• Wir beginnen unsren Stadtrundgang an der Piazza del Castello, von hier begaben wir uns auf den Corso Palladiano, der zentralen Achse der Stadt.

    Palazzo Porto in Piazza Castella (Palazzo Porto Brganza):


    Rechts, am Ende der Piazza, fällt der Blick auf eine einzigartige Struktur, die einzigen zwei Achsen des Palazzo Breganze (N. 18), den Palladio 1571 als Ersatz für das Haus aus dem 15. Jh. entworfen hatte, das heute noch daneben steht.
    Fast alle Paläste Palladios in der Stadt sind unvollendet, doch dieser Bau stellt einen einzigartigen Fall dar, da lediglich zwei der sieben vorgesehenen Interkolumnien vervollständigt wurden. Der Gebäudestumpf steht einsam auf einer Seite der Piazza neben dem Haus aus dem 15. Jh., welches der Palast hätte ersetzen sollen. Sein Auftraggeber, Alessandro Porto, gehörte einer der angesehensten Familie der Stadt an, die von Anfang an Kontakt mit Palladio pflegte; daher lässt sich schwer begreifen, welche finanziellen Schwierigkeiten zu diesem peinlichen Resultat führen konnten. Der architektonische Ausdruck der Fassade lässt auf einen sehr ehrgeizigen Entwurf schließen, der nicht nur vom hohen Rang der Familie gegeben war, sondern auch von der einsamen Position des Baus und seiner prestigeträchtigen Umgebung. Die riesigen Halbsäulen, die die gesamte Fassade einnehmen, wurden vom Architekten auch bei der Loggia del Capitanio, dem Palazzo Valmarana und dem Palazzo Barbaran da Porto eingesetzt, auch wenn dort das dekorative Niveau nicht so üppig ausfällt.
    Das hält die Kritik nicht davon ab, den Entwurf als „manieristisch“ zu bezeichnen, wegen seiner starken Hell-Dunkel-Kontraste, die durch die Nähe der Säulen und die starke horizontale Teilung entstehen. Auf der Rückseite des Bauwerks finden sich Hinweise auf die großartige Exedra, die den Hof hätte verschönern sollen; wir können dies nur annehmen, da der Entwurf auf die Zeit nach der Veröffentlichung der „Vier Bücher zur Architektur“ 1570 zurückgeht und deshalb nicht direkt belegt ist.


    Corso Palladiano mit Palazzo Thiene Bonin Lungare (links vorne).

    Ganz groß:

    Von erlesener Schönheit die von mir leider nicht beachtete Rückseite:

    Alle Bilder mit Ausnahme dieses Kleinen von mir, das von flickr Juhser a palla stammt.

  • Von hier zwoigt nach rechts eine weitere Prachtgasse ab - die Contrada Riale. Mit ihr wollen wir uns die nächsten fünfzig Bilder lang beschäftigen.


    .

    Die Contrà Riale wird vom Palazzo Cordellina (Nr 12) dominiert. Er wurde allerdings im Jahre 1774, somit 200 Jahre nach Palladio errichtet.

  • Die Contrà Riale mündet in die Contrà Porti, die es gleichfalls in sich hat. Im beeindruckendsten Abschnitt stehen einander zwei Giganten gegenüber, der Palazzo Barbaran da Porto mit dem Palazzo Thiene (ohne Zusatz, und damit nicht mit dem eingangs gezeigten Palazzp Thiene-Dingsbums zu verwechseln). Wurscht, wie man sich dreht und wendet, rückt und drückt - dieses Nebeneinander ist von wunderbarer Wirkung.

  • Momentan interessiert und der Palazzo Barbarn da Porto mehr:

    Wieder ne kleine Anleihe beim A spalla (mit Rückseiten und Innenhöfen hab ich s halt nicht so):



    Das war wie gesagt der Innenhof des Palazzo Barbaran da Porto.

    Hier eine weitere kleine Anleihe der Straßenseite:

    Etwas weiter nördlich gibt es in derselben Gasse (Nr 21) einen Palazzo Iseppo da Porto, (natürlich gleichfalls von Palladio, für diejenigen unter euch, die sich nach dem Reinfall mit dem Palazzo Cordellina keine Einschätzung mehr zutrauen - war aber auch schwer, bin ich selber eingefahren):


    -

  • Östliche Altstadt.
    Zunächst die berühmte Seite des Palazzo Thiene von Palladio in der Stradella S. Gaetano da Thiene:

    Diese berühmte Fassade des Palazzo Thiene ist mehrfach imitiert worden: so zu Potsdam, Am Neuen Markt 5 (nach Kriegszerstörung unter Beibehaltung der alten Formen modernisierend wiederaufgebaut) und, weitaus deutlicher, zu Moskau (Palast Tarasow).

    Auch in der Contrà Santa Corona mow ein Palais neben dem anderen:

    Gegenüber wieder mal welscher Dunst und welscher Tand:

    Kirche Santa Corona mit wertvoller Innenausstattung, ua von Palladio.

    Weiter hinten dieses höchst bedeutsame Palais:

    Der Palazzo Leoni Montanari stammt bereits aus der Barockzeit, ein Jahrhundert nach Palladio. Er ist berühmt ob seiner äußerst prunkvollen Innenausstattung.

    Na ja, was heißt berühmt - gegen den hier kann er nicht mithalten, diesen Kikeriki-Palazzo kennt ein jeder:


    .

  • Daneben dieses entzückende Barockpalais:

    Hier läuft der Palladio-Corsos aus, links der letzterwähnte Palazzo:

    Jetzt würde der kundige Betrachter das Teatro Olympico erwarten, ein weiteres Hauptwerk Palladios, aber da muss ich ihn leider enttäuschen - ich hab mir den sündteuren Eintritt gespart!
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  • Nobles Straßenbild:

    charakteristisches Altstadtbild - Venezianischer Schnickschnack gegen die wahre Bestimmung Italiens:

    Unweit der Piazza:

    Il Duomo: Nur Palladios Chor ist noch original, der Rest eine Rekonstruktion nach dem Kriege. So böse ist kaum ein deutscher Dom getroffen worden:

  • Vor seiner Basilika das Denkmal des Meisters:

    Ohne ihn sähe der Palazzo della Ragione so ungeschlachtet aus wie sein Paduanisches Pendant.

    Ähnlich wie in Padua findet sich auch auf der Rückseite eine Piazza:

    ... mit der wir uns indes nicht länger abgeben wollen.

    Auch der längste Rundgang hat einmal ein ´wohlverdientes Ende!

  • Hier noch zur Erinnerung die bisherigen Diskussionsansätze:
    es begann mit dem Niederländer:

    Zitat

    Was für ein Gebäude [er zitierte das Bild des Palazzo dei Capitaniato] ... Hässliche Italienische Städte scheint es nicht wirklich zu geben, ne?

    Darauf hab ihn wie folgt mild gemaßregelt:

    Zitat

    Tu nicht vorgreifen, Niederländer, bei dem da sind wir noch lange nicht.
    Hässliche italienische Städte gibt es einige, aber Vicenza ist meiner Meinung nach die allerschönste. Natürlich steht diese Meinung hoffnungslos vereinzelt da, aber dergleichen bin ich ja gewohnt.

    worauf sich Brandmauer mit folgenden Worten einmischte:

    Zitat

    Nicht so hoffnungslos vereinzelt als Du vielleicht denkst, Ursus! Aber, hat Vicenza Deiner Meinung nach auch mitteleuropäisches Flair?
    Angesichts des in der angelsächsischen Welt weit verbreiteten Palladianismus in der dortigen klassischen Architektur befindest Du dich mit Deiner Meinung hier vielleicht in für Dich sehr bedenklicher Gesellschaft!
    Allerdings hat Goethe Vicenza auch sehr bewundert.

    Jetzt könnte man die ganze Seite 1 ersatzlos löschen.

  • Jetzt zu Brandmauer. Einmal vielen Dank, dass du mich nach deiner Exkursion in angloamerikanische Gefilde wieder mit folgendem Satz in die richtige, angemessene Gesellschaft rückst:

    Zitat

    Allerdings hat Goethe Vicenza auch sehr bewundert.

    Schön formulierte Ehrenrettung meiner Person!

    Sodann kommen wir zu dieser Frage:

    Zitat

    Aber, hat Vicenza Deiner Meinung nach auch mitteleuropäisches Flair?

    Die Antwort fällt mir leicht; Ja!! Oktavian würde noch ca 4 Rufzeichen dransetzen (!!!!!).

    Ich darf folgende Bilder zitieren:

    Ist das nicht irgendwo in Wien?

    Und hier:

    Ist das nicht Krakau oder Lemberg - genauer gesagt deren Wunschbild, das diese Städte niemals erreicht haben?

    Auf Potsdam brauchen wir hier ja nicht zu sprechen kommen.
    Aber damit sind wir bei einem wichtigen Punkt: Nicht Vicenza wollte um jeden Preis mitteleuropäisch sein, nein, Mitteleuropa machte Vicenza nach. Man machte auch die mehr als obskure italienische Gotik nach (https://www.google.at/search?q=kornm…hme%3B600%3B400), und wenn dabei nichts Rechtes herauskam, war das ein großes Glück. So wie die Katzelmacher keine richtige Gotik zustandebrachten, brachten wir ihre verhunzte Adaptierung nicht zustande - was bei uns herauskam war wieder echt und wahrhaftig.
    Und umso mehr machte man Palladio nach, dies weltweit, wie Brandmauer dankenswerterweise erwähnte. Aber im weltweiten Maßstab waren es nur Solitaire. Auf Stadtbildebene war es Kerneuropa (bzw Länder, die sich bewusst europäisch geben wollten), die Palladios Ideen aufgriffen. Erst im Barock gelang dies überzeugend. Petersburg und Potsdam sind besser gelungen als alle in Ostdeutschland und Polen unternommenen obskuren Versuche.
    Man kann daher sagen: Vicenza ist die stadtgewordene Idee eines Mitteleuropas. Italien ist an und für sich europäisch, jedenfalls weit europäischer als Byzanz. Ergo ist seine Rückbesinnung auf seine Werte europäischer als all dieser venezianische Schnickschnack. Wagner sprach gehässig von "welschem Dunst und welschem Tand", womit er wohl eher Markusdom und Antoniusbasilika als Palladios Schaffen meinte. Schließlich hatte er sich einen sehr hübschen Renaissancepalast zum Sterben ausgesucht.

    @Tübinger: Danke für die Ergänzung! Aber die Zeit war ohnedies knapp genug, nach dem, was das alles rumsteht und schon von außen viel Zeit in Anspruch nahm!

  • Man kann sich halt nur nach der Decke strecken. Sicher täte man sich leichter, wenn man einen erhöhten Standort hätte.
    Allerdings verwundert es mich, dass man diese prachtvollen Palazzi derart in enge Seitengassen verlegt hat, wo sie nicht nur für den Photographen nicht zur Geltung kommen.

    Was die Potsdamer Kopien betrifft, tue ich mir mit den Zuordnungen schwer. Eigentlich halte ich sie nicht einmal für freie Adaptionen, sondern für bloß Palladio-inspirierte Neuschöpfungen. Da ist das Moskauer Beispiel schon konkreter.

  • Ehrlich gesagt halte ich diese angebliche Konvergenz für sehr weit hergeholt... Das Moskauer Beispiel ist klar, aber beim Potsdamer Beispiel fehlt beispielsweise der Hauptwesenszug des Palais Thiene. Letztlich ist Fortmann-Drühes beachtenswerte Neuschöpfung palladionesker als der Vorgängerbau, weil er alles andere aus er Fassade eliminiert hat.

  • Also eindeutig ist da am Palazzo Thiene überhaupt nichts. Spreetunnels Iseppe da Porto kommt da wirklich um Welten näher. Der Hauotunterschied besteht in Pilastern statt Halbsäulen, aber beides sind Palladio'sche Elemente.
    Wie gesagt . die Bestrebungen der detaillierten Zuordnungen scheinen mir übertrieben. Palladio war das Vorbild, keine Frage, aber immerhin waren inzwischen schon einige Jahrhunderte ins Land gezogen. Sogar der Barock war vorbei. Und so spricht aus den Potsdamschen Palaisbauten ein ganz eigener Stil, der sich von der Renaissance weit entfernt hat und bereits Züge des Eklektizismus trägt. Zum Glück, muss man sagen, denn dies verleiht diesen Bauten etwas Originelles, ja Einzigartiges.