Lichtensteig ist eine der besterhaltenen Kleinstädte im Kanton St. Gallen. Sie liegt auf 625 m.ü.M. im Toggenburg, einem sehr hügeligen, voralpinen Gebiet zwischen dem Bodensee und der Innerschweiz. Der dreiecksförmige Stadtgrundriss liegt auf einem Felssporn am Rande des Thurtals.
Berühmte Ansicht des Städtchens von der andern Talseite von Westen. Rechts die an einem steilen Hang gelegene Vorstadt mit offener Bebauung.
Vergrösserung (Creative-Commons, Attribution-ShareAlike 2.5 Generic (CC BY-SA 2.5), by Friedrich Böhringer).
Der Stadtname wird erstmals 1228 als ein befestigter Ort der Grafen von Toggenburg erwähnt. 1400 erhielt das Städtchen von Graf Lichtensteig einen Freiheitsbrief, wonach es das Münz- und Marktrecht erhielt. Etwa 400 Personen wohnten damals dort. 1468 kaufte das Kloster St. Gallen die Grafschaft Toggenburg und damit auch das Städtchen. Die Freiheiten blieben bestehen, und Lichtensteig wurde Sitz des Landvogts der Fürstabtei St. Gallen. Bis zum Beginn der Helvetik 1798 blieben die Verhältnisse unverändert, als der letzte Landvogt des Klosters das Toggenburg für frei erklärte. 1803 wird Lichtensteig Bezirkshauptort im neu geschaffenen Kanton St. Gallen.
Bereits im 18. Jahrhundert wurde das Toggenburg durch den Einfluss der Textilhandelsstadt St. Gallen von der Frühindustrialisierung erfasst. Die beiden Flüsse Thur und Necker sowie viele Gebirgsbäche lieferten die nötige Wasserkraft. Nur durch diesen frühen industriellen Wohlstand ist es erklärbar, dass hier drei wichtige Verbindungsstrassen und Eisenbahnlinien zusammentreffen: im Norden die Strasse nach Wil und weiter nach Zürich und Konstanz, im Osten der Wasserfluhpass Richtung St. Gallen und östlichem Bodensee, und schliesslich im Südwesten der Rickenpass in Richtung Innerschweiz und Süden. Die wichtigste Eisenbahnlinie führt von St. Gallen durch den durch den 3 1/2 km langen Wasserfluhtunnel und 8 1/2 km langen Rickentunnel unter dem Namen Schweizerische Südostbahn in die Innerschweiz und damit auch zur Gotthardlinie. In Bezug auf die Streckenlänge ist es die Bahn in der Schweiz, die am meisten Kunstbauten aufweist.
(Weitere Angaben bei Wikipedia)
Der Stadtgrundriss:
Stadtgrundriss mit rot eingetragener Stadtbefestigung (aus: Stadt- und Landmauern,
Bd. 2: Stadtmauern in der Schweiz, S. 209, Institut für Denkmalpflege der ETH Zürich (Hg.))
[Wer sich für die Stadtbefestigungen in der Schweiz generell interessiert, sollte sich die drei Bände zu den 'Stadt- und Landmauern der Schweiz' unbedingt zu tun. In ihnen sind alle Stadtmaueranlagen in derselben Grafik in Grundrissplänen dargestellt, ebenso gibt es historische und aktuelle Bilder sowie die Resultate bauarchäologischer Untersuchungen.]
Die ehemalige Stadtmauer umschreibt ungefähr ein Dreieck und besass zwei Stadttore. Die ersten Häuser dürften bereits im 14. Jahrhundert an die Innenseite der Mauer angebaut worden sein, wie man es bei vielen Hausgrundrissen heute noch feststellen kann. Die geradlinig verlaufende Hauptgasse ist wahrscheinlich eine planmässige Auffüllung der Freifläche in der Mitte der Stadt. Nur sie weist beidseits Arkadengänge auf. Die Löwengasse verläuft parallel zur Hauptgasse und ist mit ihr durch zwei Quergässchen verbunden. Sie erschliesst die Häuser an der östlichen, grabenseitigen Stadtmauer. Die Hintergasse besteht aus einer Abfolge von Durchgängen und zwei unregelmässigen Plätzen, jenem vor dem 'Alten Rathaus' und dem 'Goldenen Boden'.
Die Häuser bestehen fast durchwegs aus Fachwerkbauten, von denen die meisten eine barocke/klassizistische Fassadengliederung mit regelmässig angeordneten Fenstern aufweisen und verputzt sind. Nur bei vereinzelten Bauten wurde das Fachwerk freigelegt und teilweise auch die Fensteranordnung rekonstruiert. Die meisten Kerne reichen in das 15. Jahrhundert zurück, wobei die früheren an die Stadtmauer angebauten Steinbaureste noch nicht erforscht worden sind. 1640 geschah ein Grossbrand, der wahrscheinlich vor allem die Häuser an der Hauptgasse betraf.
Zu den Bildern:
Ich war im Juni 2018 an einem späten Nachmittag für eine Stunde unterwegs mit der Kamera. Da fast alle Bauten im Städtchen ost-west-orientiert sind, lag die Hälfte davon im Schatten und Gegenlicht. Für die wichtigsten Bauten, welche ich nicht aufnahm und für einen andern Besuch an einem Morgen aufsparte, gebe ich Links zu Google-Aufnahmen.
https://goo.gl/maps/exboxocwxvb7nbng9
Steil bergwärts führende Zufahrten zu einer Stadt haben immer etwas Eindrückliches. So auch die Kantonsstrasse vor dem südlichen Stadtzugang. Sie wurde als Ersatz für die mittelalterliche Steigstrasse in der Vorstadt im 2. Viertel des 19. Jahrhunderts als 'Neugasse' angelegt. Klassizistische Kuben aus der Zeit säumen die Strasse bis kurz vor das 1828 niedergelegte Untertor.
https://goo.gl/maps/4wxdgkzyrhpwivah8
Den Standort des ehemaligen Untertors markieren heute noch zwei Kopfbauten, bei denen die geschlossene Bebauung der Hauptgasse beginnt. Vor dem linken Gebäude mündet die alte und steile Steigstrasse ein. Nach rechts führt die Grabengasse ostseitig um das Städtchen herum.
Das ehemalige Untertor im Jahre seines Abbruchs 1828. Zeichnung von Johann Babtist Isenring.
Der erste Blick von Süden in die Hauptgasse.