Beiträge von ulmus carpaticus

    Wir wollen die Stadt Soběslav hier Sobieslau nennen, was auch der historische deutsche ON ist und vor allem leichter zu schreiben und auch korrekt auszusprechen ist, sofern man das ie wie je spricht.

    S. ist eine alte Stadt im nördlichen Südböhmen, etwas südlich von Tabor. Sie zählt nicht zu den MPR, den Denkmalstädten (städt. Denkmalreservation), davon ist sie weit entfernt, aber zu den MPZ, den städtischen Denkmalzonen. Das ist an sich nichts besonderes, vor allem im Süden, wo bald ein Kuhdorf auf diese Liste kommt (nicht wörtlich zu nehmen, denn dörfliche Denkmalreservationen gibt es auch, und gerade in der Gegend um S., worauf ich vielleicht in einem anderen Strang zu sprechen komme).

    Zweifellos handelt es sich um eine deutsche Stadtgründung im Sinne des ostdt. Zentralmarktschemas. Der Platz ist riesig, die heutige Bebauung idR nicht sehr bedeutend. Nur eine Platzseite ist wirklich eindrucksvoll, eine zweite geht so an, die dritte ist schwach und die vierte fast ein Totalverlust. Ausgerechnet auf dieser steht das bedeutendste Haus (deshalb das "fast").

    Das klingt jetzt nicht überwältigend, aber man darf diese Stadt keineswegs unterschätzen.



    (Bild von der offiziellen Seite der Stadt S., warum man ohne diese Seite bei der Galerieerstellung nicht auskommt, siehe unten).

    Ein beschauliches Landstädtchen inmitten der südböhm. Teichlandschaft. Ich war hier zum zweiten Mal, das erste Mal in den 80er Jahren, also noch im tiefsten Kommunismus. An sich hat sich nicht viel geändert (außer dass die besagte Platzseite damals gerade abgerissen worden war). Leider geht heute eine Autobahn dran vorbei (Prag - Linz). Man muss hier wohl die gleichen Blödheiten machen wie im Westen...

    Davon abgesehen (was leicht ist, man merkt im Zentrum nichts davon) hat sich stimmungsmäßig erstaunlich wenig bis nichts geändert, man meint, dort die gleichen Konditoreien und (wenigen) kleinen Geschäfte wie damals zu finden (abgesehen davon, dass es damals für verrückte Westtouristen wie mich ungleich mehr zu kaufen gab), keine großen Restaurants für Touristen, keine "Attraktionen". Hier scheint die Zeit wirklich etwas stehengeblieben.


    Hier der Blick vom Kirchturm auf den großen Platz, Quelle wie oben.

    Das Feld ist uferlos. Manche Rathäuser wurden abgerissen und später relativ außerhalb neu gebaut - etwa Landeshut /Schlesien. Manche Städte in NÖ haben das Rathaus gar nicht am Platz stehen, wie Horn oder Eggenburg. Wien ist da auch ein Sonderfall - das Alte Rathaus befindet sich in einer engen Straße. Großstädte sind da überhaupt unberechenbar. In Nürnberg oder Würzburg sind die Rathäuser auch nicht am Hauptmarkt. Auch Regensburg ist so ein Fall. Bamberg mit dem Brückenrathaus ist völlig absurd. Das Passauer Rathaus steht auch irgendwo abseits am Fluss. Salzburg ist ganz ähnlich.

    Auch das (kriegszerstörte) Znaimer Rathaus stand ZWISCHEN den beiden Stadtplätzen. Das Kremser Rathaus steht an keinem zentralen Platz, denn Krems hat keine solchen - anders als die Zwillingsstand Stein - dafür aber an der Hauptstraße. In etlichen Städten steht das Rathaus in einem späteren Erweiterungsgebiet und verlieh dort einem neu gegründeten Platz die Bedeutung als neues Zentrum: St. Pölten.

    Interessant im Sinne des Strangerfinders ist auch Mühlhausen in Thüringen, wo das Rathaus ganz versteckt ist.

    Wie gesagt, das Feld ist weit...

    Versuchen wir es systematisiert: Ostdtld (bis incl. Sachsen, Brandenburg): Rathaus immer am (bzw auf dem) Platz.

    Südostösterr. (Kärnten, Stmk): ditto. NÖ: eher auch, Ausnahmen. OÖ: eigentlich immer. Alpengebiet: mitunter fehlen zentrale Plätze, dementsprechend kein einheitliches Bild. Böhmen/Mähren: immer am Ringplatz, nur wenige Ausnahmen. Bayer. Städte mit Straßenmärkten: eigentlich auch immer. Alte, verwinkelte Großstädte: keine Regel.

    Hessen: eigentlich immer am Markt, so klein dieser auch sein mag (so weit mir bekannt). Ähnl. Niedersachsen.

    Was soll man sagen, Zeno? Dass man in Franken in Sachen Stadtbildpflege offenbar unfähig ist? Kaum ein Gebiet in D, das so beanstandbar ist, sogar Bamberg hat schwere Wunden. Diese Fürther Verunstaltung war mir bekannt, ich denke aber, der Platz ist immer noch recht schön - das soll diese "Sanierung" nicht schönreden. Aber diese schiachen Häuser - sie entsprechen ziemlich meinem so innig geliebten Wiederaufbau"stil" - stehen doch gewissermaßen außerhalb, ja sorgen für eine gewisse Abgrenzung des Ensembles.

    vgl dieses Musterbeispiel:

    slavonice_poz.jpg

    nämlich jenes die Renaissance-Zeilen sprengende Schulgebäude. Innerhalb einer Zeile wäre die Wirkung viel zerstörerischer.

    Zeno, keiner hier befindet sich in einer Endlosschleife. Man wird doch noch auf die Inkonsequenz von Haltungen hinweisen, die für Stadt A was fordern und eine entsprechende Verwirklichung in Stadt B ablehnen. Das ist alles. Wenn man jeden halt so dahingeworfenen Nebensatz aufblähen will, könnte man trocken einwerfen: quod erat demonstrandum - Dass mir dieses Thema so nahegeht, ist eher natürlich, denn das waren ja dereinst wunderbare Städte, deren Verlust eben schwerwiegt. Aber eben auch denen, die diesen schönreden...

    Aber das gehört ja nicht hierher. Sonst hast uns nix mitzuteilen über das in Frage stehende Mingener Projekt, dass immerhin an die 95% meines Postings ausgefüllt hat? Gfallts dir oder gfallts dir nicht?

    Ich hab mich geautet: mir gfallts nicht schlecht.

    Da gibt es derer einige, zumindest unbewusst. Im Ergebnis mögen die nicht, wenn da nachträglich herumgewerkelt wird, sei es in Ulm oder auch hier in Minga.

    Wer hat behauptet dass im Frankenland „alles richtig gemacht wurde“?

    Das hat in der Tat wer behauptet, noch im APH. Ich weiß nicht mehr, ich hab einen Verdacht, aber das reicht nicht, ich kann mich da sehr gut irren. Es lautete ungefähr so: Aber imgrunde unseres Herzens wissen wir ganz genau, dass unser fränkischer Weg der richtige war oder auch: dass wir alles richtig gemacht haben. Jedenfalls keine Erfindung von mir. Philon hat da vehement dagegen Stellung bezogen.

    Um ein anderes, damit natürlich nicht vergleichbares Beispiel zu nennen: ich weiß nicht, was zB Riegel meint, dass man mit einfachen Mitteln die heutigen Theresienplatzhäuser in Nürnberg qualitativ in Richtung Altstadttauglichkeit verbessern könnte. Meiner Meinung nach ist das unmöglich. Aber hier scheint mir in der Tat ein solcher Versuch gelungen. Ich versteh nur nicht, warum das eine so mit hellrosa Leuchtbrille gesehen wird und das hier so runtergemacht wird. Die gründerzeitlichen Proportionen sind doch gewahrt, und mehr will diese Fassade gar nicht sein.

    Oder stört sich wer daran, dass die Malereien "reine Renaissance" suggerieren? Das wäre immerhin ein Ansatz. Mich stört das aber sicher nicht. Auch wenn es eigentlich nicht passt, aber diese Spannung hat etwas Reizvolles.