KÖNIGINHOF
Diese Stadt ist aus zwei Gründen bekannt (in D. wohl kaum, dafür in Tschechien): 1. wegen des Zoos- dies heute vor allem, 2. wegen einer nach ihr benannten Handschrift, oder vielmehr der Fälschung einer solchen.
Innerhalb dieser Galerie ist sie in einem, aber auch nur in einem Punkt eine Außenseiterin - sie gehörte zum tschechischen Sprachgebiet. Man sieht, stadtbildmäßige Überlegungen kommen hier nicht vor, und das mit gutem Grund: sie sieht nicht viel anders aus als ihre anderen hier gezeigten, deutschen Schwestern. Oder doch? Lässt sich das Tschechentum hier greifbar machen? Will jemand versuchen ,dies zu argumentieren?
Die Stadt ist deutlich größer als die beiden vorherigen. Der Ringplatz ist nach Masaryk benannt - in Arnau ist den Tschechen offenbar überhaupt nichts eingefallen - der Platz heißt schlicht Náměstí (Ringplatz oder auch überhaupt nur Platz) - eine untadelige Bezeichnung, denn leider gerade im Sudetenland und gerade in Orten mit einer relativ großen dt. Restbevölkerung tendiert man mitunter zu weit unpassenderen Namensgebungen.
Der Platz ist in seiner Bebauung immerhin lange nicht so kompakt wie sein Arnauer Pendant. Die Gründerzeitstile sind hier kraftvoller ausgefallen. Vielleicht findet diese Stadt daher deshalb in diesem Forum mehr Zustimmung?
Dieser seltsame Ritter ist Produkt des in Zusammenhang mit jener ominösen Handschrift aufgekommenen nationalen Überschwangs.
Beitrag von Mündener im APH-Strang, um den schade wäre:
Es gibt siedlungsgeschichtlich einen gewissen Unterschied zwischen Arnau und Königinhof (der tschechische Name ist mir zu kompliziert). Arnau ist eine sehr saubere deutsche Neugründung, wahrscheinlich des späten 13. Jahrhunderts (zwei Straßen, in der Mitte durch einen Quermarkt verbunden, umgeben mit einer mehr oder weniger kreisförmigen Befestigung). Südlich von Arnau gibt es zwei Täler in Ost-West-Richtung, jeweils von Waldhufendörfern erschlossen (und mit Pilnikau auch durch eine weitgehend gescheitere Stadtgründung desselben Alters wie Arnau)
Königinhof liegt in einem Gebiet, das in einer wahrscheinlich früheren Epoche erschlossen wurde; in der Umgebung gibt es zwar auch Waldhufendörfer, aber dazu noch deutlich ältere Haufen- und Rundlingsdörfer (evtl. slawischen Ursprungs; ein solcher Rundling ist bspw. Horenice bei Jermer)
Die Stadt selber besitzt Elemente einer deutschen Neugründung des 13. Jhds (rechteckiger Ringplatz, im Südteil einigermaßen rechtwinkliges Straßennetz), aber auch deutliche Reste älterer Siedlungen. Besonders auffällig ist das unregelmäßige Straßennetz im Nordteil der Altstadt. Dieses sorgt(e) für einen weitgehend nahtlosen Übergang der Altstadt in die umgebende Landschaft, und ist mit Sicherheit ein altes Haufendorf (Streusiedlung) aus der Epoche vor der deutschen Siedlungstätigkeit. Die Ausmße des erhaltenen Straßennetzes und die Tatsache, das diese Siedlung offenbar bewusst in die neue befestigte Stadt integriert wurde, sprechen dafür, dass es sich um eine bedeutende (slawische) Ansiedlung gehandelt haben muss, eventuell sogar um das alte Zentrum der Region vor der deutschen Besiedelung.
Wenn man an diesem Punkt ein wenig um die Ecke denkt, dann könnte man sagen, dass die alte Siedlung als Bewahrung alter Traditionen erhalten wurde; Traditionen, die sicher nicht die der deutschen Siedler waren.
Alle, die sich nicht für Siedlungsgeschichte interessieren, können jetzt abschalten:
Noch eine Ergänzung zu Pilnikau:
Wie bereits oben erwähnt, ist Pilnikau eine geplante Stadtgründung des 13. Jahrhunderts. Jedoch anders als die meisten Gründungen der Zeit.
Das typische Aufbauschema einer Stadtgründung der deutschen Ostsiedlung ist ein Raster als 4 überkreuzten Straßen, die die Stadt in 9 Baublöcke unterteilen; der mittlere bleibt als Marktplatz frei (siehe Arnau a. d. Elbe).
Pilnikau folgt hingegen einem anderen, wahrscheinlich älterem Schema. Hier existiert als Grundeinheit die Parzellenreihe (derer gab es in der Gründungssiedlung von Pilnikau mindestens drei, eine heutige Vierte wurde eventuell später angelegt)
Deutlich sichtbar (weil rot markiert) ist die ursprüngliche Siedlungsgrenze, die wahrscheinlich von Beginn an befestigt war (Wall, Graben, Palisade).
Blau markiert sind die heute vorhandenen Parzellen, sowie ihre Aufteilung in vier Gruppen. Die Ausmaße der Parzellen sind in den meisten Fällen deckungsgleich mit den ursprünglichen Ausmaßen dieser.
Zunächst zur östlichen und südlichen Parzellenreihe. Diese bestehen aus schmalen, langen Parzellen. Der Knick in der östlichen Reihe rührt von der Einmündung einer von Osten kommenden Straße in den Marktplatz her.
Die westliche Reihe unterscheidet sich von den oben genannten durch eine deutlich größere Durchschnittsbreite der Parzellen. Zieht man in Betracht, dass mit zunehmender Besiedlung die Bevölkerungsdichte zunahm, und gleichzeitig die mittlere Grundstücksgröße abnahm, so könnte dies für ein höheres Alter dieser Parzellengruppe sprechen. Unterstützt wird diese These dadurch, dass diese Parzellen auf der Rückseite durch den Bach geschützt wurden; und meist wurden einfach zu verteidigende Lagen zuerst besetzt.
Bleibt noch die kurze Parzellenreihe im Nordteil der Siedlung; sie ist sehr geradlinig und kompakt, und die Anordnung zu den anderen Reihen spricht für eine spätere Anlage, eventuell erstreckte sich die westliche Parzellenreihe auch auf diesem Gebiet, und wurde zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Bereich aufgelassen.