Der Turm sieht aber anders aus als das Original. Kann man da überhaupt von einer Rekonstruktion sprechen, oder ist es nicht vielmehr eine traditionelle Neuschöpfung?
Sehr berechtigte Fragestellung: Wo fängt eine "Rekonstruktion" an und wo hört sie auf?
Ich zitiere mal:
Aus dem Faden Wiederaufbau deutscher Städte im Vergleich
Ich rege mich nicht über T und T auf.
Ich find´s nur seltsamt, dass man bei diesem Projekt kritiklos von Reko spricht und die Mängel vom Städtebau bis zur Ausführung nicht angesprochen werden. Ich finde insbesondere dieses Projekt ist wahrlich KEINE Glanzleistung.
[T und T = Palais Thurn und Taxis, Frankfurt]
Antwort
Dann sollte man doch besser über den Wiederaufbau des T&T mit dem in Potsdam etablierten Wort „Erinnerungsbau“ sprechen und denken(!). Das würde übrigens bei so manchen Bauten einen Knoten im Kopf beim nachdenken lösen, ob man noch von Rekonstruktion sprechen kann.
Der ist unspezifisch genug, um das Palais mit abzudecken wenn man nicht den (von dem ja durchaus auch von der (archäologischen) Rekonstruktion der Frauenkirche im vorletzten Jahrzehnt mitgeprägten) Begriff einer „Rekonstruktion“ verwenden will, was bei den vielen Abweichungen vom Original ja verständlich ist (obwohl es ja für „Rekonstruktion“ auch keine feste Definition gibt).
Aus dem Nürnberg Faden:
Naja, die Denkmalpflege in Deutschland ist inzwei Lagen gespalten: das deutlich größere sieht einzig in der Substanz das entscheidende Kriterium für "authentische" Denkmale, ich schätze etwa 70 Prozent der Denkmalpfleger und in den Großstädten fast 90 %. Das zweite Lager, das es auch schon lange gibt, führt neben der Substanz noch andere Faktoren an ist sagt die FORM, der STANDORT und die NUTZUNG eines potenziellen Denkmals sind genauso wichtig wie die Substanz und jeweils individuell bei jedem Projekt abzuwägen. Siehe hierzu Wolfgang Seidenspinner.
Die Erinnerungsbaudefinition von Kalesse fand ich immer gut, weil sie realitätsnah ist und die Wirklichkeit spiegelt. 1:1-Rekonstruktionen, auch innen, sind in den meisten Fällen unrealistisch, müssen aber auch nicht immer sein. Gerade im Fall von starken, individuellen Stadtgrundrissen ist die Wiederholung charakteristischer Merkmale mitunter wichtiger als das letzte Detail.
Und: Kalesse definiert die Erinnerungsbauen als Ausdruck zeitgenössischem Bauens, das ist deskriptiv aber eben sehr richtig. Die meisten Modernisten sprechen den Erinnerungsbauten das Zeitgenössische ab, da sie es mit "modern" gleichsetzen, obwohl die abstrakte Moderne ein 100 Jahre alter Baustil ist und die fortwährenden Bauhaus-Aufgüsse nichts anderes als Historismus (der Moderne) sind.
https://www.stadtbild-deutschland.org/forum/wcf/inde…entizitaet-pdf/
Die nächste Frage, die sich für mich stellt, hat man in Strehlen vielleicht einen älteren Zustand (z.B von einer Darstellung aus der Renaissance) zum Vorbild genommen, als den letzten vorm Krieg? Also doch Rekonstruktion, aber auf der Basis älterer Unterlagen/Originalpläne/Idealdarstellungen aus der Erbauungszeit?
Oder ist das eine idealisierte Vorstellung von heute, die ich allerdings aus meinem laienhaften Dafürhalten auch als authentisch wahrnehme, wie es sein hätte können? Wobei ich natürlich nicht in den schlesischen/polnischen Architekturdetails drinstecke, um hier vielleicht eine mögliche Polonisierung erkennen zu können, die ja dann doch wiederum etwas problematisch wäre.