Es ist halt eklektisch-byzantinoid, und zutiefst historistisch, deshalb höchst exakt in der Ausführung. Die Decke im Chor, mit den Heiligen vor dem Sternenhimmel, finde ich am gelungensten; das Altarbild ist zuviel Gewimmel zu kleiner Figuren, ich meine, da gehörten auch ein paar größere rein. Die gemusterten Decken in den Seitenschiffen lasse ich mir auch gelten; aber die Abfolge Altarbild - Decke im Chor - Vierung (auch etwas zuviel Gewimmel) - Decke im Langhaus (nur Sternenhimmel) finde ich kompositionsschwach, wie überhaupt die ganze Innendekoration auf mich recht additiv aus Teilen zusammengesetzt wirkt, und diese Teile mE zuwenig aufeinander Bezug nehmen. Es hat mir an vielen Stellen zuviel Reihung und zuwenig Rhythmus, aber das ist vielleicht eine Geschmacksfrage. - Die rohen Backsteinwände finde ich übrigens passender als Zwischenstücke als die Titanweiß gestrichenen, zum einen wegen der weniger grellen Farbe, zum anderen, weil sie ein lebendiges Farbspiel aufweisen, wodurch die Fläche belebt wird, wie man auf den Bildern sehr schön sieht.

München - Die Kirchen (Galerie)
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Wir kehren ins Lehel zurück.
St. Lukas (evangelisch-lutherisch)
Mariannenplatz 3
Erbaut 1893-96
Typus: überkuppelter Zentralbau mit umlaufenden Emporen
Baugeschichte:- 1882 Bewilligung eines Kirchenneubaus am Mariannenplatz vonseiten der Stadt für die wachsende protestantische Gemeinde in München; in den darauffolgenden Jahren Verzögerungen aufgrund von Finanzierungsproblemen, verschiedener Planungsideen (von August Thiersch und Friedrich Löwel) und Überlegungen bzgl. alternativer Standorte
- 1889 erster Entwurf des von der Pfarrgemeinde beauftragten Architekten Albert Schmidt zu einer fünfschiffigen frühgotischen Basilika mit stadtseitiger Zweiturmfront und mächtigem Vierungsturm, der jedoch als zu aufwendig und für den protestantischen Kultus ungeeignet befunden wird; der letztendlich von Albert Schmidt realisierte Entwurf orientierte sich dann vor allem an der 1891-94 vom damals führenden protestantischen Kirchenbaumeister Johannes Otzen erbauten Ringkirche in Wiesbaden
- 1893 Grundsteinlegung
- 1895 äußerliche Fertigstellung
- 1896 Einweihung
- im 2. Weltkrieg nur geringe Schäden: Beschädigung der Dacheindeckung und Verlust der Fensterverglasungen samt der Glasgemälde von Franz Xaver Zettler und Christian Burckhardt
- 1946 Ersatz der Glasgemälde durch Neuanfertigungen nach Entwürfen von Hermann Kaspar
- 1952-63 Außeninstandsetzung: Neueindeckung der Dächer mit Kupfer anstatt wie bisher mit Schiefer, Erneuerung der Kupfereindeckung der Kuppel
- bis 1966 Innenrenovierung, 1969/70 Zumauerung der Biforienfenster zur Vorhalle
- 1988-92 Kupferverkleidung der Steinhelme der beiden Osttürme
- 2000-10 Instandsetzung der Fassaden
- ab Mai 2024 große Innenrenovierung bis voraussichtlich 2026St. Lukas ist die erste evangelische Kirche, die ich in dieser Galerie vorstelle; sie war aber nicht die erste evangelische Kirche Münchens, sondern die dritte. Die erste war die Matthäuskirche in der Sonnenstraße (erbaut 1827-33), die zweite die Markuskirche an der Gabelsbergerstraße (erbaut 1874-77).
An dieser Stelle ist es angebracht, kurz auf die Entwicklung des Protestantismus in München einzugehen. Wie in meinem geschichtlichen Überblick zu Anfang dieser Galerie bereits dargelegt, war München bis zum Ende des 18. Jhs eine rein katholische Stadt: erst mit der Ankunft des pfälzischen Wittelsbachers Max IV. Joseph, der selbst zwar katholisch, seine Gemahlin Karoline von Baden aber evangelisch war, kamen 1799 die ersten Protestanten nach München. Nachfolgend eine kurze Chronik des evangelischen Lebens in München bis 1900:- Im 16. Jh gab es auch in Bayern Anhänger der Lehre Luthers, vor allem in Adelskreisen, die sich dadurch größere Unabhängigkeit und persönliche Vorteile erhofften; die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und sein Nachfolger Albrecht V. hielten aber strikt am Katholizismus fest. Bereits 1549 berief Wilhelm IV. die Jesuiten an die Universität von Ingolstadt, 1559 holte sie Albrecht V. nach München; beide machten so aus Bayern ein Bollwerk der Gegenreformation nördlich der Alpen. Albrecht V. ließ 1564 schließlich die Wortführer der protestantischen Adelspartei festnehmen und 1571 alle Lutheraner des Landes verweisen.
- Am 2. Juni 1799 fand in Schloss Nymphenburg der erste evangelische Gottesdienst Münchens für Karoline von Baden, der Gemahlin des neuen bayerischen Kurfürsten Max IV. Joseph, und 150 Personen ihres Hofstaats statt. Ab Palmsonntag 1800 wurde der evangelische Gottesdienst regelmäßig in der Hofkapelle der Münchner Residenz abgehalten.
- 1800 erließ Max IV. Joseph eine Verordnung, die auch Nicht-Katholiken die dauerhafte Ansiedlung in Bayern gestattete.
- 1801 erlangte der Mannheimer Weinwirt und Kaufmann Johann Balthasar Michel - gegen anfängliche Widerstände - als erster Protestant in München das Bürgerrecht.
- 1803 und 1809 wurden die sogenannten bayerischen Religionsedikte erlassen, die die Freiheit der Religionsausübung und die gleichen bürgerlichen Rechte für alle christlichen Konfessionen festschrieben; niemand durfte von nun an aufgrund seiner Konfession bevorzugt oder benachteiligt werden.
- 1803 gab es in München bereits ca. 800 Protestanten bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 40000 Einwohnern.
- 1806 Errichtung der „Protestantischen Stadtpfarrei München“ als staatliche Behörde.
- 1818 Erlassung das Protestantenedikts: der katholische König von Bayern wurde zum obersten Bischof der „Protestantischen Gesamtgemeinde“ Bayerns bestimmt.
- 1826 gab es in München 6000 protestantische Gemeindemitglieder und 2 Pfarrer bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 65000 Einwohnern.
- 1827-33 wurde die erste öffentliche evangelische Kirche in München gebaut, die Matthäuskirche in der Sonnenstraße.
- 1874-77 wurde mit der Markuskirche an der Gabelsbergerstraße die zweite evangelische Kirche Münchens gebaut.
- 1880 lebten in München ca. 28500 Protestanten (bei einer Gesamtbevölkerung von 230.000), 1890 stieg die Zahl auf 48000 mit 7 evangelischen Pfarrern (Gesamtbevölkerung 349.000) und 1900 auf 70000 (Gesamtbevölkerung ca. 500.000).
Die Lukaskirche war also die dritte evangelische Kirche in München und sollte nach dem Willen der Stadtmagistratur am dafür vorgesehenen Mariannenplatz im Rahmen der dort bereits bestehenden herrschaftlichen Zinshausbebauung möglichst würdig und monumental ausfallen. Dies führte letztendlich zur nach Osten zur Isar hin ausgerichteten, städtebaulich effektvollen Zweiturmfassade mit Kuppel. Die Bayer. Denkmaltopographie hierzu:„Erstmals mit der Lukaskirche (und nur wirklich mit ihr) erreicht Münchens protestantischer Kirchenbau durch städtebaulich wirkungsvolle Situierung und weiträumige Ausstrahlung, Monumentalität des Baukörpers mit dem anspruchsvollen Kuppelmotiv sowie durch den aufwendigen, reich differenzierten Formenapparat, der die staufische Kaiserzeit beschwört, einen Höhepunkt repräsentativer Selbstdarstellung in bewusstem Wettbewerb mit dem bis dahin allein dominierenden katholischen Sakralbau - die Dreiergruppe von Kuppel und Türmen ist durchaus mit der Theatinerkirche zu vergleichen.“
Die vom Architekten Albert Schmidt gewählte Stilform war die des Übergangstils zwischen Romanik und Gotik, wie sie etwa die Marienkirche im hessischen Gelnhausen darstellt, sowie der zeitgenössischen historistischen Rezeption desselben, wie sie u.a. von Johannes Otzen mit der Ringkirche in Wiesbaden und der Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin realisiert worden war. Auch die Zentralbauform war durch diese beiden historistischen Vorbilder inspiriert, aber auch durch den etwas beengten Bauplatz vorgegeben. Ein weiteres Vorbild war die von Schmidt selbst 1884-87 gebaute Synagoge am Lenbachplatz, vor allem in ihrer Verbindung von Blankziegelflächen mit Natursteingliederungen am Außenbau.
Der Innenraum wird neben der umlaufenden Empore durch einen starken, zur Kuppel hin gerichteten Vertikalismus geprägt, der durch die vertikale Steigerung der tragenden Bögen entsteht: „Die machtvolle Steigerung von den Flachbögen, auf denen die den Raum umschließenden Emporen ruhen, über die steileren Spitzbögen der Emporenarkaden und -fenster bis zu den aus kräftigen Bündelpfeilern herauswachsenden, reich profilierten Arkaden, welche die Kuppel tragen, bestimmt den betonten Vertikalismus der Raumkonzeption, für die im Übrigen der Gegensatz von verputzten Wand- und Gewölbeflächen und Natursteinstrukturen charakteristisch ist (Vierungspfeiler aus Pappenheimer Dolomit, Rundstützen aus Abbacher Sandstein).“ (Bayer. Denkmaltopographie)Die Lukaskirche kam mit recht leichten Beschädigungen durch den 2. Weltkrieg und überstand auch die Purifizierungswellen der 1960er und -70er Jahre unbeschadet; es sind nahezu alle Ausstattungsgegenstände original erhalten. Von daher ist sie eine der am besten erhaltenen historistischen Kirchen Münchens und ein heute seltenes historistisches Gesamtkunstwerk.
Umso besorgter musste man vor ein paar Jahren sein, als bekannt wurde, dass die Lukaskirche im Zuge einer Innenrenovierung umgestaltet und modernisiert werden sollte. Die im Rahmen eines Wettbewerbs 2017 erdachten, teilweise gravierend in den Raum eingreifenden Maßnahmen wie u.a. das Aufhängen von Akustiksegeln in der Vierung wurden auch auf direkte Anfrage weder bestätigt noch dementiert. In der Zwischenzeit scheint man von allzu gravierenden Eingriffen aber wieder abgerückt zu sein, möchte den Kirchenraum aber weiterhin für moderne Gottesdienstformen und sonstige Veranstaltungen anpassen. Der Leitsatz hierfür ist die Feststellung „Wir haben eine große Kirche und keinen Platz!“. Die Lukaskirche war als typische Predigtkirche des 19. Jhs konzipiert worden und bekam deshalb neben der großen Kanzel vor allem viele Sitzplätze in Form von hölzernen Sitzbänken: sie bietet bis zu 1500 Personen Platz. Die Sitzbänke stehen dabei auch unter den Emporen und reichen bis direkt vor den Altarraum. Nun möchte man die Sitzbänke unter den Emporen abbauen und einlagern und den so entstandenen Platz für Empfänge und alternative, dynamischere Gottesdienstformen verwenden, bei denen die Gemeinde nicht mehr nur still sitzenbleibt, sondern aktiver am Gottesdienst teilnimmt. Unter einigen Fensterlaibungen sollen Einbauten mit Cateringstationen für den Kirchenkaffee oder den Obdachlosen-Brunch entstehen, die zudem auch noch Stühle und Tische aufnehmen können. Links und rechts vom Altar sollen zwei kleine Kapellen entstehen, die mit einem mobilen Altar und Taufbecken bestückt werden können, um dort Taufen oder andere kleine Gottesdienstformen durchzuführen. Außerdem soll ein neues Lichtkonzept mit LED’s erarbeitet werden. Schließlich sollen außen an die Kirche zwei Anbauten mit vom Innenraum aus barrierefrei zugänglichen Toiletten errichtet werden: innen gibt es dafür keinen Platz. Diese Anbauten sollen sich aber unauffällig in die Fassaden einfügen.
Daneben sollen aber auch einige Dinge originalgetreu wiederhergestellt werden: die in den 1969/70 zugemauerten Biforienfenster zur Vorhalle sollen wieder geöffnet, einige Fenster wieder farblich gefasst, einige Holzdecken unter den Emporen wieder freigelegt und vor allem die bedeutende Steinmeyer-Orgel grundlegend saniert werden. Daneben wird der gesamte Innenraum samt Technik renoviert.
Die seit Mai 2024 laufende Renovierung und Gestaltung des „Zukunftsraums St. Lukas“ soll ca. zwei Jahre dauern und 14 Mio € kosten.
Weiterführende Informationen sind hier, hier und hier zu finden. -
St. Lukas ist in eine größtenteils sehr attraktive gründerzeitliche Umgebung eingebettet.
Situation an der Steinsdorfstraße:
Mariannenplatz / Thierschstraße:
Thierschstraße:
Vor allem aber ist der Anblick von der Isar sehr charakteristisch:
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Nun zum Inneren.
Eingangsportal in der Vorhalle:
Der imposante Kirchenraum:
Der mit seinen schräg gestellten Seitentürmen und dem Mittelgiebel der Ostfassade nachempfundene Altar:
Die Kanzel:
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Das Gewölbe mit der Kuppel:
Rückseite:
Die mit aufwendigen Schnitzereien versehenen Kirchenbänke:
Die Wendeltreppe des Südturms:
Weitere Fotos von St. Lukas hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720317418029 -
Zeitlich ginge gewissermaßen noch die erste Kirche St. Johannes / Haidhausen vor, die laut Wikipedia-Artikel ab 1889 in Betrieb war. Allerdings als "Notkirche", eventuell eine Art Baracke. Ob es da Fotos gibt!?
St. Johannes (München) – Wikipediade.wikipedia.orgSt. Lukas kommt einem auf den Fotos schon sehr grau und kalt vor. Ich hätte auch keine Idee, wie man den Innenraum für eine klein gewordene Gemeinde umgestalten könnte, ohne erheblich in die Substanz einzugreifen.
St. Lukas, Innenraum, 2005:
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Dieser schwarze Belag in Teilen der Seitengewölbe. Ich vermute nicht, dass das Schimmel ist, oder? Sind das Feuchteschäden?
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Ich weiß es nicht, aber es könnten schon Feuchtigkeitsschäden sein. Die Kirche wurde vor 60 Jahren das letzte Mal innen renoviert, von daher sind solche Putzschäden wahrscheinlich ganz normal.
St. Lukas kommt einem auf den Fotos schon sehr grau und kalt vor. Ich hätte auch keine Idee, wie man den Innenraum für eine klein gewordene Gemeinde umgestalten könnte, ohne erheblich in die Substanz einzugreifen.
Mei, die Kirche ist halt so... sie ist ein Zeitdokument des ausgehenden 19. Jhs und der Hochblüte des ernsten, auf die Predigt konzentrierten protestantischen Gottesdienstes. Wenn sie wieder frisch gestrichen ist, wird sie sicher auch wieder etwas gepflegter aussehen, aber einen freundlichen Eindruck sollte sie wahrscheinlich nie machen, sondern einen ehrwürdigen und erhabenen. Diese Strenge ist uns heute fremd geworden bzw. sind wir Katholiken aufgrund unseres farbenfrohen Barocks eh schon lange nicht mehr gewöhnt. Trotzdem finde ich die Lukaskirche beeindruckend, sie vermittelt eine spezielle Atmosphäre, die heute selten geworden ist.
Dass sie für eine immer kleiner werdende Gemeinde zu übermächtig und fast einschüchternd wirkt, ist sicher ein Problem, aber ich hoffe trotzdem, dass man an ihr festhalten und vielleicht das von ihr mitnehmen wird, was sie sehr gut vernitteln kann: die Demut vor Gott.
Darüber hinaus eignet sie sich sehr gut für Orgelkonzerte, für die der große Raum ein würdigen Rahmen bietet. -
Heute war ich endlich mal wieder in Sachen Münchner Kirchen unterwegs und weil's so schön war, möchte ich vorab, sozusagen als Appetithappen, schon mal ein paar Fotos zeigen
Es wird allerdings noch geraume Zeit dauern, bis ich den Beitrag dazu schreiben kann, weil ich erstens die vielen Fotos erst nachbearbeiten muss und weil's zweitens zu dieser Kirche viel Interessantes zu erzählen gibt.
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Da habe ich erst letzten Samstag durchs Gitter geschaut, weil es für Normalsterbliche verschlossen ist...
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Bin halt kein Normalsterblicher
da braucht man aber nur nett im Pfarrbüro fragen, dann kommt man da ohne Probleme rein. Ist wirklich eine außergewöhnlich schöne Kirche, schade, dass sie so abseits liegt, sonst wäre ich da öfter drin.
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Na, die Kirche kenn ich natürlich auch, auch jenseits des Gitters. Leider seh ich sie nicht mehr von meinem Balkon, wegen so einem blöden Hochhaus, genau wie den Herzogstand...
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Wir kommen nun zu einer der kunsthistorisch bedeutendsten Kirchen Münchens, zu St. Michael in Berg am Laim aus der Zeit des Spätbarock.
St. Michael in Berg am Laim
Johann-Michael-Fischer-Platz 1
Erbaut 1738-67
Typus: zwei hintereinandergeschaltete oktogonale Zentralräume mit Arkaden (Acht-Arkaden-Oktogon) und querovalem AltarraumBaugeschichte:
- 1735 erstes Projekt von Johann Michael Fischer für den Neubau einer Kirche für die Erzengel-Michael-Bruderschaft an der Josephsburg in der Hofmark Berg am Laim des Kölner Fürstbischofs und Bruders des bayerischen Kurfürsten Clemens August von Bayern
- 1737 Erteilung der Bauleitung an Johann Michael Fischer, 1738 Übertragung derselben an Philipp Jakob Köglsperger, nachdem dieser erfolgreich gegen Fischer intrigiert hatte; im selben Jahr Abriss des Mitteltrakts der Josephsburg, Grundsteinlegung, Anlegen der Fundamente für Türme und Fassade und Beginn des Baus der Fassade nach Köglspergers Plänen. 1739 erscheint ein Kupferstich mit der von Köglsperger neu geplanten Doppelturmfassade. Nach mehreren Protestbriefen des Bruderschaftsekretärs Franz Paula Würnzl und J. M. Fischers an Fürstbischof Clemens August wird Köglsperger 1739 wieder entlassen und Fischer wieder eingesetzt. Die Pläne Fischers werden vom Münchner Hofbaumeister François de Cuvilliés begutachtet und für gut befunden. Fischer lässt die von Köglsperger bereits über 2m aufgemauerte Fassade wieder abbrechen, muss aber dessen grundsätzlichen Fassadenaufbau samt Doppeltürme beibehalten und beseitigt lediglich dessen eklatante Schwächen.
- 1742 Fertigstellung des Daches, 1743-54 Stuckaturen und Deckenfresken von Johann Baptist Zimmermann, 1743/44 Anfertigung der vier Diagonalaltäre des Gemeinderaums durch Johann Baptist Straub. Wände, Säulen, Pilaster und Gebälk werden zunächst einheitlich weiß gestrichen, ab 1745 farbig gefasst. 1745 Kanzel von Benedikt Haßler, 1749/50 Vollendung der Turmhauben, 1751 Weihe, 1758 Verputzung und Anstrich der Fassade (in lichtem Ocker für die Architekturgliederung und leicht mit Grau gebrochenem Weiß für die Flächen), 1758/59 Anfertigung der beiden großen Seitenaltäre, 1767 Aufstellung des Hauptaltars (alle drei geschaffen von Johann Baptist Straub), 1779 Eingangsgitter
- 1793 Ersetzung der ursprünglichen, von J. B. Straub stammenden hölzernen und inzwischen ruinösen Michaelsfigur in der Fassadennische durch eine neue Figur von Franz Muxel
- vor 1800 Abbruch der Festungsanlagen der Josephsburg
- 1911 abermalige Ersetzung der Michaelsfigur durch eine Bronzefigur von Ragaller
- 1928 Restaurierung der Türme
- 1935/36 Teilrenovierung des Innenraums: u.a. werden die bisher mit vergoldetem Schlagmetall verkleideten Predellen der vier Diagonalaltäre durch eine aufgemalte Marmorierung ersetzt
- 1945 erhebliche Kriegsbeschädigung der Apsiswände und des Hochaltars durch Artilleriegeschosse, Wiederherstellung noch im selben Jahr
- 1946-50 Innenrenovierung, 1956/57 Instandsetzungsarbeiten an Türmen, Fassade und Apsis
- 1957 neue Orgel mit Freipfeifenprospekt
- 1978-82 vollständige Außen- und Innenrenovierung: u.a. Sanierung und Entfeuchtung des Dachstuhls und des Mauerwerks der Vorhalle, des Altarraums und der Emmauskapelle sowie Freilegung von Originalfassungen von Stuck
- 1997 neue Orgel mit Neorokoko-Prospekt
- 2000-17 nochmalige umfassende Sanierung: neuerliche Trockenlegung der Vorhalle samt Neugestaltung, Sanierung des Dachstuhls, Restaurierung der Fresken, der Raumschale und der Ausstattung (u.a. Entfernung der Marmorierung der vier Diagonalaltäre und Rekonstruktion der ursprünglichen Schlagmetallvergoldung), Neuanfertigung von Chorgestühl, Sedilien und Ambo, Neuverputzung und Anstrich der Fassade und Türme, Restaurierung der Kupferflächen der Turmhauben und Gesimsabdeckungen, Restaurierung der bronzenen Michaelsfigur sowie erhöhte Wiederaufstellung auf einem Sockel, Neugestaltung des VorplatzesDie Hofmark Berg südöstlich von München war seit 1650 im Besitz des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs Maximilian Heinrich von Bayern, eines Enkels von Herzog Wilhelm V. von Bayern. Die Wittelsbacher besaßen zwischen 1583 und 1761 den Kölner Erzbischofssitz und waren dabei auch politische Landesherren von Kurköln; üblicherweise ging dieses prestigeträchtige Amt, das auch die Kurwürde beinhaltete, an nachgeborene Wittelsbacher Prinzen. Joseph Clemens von Bayern, der Bruder des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel und von 1688 bis 1723 Erzbischof und Kurfürst von Köln, ließ 1692 in der Hofmark Berg die Josephsburg errichten. 1693 gründete er die Erzengel-Michael-Bruderschaft, als deren Sitz er die Kapelle der Josephsburg wählte. Nach starkem Zuwachs der Erzbruderschaft kam um 1720 die Idee eines Kirchenneubaus auf, der schließlich unter Joseph Clemens’ Nachfolger Clemens August, dem Bruder des bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht, verwirklicht wurde. Clemens Augusts Interesse an diesem Kirchenneubau war letztendlich aber gering, als eigentlicher Bauherr fungierte der Sekretär der Bruderschaft Franz de Paula Würnzl. St. Michael in Berg am Laim war zwar offiziell eine kurkölnische Kirche, wurde aber von Münchner Hofkünstlern geschaffen und ausgestattet, allen voran von Johann Michael Fischer (Architekt), Johann Baptist Zimmermann (Fresken und Stuck) und Johann Baptist Straub (Altäre), so dass die Kirche als genuine Münchner Kreation gelten kann. Seit 1913 ist Berg am Laim ein Stadtteil von München.
Zur Verständnis der topographischen Situation von St. Michael ist zunächst zu wissen, dass die Josephsburg bis Ende des 18.Jhs von einer Festungsanlage umgeben war, die Wening in einem Kupferstich um 1700 überliefert hat:
In die Mitte der Josephsburg sollte nun für die Erzbruderschaft eine neue standesgemäße Kirche gebaut werden. Da die Festungsanlage Ende des 18.Jhs abgetragen wurde und keine Ansichten der gebauten Michaelskirche inmitten der Festungsanlage überliefert sind, habe ich mich an einer Fotomontage versucht, um das Gesamtensemble zu visualisieren:
Nach der Schleifung der Festungsanlagen lag St. Michael mit dem Rest der Josephsburg etwas beziehungslos auf dem freien Feld, heutzutage wird sie von Bäumen umgeben und daneben etwas ungünstig von modernen Siedlungsanlagen bedrängt.
Die Doppelturmfassade wurde früh von der Bruderschaft vorgegeben, wahrscheinlich als Ausdruck des hohen Anspruchs des Kirchenbaus, womöglich auch um einen Bezug zur Theatinerkirche herzustellen. An der Fassade fallen mehrere Dinge auf, die für Johann Michael Fischer untypisch sind. Zunächst einmal sind die Türme im Vergleich zu seinen anderen Kirchen wie Ottobeuren, Zwiefalten, Dießen oder Altomünster sehr massig und gedrungen. Des Weiteren sind auf den Turmkanten diagonal vortretende Pilasterpfeiler angebracht, die bei Fischers sonstigen Kirchtürmen nicht auftreten: in Ottobeuren und Zwiefalten z.B. sind die Pilaster beidseitig neben den leicht abgeschrägten Kanten angebracht, womit die Geschlossenheit der Türme betont wird, während die diagonalen Pilasterpfeiler in Berg am Laim eher wie Strebepfeiler wirken. Woher kommt diese Idee? Kunsthistoriker Bernhard Schütz hierzu:
“Die engsten Vergleichsbeispiele finden sich in Österreich. So z.B. der Turm der Stiftskirche Dürnstein an der Donau, ein Werk voller nie gesehener Ideen, dessen oberstes Stockwerk nahezu die gleichen Kantenpfeiler wie Berg am Laim aufweist. In dieser Hinsicht vergleichbar ist auch der Turm der Stiftskirche Zwettl, ebenso der doppeltürmige Westbau der Wallfahrtskirche Lechovice (Lechwitz) bei Znaim in Mähren nahe der österreichischen Grenze. Alle diese Bauten werden mit dem Wiener Matthias Steinl in Verbindung gebracht.”
Vor allem aber fallen die schlanken Turmhelme auf, die nicht nur für das Schaffen J. M. Fischers ungewöhnlich sind, sondern auch für die gesamte altbayerische barocke Kirchenbautradition, in der die Zwiebelhauben das alles bestimmende Markenzeichen sind. Bernhard Schütz:
“In der Tat stehen sie deutlich in einer anderen Tradition, nämlich der österreichischen, begründet von Johann Bernhard Fischer von Erlach mit der Salzburger Dreifaltigkeits- und Kollegienkirche und fortgeführt von Johann Michael Prunner mit der Dreifaltigkeitskirche Stadl Paura bei Stift Lambach, dann wieder von Joseph Mungenast an den Türmen von Stift Melk, dort aber mit Zwiebelhauben, und am Turm von Stift Dürnstein. Die Turmaufsätze von Stadl Paura entsprechen so eng denen von Berg am Laim, dass diese wie eine Zweitfassung von Paura anmuten. Prunners dreitürmige Kirche, deren Invention wegen der aussagekräftigen Trinitätssymbolik spektakulär war, hatte der Augsburger Verleger Corvinus mit drei Stichen des Jeremias Wolff veröffentlicht. Die Türme von Berg am Laim lassen darauf schließen, dass zumindest die Stiche in München bekannt waren. Sich daran zu halten, war nur schwerlich die Idee von Fischer, sondern eher wohl ein Auftraggeberwunsch.”
Der Grund für diesen Auftraggeberwunsch dürfte wahrscheinlich nicht nur in einer ästhetischen Präferenz, sondern vor allem in einer symbolischen Bedeutung liegen: der Helm symbolisiert den streitbaren Erzengel Michael, zu dessen Rüstung der Helm gehört und mit welchem er auch auf dem Deckel der Kanzel von St. Michael zu sehen ist.Die letzte Auffälligkeit an der Fassade ist schließlich die doppelstöckige Ädikula: alle sonstigen anspruchsvollen Kirchenfassaden Fischers besitzen eine einstöckige Ädikula mit einem zweiten, meist geschweiften Giebel darüber, beides absolute Markenzeichen Fischers, siehe Ottobeuren, Zwiefalten oder Dießen. Eine zweistöckige Ädikula, noch dazu ohne zweiten Giebel, gibt es in Fischers gesamtem Schaffen nur hier in Berg am Laim.
Man kann also sagen, dass die Fassade von St. Michael nicht ein ausschließliches Werk Johann Michael Fischers ist, sondern sich in ihr verschiedene Einflüsse mischen. Tatsächlich gehen einige Grundeigenschaften der Fassade, neben der bereits angemerkten Vorgabe der Doppeltürmigkeit vonseiten der Bruderschaft, auf den Münchner Hofmaurermeister Philipp Jakob Köglsperger zurück, der es durch Intrigen geschafft hatte, 1738 J. M. Fischer aus der Bauleitung zu verdrängen und seine Stelle einzunehmen. Er änderte den von Fischer vorgelegten Fassadenplan, begann auch gleich zu bauen und damit für Tatsachen zu sorgen. Köglsperger war ein bayerischer Maurergeselle und späterer Baumeister, der auf seiner Wanderschaft u.a. im Bautrupp Kilian Ignaz Dientzenhofers in Prag gearbeitet hatte, von dort aber unehrenhaft unter Hinterlassung von Schulden verschwunden war und deshalb nicht in die Münchner Mauerzunft aufgenommen wurde. Er schaffte es allerdings, die Stelle des Münchner Hofmaurerpaliers zu bekommen, die schon sein Vater innegehabt hatte und war somit durch den kurfürstlichen Hof protegiert. In Berg am Laim legte er die Fundamente und begann mit dem Bau der Fassade samt Türmen; seine geplante Fassade ist durch einen Stich überliefert:Diese Fassadenansicht (Kupferstich von Schaur 1739/40), die sehr wahrscheinlich Köglspergers Planung zeigt, wirkt durch die wilden Vor- und Rücksprünge (das Eingangsportal liegt hinter der Basislinie der Türme, die Säulen der Ädikula stehen hingegen weit davor), die verschiedenen Fensterformate und die imitierten Steinschnitte sehr unruhig und gepresst und hätte für die lichte Öffnungsbreite des Hauptportals nur ca. 1,70m übrig gelassen. Überdies wären einige der Fenster nicht baubar gewesen, da sie von den Geschoßdecken der Vorhalle und vom Gewölbe der Orgelempore durchschnitten worden wären.
Köglsperger begann aber mit dem Bau und legte durch die Anlage der Türme deren Lage und Breite, durch die Höhe der Pilasterpfeiler an den Türmen die Höhe des Erdgeschoßes fest, außerdem begann er eine Fassade mit doppelstöckiger Ädikula zu errichten, wie sie auf dem oben gezeigten Stich zu sehen ist und wie einerseits aus der Bestellung des Bruderschaftsekretärs Würnzl über 8 Tuffsteinsäulen in Tegernsee hervorgeht (für eine einstöckige Ädikula mit Doppelsäulen hätte man nur vier Säulen gebraucht) und andererseits durch 2011 im Boden gefundene Fundamente bestätigt wurde. Fischer ließ nach seiner Wiedereinsetzung als Baumeister zwar die konkave Fassade abreißen und baute stattdessen eine konvexe, musste aber die begonnenen Türme, die Höhe des Erdgeschoßes und somit auch die Idee einer doppelstöckigen Ädikula übernehmen. Fischer konnte nur die eklatanten Schwächen des Köglspergerschen Fassadenentwurfs beseitigen und die Fassade “retten”, sie aber nicht mehr von Grund auf selbst gestalten; hieraus erklären sich also die deutlichen Unterschiede zu seinen sonstigen Kirchenfassaden.
Ein Grund für die doppelstöckige Ädikula mag auch gewesen sein, dass zum Zeitpunkt der Errichtung der Kirche die Josephsburg noch von der Festungsanlage umgeben war und somit eine einstöckige Ädikula in der Fernansicht durch die Festungsanlage auf halber Höhe abgeschnitten worden wäre. -
Nun zum Innenraum, der im Gegensatz zur Fassade auf Fischers alleinigen Plänen beruht. Um den komplizierten Aufbau zu verstehen, lesen wir wieder, was Bernhard Schütz über die Innenarchitektur von St. Michael geschrieben hat:
“Berg am Laim ist unter Fischers Zentralbauten der schwierigste, ideenreichste und mannigfaltigste. Mit höchster Inventionsbemühung suchte Fischer dem kurfürstlichen Anspruchsniveau gerecht zu werden. Die Aufgabe war eine dreifache: es musste Raum geschaffen werden für die Bruderschaft, für deren hoch vornehmen Vorstand und für das Sanktuarium mit dem Hochaltar. Diese Aufgabe bewältigte Fischer, indem er das Innere in drei scharf getrennte und gegensätzlich gestaltete Einzelräume unterteilte, diese aber im Raumbild prospektartig wieder zum Ganzen zusammenschloß.
Der baukünstlerisch und größenmäßig wichtigste Bauteil ist der Raum für die Bruderschaft. Zugrunde liegt hier wieder der Typus des Acht-Arkaden-Oktogons mit flachen Kreuzarmen auf der Querachse, doch ist das Oktogon in einmaliger Weise durch Wandkurvungen, Pfeilerausmuldungen und schwingende Gewölbebögen in eine Form gebracht, die mit den früheren und späteren Acht-Arkaden-Räumen kaum noch vergleichbar ist. (…) Prägemotiv des Unterbaus sind auf dem Achsenkreuz die Stützenpaare, bestehend aus einem Pilasterpfeiler und einer Säule, die beide durch Sockel und Gebälk zu einem zusammenhängenden Massiv verbunden werden. (…) Zu den Stützenpaaren gehört in der Wölbungszone untrennbar ein vorschwingendes, gemuldetes Gewölbefeld, das in der Art eines hochgeklappten Diadembogens die Stützenpaare zu einer raumbestimmenden Großarkade verbindet. Diese Arkade ist als vornehmes Würdemotiv, das zugleich von bestechender höfischer Eleganz ist, in Szene gesetzt und bleibt bis zuletzt das entscheidende Prägemotiv des Aufbaues und des ganzen Raums.
Gänzlich anders die Schrägseiten: im Unterbau bilden sie eine flach nach außen gebogene Wand, eine Tafel, die sich mit einer trennenden Nut von den frontal gestellten Stirnpilastern der Stützenpaare abhebt. Über dieser Tafel steht, getrennt durch ein Gebälk, eine senkrechte Fensterwand mit einer rechteckigen, etwas sperrigen Riesenöffnung, also ein Obergaden, der bereits in der Gewölbezone liegt.
So wird eine Stichkappe erforderlich, um das Fenster und sein Licht an den Raum anzuschließen. Diese Kappe hat in für den bayerischen Kirchenbau singulärer Weise die Form einer kleinen emporgehobenen Rotunde mit einem kreisrunden, flachen Plafond als Decke. Zum Raum öffnet sich die Rotunde mit einem weit vorschwingenden Stirnbogen. Dieses Gebilde, das auch wie eine ausgegrenzte “Abseite” im Gewölbe gelesen werden kann, erscheint im Raumzusammenhang als bekrönender Baldachin, als Tragehimmel für den darunter befindlichen Altar und, der Idee des Tragehimmels entsprechend, hängen an dem Stirnbogen Lambrequins, die eigentlich ein Stoffmotiv sind.
Die Diadembögen und die Stichkappenränder bilden zusammen einen alternierenden Kranz von Gewölbebögen aus. So bleiben die acht Arkaden immer noch das Generalthema des Aufbaues, auch wenn die Gewölbebögen der Schrägseiten nur mehr ein gratiger Rand ohne jedes Eigenprofil sind. Über dem Kranz der Bögen sitzt endlich als Abschluß die kreisrunde Kuppel mit Fußring. Die ganze Wölbkonstruktion ist, wie auch sonst recht häufig bei Fischer, in Holz ausgeführt.
Zum Bruderschaftsraum mit seinen Kurven und weichen Übergängen steht der östlich anschließende Raum in größtem Kontrast, so als gehöre er zu einer anderen Kirche. Auch diesem Raum, der im Grundriß ein ungleichseitiges Achteck bildet, liegt letztlich der Typus des Acht-Arkaden-Oktogons zugrunde, wie die acht Gewölbebögen zeigen, doch ist hier jetzt alles eckig und winklig. Das Prägemotiv ist eine geschlossene Säulentravée mit fürstlichen Logen auf den Schrägen. Die Seitenwände hingegen sind ungegliederte Füllung: sie sind wie feste Mauerblöcke hineingeschoben, eine Gestaltungsweise, die auf Viscardis Münchener Dreifaltigkeitskirche verweist. Die starre Unbeweglichkeit und vornehme Zurückhaltung, die diesen Raum kennzeichnen, lassen sich als Ausdruck der Zweckbestimmung für den höher gestellten Vorstand verstehen, so als herrsche hier der Zwang der Etikette. Der Kontrast zum Bruderschaftsraum ist sichtlich thematische Absicht.
Das Altarhaus schließlich über dem Grundriß eines unechten Ovals bleibt zurückhaltend; es ist das Gehäuse für den prachtvollen Hochaltar und sonst nichts. Hier wird das Motiv der Säule nochmals aufgenommen. Es faßt den Hochaltar ein und steigert ihn zu noch größerer Wirkung.
So gegensätzlich die Einzelräume auch sind: im Raumbild schließen sie sich ohne jeden Bruch, ohne Härte zum Ganzen zusammen, zu einem Prospekt, wie ihn nur Fischer beherrschte. Daß dies wie mit Selbstverständlichkeit geglückt ist, gehört zu seinen besten gestalterischen Leistungen. Was man von der Vorhalle aus sieht, ist zunächst die Weite des Oktogons mit den seitlich ausgebreiteten Altar- und Fensterläden, die von den Stützenpaaren fest eingefaßt sind. Dann bietet sich, inszeniert von der großen Diademarkade wie durch einen Proszeniumsbogen, eine in die Tiefe gestaffelte Parade von Säulen dar, die von höchster Würde ist und das Ganze wie ein raumhaltiges Bild zusammenzieht, in welchem der Hochaltar den Schlußakzent setzt. Die volle, sumptuose Inszenierung des Prospektes erscheint wie das kirchliche Gegenstück zur Prachtentfaltung bei Hofe.
Fischer hatte das hohe kurfürstliche Anspruchsniveau voll und ganz erfüllt. Der Erfolg blieb nicht aus. Fischer wurde aufgrund seiner Leistung in Berg am Laim bald zum kurkölnischen Hofbaumeister ernannt, ein Ehrentitel, den er in der Folge gerne führte.”Die höchst interessante Gewölbekonstruktion hat Architekt Franz Peter, der die letzte große Renovierung von St. Michael geleitet hat, wie folgt beschrieben:
“Die Kalotte mit relativ geringer Stichhöhe erhebt sich über einem Grundkreis, der in den Orthogonalen auf den diademförmig überhöhten Arkadenbögen, in den diagonalen Pendentifs aber auf dem Gebälk aufliegt. Fischer hat diese Partien zur besseren Belichtung mit zylinderförmigen Einschnitten in die Wölbflächen ausgehöhlt und hier große Fenster eingesetzt. Als Auflager des Gewölbes bleiben so nur acht schmale, räumlich gekurvte Restflächen übrig. Das Ganze stellt eine einmalige Lösung dar, die weder in ihrer formalen Eleganz noch in ihrer konstruktiven Kühnheit ein Pendant hat.
Dieses virtuose Gewölbe wäre in massiver Ziegelbauweise nicht zu bauen gewesen. Fischer hat es deswegen in Leichtbauweise aus Holz konstruiert. Es ist mit fast 15m Spannweite das größte freitragende Holzgewölbe in Süddeutschland und hinsichtlich des differenzierten Aufbaus in Bezug auf die großen Spannweiten als Höhepunkt barocker Holzgewölbetechnik im bayrisch-schwäbischen Raum anzusehen. (…)
Im Regelfall war diese Holzkonstruktion im Dachstuhl “aufgehängt”, bildete also mit diesem eine konstruktive Einheit. Nicht so bei Johann Michael Fischer. Seine Berg am Laimer Gewölbe sind selbsttragend. Vor allem die Kalotte des zusammengesetzten Gewölbes über dem großen Zentralraum ist ein Meisterwerk: es ist ein Tragwerk, dessen Meridiane von einem Grundkreis aus zu einem gemeinsamen Mittelpunkt aufsteigen. Von 64 Holzbogenträgern reichen nur 16 bis zum Gewölbescheitel. An diese primären Träger sind beiderseits die 32 benachbarten in etwa halber Höhe des Wölbprofils angeschiftet. Weitere 16 dazwischenliegende Bogenelemente führen vom Grundkreis bis zu einer 16-eckigen Auswechslung in etwa Zweidrittelhöhe. Die Kalotte der Berg am Laimer Hauptkuppel ist, das beweist auch der Kräfteverlauf in der Wölbschale, ein kühner Vorläufer moderner Holzflächentragwerke.
(Modell der Spantenkonstruktion der Kalotte; Rekonstruktion: Franz Peter, Modellbau: Reinhold Fischer)Während sich die Kalottenkonstruktion der Berg am Laimer Hauptkuppel noch relativ eindeutig darstellen lässt, ist dies für die Partien der Pendentifs mit den darin ausgehöhlten Einschnitten ein fast aussichtsloses Unterfangen. Diese komplexen Gebilde, deren Verschneidungsgrate und Restflächen äußerst komplizierte, doppelt gekrümmte Linien und Flächen höherer Ordnung ausbilden, lassen sich weder in den üblichen orthogonalen Plandarstellungen hinreichend erfassen und noch viel weniger mit Worten beschreiben. Sie belegen, über welches großartige räumliche Vorstellungsvermögen ihr Erfinder verfügt haben muss. Zu ihrer baulichen Realisierung bedurfte es sicher eines detaillierten Architekturmodells im verkleinerten Maßstab, das die ausführenden Zimmerleute dann vor Ort umsetzen konnten. In den Holzgewölben von St. Michael zeigt sich, dass Fischers konstruktive Fähigkeiten seinem räumlichen Vorstellungsvermögen ebenbürtig waren.”
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Einige Anmerkungen zur Ausstattung. Sie stammt hauptsächlich von zwei Münchner Hofkünstlern, der Stuck und die Fresken von Johann Baptist Zimmermann und die Altäre von Johann Baptist Straub.
Die Deckenfresken zeigen drei Erscheinungen des Erzengels Michael: im Hauptraum das Pfeilwunder am Monte Gargano, im Chor der Erzengel als Helfer der Sipontiner gegen das von Odoaker angeführte neapolitanische Heer und im Altarraum seine Erscheinung in der Höhle am Monte Gargano.Das Fresko im Hauptraum:
Das Fresko im Chor:
Das Fresko im Altarraum:
Die Altäre samt Figuren stammen alle aus der Werkstatt Johann Baptist Straubs, ihre Anfertigung zog sich über 20 Jahre hin; insgesamt handelt es sich um 7 Altäre, 22 lebensgroße Figuren, 44 Englein, 5 Kleinfiguren und 3 Reliefs. Die Aufstellung des Hauptaltars 1767 war, abgesehen vom Eingangsgitter, die letzte Baumaßnahme der Kirche, deren Bau fast 30 Jahre zuvor untypischerweise mit der Fassade begonnen hatte. Das Altarbild des Hochaltars verdient besondere Erwähnung: es stammt aus der alten Hofkapelle der Josephsburg und wurde 1694 von Johann Andreas Wolff gemalt; es stellt den siegreichen Erzengel Michael dar.Hauptaltar:
Dem aufmerksamen Betrachter meiner Münchner Kirchengalerie mag aufgefallen sein, dass die Kanzel in St. Michael in Berg am Laim verdächtig derjenigen in der Damenstiftkirche ähnelt: tatsächlich handelt es sich um eine Kopie der 10 Jahre älteren Kanzel in der Damenstiftkirche. 1745 war der Auftrag an den Münchner Kistler Benedikt Haßler ergangen, die neue Kanzel als Kopie der 1735 von Egid Quirin Asam geschaffenen Kanzel der Damenstiftkirche anzufertigen; aus welchen Gründen ist nicht überliefert. Der einzige große Unterschied besteht darin, dass in Berg am Laim der Erzengel Michael in Rüstung und mit bayerischer Fahne auf dem Schalldeckel postiert ist.
Das Zusammenspiel von Innenarchitektur und Ausstattung ist insgesamt von erstklassiger Qualität und gehört sicher zu den Spitzenleistungen im spätbarocken Kirchenbau in Süddeutschland. Eine Sache allerdings sticht etwas negativ heraus: die Marmorierung der Säulen und Pilaster. Sie ist nur aufgemalt und hat nicht den Glanz von echtem Marmor oder Stuckmarmor, der in hochrangigen Kirchen in Süddeutschland zur damaligen Zeit üblich war, siehe Ottobeuren, Wieskirche oder die Münchner Asamkirche. Die aufgemalte Marmorierung wurde 1745 angebracht, dem Jahr, in dem Fürstbischof Clemens August St. Michael zur Hof- und Ritterordenskirche erhob; es ist denkbar, dass die Marmorierung damals im Sinne einer provisorischen Festdekoration schnell aufgemalt wurde und man sie dann später aus Bequemlichkeit oder Kostenersparnis beließ. Die Farbtöne - rot-violett an den Säulen, malachitgrün an den Pilastern - sind von den Deckenfresken abgeleitet. Meiner subjektiven Meinung nach wirkt das Malachitgrün, das auch im Chorraum in den Gewölbenischen mit den Kirchenvätern auftaucht, etwas gewöhnungsbedürftig, auf jeden Fall ist es im altbayerischen Kirchenbau eine seltene und eigentümliche Farbe.
Wer sich eingehender mit St. Michael beschäftigen möchte, dem sei das hervorragende Buch "Sankt Michael und die Josephsburg – Kurkölnische Bauwerke in München-Berg am Laim", erschienen 2021 im Kunstverlag Josef Fink, ans Herz gelegt. Es beinhaltet neben ausführlichen historischen und kunsthistorischen Beiträgen von Christl Knauer-Nothaft und Bernhard Schütz auch einen hochinteressanten, vom leitenden Architekten Franz Peter geschriebenen Bericht über die letzte große Sanierung der Kirche zwischen 2000 und 2017. Äußerst lesenswert! -
Es folgen weitere Fotos des prächtigen Innenraums.
Der 1997 neugeschaffene Neorokoko-Orgelprospekt:
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Weitere Fotos von St. Michael in Berg am Laim hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720323287907 -
Leonhard, hat man eigentlich bei der Kanzel (einige Jahrzehnte?) ältere Figuren ´zweitverwendet´?
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Nicht dass ich wüsste; in der mir vorliegenden Literatur steht, dass die Figuren ebenso wie die Kanzel von Benedikt Haßler stammen und 1745 ff. entstanden sind. Die Wahl Haßlers anstelle des berühmteren J. B. Straub scheint aus Kostengründen erfolgt zu sein.
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Zitat
Die Turmaufsätze von Stadl Paura entsprechen so eng denen von Berg am Laim, dass diese wie eine Zweitfassung von Paura anmuten.
Den Kirchenführer der Paurakirche lese ich gerade fertig, solche Vergleiche wie auch zu Dürnstein sind immer ganz besonders interessant (eventuell gibt es zu der Paurakirche demnächst mal eine Galerie).
Im Inneren ist die Kirche St. Michael seit Ende der Renovierung wieder so richtig prächtig, eine Zeitlang hat ja immer wieder da und dort bei den Altären etwas gefehlt, eine Zeit war mal der Hochaltar eingerüstet usw.
Leider ist die Außenwirkung der Kirche stark eingeschränkt, z.T. entstellt bzw. verbaut, insbesondere von Osten durch dieses hässlich-gräuliche Alten- und Servicezentrum, ansonsten weitgehend durch Bäume, vor allem von Westen und Süden. Und die Sicht auf die Kirche von Norden, im übrigen der einzige Zugang zur Kirche über eine Stichstraße, ist ebenfalls ein wenig durch unpassende Wohngebäude entwertet.
Vielleicht stelle ich noch weitere Aufnahmen zu St. Michael in Berg am Laim und dem Umfeld der Kirche ein (habe ich eigentlich auch schon seit 2006 mal vorgehabt, wie bei einigen weiteren Kirchen), wenn dann aber in die Galerie München-Ost. -