In der FAZ erschien eine recht lahme Erwiderung auf Oswalt und Seidl aus der Feder von Harald Bodenschatz. (Siehe hier) Aber vermutlich ist mehr nicht drin bei der in den letzten Jahren stark nach links gedrehten "Frankfurter Allgemeinen".
"Nicht nur für einen Bayern wie mich hat dieses Schloss nicht die Spur einer nationalen Bedeutung", schreibt Bodenschatz. Wenn das Gebäude so bedeutungslos für ihn ist, warum macht er sich dann die Mühe, so ausführlich auf Oswalts Anwürfe gegen das Schloss zu antworten?
"Bildpolitik setzt eine konstruierte, instrumentalisierte Geschichte voraus", schreibt er am Anfang, und am Ende fordert er: "Wir müssen um eine demokratische Bildpolitik ringen". Das heißt demnach, der setzt sich für eine Instrumentalisierung von Geschichte ein, nur soll diese "demokratisch" konstruiert werden. Was immer das heißen soll. Zudem in Zeiten, in denen der Begriff "demokratisch" von vielen Politikern als Ausschluss-Begriff und Chiffre für die Herrschaft ihrer eigenen Partei missbraucht wird.
Bodenschatz bedient - durchaus ähnlich wie Oswalt - die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und "rechts", nur nennt er es "altrechts". Die kommunistischee Herrschaft wird hingegen nur mit Samthandschuhen angefasst. Die Sprengung des wiederherstellbaren Schlosses wird nur lapidar als "Abriss" bezeichnet. Und zudem schreibt Bodenschatz zum Bau des DDR-Staatsratsgebäudes: "Er ordnete sich dem nicht mehr existenten Schloss unter durch den Einbau des Portals, von dem Karl Liebknecht 1918 die sozialistische Republik verkündet haben soll." Ein Bau, der sich einem "nicht mehr existenten" (besser: gesprengten) Bau unterordnet? Auf solche Gedankenkonstrukte muss man erst mal kommen.
Dass die politische Auffassung der Humoldtforum-Spender nicht identisch mit dem Bauvorhaben ist, ist eigentlich eine Binsenweisheit. Und es ist eigentlich traurig, dass jemand das aufgrund der systematisch hysterisierten "Debatte" überhaupt schreiben muss.
Die Inschutznahme von "Fachleuten" (also Personen, die er zur "In-Group" zählt) ist die übliche lahme Replik auf die "Anti-Rechts"-Hysterie. Es impliziert, dass die "Anti-Rechts"-Haltung ja in Ordnung sei, man aber bitte doch Person X oder Person Y oder viele Spender aus "untadeligen Motiven" (wer sind denn die Spender mit "tadeligen Motiven"?) aus den Attacken herausnehmen sollte:
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Hier werden Personen und Institutionen wegen ihrer fachlichen Haltung in eine verschwommene rechtsextreme Ecke geschoben. Aber keiner der im Buch und in einem darauf aufbauenden Interview in der „taz“ namentlich angesprochenen Fachleute gehört in diese Ecke – weder Petra Kahlfeldt und Hans Stimmann noch Hans Kollhoff, Christoph Mäckler, Tobias Nöfer und Wilhelm von Boddien. Auch die vielen Schlossspender aus „untadeligen Motiven“ erscheinen so mitschuldig. Insgesamt waren es 40.000 Spender.
Diese Position rechtfertigt aber das Vorgehen von Leuten wie Oswalt generell, wendet sich nur gegen dessen Ausweitung. 1791 hätte so jemand gesagt, dass es je nicht falsch sein, ein paar Adelige unter das Fallbeil zu stellen, aber man Maß halten solle. Doch das ist falsch, nur die völlige Maßlosigkeit führt zu einer Neujustierung der Denkmuster mit folgender Befreiung.
Dann kommt das übliche links-konservative Gerede, man solle dies und das nicht "den Rechten überlassen". Schon die SPD-Rechte hat z.B. immer mal wieder erfolglos das Thema aufgebracht, Patriotismus "nicht den Rechten zu überlassen", also eine Art SPD- oder Links-Patriotismus zu konstruieren, mit schwarz-rot-goldenen Papierfähnchen am Wahlkampfstand. Das hat die Linken nie interessiert. Und einen Oswalt und dessen Anhang wird es auch nicht interessieren, nun die Garnisonkirche in Potsdam als "demokratisches" oder "linkes Projekt" zu framen (auch wenn es das inhaltlich mittlerweile ist), nur um es nicht "den Rechten zu überlassen".
Dann spricht Bodenschatz aber einen wichtigen Punkt an. Er hat Recht, dass er Rekonstruktionen als "Nadel im Heuhaufen" des aktuellen Baugeschehens bewertet. Unrecht hat er aber mit folgenden Sätzen:
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Das Schloss ist eine Rekonstruktion. Ist es deshalb verwerflich, gar ein Angriff auf moderne Architektur? Diese subtile, aber abwegige Verknüpfung gelang offenbar Philipp Oswalt so gut, dass sie auch Claudius Seidl, ohne lang nachzudenken, aufgreift. Rekonstruktionen sind aber per se keineswegs eine „Niederlage der Moderne“, wie Claudius Seidl in seinem letzten resümierenden Satz meint.
Mit diesen Sätzen trifft Bodenschatz natürlich das Herz eines Teils der Rekonstruktionsbewegung. Das Herz derjenigen Leute, die nur ihr kleines Inselchen, ihr kleinen Fachwerkhäuschen, ihren Kirchturm, ihr Gartentempelchen haben wollen, um daraufhin ausblenden zu können, dass um sie herum das Land gerade mit weißen Styropor-Kasten-Großsiedlungen, Sichtbeton-Verwaltungsbauten und Windrädern zugestellt wird. Nur ein paar Cent wollen sie abhaben vom großen, staatlich geförderten Bau-Kuchen, um dort ein Figürlein auf´s Dach stellen zu können. Damit sie besser verdrängen können.
Da sage ich: Nein. Die Rekonstruktionen sind natürlich ein Angriff auf die modernistische Architektur. Da hat Oswalt ausnahmsweise mal Recht. Die Rekonstruktionen sagen: Ihr schafft es seit Jahrzehnten nicht, befriedigende städtebauliche und architektonische Lösungen zu finden, die das Herz der Menschen ansprechen. Und ihr verhindert es bislang und seit Jahrzehnten vor allem durch die Lehre an den Hochschulen, dass sich eine wahrnehmbare neue traditionelle Architektur jenseits von privaten Einzelprojekten entwickeln kann. Somit setzen wir euch die Zeugnisse einer anderen Zeit vor die Nase, die wie Nadeln in eurem Speck stecken und es euch so unangenehm wie nur möglich machen sollen. Das ist die kleine Rache der machtlosen Menschen, die den Zumutungen des Modernismus täglich ausgesetzt werden. Und diese Rache soll noch viel größer werden. Nicht mehr heute, denn die Welle ist vorbei. Nicht mehr morgen, denn das werden sie und die wirtschaftliche Lage verhindern. Aber übermorgen.
P.S.: Ich habe übrigens Oswalts neues Buch vor einiger Zeit gelesen und empfinde es als hochideologisch, zugleich langweilig und inhaltlich wenig anspruchsvoll. Alte Kamellen. Kein Buch, von dem etwas bleiben wird. Dass darüber derzeit debattiert wird, liegt allein an dem Medienhype, den ideologisch nahe stehende Redakteure losgetreten haben.