die Vergleiche:
Eingang zur Petersstraße um 1905
Blick auf den Königsplatz um 1910
Blickrichtung Königsplatz um 1910 stadtauswärts (rechts jetzt der Kirchenstandort)
Daß dort mal ein gewisser Herr Hugo Licht wirkte und ein Architekturbüro hatte, wurde den Wettbewerbsteilnehmern vermutlich nicht zu Gehör gebracht ...
Ein weiterer aktueller Beleg für Diktaturfolgen ist die Hübschung des Stasi-Komplexes auf dem Territorium der ehemaligen Neukirche bzw. Matthäikirche, einer der Wirkungsstätten von Johann Sebastian Bach. Diese wurde im Krieg stark beschädigt. Nach der Sprengung der Paulinerkirche und dem Bau des großen Komplexes für die „Karl-Marx-Universität“ Leipzig entstand dort nach Berlin die größte Stasi-Zentrale der DDR als Neubau.
Hier erst einmal einige Bilddokumente zur Matthäikirche.
Matthäikirche mit Matthäikirchhof um 1910
Einige Innenaufnahmen unkommentiert:
Zu Füßen der Matthäikirche sollte eigentlich des Richard-Wagner-Denkmal entstehen.
Am Barfußberg um 1910
Der Sockel ist hier schon auf einem Foto aus den 1930er Jahren zu sehen. Anstatt diesen Sockel wieder auf seinem eigentlichen (auch städtebaulich bedachten) Standort zu errichten, wurden hier wieder Steuergelder zur Hübschung und Verherrlichung des Stasi-Komplexes ausgegeben.
Das neue Denkmal auf dem Sockel von Max Klinger wird daher im Volkmund „Denkmal für den unbekannten Stasi-Mitarbeiter“ genannt.
Ansicht 2012
Ansicht 2013
Es ist somit nicht verwunderlich, daß SED & Co. nebst Stasi weiterhin in ihren Netzwerken über Leipzig thronen, gerade auf ihrem geschichtlich oft zitierten ältesten Teil.
Wenn also eine „Hainspitze“ auf sich warten läßt (weil es in Leipzig vermutlich kein Kaufhaus gibt), so ist die Stasi auch architektonisch immer schon da.
Hainspitze 2014
Blick von der Hainstraße auf die Große Fleischergasse 2014
Hierhin kann problemlos das Stadtbad als Freibad umgesiedelt werden, nachdem dieses über Jahre ohne Investor blieb. Zustand 05.03.2014
Blick in die Große Fleischergasse 2014
Ein wesentliches Problem für Leipzig war und ist auch weiterhin, daß die SED ihre Perspektivkader nach der Wende an Positionen lancierte, wo sie wirtschaftlich wichtige Dinge für die Region aufgrund ihrer Unfähigkeit gegen die Wand fuhren. Ich denke nur an die Innovationsstrategie Halle-Leipzig-Dessau mit dem Direktor der Sektion Marxismus-Leninismus, SED-Professor Dr. Michael Düsterwald, Mitglied der SED-Kreisleitung der „Karl-Marx-Universität“ Leipzig an der Spitze oder an MediaKomm, was in der Leipziger Stadtverwaltung „versemmelt“ wurde. Wirtschaftliche und wissenschaftlich-technologische Entwicklungen wurden damit unterbunden. Da dies jedoch städtebaulich weniger relevant gezeigt werden kann, folgt das nächste Thema.