Ich wollte eben etwas in meinen Ansichtskarten zur Adlerstrasse nachsehen, und dabei ist mir auf einer Ansicht aufgefallen, dass am Köpfleinsberg alle vier Eckhäuser Giebel mit einer architektonischen Gliederung aufwiesen, also auch die im vorangehenden Beitrag übersehene Karolinenstr. 23. Mit einem Bild von diesem Haus beginne ich diesen Beitrag (die Renaissance-Giebel wie denjenigen an Adlerstrasse 22 werde ich in diesem Strang nicht behandeln, da sie auf einem andern Konzept basieren. Sie wären es aber auch Wert, gesondert betrachtet und untereinander verglichen zu werden).
Kaiserstr. 23
Köpfleinsberg mit dem Kriegerdenkmal, Blick von der Adlerstrasse zur Kaiserstrasse, also genau in entgegengesetzter Richtung wie das erste Bild im vorangehenden Beitrag. Links Kaiserstr. 23 und rechts Adlerstr. 22. 1903 gelaufene Ansichtskarte, Verlag Dr. Trenkler&Cie, Leipzig.
Der Giebel von Kaiserstr. 23 hatte sicher auch schon einige Veränderungen erfahren, zum Beispiel der Bau eines Kamins entlang der Innenseite der Giebelfassade und die Anhebung der rechten Dachfläche. Ein Detail ist mir schon bei Lorenzer Platz 3 aufgefallen, weshalb ich einen Bildausschnitt vergrössert und entzerrt habe:
Blendarkadengiebel von Kaiserstr. 23. Ausschnitt aus der Karte oben.
Entzerrter Ausschnitt mit dem Blendarkadengiebel von Kaiserstr. 23.
Der Giebel zeigt eine regelmässige Lisenengliederung mit Spitzbogenpaaren als oberen Abschluss der Rücklagen. Jede zweite Rücklage zeigt aber nur noch die abgetreppte Konsole abgegangener Spitzbogenpaare, genau wie bei Lorenzer Platz 3! Am 2. Dachgeschoss rechts sieht man aber ein weiteres Spitzbogenpaar ohne in der Höhe versetzte Spitzbogen, das genau an einer Stelle sitzt, wo die Spitzbogenpaare sonst fehlen. Das könnte ein hilfreicher Hinweis für eine zeichnerische Rekonstruktion sein, insbesondere für eine allfällige Treppengiebelkontur, was ich sie mir bei Lorenzer Platz 3 noch nicht vorstellen konnte.
Der Kamin ist wohl nachträglich zwischen zwei Lisenen eingebaut worden, wobei ich mir den Aufwand nur schwer vorstellen kann, zuerst einen Schlitz aus der massiven Giebelwand auszubrechen und dann mit dem Kaminzug wieder zuzumauern. Die rechte Dachfläche hatte beinah unmerklich eine Anhebung erfahren, weshalb sich das 'Spitzbogenpaar ohne höhenversetzte Spitzbogen' rechts erhalten hatte. Dies geschah wohl anlässlich des Baus oder Höherbaus des zugehörigen Hinterhauses. Innerhalb des Giebels sind keine weiteren Blendarkaden auszumachen. Das Haus wurde 1943/45 zerstört.
Karlstr. 11
Karlstr. 11 um 1900.
Diesem eigenwilligen Gebäude sind wir bereits in einer Beitragsreihe über den Gasthof 'zum Krokodil' begegnet. In den neusten Ausgabe der 'Nürnberger Altstadtberichte 48/2023' gibt es von Michael Taschner ab S. 43 eine Abhandlung über die historischen Pultdachhäuser. Gemäss ihr war die Existenz solch 'halber Häuser' in früheren Jahrhunderten nichts besonderes; jedenfalls gibt es nirgendwo Hinweise, dass breitere Häuser einmal halbiert wurden und die eine Hälfte durch einen Neubau ersetzt worden wäre.
Die hauptsächlichste Veränderung geschah wohl im Barock, als die Fassade eine regelmässige Fensteranordnung und ein Chörlein erhielt. Dabei war der halbe Blendarkadengiebel wohl störend, und seine gegenüber den Vollgeschossen zurückversetzte Lage nutzte man aus, um einen neuen Fassadenabschluss aufzumauern, wonach der ursprüngliche Giebel optisch in den Hintergrund trat. Aber auch sein oberer Abschluss wurde wohl zurechtgestutzt, sodass die abschliessenden Blendarkaden und allfällige Fialen darüber fehlten. Das Haus wurde 1943/45 zerstört.
Burgstr. 19
Burgstr. 19 und rechts das heute noch existierende Hinterhaus an der Oberen Krämersgasse. Zeichnung von 1641 im Stadtarchiv.
Auch dieses Gebäude wurde im oben erwähnten Artikel über die Pultdachhäuser behandelt. Wie Karlstr. 11 präsentierte es sich als 'halbes Haus', das zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert vorne aufgestockt wurde und fortan als traufständiges Haus erschien, bis es 1943/45 unterging.
Das Giebeldreieck zeigte eine Lisenengliederung mit Spitzbogenpaaren unter abgesetzten Treppenstufen mit Fialen darüber als Abschluss. Die Giebelkontur folgte nicht der Schräge des Hauptdaches, sondern der Schräge des fassadenbündigen Schleppdacherkers, wodurch das Haus stattlicher erschien. Die rückwärtige Giebelwand war einfacher gestaltet: auch sie in Form eines 'Treppengiebels', dessen Stufen aus einzelnen Backsteinen gebildet wurden und aus Distanz nur als Linie erscheint (Backsteintreppengiebel). Diese Form eines Giebelabschlusses kann man bis mindestens ins 16. Jahrhundert beobachten (z. B. bei Obere Schmiedgasse 54/56). Zusätzlich standen zwei Fialen mit Zeltdächlein oben auf. Taschner benennt diese Fialen in seinem Artikel mit 'Giebelmännchen', einem treffenden Ausdruck, den man wohl auch für die sonst dazwischen stehenden Fialen verwenden darf.
Karolinenstr. 6
Karolinenstr. 6. Aufnahme unbekannter Herkunft und Datierung.
Einen markanten Giebel besass das 1943/45 zerstörte Haus Karolinenstr. 6. Es war oft als Hintergrundkulisse auf Aufnahmen mit dem Nassauer Haus zu sehen. Die Lisenengliederung mit gleichmässig ansteigenden Blendarkaden wird nur durch den Mauerpfeiler mit den Aufzugsöffnungen unterbrochen. Die Lisenen sind gegenüber der Fassadenfläche wie die Rücklagen zurückversetzt. Ihre Verlängerungen laufen über die Giebelkontur in Form von Giebelmännchen hinaus, wobei keine Stufen erkennbar sind. Sie schliessen mit einer Kugel ab. Möglicherweise wurde die Giebellinie nachträglich egalisiert, denn die Blendarkaden deuten unten einen einstigen Dachknick an.
Karolinenstr. 6. Ausschnitt aus einer Fotografie um 1875.