Beiträge von Suebicus

    Du und Ursus, ihr macht mir schon Angst irgendwie. Meine alten Architekturprofessoren haben so ähnlich "argumentiert": auf der einen Seite sollte sich das Objekt (angeblich) "einfügen" in die Umgebung, aber das Wichtigste wäre "die Abstraktion", das "Reduzieren des Gebäudes auf seine reine Funktion, oder auf eine spezielle (durchgeknalte) Form, die es irgendwie besonders macht. [...] Genauso war der Architektensprech! Genauso und nicht anders! Die Gebäude müssen "nackt" sein, ohne etwas für die Schönheit, die ja sowieso nicht existiert.

    Du verstehst mich falsch. Ich bin auch nun kein Modernismus-Fanatiker, andersfalls würde ich wohl kaum auf diesem Fourm schreiben. Meine Einstellung ist folgendermaßen grob umfasst: Ganz an der Spitze meiner architektonischen Präferenz steht Schönheit; es dürfte klar sein, was darunter zu verstehen ist, wir werden bei dem Wort mit Sicherheit ähnliche Bilder im Kopf haben. Dann in der Mitte (eigentlich weit unten, aber der Einfachheit halber nun in der Mitte) ist Hässlichkeit plus Besonderheit - hierunter fallen beispielsweise eben jene durchgeknallten Formen, Wolkenkratzer, Glaskeile etc. etc. Moderne Architektur, die eben über eine gewisse Qualität verfügt. Dass diese Qualität dann nicht herkömmliche Schönheit sein kann, ist klar; stattdessen kann diese Architektur beeindrucken durch Größe, durch Gewagtheit, durch eine kalte Eleganz, oder einfach dadurch, dass sie - im Gegensatz zu vielen Nachkriegsbauten - nicht total ranzig und miefig aussieht oder wie ein Provisorium, das abzureißen man vergessen hat. Dann ganz unten ist Hässlichkeit ohne Besonderheit: Die übliche Nachkriegsfassade, wie man sie in deutschen Innenstädten überall sieht. Ich wüsste nicht, inwiefern nun die Neue Mitte für einen schlimmeren Kontrast sorgt als die Bauten da in Richtung Bahnhof, von denen ich Google-Maps-Ansichten eingestellt habe.

    Wir kommen der Sache näher glaube ich. Ursus und Suebicus sind der Meinung, dass der Verlust der Altstädte durch den Krieg wenn schon dann richtig "erlebbar" werden müssen im heutigen Stadtbild und dass die NM dies am besten bewirkt. Wenn schon hässlich dann richtig Also praktisch umgekehrter Ruinenkult.

    So würde ich das nicht sagen. Ob man nun diese typischen Nachkriegshäuslein hat oder eben einen keilförmig zulaufenden Bau mit Glasfassade - in beiden Fällen erlebt man die Altstadt nicht mehr. Letzteres Bauwerk stellt aber für sich genommen wenigstens eine Aussage dar; es ist spektakulärer, strahlt vielleicht - im besten Fall - sogar eine Art von kühler Eleganz aus. Natürlich präferiere ich grundsätzlich historisierende Architektur, aber wenn ich die Wahl habe zwischen einem 60er Betonklotz und einem modernistischen Glasbau, der aber wenigstens irgendwie beeindrucken kann, bzw. das nicht diesen typischen Nachkriegsmief ausstrahlt, dann wähle ich letzteres.

    Es sind vor allem Ansichten wie diese, an denen deutsche Innenstädte leiden:

    https://goo.gl/maps/2tw2wrx3gnxvuuzga

    https://goo.gl/maps/nn1rzmh5kyx4kosea

    https://goo.gl/maps/jbhugpuvhqn4hcyg7

    Diese miefigen Häuser, die nicht einmal in ihrer Hässlichkeit irgendwie Format haben..

    Da ist mir ein Anblick wie der folgende doch lieber, auch wenn ich an der Stelle natürlich wirklich angepasste Architektur präferien würde:

    https://goo.gl/maps/qslmfdeadagvjtjy7

    zuerst einmal Zustimmung: für mich ist die neue Mitte auch eine Zumutung und es ist pervers diese zu loben, weil die Hässlichkeit ja noch "spektakulärer" sei als die der Nachkriegszeit. Wenn man sowas zulässt dann hat man gar keine Altstädte mehr!

    Es geht nicht darum, die Neue Mitte zu loben; natürlich hätte ich dort lieber historisierende Architektur oder Rekonstruktionen. Aber besser eine Neue Mitte als das schäbige Nachkriegszeug in Richtung Bahnhof.

    Es ist halt die Frage, was vorzuziehen ist: Mittelmäßige Hässlichkeit, die nicht wagt, eine eigene Aussage zu treffen, oder eben Hässlichkeit, die sich durch einen Eigenwert hervorhebt, wenigstens irgendwie beeindruckend ist. Dies zieht sich durch die Debatten, die wir hier in der letzten Zeit haben. Das sieht man zum Beispiel auch an dem diskutierten Gegensatz des Wiederaufbaus von Würzburg und Chemnitz - Würzburgs Zentrum ist nicht schön, aber auf eine Art und Weise, die aufgrund des "kleinen" Formats noch Raum für eine gewisse Gemütlichkeit lässt; in Chemnitz nimmt sich die Hässlichkeit nicht in einer solchen Weise zurück, dafür liegt aber in ihrer Monumentalität doch auch ein gewisser Reiz. Zwischen Neuer Mitte und der Nachkriegsarchitektur in Ulm verläuft wohl eine ähnliche Front.

    Kann man genauso sagen: Bayern gehört nicht zu D.

    Gut, das könnte sogar zutreffen. Hätte Josef 2 tatsächlich Bayern geschluckt, hätten alle Beteiligten identitätsmäßig nur gewonnen.

    Dann wäre Deutschland halt von Habsburg vereinigt worden. Bei diesem Vorhaben spielte ja durchaus die Absicht eine Rolle, den Schwerpunkt des Reiches wieder mehr ins Deutsche zu verlagern. In dem Fall wäre dann wohl Österreich die undankbare Aufgabe zugekommen, die deutschen Länder zur Einheit zusammenzuschweißen - und damit auch die Rolle des Dunkelmannes, der die Machtpolitik Europas durcheinanderbringt. Dann würden heute englische Autoren halt die These verbreiten, die deutsche "Großmannssucht" sei zurückzuführen auf die Ethnogenese der Österreicher, die ja (zum Teil) von germanischen Kolonisten abstammen; gerade durch die Grenzlage zum Osten sei hier eine besonders chauvinistische Mentalität entstanden. Österreich, so würden sie sagen, habe ja schon immer die deutschen Angelegenheiten durcheinandergebracht mit ihrer Großmachtspolitik, mit ihrem größenwahnsinnigen Ausgreifen auf die Throne Europas. "Schaut euch an, wie fortschrittlich und tolerant die Preußen waren, mussten sich da ausgerechnet die reaktionären Österreicher durchsetzen. Wie anders hätte sich Deutschland entwickelt.."