Ebenfalls im Zuge der Säkularisation abgebrochen wurde die Franziskanerkirche samt Kloster.
Franziskanerkirche (Patrozinium nicht überliefert)
Heute Max-Joseph-Platz
Erbaut 1284-1297
Abgebrochen 1802/03
Typus: ursprünglich flachgedeckte, dreischiffige gotische Basilika mit achtjochigem Langhaus und gewölbtem, einschiffigem und vierjochigem Chor mit 5/8-Schluss
(Kupferstich von Wening 1701)
Baugeschichte:
- Baubeginn ab 1282 (Kloster) bzw. 1284 (Kirche) auf der Fläche des heutigen Max-Joseph-Platzes; das dort neu entstehende Franziskanerkloster samt Kirche dient als Ersatz für den vorherigen Sitz der Franziskaner in St. Jakob am Anger, welches den Klarissen überlassen wird. Der Umzug geschieht auf Wunsch Herzog Ludwigs des Strengen, der die Franziskaner als geistliche Betreuung in der Nähe seiner Residenz am Alten Hof haben möchte und der auch den Hauptteil der Finanzierung übernimmt. Weihe 1297.
- Nach zwei Bränden (1311 und vor allem 1327, dem großen Stadtbrand), bei denen Teile der Kirche und fast das gesamte Klostergebäude vernichtet worden waren, werden bis 1392 Kirche und Kloster wiederaufgebaut, der Chor der Kirche neu eingewölbt und das Langhaus wieder mit einer Holzbalken-Flachdecke versehen, wie sie auch vor dem Brand schon bestanden hatte und wie sie durch das franziskanische Wölbungsverbot vorgeschrieben war. Dieses für Langhäuser, aber nicht für Chöre geltende Wölbungsverbot war 1260 durch den Franziskanerorden erlassen worden und war dem gewünschten Armutsideal des Bettelordens geschuldet. Neuerliche Kirchenweihe nach dem Wiederaufbau 1375.
- Vom 13. bis zum 17. Jh Errichtung von mehreren Kapellen um die Franziskanerkirche herum, welche größtenteils als Grablege für hochrangige Familien dienen: Agneskapelle (wahrscheinlich schon existent vor dem Bau der Franziskanerkirche), Antoniuskapelle (1. Hälfte 14. Jh), Alte Kreuzkapelle (2. Hälfte 14. Jh), Ludwigkapelle (2. Hälfte 14. Jh), Magdalenenkapelle, Sebastiankapelle, Leonhardkapelle, Bernhardkapelle (Mitte 15. Jh), Annakapelle (1557), Neue Kreuzkapelle (auch Schwarzenbergkapelle genannt, letztes Viertel 16. Jh), Kurzkapelle (1655/56). Ludwigkapelle, Bernhardkapelle, Sebastiankapelle und Leonhardkapelle werden bereits im Mittelalter wieder abgebrochen.
- 1611/12 tiefgreifende Umgestaltung: das Äußere wird dadurch verändert, dass die Seitenschiffe mit dem Mittelschiff unter einem mächtigen Satteldach vereinigt werden und somit die wahrscheinlich als altertümlich empfundene basilikale Baustruktur verborgen werden soll; durch diese Verlängerung des Daches vom Langhaus-Obergaden zu den Traufen der Abseiten ergibt sich der Eindruck einer Hallenkirche. Außerdem wird das vorher sichtbare Ziegelmauerwerk verputzt. Das Innere bekommt eine Renaissance-Ausstattung: statt der Holzbalken-Flachdecke werden Gewölbe eingezogen und die (ohnehin sparsamen) gotischen Zierformen im Renaissance-Stil verdeckt. 1618-20 wird auch die Sockelzone des Chors zeitgemäß umgestaltet.
- Im Laufe des 17. und 18. Jhs werden zahlreiche Instandhaltungsmaßnahmen (überwiegend Dachreparaturen) notwendig, die allesamt zu Lasten der kurfürstlichen Verwaltung gehen, welche dafür schließlich nicht mehr aufkommen möchte.
- 1802 kommt im Zuge der Säkularisation das Aufhebungsdekret für das Kloster, im selben Jahr - direkt vom Kurfürsten - auch die Anweisung zum Abbruch des gesamten Gebäudekomplexes. Diese Eile erklärt sich wahrscheinlich aus den vielen Kosten, die vor allem der marode Dachstuhl der Kirche verursacht hatte. Die geweihten Ausstattungsstücke sollen an einen würdigen Ort verbracht, die Grabdenkmäler den Familien zurückgegeben oder, falls keine Nachfahren mehr existieren, in den allgemeinen Friedhöfen aufgestellt werden; der Rest wird versteigert, wobei man die Dinge hauptsächlich unter ihrem materiellen und weniger unter ihrem kulturellen Wert betrachtet. Auch die Altäre, darunter der Hochaltar von 1492 von Jan Polack sowie zwei Altäre von Hans Krumpper, werden nur nach ihrem Materialwert gehandelt. Ein Teil der Bibliothek wird der Hofbibliothek überlassen, der Rest ebenfalls versteigert, die Archivalien gehen in Staatsbesitz über. Wenn von all den künstlerischen Kostbarkeiten von Kirche und Kloster doch einige Dinge die Zeiten überdauert haben (z.B. hier, hier und hier), so ist dies nur dem Zufall geschuldet. Gegen diese Verschleuderung von wertvollem Kunstgut werden zwar auch Stimmen laut, u.a. von der Akademie der Wissenschaften, nur leider ohne Erfolg.
Im November 1803 ist die gesamte Fläche von Kloster und Kirche bereits eingeebnet und ein großer neuer Platz entstanden: der spätere Max-Joseph-Platz.
Die Franziskaner kamen bereits vor 1257 nach München und genossen die besondere Gunst der Wittelsbacher. Bevor sie 1284 ihr neues Kloster in der Nähe des Alten Hofes bezogen, hatten sie ihre erste Niederlassung in St. Jakob am Anger.
Im 14 .Jh wurde das Münchner Franziskanerkloster zu einem europaweit beachteten geistigen Zentrum im Streit um das Armutsideal in der Kirche, nachdem mehrere hochrangige Franziskaner (Michael von Cesena, Wilhelm von Ockham und Bonagratia von Bergamo) vor Papst Johannes XXII., der die Armutsthese als häretisch verurteilt hatte, nach München geflohen waren und von dort aus gemeinsam mit Kaiser Ludwig dem Bayern gegen den Papst agitierten. Alle drei Franziskaner blieben für den Rest ihres Lebens in München und fanden in der Franziskanerkirche ihre letzte Ruhestätte.
Zur baulichen Einordnung der Franziskanerkirche schreibt Wilhelm Kücker (1963): "Die Ahnenreihe der Franziskanerkirche führt jedenfalls (…) vom Freisinger Dom (1159-1205) über das Moosburger Kastulusmünster (1170/80-1230), die Klosterkirchen Indersdorf (nach 1260) und Fürstenfeld (1266 begonnen) bis zur Franziskanerkirche in Ingolstadt (Langhaus 1275 begonnen) als unmittelbarem Vorläufer. Die Ähnlichkeit mit dem Ingolstädter Bau war besonders auffällig, wie auch die Anlage beider Klöster im ganzen einen Vergleich herausfordert. Zeitlich annähernd parallel mit der Franziskanerkirche entstanden in München der gotische Bau von St. Peter und die Augustinerkirche, deren Verwandtschaft und Zugehörigkeit zu dieser Schule ebenfalls nicht zu übersehen sind."
Auch wenn die Franziskanerkirche auf den Darstellungen eher klein und fast wie eine Scheune aussieht, so hatte sie doch beträchtliche Ausmaße: die Gesamtlänge der Kirche betrug 74,40 m, die Lichtbreite des Langhauses 24,60 m, die Firsthöhe 34 m, die Traufhöhe des Chors (die der ursprünglichen Trauflinie des Obergadens vor dem Umbau entsprach) in etwa 24 m und die Traufhöhe der Seitenschiffe 11,50 m.
Die Franziskanerkirche in einer Radierung von Domenico Quaglio um 1800, rechts angeschnitten das Palais Törring:
(https://stadtgeschichte-muenchen.de/bilder/d_bilder.php?id=4560)
In der obigen Darstellung ist der Giebel laut Wilhelm Kücker zu flach gezeichnet, in Wahrheit soll er um einiges steiler gewesen sein, in etwa so wie in folgendem Kupferstich von Ferdinand Schießl (um 1800 nach einer Zeichnung von Giovanni Maria Quaglio):
Legende zu obigem Bild:
a: Kurzkapelle
b: Eingang zur Klosterpforte
c: Nische mit ausgegrabenen Schädeln
d: Hauptportal der Kirche
e: ein Brot- und Wachskerzenladen
f: Annakapelle
g: Antoniuskapelle
h: Schwarzenbergkapelle
i: Nischen mit Grabmälern
Auf Wikipedia ist noch folgendes Gemälde mit der Franziskanerkirche zu finden, allerdings ohne Angaben zum Maler:
(Wikimedia Commons, GNU Free Documentation License)
Es scheinen keine brauchbaren Innenansichten der Kirche zu existieren, aber es gibt zwei Radierungen von Ferdinand Schießl nach Zeichnungen von Domenico Quaglio vom Abbruch der Kirche 1802, die interessante Einblicke ermöglichen.
Ansicht von Südwesten durch die schon teilweise abgerissene rechte Seitenschiff- und Hochwandmauer in das Innere:
Blick aus Westsüdwest in den Vorchor mit dem noch unzerstörten Gewölbe, dargestellt ist die Situation nach dem Einsturz des Dachreiters (dessen Abbruch nicht ganz planmäßig verlaufen war und bei dessen Einsturz drei Arbeiter verunglückten, die aber wie durch ein Wunder mit dem Leben davonkamen):
Ein rekonstruierender Längsschnitt der Kirche von Wilhelm Kücker:
Und zu guter Letzt ebenfalls von Wilhelm Kücker ein sehr interessanter Lageplan des Klosters und der Kirche in Bezug auf den heutigen Max-Joseph-Platz, bei dem erstaunt, wie nahe die Kirche an das südlich angrenzende Palais Törring anschloss (die Kirche befindet sich rechts vom Schriftzug "Friedhof"):
Wie auf dem Plan ersichtlich, schloss sich nördlich an das Franziskanerkloster noch das Ridlerkloster an, das in mehreren Etappen zwischen 1783 und 1803 abgebrochen wurde und auf dessen Terrain später der Königsbau der Residenz errichtet wurde (weitere Informationen zum Ridlerkloster hier).