Geschichte der Stadt Regensburg

  • Im Jahr 2006 wurde "Regensburg mit Stadtamhof" als UNESCO-Welterbe anerkannt - eine ausführliche Begründung findet sich hier, direkt auf der Website der UNESCO.

    Auch wenn Stadtamhof seit 1924 "nur" noch ein Stadtteil von Regensburg ist, so wurde es aufgrund seiner jahrhundertelangen Unabhängigkeit als Markt und später Stadt separat aufgeführt, sicherlich auch aufgrund des deutlich unterschiedlichen Charakters - schließlich ist Regensburg in der Altstadt überwiegend noch von seiner Glanzzeit aus dem 11. bis 13. Jahrhundert geprägt, während sich das sehr viel kleinere Stadtamhof nach mehrmaligen Zerstörungen überwiegend im Stil des 19. Jahrhunderts präsentiert.

    Zunächst ein kurzer Überblick über die Geschichte von Regensburg und Stadtamhof.

    Im Bereich des heutigen Regensburg befand sich ursprünglich eine keltische Siedlung, später kamen die Römer, zuerst vorübergehend im Bereich des heutigen Kumpfmühl, später, ab dem Jahr 179 direkt im Bereich der heutigen Altstadt, mit einem Legionslager und zivilen Siedlern (Castra Regina), sowie einem kleineren Außenposten ganz im Westen, beim heutigen Prüfening.

    Hier entstand bereits der Name "Regensburg", nämlich "Burg am Fluß Regen", die heutige französische/italienische Bezeichnung "Ratisbonne/Ratisbona" geht noch auf den keltischen Namen zurück, gebildet aus "ratis" und "bona", also "Befestigungswall" und "Stadtgründung".

    Ab dem Jahr 500 mußte diese Siedlung aufgegeben werden, Regensburg wurde dann fast 300 Jahre lang zum Hauptsitz der Agilolfinger, Karl der Große hielt sich 791-793 anläßlich der Eingliederung des Stammesherzogtums Baiern in das Fränkische Reich in Regensburg auf, das Bistum Regensburg war schon rund 100 Jahre zuvor als eines der ältesten Bistümer gegründet worden.

    Damit wurde bereits der Grundstein gelegt für die spätere politische Entwicklung, die zu einer selbst für die damalige Zeit verworrenen Machtsituation führte, mit den Hauptakteuren Kaiser, bayerischer Herzog und Bischof, später noch ergänzt um das aufstrebende Bürgertum.

    Welchen Status hatte nun Regensburg genau?

    Heute ist häufig von "Freien Reichsstädten" die Rede, wobei der Begriff in den meisten Fällen falsch ist. Entstanden ist diese Zusammenziehung aus der gemeinsamen Vertretung der Freien Städte und der Reichsstädte im Städtekollegium des Reichstags, tatsächlich handelte es sich um zwei unterschiedliche Konstrukte.

    Reichsstädte waren direkt dem Kaiser unterstellt, mußten ihm direkt Steuern zahlen und bei Bedarf Truppenkontingente bereitstellen, sie waren "reichsunmittelbar" und nicht den lokalen Landesfürsten unterstellt. Nach innen hin hatten sie viele Kompetenzen und Freiheitsrechte bis hin zur eigenen Gerichtsbarkeit.

    Freie Städte - der Begriff kam erst nachträglich auf, außerdem gab es damals natürlich keine standardisierten Verwaltungsabläufe wie heute - waren hingegen Städte, in denen Bürger oder Zünfte eine so starke Stellung erreicht hatten, daß sie ihrem lokalen Herrscher eine weitgehende Autonomie und Selbstverwaltung abtrotzen konnten. Sie mußten keine Steuern direkt an den Kaiser zahlen und außer bei Kreuzzügen auch keine Truppen stellen.

    In der Praxis gelang diese Emanzipation dauerhaft nur bei Bischöfen, die einerseits ihr Amt nicht vererben konnten und andererseits bestimmte Rechte als weltliche Herren nur mittelbar über Vögte ausüben konnten, z. B. die Blutgerichtsbarkeit, und daher delegieren mußten.

    Generell war es zwar auch möglich, sich solche Rechte gegenüber "normalen" Herrschern zu ertrotzen oder einfach zu kaufen, wirklich Bestand hatte dieser Status aber nur gegenüber Bischöfen und Kaisern, die ja ihr Amt nicht vererben konnten.

    In Regensburg war die Situation besonders kompliziert, weil es eben gleich 4 Akteure gab, die sich zeitweise verbündeten. Um die komplexe Entstehungsgeschichte stark zu verkürzen:

    Der Bischof hatte in weltlicher Hinsicht eine relativ schwache Position, es gelang ihm auch nie, ein wirklich nennenswertes Gebiet unter seine Kontrolle zu bringen, ganz im Gegensatz zu Passau. Es entstand zwar ein Hochstift, das bestand aber nur aus kleineren Gebieten wie Wörth oder Donaustauf und erstreckte sich aufgrund der starken Stellung des Kaisers nicht einmal auf die gesamten kirchlichen Einrichtungen in Regensburg:

    Die Stifte Obermünster und Untermünster sowie das Kloster Sankt Emmeram unterstanden dem Kaiser (neben Reichsklöstern und Reichsstiften gab es noch alle möglichen anderen reichsunmittebaren Strukturen, von Dörfern bis hin zu einem "Reichstal" im Schwarzwald).

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  • Im 11. Jahrhundert kam Regensburg durch den Handel zu einem beträchtlichen Reichtum, es entstanden mächtige Patrizierfamilien, die in der Blütezeit Regensburgs nicht nur repräsentative Gebäude errichten ließen, sondern auch andere Wirtschaftszweige wie die Handwerker klein hielten und auch nach politischer Macht strebten.

    Zugute kam ihnen dabei, daß es mit Kaiser, Bischof und Herzog gleich drei Akteure gab, wobei der Kaiser* nur mittelbar über einen Burggrafen, der von ihm 970 eingesetzt wurde, Einfluß nahm (es gab auch noch einen Gaugrafen, der die höhere Gerichtsbarkeit übernahm).

    Es bildeten sich nun Parallelstrukturen heraus:

    1. Der Bischof erlangte einen eigenen kleinen "Immunitätsbezirk", bestehend aus dem (unvollendeten) Dom und dem Bischofshof gleich nördlich davon, auch standen ihm neben kirchlichen Einrichtungen eigene Gerichte zu.

    2. Der bayerische Herzog hatte seinen Herzogshof und den Alten Kornmarkt gleich daneben zur Verfügung, hielt dort auch Landtage ab, hatte aber sonst anfänglich keine großen Rechte ... bis der Kaiser einige Rechte an ihn abtrat, so das Zoll-, Münz- und Marktrecht.

    Noch weiter gestärkt wurde die Rolle des Herzogs, als die eingesetzten Burggrafen (das Amt wurde von den Grafen von Riedenburg ausgeübt) Ende des 12. Jahrhunderts ausstarben, und die bayerischen Herzöge dieses Amt an sich nehmen konnten.

    Plötzlich verfügten sie über eine ganze Reihe von Rechte, konnten zusätzlich kleinere Zölle erheben und in eingeschränktem Umfang Recht sprechen - allerdings nicht in ihrer Funktion als Herzog, sondern im Namen des Kaisers, als Burggraf (wobei der Herzög dieses Recht wiederum an einen Schultheißen delegierte, den Namensgeber für das Schultheißgericht).

    Im Jahr 1205 einigten sich nun Herzog und Bischof darauf, ihre Rechte gemeinsam auszuüben: Münz-, Geleits-, Jurisdiktions- und Besteuerungsrecht sowie Landfriedensbestimmungen.

    3. Parallel dazu, um die Sache noch weiter zu komplizieren, griff im 13. Jahrhundert auch mehrfach der Kaiser direkt ein:

    Im Jahr 1207 bestätigte König Philipp der Stadt Regensburg die bislang durch die Kaiser verliehenen Rechte und verlieh noch weitere Rechte an die Bürger, zusammengefaßt wird dies als "Philippinum", aus heutiger Sicht begann damals der Status von Regensburg als "Freier Stadt" (obwohl der Bischof ja gar nicht das uneingeschränkte weltliche Oberhaupt war und seine Rechte gemeinsam mit dem Herzog ausübte - daher kann diese Bezeichnung hinterfragt werden).

    Und im Jahr 1230 wurde durch Kaiser Friedrich II nicht nur die obige Regelung bestätigt, mit dem sogenannten "Fridericianum" wurde sie noch ausgebaut, einen weiteren entscheidenden Schritt machte Regensburg indes 1245, als die Regensburger Bürger erreichten, dass Kaiser Friedrich II. der Stadt das Recht der Selbstverwaltung mit dem Privileg, „einen Bürgermeister und Rat zu setzen“, erteilte.

    Wichtig ist indes, daß der Kaiser ja kein absolutistischer Herrscher war, der in alle vorhandenen Strukturen hineinregieren konnte, sondern seine Rechte dort endeten, wo die Herrschaft von Bischof und Herzog begannen.

    Daher gab es jetzt nicht weniger als 4 Akteure, wobei sich das Gewicht deutlich in Richtung der Bürger (genauer gesagt der Oberschicht) verschoben hatte.

    Damit entwickelte sich Regensburg im Laufe des 13. Jahrhunderts zuerst zu einer Freien Stadt und schließlich auch noch zu einer Reichsstadt, einer Freien Reichsstadt, ein Status, der eher selten war (spontan fällt mir noch Speyer ein). Wobei diese Bezeichnung zwar durchaus kritisch zu sehen ist (siehe oben), aber offiziell geführt wurde (meist in der alten Schreibung als Freye Reichsstadt).

    Wobei "frei" in späteren Jahren, als der Kaiser direkt in die Stadt hineinregierte, wirklich nur auf die Stellung des Bischofs Bezug nahm, und nicht etwa besondere Freiheitsrechte des Regensburger "Durchschnittsbewohners" implizierte.

    Auf diese Entwicklung in Richtung Autonomie mußte nun auch der bayerische Herzog reagieren, zumal es 1255 zur ersten großen Landesteilung in Ober- und Niederbayern kam und der Herzog aufgrund eigener Schwäche der Unabhängigkeit Regensburg nicht mehr viel entgegensetzen konnte.

    Daher verließ er Regensburg im Jahr 1259 und zog nach Landshut, behielt aber formell seine Rechte wie Münzregal, Begleitrecht und Gerichtsbefugnisse, übte diese aber nicht mehr aus, sondern "vermietete" oder verpfändete die Rechte an die Stadt Regensburg bzw. deren Patrizier.

    In ihrer ersten Blütezeit hatte Regensburg also ein hohes Maß an Selbständigkeit und Autonomie erreicht, gleichzeitig war die Stadt aber nicht wirklich "frei":

    • Der Bischof behielt sein eigenes kleines Territorium in der Stadt und seine Infrastruktur wie Schulen oder Gerichte, aber natürlich auch Kirchen.
    • Der Herzog behielt ebenfalls ein kleines Territorium inkl. "Regierungssitz" und verpfändete seine Rechte nur.
    • Der Kaiser erwartete Steuerzahlungen und verfügte gleich über 3 geistliche reichsunmittelbare Strukturen.

    Der größte Konflikt ergab sich indes mit dem Herzog, der stets versuchte, Regensburg zu benachteiligen, um es sich schließlich wieder einverleiben zu können, natürlich idealerweise in Abstimmung mit Bischof und Kaiser.

    Zuerst sollte jedoch eine Blütephase der Stadt kommen, die auch heute noch ihr Erscheinungsbild prägt.

    *streng genommen müßte in der damaligen Zeit noch zwischen König und Kaiser unterschieden werden, der König wurde in Deutschland gewählt und danach in Rom vom Papst zum Kaiser gewählt, das konnte im Einzelfall viele Jahre dauern, ich setze den gewählten König mit dem Kaiser der Einfachheit halber gleich

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  • Nachdem nun unsere "Versuchsanordnung" fertig ist und alle Akteure präsentiert wurden, folgt nun ein kurzer Parforceritt durch die Regensburger Stadtgeschichte bis zur Gegenwart.

    Dabei geht es nicht um Personen (die kommen noch später bei den Rundgängen), sondern eher um einzelne Phasen, die ja auch architekturrelevant sind.

    Generell gibt es zwei bedeutende Epochen, nämlich die Epoche der Freien Reichsstadt vom 13. Jahrhundert bis Ende des 18. Jahrhunderts, nach der Regensburg eine "ganz normale" bayerische Stadt wurde, heute sogar Hauptstadt der Oberpfalz, obwohl Regensburg historisch nicht zur Oberpfalz gehörte ... und für mich weiterhin Amberg die wahre Hauptstadt der Oberpfalz ist ...

    Tatsächlich gibt es noch mehr zu erwähnen:

    1. Die Blütezeit Regensburgs von ungefähr 1100 bis 1300:

    Das war die Glanzzeit Regensburgs, die Patrizierfamilien erzielten hohe Gewinne mit dem Handel, errichteten repräsentative Bauten inkl. Geschlechtertürmen, wie sie nördlich der Alpen nirgendwo mehr existieren, wohl nach italienischem Vorbild.

    In diese Zeit fallen Baubeginn der Steinernen Brücke, des Doms St. Peter und der Stadtbefestigung, nur die Steinerne Brücke wurde indes fertig, der Dom wurde ähnlich wie der Kölner Dom erst Mitte des 19. Jahrhunderts fertig, die Stadtbefestigung war ein "Dauerprojekt".

    Regensburg ist heute noch in großen Teilen von dieser Glanzzeit architektonisch geprägt und war damals mit 20.000 Einwohnern (manche Quellen sprechen von 30.000) nach Köln mit 40.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Deutschland.

    Die künftigen Probleme wurden indes auch schon heraufbeschworen, die Monokultur mit Schwerpunkt auf dem Handel, das Kleinhalten der Zünfte und Handwerker, die nicht vorhandene Mitbestimmung der breiten Bevölkerung ...

    2. Der Niedergang bis zur Pleite Ende des 15. Jahrhunderts:

    Die Handelswege verlagerten sich, auch die bayerischen Herzöge bemühten sich nach Kräften, Regensburg zu schwächen. So wurde auch Stadtamhof, nördlich der Donau gelegen, durch die Herzöge gefördert, es erhielt auch eine zeitweilige Steuerbefreiung, um Befestigungsanlagen errichten zu können.

    Dadurch sanken die Einnahmen der Stadt, die durch die Pest geschwächt wurde und zudem hohe Ausgaben für die Stadtbefestigung aufbringen mußte. Es kam zu gewalttätigen Konflikten mit Zünften und Handwerkern, die sich nicht repräsentiert fühlten, der Kaiser unterstützte einen Patrizier (Friedrich Auer) zur Destabilisierung des politischen Systems, der dann aber gestürzt wurde und künftig als "Raubritter" die Handelswege der Regensburger Patrizier überfiel.

    Zudem versuchte Kaiser Ludwig IV aus dem Hause Wittelsbach, Regensburg zu erobern, später verwüstete Albrecht I. von Bayern die Regensburger Weinberge und belagerte die Stadt, wenn auch erfolglos, zumal Regensburg zwischenzeitlich dem Schwäbischen Städtebund beigetreten war, um sich gemeinsam mit anderen Reichsstädten gegen Übergriffe zu verteidigen.

    Indes führten die Hussitenkriege zu einem weiteren Niedergang des Handels, die Eroberung Konstantinopels ebenso, Regensburg galt fortan gegenüber dem Reich als unzuverlässiger Zahler von Steuern und der Kaiser mußte 1483 sogar mit der Reichsacht drohen, um den Regensburger Beitrag für die Türkenkriege zu erhalten. Regensburg war in einem Schrumpfungprozeß begriffen, die Einwohnerzahl hatte sich fast halbiert, und viele ehemals reiche Händler verließen die Stadt.

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  • 3. Regensburg als Teil Bayerns 1486 bis 1492

    In dieser Situation trat der bayerische Herzog wieder in Erscheinung, das war damals Albrecht IV (später herrschte er ja nach dem Landshuter Erbfolgekrieg ab 1505 über ganz Bayern und beendete die Landesteilungen mit dem Primogeniturgesetz).

    Allerdings nicht als Eroberer, sondern als "Wohltäter": Er nahm nicht nur das seit 1408 verpfändete Stadtamhof zurück, sondern auch seine verpfändeten Rechte als Burggraf (siehe oben), zahlte dafür hohe Summen und Regensburg wurde wieder zahlungsfähig.

    Der Preis hierfür war natürlich, daß Regensburg seine Sonderrechte verlor, der Herzog übernahm nach einem prachtvollen Einzug im Jahr 1486 wieder die Kontrolle über Regensburg, nachdem der Rat der Stadt ein Jahr zuvor dem Beitritt zu Bayern zugestimmt hatte.

    Eine "bedeutende" Epoche war dies indes nicht und wurde daher auch oben nicht genannt - bereits 1492 war das bayerische Intermezzo nämlich schon wieder beendet.

    Der Grund hierfür bestand darin, daß der Kaiser mit dem Übergang Regensburgs an Bayern nicht einverstanden war und sowohl gegen Regensburg als auch gegen den bayerischen Herzog eine Reichsacht verhängte.

    Unterstützt wurde der Kaiser dabei vom oben genannten Schwäbischen Städtebund, der diesen Forderungen auch militärischen Nachdruck verlieh.

    Und so endete die bayerische Zeit schon nach 6 Jahren - viel erreichen konnte der Herzog natürlich nicht. Immerhin wurde ein neuer Salzstadel errichtet, der Amberger Stadel westlich des Brücktors (nicht zu verwechseln mit dem großen städtischen Salzstadel auf der anderen Seite des Tors von 1620). Erhalten ist dieser Stadel nicht mehr, die Stadt Regensburg schüttete später den kleinen Umgehungskanal um das Brücktor zu und ließ ein größeres Gebäude errichten, heute nach einem Großumbau im Jahr 1903 ein Geschäfts- und Wohnhaus (bzw. inzwischen Studentenwohnheim).

    5. Regensburg als "Freie" Reichsstadt bis Anfang des 19. Jahrhunderts

    Regensburg wurde im Anschluß daran wieder reichsunmittelbar, das "frei" habe ich in Anführungszeichen gesetzt, auch wenn die Stadt offensichtlich weiterhin offiziell den Titel "Freie Reichsstadt" führte (z. B. auf einem historischen Stadtplan gesehen), war sie nun nicht mehr autonom oder gar "frei" im allgemeinsprachlichen Sinne.

    Im Gegenteil: Um die vorhandene probayerische Stimmung in der Stadt zu unterdrücken, wurden ab 1499 Reichshauptmänner eingesetzt, die im Auftrag des Kaisers hart durchgriffen und auch vor zahlreichen Todesurteilen (siehe z. B. die Enthauptung von Dombaumeister Wolfang Roritzer und Hinrichtung von rund 100 anderer Aufständischer) und sonstigen Unterdrückungsmaßnahmen nicht zurückschreckten.

    Auch erhielt Regensburg anstelle der vorherigen Verfassung eine kaiserliche "Regimentsordnung", die formal bis 1803 in Kraft blieb.

    Gleichzeitig wurde auch das Verhältnis zu Bayern geklärt:

    Der bayerische Herzog verlor seine Rechte als Burggraf mitsamt Einkünften, er durfte dafür Stadtamhof zur Stadt ernennen und befestigen (Fun Fact: Als Wappen wählte er fast dasselbe Wappen wie Regensburg, allerdings mit 3 statt 2 gekreuzten Schlüsseln). Außerdem wurden die Grenzen endgültig festgelegt, Regensburg behielt die beiden Donauinseln und einen kleinen Streifen südlich der Stadt, Stadtamhof wurde befestigt und auf der Steinernen Brücke wurden Tore errichtet.

    In der ersten Jahreshälfte 1519, als Kaiser Maximilian verstorben und sein Nachfolger noch nicht gewählt war, entledigte sich Regensburg seiner großen jüdischen Gemeinde, die zuvor unter dem Schutz des Kaisers stand. Im Gegensatz zu anderen Städten wie Straßburg wurden sie immerhin nicht verbrannt, sondern mußten die Stadt innerhalb weniger Tage verlassen.

    Das jüdische Viertel wurde abgerissen, inklusive der Synagoge. Das erklärt auch das Vorhandensein eines großen Platzes im sonst so dicht bebauten Regensburg - der Neupfarrplatz entstand, aus Geldgründen wurde aber lediglich der Bau einer katholischen Kirche auf dem Areal der früheren Synagoge in die Wege geleitet.

    Als ein Baumeister beim Abriß der Synagoge in die Tiefe stürzte und sich kaum verletzte, wurde dies als Marienwunder gewertet, die Kirchenbaustelle wurde zum Ort einer zeitweise sehr lukrativen Wallfahrt, nach deren Ende indes auch der Kirchenbau eingestellt wurde - errichtet wurde eine Maria gewidmete Kapelle, die später abgerissen wurde:

    Regensburg hatte später mit Dom und Neupfarrkirche in unmittelbarer Nähe zueinander zwei unvollendete Kirchen, die eher von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Stadt als von einer stolzen Reichsstadt kündeten.

    Nun noch einige Anmerkungen zu anderen wichtigen Ereignisse und Personen in dieser langen Zeitspanne.

    5.1 Regensburg und die Religion

    Im 16. Jahrhundert erhielt in Regensburg der Protestantismus immer mehr Zulauf, wobei Regensburg angesichts eines katholischen Umfelds recht vorsichtig agieren mußte, mit Kaiser, Bischof und Bayern war es ja fast immer von katholischen Gebieten umgeben (eine Ausnahme gab es, das unmittelbar nördlich von Regensburg gelegene Oberland von Pfalz-Neuburg war bis 1613 protestantisch). Immerhin - "unauffällige" protestantische Hausfeiern wurden geduldet, auch in der Oberschicht breitete sich der Protestantismus weiter aus.

    Erst als der Kaiser 1541 den Städten die Wahl der protestantischen Religion erlaubte, wurde Regensburg aber tatsächlich "rein protestantisch", später wurde sogar die Erlangung der Bürgerwürde an die "richtige" Religion, nämlich den Protestantismus gekoppelt.

    Bedeutet dies nun, daß Regensburg wirklich eine rein protestantische Stadt wurde?

    Nein, natürlich nicht, protestantisch wurde nur die Reichsstadt, der katholische Bischof blieb natürlich weiterhin im Amt, die katholischen Kirchen blieben allesamt erhalten, der Bischof betrieb auch weiterhin seine katholischen Einrichtungen inkl. Jesuitenkolleg, es wurden keinerlei katholische Besitztümer enteignet oder eingezogen. Mit dem Bischof wurde auch später ein entsprechender Vertrag geschlossen.

    Auch die drei reichsunmittelbaren religiösen Einrichtungen, das Kloster St. Emmeram und die beiden Stifte Ober- und Niedermünster blieben natürlich katholisch.

    Da die meisten Einwohner der Reichsstadt sowieso kein Bürgerrecht hatten, das hatte nur die Oberschicht, änderte sich effektiv kaum etwas. Regensburg agierte weiterhin sehr vorsichtig und kam wohl auch deshalb relativ glimpflich durch den Dreißigjährigen Krieg.

    Entsprechend ist die Anzahl der protestantischen Kirchen auch sehr überschaubar, die Stadt übernahm selbst die Leitung der protestantischen Kirche und stellte den Gläubigen anfangs zwei ehemaligen Stiftskirchen zur Verfügung, St. Ignaz und St. Oswald.

    Später einigte sich die Stadt mit der katholischen Kirche über die Übernahme des geplanten großen Kirchenneubaus auf dem Neupfarrplatz und versuchte sich am Kirchenbau, nach allerhand Sparmaßnahmen (Holz- statt Steinaltar) wurde der Bau allerdings relativ schnell eingestellt und erst 1860, also fast gleichzeitig mit dem Dom, erfolgte die Fertigstellung.

    Als Glaubensflüchtlinge aus Salzburg eintrafen (Exulanten), war wieder etwas Geld vorhanden, und man ging den Bau der Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit an, der heutigen Dreieinigkeitskirche gleich östlich der Neupfarrkirche. Der Bau kam gut voran, wurde aber bei der Besetzung Regensburgs durch bayerische Truppen im Dreißigjährigen Krieg (siehe Kämpfe um Regensburg) eingestellt, so daß der Südteil nicht fertig wurde, der zweite Turm ist heute noch unvollendet.

    Somit war Regensburg eine protestantische Stadt mit nur einer einzigen halbwegs großen und mehr oder weniger fertiggestellten Kirche, was darauf schließen läßt, daß es immer einen großen katholischen Bevölkerungsanteil gab - durch Zuzug aus dem Umland wurde Regensburg erst um das Jahr 1850 herum überwiegend katholisch.

    In der langen Zeitspanne bis zum Ende der Reichsstadt gab es viele Einrichtungen doppelt, einmal von der Stadt betrieben und einmal vom Bischof, bis hin zu Bildungseinrichtungen (protestantisches städtisches Gymnasium) und Krankenhäusern, eine kostspielige und ineffiziente Doppelstruktur, die schließlich auch zum endgültigen Bankrott Regensburgs Ende des 18. Jahrhunderts beitrug.

    Zuvor erlebte Regensburg aber noch einen kulturellen Aufstieg und glänzte auch politisch wieder (auch wenn es sich eher um eine "Scheinblüte" handelte), als Standort des immerwährenden Reichstags, der im nächsten Beitrag kurz angesprochen werden soll.

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  • 5.2 Regensburg und der immerwährende Reichstag

    Was war der Reichstag? Es war kein Parlament, sondern eine unregelmäßig und an verschiedenen Orten zusammentreffende Versammlung der Reichsstände, also von weltlichen und geistlichen Herrschern, Ritterorden sowie von Freien Städten und von Reichsstädten (die gemeinsam eine "Fraktion" der Freien und Reichsstädte bildeten, woraus dann der meist falsche Begriff der "Freien Reichsstadt" entstand, wie schon am Anfang erwähnt).

    Regensburg war schon ab 1567 fast immer Gastgeber gewesen, der Reichstag löste sich nach der Bekanntgabe der Beschlüsse ("Reichsabschied") dann nach einigen Wochen oder Monaten wieder auf und trat bei Bedarf wieder zusammen.

    Ohne daß es vorher geplant worden wäre, entwickelte sich der Reichstag 1663 zu einer Endlosveranstaltung, die erst 1806 mit dem "Hauptschluß der außerordentlichen Reichsdeputation" ihr Ende fand. Man traf sich am Grünen Tisch, um dort Dinge auf die lange Bank zu schieben ... Redenswendungen, die wir dieser Dauerveranstaltung verdanken, die ziemlich ineffizient agierte.

    Abgehalten wurden die Versammlungen im Alten Rathaus in Regensburg, im sogenannten Reichssaal. Zumindest fast immer, die Pest bedingte im 18. Jahrhundert zeitweise den Umzug nach Augsburg und der Österreichische Erfolgekrieg die Auslagerung nach Frankfurt.

    Das Wesen des Reichstags änderte sich dadurch, es wurden keine "Reichsabschiede" mehr verkündet, sondern "Reichsschlüsse" verabschiedet. Auch nahmen Kaiser und die verschiedenen Herrscher nicht mehr persönlich teil (außer zu besonderen Ereignissen), sondern entsandten Vertreter: die sogenannten "Gesandten".

    Die Gesandten sind der Namensgeber von Gesandtenstraße und protestanischem Gesandtenfriedhof, denn sie wohnten dauerhaft in Regensburg und wurden teilweise auch dort begraben, der Gesandtenfriedhof befindet sich hinter der Dreieinigkeitskirche (die katholischen Gesandten fanden ihre letzte Ruhe häufig im Kloster Sankt Emmeram).

    Damit kehrte wieder Glanz nach Regensburg zurück, auch wurde prachtvollen Empfänge und Feste veranstaltet, auch das geistige Leben profitierte vom Austausch, da hier ganz verschiedene Mentalitäten und Auffassungen aufeinandertrafen..

    Finanziell ging es mit der Stadt aber weiter bergab, denn die Steuerbasis war sehr klein, da die Gesandten an die Stadt keine Steuern zahlen mußten. Entsprechend war die Veranstaltung beim einfachen Durchschnittsbürger auch nicht unbedingt beliebt.

    Übrigens ließ sich auch der Kaiser vertreten, und zwar von einem wechselnden Prinzipalkommissar, ab 1741 stets von einem Vertreter des Hauses Thurn und Taxis ausgeübt.

    OT Die verwickelte Geschichte des ursprünglich lombardischen Rittergeschlechts der "Tasso" (italienisch für Dachs, daher auch der Dachs im Wappen), wird in der Wikipedia schön beschrieben.

    Sie wurden von Kaiser Maximilian I mit dem Aufbau des Postwesens betraut und betrieben später die Kaiserliche Reichspost und hatten ihren Sitz in Brüssel, Frankfurt (ja, daher das dortige Palais, das zumindest äußerlich wieder errichtet wurde) und schließlich Regensburg, aufgrund des immerwährenden Reichstags und ihrer Funktion als Prinzipalkommissar.

    Um in den Hochadel aufgenommen zu werden, erfanden sie die Abstammung von einem angeblichen italienischen Adelsgeschlecht, den Torriani (von Torre = Turm) und fügten ihrem Wappen einen Turm hinzu.

    Damit kamen sie überraschenderweise durch und hießen dann im Original "della Torre e Tassi", im französischen Sprachraum dann "de la Tour et Tassis" und in Deutschland nach einigen Abwandlungen schließlich "von Thurn und Taxis".

    Sehr viel später, 1812, zur bayerischen Zeit, erhielten sie als Entschädigung für das verlorene "Postregal" (das Recht zur Postbeförderung) in Bayern das Kloster St. Emmeram (inkl. Brauerei), das sie dann zu ihrem Schloß umbauten - Ende des 19. Jahrhunderts. Die Preußen übernahmen das Postwesen übrigens ohne Entschädigung ... allerdings wohnte die Familie ja auch in Bayern.

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  • 5.3 Auf dem Weg in den Bankrott und Ende der Unabhängigkeit

    Angesichts des sehr eingeschränkten Stadtgebiets, der kaum vorhandenen Handwerker und Produktionseinrichtungen, der dauerhaft verlagerten Handelswege, der Aktionen Bayerns, die die Lebensfähigkeit Regensburgs untergraben sollten, und nicht zuletzt aufgrund der sehr eingeschränkten Anzahl an Steuerbürgern geriet Regensburg in eine beträchtliche finanzielle Schieflage.

    Verschärft wurde die Lage noch durch extreme Wetterphänomene im Anschluß an den großen Vulkanausbruch des Laki 1783/84 in Island, die Eis, Hochwasser, aber auch Gewitter und schwefelhaltige Niederschläge mit sich brachten, die Steinerne Brücke ebenso wie viele Bauwerke beschädigten.

    Auch politisch wurde es ungemütlicher, der Geheime Rat (die Stadtregierung) wurde von den Bürgern erfolgreich vor dem Reichshofrat wegen Mißwirtschaft verklagt, der Kaiser griff ein und rettete Regensburg durch ein Schuldenmoratorium, bei dem allerdings die städtischen Gläubiger geschädigt wurden. Und natürlich spielten auch die Koalitionskriege eine große Rolle beim Ruin Regensburgs.

    Trotz Moratorium war Regensburg aber dennoch zahlungsunfähig, 1793 belief sich der Schuldenstand auf 1,5 Mio. Gulden, das jährliche Steueraufkommen lag bei rund 70.000 Gulden, von denen die Hälfte für Zinsen aufgewandt werden mußte. Regensburg, schon lange als unzuverlässiger Zahler bekannt, konnte keine Schulden mehr bedienen.

    Entsprechend schlecht war der Bauzustand vieler Gebäude, aber auch Bildungs- und Gesundheitswesen mit besonders niedriger Lebenserwartung ließen viel zu wünschen übrig, ein Drittel der Regensburger starb schon im Kindesalter. Hunger war verbreitet, was sich auch auf das "Bevölkerungswachstum" auswirkte - 1798 hatte Regensburg ziemlich exakt genauso viele Einwohner wie zu Glanzzeiten, nämlich 20.000. Das erklärt auch, warum die Stadt keine großen Veränderungen mehr durchmachte, abgesehen vom fehlenden Platz für eine Erweiterung, da weiterhin die Grenzen mit Bayern gültig waren.

    Wahrscheinlich war diese ausweglose wirtschaftliche und finanzielle Situation auch der Hauptgrund, weshalb Regensburg mit seinen bisherigen Strukturen, die unabänderlich schienen, sich so schnell und ohne Widerstände den Neuregelungen fügte.

    Interessanterweise kam es aber nicht zur naheliegendsten Variante, nämlich der Übergabe an Bayern, sondern zur Gründung eines eigenen Fürstentums, das sich nach gewissen Anlaufschwierigkeiten erst 1805 konstituierte und bereits 1810 nach der Schlacht bei Regensburg 1809 wieder aufgelöst wurde.

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  • 4. Regensburg als Fürstentum

    Fast so ähnlich wie bei Eichstätt kam Regensburg nicht sofort an Bayern, sondern wurde zu einer "Versorgungslösung" in Form eines Fürstentums umfunktioniert.

    Nachdem Napoleon die herrschende Ordnung erschüttert hatte, änderten sich auch in Deutschland jahrhundertelange und schier unumstößliche Regelungen innerhalb kürzester Zeit, und der immerwährende Reichstag traf 1803 einen letzten Grundsatzbeschluß, den sogenannten Hauptschluß, erlassen von der außerordentlichen Reichsdeputation (einer Art von reichsständischem Ausschuß), heute nicht ganz korrekt als "Reichsdeputationshauptschluß" bezeichnet.

    Wichtig für Regensburg war in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die bereits im Frieden von Lunéville 1801 getroffenen Vereinbarungen umgesetzt werden sollten, nämlich die Entschädigung der Reichsfürsten für die an Frankreich verlorenen linksrheinischen Gebiete (Frankreich sah den Rhein als "natürliche" Grenze an, Italien hingegen die Wasserscheide in den Alpen ... natürlich völliger Nonsens) auf rechtsrheinischer Seite.

    Zwar waren diese Verluste nicht von Dauer, entschädigt wurde aber trotzdem schon einmal - und da man keine neuen Kriege heraufbeschwören wollte und niemand freiwillig etwas abgeben wollte, wurden hierfür kirchliche und reichsunmittelbare Gebiete bzw. Einrichtungen herangezogen: es kam zur Säkularisierung und Mediatisierung und dies betraf 2 Kurfürstentümer, 9 Hochstifte, 44 Reichsabteien und 45 Reichsstädte.

    Plötzlich waren die Parallelstrukturen überwunden, die Stifte und die Fürstabtei gehörten ebenso zum neuen Fürstentum wie das Hochstift mit Ländereien nördlich der Donau und die Areale von Bischofshof und Herzogshof.

    An der Spitze stand der in Mannheim geborene Karl Theodor von Dalberg, Reichsfreiherr und Bischof, der offensichtlich einen sehr guten Draht zu Napoleon hatte und als einziger geistlicher Fürst die Rechte eines weltlichen Herrschers behielt.

    Zudem war er in den Wirren des untergehenden Reichs noch Kurfürst von Mainz, kurzfristig Kurbischof von Konstanz, zudem ab 1803 regierender Fürst im Fürstentum Aschaffenburg und schließlich als Fürstprimas der vorsitzende Fürst der Rheinbundstaaten ... und ab 1802 in Regensburg ansässig mit Residenz gleich am nicht fertiggestellten Dom, in der früheren umgebauten Dompropstei.

    Aufgrund von Konflikten mit Bayern trat er sein Amt erst 1805 an und mußte es 1810 schon wieder aufgeben, bekam dafür aber die Fürstentümer Fulda und Hanau und wurde auch noch Großherzog von Frankfurt, kurzum, es ging ähnlich dynamisch zu wie heute auf dem Trainerstuhl der Münchner Fußballvereine :smile: (nach dem Ende Napoleons indes verlor er auch dieses Amt und lebte ab 1814 bis zu seinem Tod 1817 wieder in Regensburg).

    Dennoch erkannte er als umfassend gebildeter Intellektueller, woran es in Regensburg mangelte, und analysierte auch die prekäre soziale Situation richtig, die sich durch den Abzug der Gesandten nach dem Ende des immerwährenden Reichstags noch verschärfte (durch ein Entgegenkommen konnte er immerhin den Verbleib der Familie Thurn und Taxis erreichen).

    Er errichtete im Bischofshof ein Landesdirektorium (gewissermaßen eine Regierung), in dem sowohl Vertreter der Kirche bzw. der Stifte als auch der früheren Stadtverwaltung, des Magistrats vertreten waren.

    Und stieß danach mit dieser neuen Regierungsstruktur eine Reihe von Reformen an:

    • eine neue Verfassung mit Religionsfreiheit wurde erarbeitet
    • das Bürgerrecht wurde auch an Katholiken vergeben
    • Gesundheits- und Bildungswesen wurden verbessert, die Schulpflicht eingeführt
    • die Wissenschaft wurde gefördert
    • Straßen und Gebäude wurden erstmals systematisch erfaßt
    • Polizeiwesen und Feuerordnung wurden verbessert
    • ein Tilgungsplan für die Schulden wurde aufgestellt, der auch nach dem Übergang an Bayern weiter eingehalten wurde

    Außerdem führte er eine Armenspeisung ein und griff auch auf Mittel aus dem Domschatz zu, um die Armen oder durch Kriegswirren Geschädigten zu unterstützen. Warum seine an sich positive Bilanz dennoch nicht zu einem längeren Fortbestand des Fürstentums führte, soll im folgenden angesprochen werden.

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  • 5. Vom Fürstentum zur bayerischen Provinzstadt

    Dalberg kam durch Napoleon ins Amt und verlor es letztlich auch wieder durch Napoleon. Im Jahr 1809 begann Österreich den fünften Koalitionskrieg gegen Frankreich und marschierte zu diesem Zweck in Bayern ein.

    Man hielt die Situation für günstig, da ein Großteil der französischen Truppen in Spanien gebunden war - außerdem waren die österreichischen Finanzen ziemlich zerrüttet, so daß man nicht mehr länger warten wollte.

    Napoleon kehrte indes sehr schnell aus Spanien zurück und führte seine Truppen, die mindestens zur Hälfte aus Rheinbundstaaten bestanden, sehr schnell und dynamisch, während der österreichische Vormarsch ziemlich zersplittert und "bürokratisch" langsam erfolgte.

    Im Rahmen dieses Krieges kam es zu einigen Schlachten bei Regensburg, die am letzten Tag auch Stadtamhof und Regensburg selbst betrafen - siehe Schlacht bei Regensburg

    Stadtamhof wurde von österreichischer Artillerie, die auf den Winzerer Höhen platziert war, weitgehend zerstört, die österreichischen Truppen konnten dadurch weitgehend über die Donau nach Süden fliehen.

    Regensburg wurde nun im Südosten massiv beschossen, wohl überwiegend durch bayerische Artillerie. Indes war Regensburg nur ein eher zufälliger Nebenkriegsschauplatz des Kriegs gegen Österreich und nicht das Ziel der Operation, denn Regensburg war ja ebenso wie Bayern mit Napoleon verbündet.

    Tatsächlich waren die Schäden im Regensburger Süden beträchtlich, die Stadt wurde von Frankreich eingenommen und von Napoleon zur Plünderung freigegeben.

    Die Wiederaufbauplanung lief schnell an, Dalberg schlug sogar vor, die neue zentrale Straße nach Napoleon zu benennen, war aber nicht zuletzt aufgrund der Plünderungen nicht mehr zu halten - sein Amt als Erzbischof behielt er aber bis zu seinem Tod 1817 und fiel auch politisch weich, u. a. als Großherzog von Frankfurt, wie oben schon beschrieben.

    Allein schon aufgrund der schlechten Finanzlage endete 1810 die Unabhängigkeit Regensburgs, Regensburg wurde zur Hauptstadt des Regenkreises (statt Straubing), auch wenn es noch bis 1818 dauerte, bis sich die Verwaltung vor Ort so weit konsolidiert hatte, daß der erste Bürgermeister seine Tätigkeit aufnehmen konnte.

    1838 wurde als neue Verwaltungseinheit der Kreis "Regensburg und Oberpfalz" gegründet, mit Regensburg als Hauptstadt, heute nur noch "Oberpfalz" genannt, obwohl ja Regensburg mit der Oberpfalz ähnlich wenig zu tun hatte wie Pfalz-Neuburg mit Schwaben - hier wurde der Kreis folgerichtig als "Schwaben und Neuburg" bezeichnet.

    6. Regensburg als bayerische Provinzstadt

    Die bayerischen Herzoge hatten ja großes Interesse an Regensburg gehabt, die bayerischen Könige, die ja von den Pfälzer Wittelsbacher gestellt wurden, interessierten sich nicht besonders für Regensburg (und anfänglich auch nicht für Bayern, das Hauptziel war die Rückgewinnung der Kurpfalz), was sich auch darin äußert, daß sie ihre eigens errichtete Königliche Villa an der Donau praktisch nie nutzten oder auch nur besuchten.

    Wirklich genutzt wurde sie nur 1866 im Deutschen Krieg, als König Johann von Sachsen mitsamt Familie vorübergehend dorthin flüchtete, Bayern und Sachsen standen in diesem Krieg ja auf der Seite des Deutschen Bundes unter der Führung Österreichs (es war also kein Krieg Deutschland gegen Österreich, wie man vielleicht meinen könnte, sondern zwischen dem Deutschen Bund und Preußen).

    Regensburg wurde im 19. Jahrhundert umfassend modernisiert, die Versäumnisse vieler Jahrzehnte der Armut mußten nachgeholt werden. Es erhielt eine Kanalisation (die selbst vor dem Ersten Weltkrieg nur zu zwei Dritteln fertig war), die Befestigungsanlagen wurden entfernt, 1859 wurde Regensburg an das Bahnnetz angeschlossen, der erste Bahnhof recht schnell durch einen neuen und größeren ersetzt, der im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört wurde.

    Relativ spät erhielt Regensburg auch ein erstes Elektrizitätswerk, nämlich 1899, die Straßenbahn entstand, der Gesundheitszustand der Bevölkerung wurde auch durch eine neue Wasserversorgung deutlich verbessert.

    Zu einer wirklich dynamischen Wirtschaftsentwicklung kam es in Regensburg aber nicht, auch die Bevölkerungszahl erhöhte sich nur langsam: bei der Amtsübernahme des ersten Bürgermeisters 1818 hatte Regensburg nur noch 19.000 Einwohner, am Vorabend des Ersten Weltkriegs nur rund 50.000.

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  • 6. Erscheinungsbild Regensburgs bis 1914

    Das hatte natürlich auch Auswirkungen auf das Aussehen der Stadt - während vielerorts die Altstadt flächenmäßig sehr klein war und mit Abrissen weitgehend umgestaltet wurde (so in Dresden) und die Gründerzeitviertel deutlich überwogen, behielt Regensburg sein Aussehen aus der Glanzzeit vom 11. bis 13. Jahrhundert weitgehend bei.

    Daher an dieser Stelle ein kurzer Überblick:

    Regensburg blieb in weiten Teilen eine Stadt der Romanik und Gotik, ergänzt mit sehr wenig Renaissance (Bischofshof) und ein wenig Barock, wie z. B. Palais Löschenkohl.

    Dalberg hatte zwar große Pläne mit einer weitgehenden Umgestaltung der kompletten Innenstadt nach französischem Vorbild und engagierte sogar einen Architekten, nämlich Emanuel Herigoyen, gebaut wurden aufgrund der kurzen Regierungszeit aber nur einzelne Bauwerke, vor allem im Westen und Südwesten Regensburgs - indes sehr prägende Bauwerke, zu nennen sind hier:

    • direkt am heutigen Bismarckplatz das Stadttheater (erst durch das Theater von 1804 entstand der Platz, der zuvor nahtlos in den heutigen Arnulfsplatz überging)
    • am selben Platz das Präsidialpalais
    • das Dörnbergpalais im gleichnamigen Park ein wenig südwestlich davon
    • und durch einen Komplettumbau zweier älterer Häuser das Thon-Dittmer-Palais am Haidplatz

    Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts tat sich verglichen mit anderen Städten nicht übermäßig viel, das größte Einzelprojekt war sicherlich der Umbau des Klosters Sankt Emmeram durch die Familie Thurn und Taxis zu einer gigantischen Schloßanlage mit eigenen Straßen, der bis Anfang des 20. Jahrhunderts dauerte (obwohl das Schloß deutlich älter wirkt).

    Das größte "Flächenprojekt" war die Neugestaltung des 1809 zerstörten Südostens von Regensburg, die neu gestaltete Straße in Nord-Süd-Richtung wurde natürlich nicht nach Napoleon benannt, sondern nach König Maximilian.

    Die Straße war untypisch für Regensburg kerzengerade und breit und wurde im Süden mit überraschend kleinen klassizistischen Bauten gestaltet, weiter im Norden kamen auch größere Gebäude, z. B. im Jugendstil, die noch erhalten sind.

    Der südliche Abschnitt wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, hier stehen jetzt Hochhäuser, das erhaltene Luxushotel Maximilian gleich daneben sollte abgerissen werden, um ein großes City Center aus Beton zu errichten, dazu kam es glücklicherweise nicht mehr ...

    Außerdem wurden für den Bau der Straßenbahn einige Straßen etwas verbreitert, der Abriß des Brücktors konnte dank eines Entwurfs von Adolf Schmetzer verhindert werden, die Bahn fuhr durch ein neu gebautes Tor und über eine V-förmig verbreiterte Brücke.

    Hier zwei Übersichten:

    regensburgheute.jpg

    1. der Standort der Königlichen Villa, daneben beginnt mit dem Ostentor die Altstadt
    2. Domplatz und Alter Kornmarkt, dazu gibt es noch eine zweite Übersicht
    3. ein wenig Gründerzeit nördlich der früheren Stadtbefestigungen, überwiegend geschlossene Bebauung
    4. und südlich davon rund um die Luitpoldstraße noch ein Gründerzeitviertel mit aufgelockerter und leider nicht komplett erhaltener Bebauung (da habe ich mal 1 Jahr lang gewohnt)
    5. der Schloßpark, durch die Maximilianstraße wird der "Parkring" nach Osten hin unterbrochen
    6. rechts neben der 6 ist das Schloß Thurn und Taxis
    7. der angesprochene Dörnbergpark mit dem Palais, um den Park herum gibt es Villen und südlich davon auch Gründerzeitbauten wie das Amtsgericht, am westlichen Rand mit dem Rosarium nicht nur einen Rosengarten, sondern auch ein faszinierendes kleines Restaurant im Schweizerstil mit Freigelände inmitten von Rosen (und nochmals südlich davon mit dem Georgenhof ein bemerkenswert häßliches Neubauviertel)

    Und noch ein kurzer Blick auf die Innenstadt:

    regensburgost.jpg

    1 zeigt den Domplatz und 2 den Alten Kornmarkt, dazwischen lag ja der Herzogshof der Wittelsbacher, die auch den Alten Kornmarkt beanspruchten - laut einer Anekdote ließen sie im 18. Jahrhundert durch Regensburg neu gepflanzte Bäume ausgraben, um dann eigene Bäume am selben Ort wieder einzupflanzen ... und weniger amüsant bei der Besetzung Regensburgs im Dreißigjährigen Krieg dort auch Hinrichtungen ausführen

    Hier gab es die größten Umgestaltungen, der Regensburger Domfreiheitsverein kaufte Gebäude südlich des Doms auf Abbruch, erst durch den Bau der neuen Dompost 1895 entstand der heutige Domplatz anstelle der Domstraße, verloren gingen Salzburger Hof, Dompfarrhof und Alte Post (der häufig umgebaute und umgenutzte Herzogshof wurde später bis auf einen kleinen und komplett umgestalteten Teil auch abgerissen).

    3 zeigt die Maximilianstraße, südlich der 3 gibt es östlich drei unschöne Neubauten

    4 markiert den Standort des erhaltenen Hotels Maximilian

    5 kennzeichnet eine weitere große Nord-Süd-Verbindung in Regensburg, die zum Standort des Museums der Bayerischen Geschichte führt und offensichtlich das Lieblings-Abrißareal der Regensburger ist, von der NS-Zeit bis in die Nachkriegszeit (Parkhaus) wurde da eifrig abgerissen und eine für Regensburger Verhältnisse unschöne Straße geschaffen

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  • 7. Entwicklung von Regensburg bis 1945

    Regensburg überstand den Ersten Weltkrieg zumindest architektonisch unbeschadet, die Bevölkerungszahl wuchs 1924 schlagartig, als nicht nur Stadtamhof, sondern auch eine ganze Reihe von weiteren neuen Stadtteilen nördlich der Donau hinzukamen, die früher im Bezirksamt Stadtamhof lagen (ab 1939 wurde die reichsweit einheitliche Bezeichnung "Landkreis" anstelle von "Bezirksamt" eingeführt, die "Kreise" von damals entsprechen heute den "Regierungsbezirken), unter anderem Steinweg (gleich nördlich von Stadtamhof), Winzer, aber auch Reinhausen ... erstmals lag Regensburg am Regen.

    Das Bezirksamt wurde dann bis 1929 aufgelöst und verlor durch die Eingemeindungen rund 15.000 von 45.000 Einwohnern.

    Skurril: Kloster Prüll südlich von Regensburg und gleich neben der heutigen Uni gelegen, gehörte auch zum Bezirk Stadtamhof, wurde aber schon 1904 an Regensburg übergeben.

    Im Dritten Reich entstanden neben zwei großen neuen Wohnsiedlungen (Schottenheimsiedlung und Göring-Heim-Siedlung) auch Industrieansiedlungen wie ein Zweigwerk der Bayerischen Flugzeugwerke im Westen (hierfür wurden auch neue Stadtteile im Westen eingemeindet, wie Großprüfening), außerdem wurde die Adolf-Hitler-Brücke, die heutige Nibelungenbrücke, gebaut.

    Zum Glück blieb die Altstadt von größeren Umbaumaßnahmen verschont, es war zwar geplant, einen Durchbruch in Ost-West-Richtung vorzunehmen, der einen Abriß des Hauses am Heuport zur Folge gehabt hätte, und einen Nord-Süd-Durchbruch entlang der heutigen D.-Martin-Luther-Straße Platz für den Bau einer weiteren Brücke auszuführen, beides kam jedoch nicht.

    Größte Umgestaltung war die Purifizierung der oben angesprochenen Post am Domplatz, die ihren Fassadenschmuck (leider) verlor, außerdem war der endgültige Abriß des Herzogshofs geplant. Dies konnte jedoch durch Denkmalpfleger Walter Boll verhindert werden, es kam nur zu einem Teilabriß und einer phantasievollen Neugestaltung des verbliebenen Rests, von Boll als "schönster Gemeinschaftsraum Regensburgs" konzipiert und dadurch gerettet.

    Analog ging er beim Haus am Heuport vor, das er zu "Regensburgs schönstem Kaffeehaus" umgestaltete und mit einer Phantasie-Fensterreihe im gotischen Stil versah.

    Ansonsten wurde wieder etwas im Osten der Altstadt umgestaltet bzw. abgerissen, am heutigen Dachauer Platz (damals Moltkeplatz) entstand das eher unauffällige Neue Rathaus, immerhin wesentlich gelungener als das monströse Nachkriegs-Parkhaus schräg gegenüber.

    Im Großen und Ganzen behielt Regensburg also sein Erscheinungsbild bei. Komplett abkoppeln konnte sich Regensburg indes nicht, von 1943 bis 1945 war es Ziel von Bombenangriffen.

    Neben dem Hafen und den Bahnanlagen (schließlich liefen in Regensburg mehrere Strecken zusammen, es gab auch einen größeren Güterbahnhof) wurde insbesondere das zwischenzeitlich in Messerschmitt-Werk umbenannte Flugzeugwerk 1943 angegriffen und stark zerstört:

    Obwohl man bestens im Bilde war über den kurz zuvor ausgeführten Luftangriff auf die Wiener Neustädter Flugzeugwerke, in denen ebenfalls Messerschmitt-Flugzeuge* gebaut wurden, wurde den Mitarbeitern das Verlassen des Werksgeländes untersagt, was zu hohen Opferzahlen bei den Werksangehörigen führte. Die Produktion lief aber weiter, auch wurde noch ein zusätzliches Werk in Obertraubling gebaut. Messerschmitt war übrigens damals das mit Abstand größte Unternehmen, das es bis zu diesem Zeitpunkt in Regensburg jemals gab.

    Immerhin wurde Regensburg selbst bei diesem Angriff kaum beschädigt, im Gegensatz zum fast komplett zerstörten Wiener Neustadt.

    Insgesamt gab es 16 Luftangriffe auf Regensburg, die wichtigsten waren:

    • 17. August 1943: erster Luftangriff auf Regensburg, Schwerpunkt Messerschmitt-Werke
    • 22. Februar 1944 und 20. Oktober 1944: US-Luftangriff mit Schwerpunkt Reichsbahn und Ölhafen
    • 13. März 1945: zweitstärkster US-Luftangriff auf Regensburg nach dem 17. August 1943, zur Vorbereitung der Einnahme Regensburgs

    Regensburg "profitierte" davon, daß ausschließlich die US-Armee (United States Army Air Forces, genauer gesagt die Luftflotten 8 und 15) die Bombenangriffe flog und über eine deutlich präzisere Zielerfassung verfügte als die Engländer, so daß versehentliche flächendeckende Abwürfe außerhalb der militärischen Ziele vermieden werden konnten.

    Auch hatten die USA lediglich militärische Ziele bzw. die Infrastruktur zur Bombardierung vorgesehen, insbesondere auch den Ölhafen im Osten, der für den Umschlag von Öl aus Rumänien unverzichtbar war. Hingegen planten die Briten unter dem Codenamen "Goldfish" auch einen Angriff auf die Altstadt, der aber nie umgesetzt wurde, es gab lediglich einen einzigen größeren britischen Angriff, allerdings auf die Infrastruktur.

    Vor der geplanten Einnahme erfolgte auch noch amerikanischer Artilleriebeschuß, allerdings wurde Regensburg nicht in Straßenkämpfen eingenommen, sondern unter nicht ganz geklärten Umständen an die Amerikaner übergeben.

    War unmittelbar vor Kriegsende noch eine Gruppe um Domprediger Dr. Johann Maier wegen "Wehrkraftzersetzung" öffentlich hingerichtet worden, die sich für eine friedliche Übergabe einsetzte, wurde kurz darauf Regensburg tatsächlich von deutschen Truppen geräumt und an die 3. US-Armee übergeben.

    Maßgeblich wohl unter Einfluß des ranghöchsten verbliebenen Offiziers, des gebürtigen Österreichers Major Matzke, in Abstimmung mit dem NS-Bürgermeister Otto Schottenheim, während der Gauleiter den Kampf bis zur letzten Patrone befohlen hatte.


    Verglichen mit anderen Großstädten kam Regensburg städtebaulich relativ gut durch den Krieg, in der Altstadt sogar sehr gut.

    Es gab aber keinen einzigen gezielten Angriff auf die Altstadt, so daß man sich natürlich fragen könnte, warum dies nicht überall so gehandhabt wurde.

    Zur Bilanz des Kriegsendes gehörten zerstörte Brücken (durch die Wehrmacht gesprengt), nämlich zwei Bögen der Steinenen Brücke, den Eisernen Steg und die Adolf-Hitler-Brücke.

    Der Zerstörungsgrad der Gesamtstadt betrug laut Bavariathek 15 % der Bausubstanz mit 7,5 % Verlust an Wohnraum und 18 % Verlust an Gebäuden und Verkehrsanlagen.

    Schäden an der Altstadt traten abgesehen von Zufallstreffern oder Artillerietreffern (z. B. am Standort des heutigen Hauses der bayerischen Geschichte) nur im Zusammenhang mit der Bombardierung von Bahnhof und Bahnanlagen am südlichen Rand auf, glücklicherweise liegt dazwischen ja eine breite Parkanlage, so daß ein gewisser Abstand gegegen war.

    Im Einzelnen zerstört wurden:

    • Obermüsterkirche
    • Minoritenkirche
    • Schlösschen Theresienruhe
    • Alte Kapelle
    • St. Leonhard
    • Dominikanerinnen-Kloster Hl. Kreuz
    • Kreuzgang von Niedermünster
    • einzelne historische Häuser

    Der größte Einzelverlust war sicherlich das Stift Obermünster, dort befindet sich heute die als Ruine teilweise erhaltene Stiftskirche - Standort des früheren Stifts war gleich nordöstlich des Schlosses der Familie Thurn und Taxis, es ist relativ gut versteckt, der Campanile blieb indes erhalten.

    Ssomit gibt es heute noch zwei Campanile im Regensburger Süden, der zweite steht direkt nördlich des früheren Klosters St. Emmeram - wer mit dem Auto anreist: Das Areal ist direkt westlich neben dem neuen Parkhaus Petersweg, das ich wohl als einziger im Forum gar nicht so schlecht finde.

    Wer das Thema Luftkrieg, NS-Zeit und Zerstörungen vertiefen möchte, findet unter Kriegsende Regensburg viele Infos inkl. Fotodokumentationen und Augenzeugenberichten.

    Jedenfalls kam Regensburg architektonisch relativ gut durch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, so ganz konnte es sich von der Abrißmentalität der Nachkriegszeit zwar nicht abkoppeln, aber auch dies viel maßvoller aus als an anderer Stelle - dazu dann der nächste Beitrag.

    *die bekanntesten frühen Flugzeuge von Messerschmitt, die Bf 108, 109 und 110, waren übrigens gar keine Entwürfe von Messerschmitt, sondern von Robert Lusser - ein Versuch Messerschmitts, die Bezeichnung von Bf 109 durch Me 109 zu ersetzen, scheiterte am Widerstand der zuständigen Stellen für die Auftragsvergabe

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  • Parkhaus Petersweg, das ich wohl als einziger im Forum gar nicht so schlecht finde

    So richtig begeistert bin ich davon nicht. Ich kenne ja noch das alte: https://www.regensburg.de/bild/fc60/1971…65-parkhaus.jpg

    Das neue Parkhaus erinnert an den Neubau am St.-Kassians-Platz ("TK Maxx") (https://www.golocal.de/media/e412c0ae…a8dfb80e637.JPG). An so was kann man sich auch nie gewöhnen. Weder das eine noch das andere passt in die Altstadt.

  • Das scheint mir eigentlich nicht beschädigt oder gar zerstört worden zu sein:

    • Alte Kapelle
    • St. Leonhard
    • Dominikanerinnen-Kloster Hl. Kreuz

    Laut Wikipedia bzw. der Website der Alten Kapelle wurden alle drei Kirchen durch Bombentreffer beschädigt.

    hollanda : vielen herzlichen Dank für die tolle geschichtliche Übersicht!

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Die Wikipedia nennt als Quelle die Seite der Bavariathek, und die stammt vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Nichtsdestoweniger werde ich beim nächsten Besuch im Regensburger Pustet mal nach Kunstführern Ausschau halten, um genauere Infos zu erhalten.

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  • Gestern kam das Buch "Luftangriffe auf Regensburg" bei mir an, antiquarisch die ältere Ausgabe von 2015, es gibt auch eine neuere Version inkl. DVD.

    Das habe ich gestern schon etwas überflogen, es ist extrem gut recherchiert und enthält jede Menge Fotos.

    Interessante Details:

    Das Messerschmittwerk hatte eine eigene Jagdstaffel, die nur im Umkreis von 30 km vom Werk eingesetzt wurde und überwiegend aus Zivilisten bestand, Testpiloten und Einfliegern, der stellvertretende Chef war ziviler Flugkapitän.

    Die Flak wurde überwiegend von Flakhelfern betrieben, die der HJ angehörten (Problem: damit hatten sie keinen Kombattantenstatus, was aber bestenfalls 1945 bei der Einnahme der Stadt eine Rolle spielte) und als Richtschützen fungierten.

    Es gab ganz detaillierte Pläne für Schulunterricht, Schulferien, Taschengeld (50 Pfennig am Tag) und Einsatzorte ... sie trugen Wehrmachtsuniformen, aber mit obligatorischer HJ-Hakenkreuzbinde und einer etwas unförmigen Mütze. Um "cooler" und wie ein richtiger Soldat zu wirken, wurde beides offensichtlich nur dann getragen, wenn eine Kontrolle anstand ...

    Als Ladeschützen dienten russische Hilfswillige (daher auch das Wort Hiwi), nur die Geschützführer waren Soldaten (pro Geschütz also 1 Soldat, 3 HJ-Flakhelfer und 3 Kriegsgefangene), organisatorisch gehörte die "Heimatschutz-Flak" zur Luftwaffe.

    Überwiegend kamen russische 8,5-cm-Beutegeschütze zum Einsatz, aufgebohrt auf das deutsche Kaliber 8,8, wie es sonst bei der legendären 8,8er Flak verwendet wurde (die im Bodenkampf und als Panzerkanone aber sehr viel effizienter war).

    In Verbindung mit Geschoßhülsen ohne Messinganteil und eher provisorischen Zielführungsgeräten (Flakumwertegerät, kurz Flakum) aus Sperrholz (Malsi-Gerät) anstelle der Profigeräte von Zeiss Ikon erklärt sich die minimale Trefferquote, die praktisch eher auf Zufallstreffern beruhen dürfte (deutlich höhere Abschußzahlen erreichten Anfang 1945 in Regensburg stationierte ungarische Flak-Soldaten) - falls man angesichts von ständigen verklemmten Geschoßhülsen der Granaten überhaupt schießen konnte. Und nach jedem Schuß verstellte sich die Position, weil die Lafetten der russischen Geschütze viel zu leicht für das größere Kaliber waren.

    Wenn man bedenkt, daß selbst bei der regulären 8,8er-Flak rund 10.000 Schuß für einen Abschuß nötig waren (deutlich mehr als die Lebensdauer von Rohr und Verschluß), kann man sich natürlich fragen, inwiefern dieses riesige Rüstungsprojekt überhaupt sinnvoll war, da ja die anfliegenden Bomber keinerlei Ausweichbewegungen fliegen durften und ihre Ziele trotzdem erreichten. Zumal die Granaten nur über einen Zeitzünder und keinen Aufprallzünder verfügten und selbst ein Treffer z. B. in die Tragfläche nicht zwangsläufig zu einem Absturz führte, weil die Granate einfach durchschlug und irgendwann danach erst explodierte.

    Gilt übrigens auch für die ersten Panzerfäuste, von denen Tausende abgeschossen werden mußten, um eher durch Zufall im richtigen Winkel und Tempo auf die Panzerung aufzuschlagen, damit sich der kaltverformende Stachel der Hohlladung (damals noch absolut am Anfang der Entwicklung) überhaupt bildete, meist fielen die Geschosse einfach wirkungslos ab.

    Diesen Beitrag werde ich wohl in meinen geplanten Literatur-Strang zu Regensburg verschieben, da viel zu detailliert für den geschichtlichen Überblick.

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  • Das scheint mir eigentlich nicht beschädigt oder gar zerstört worden zu sein:

    • Alte Kapelle
    • St. Leonhard
    • Dominikanerinnen-Kloster Hl. Kreuz

    Laut Wikipedia bzw. der Website der Alten Kapelle wurden alle drei Kirchen durch Bombentreffer beschädigt.

    hollanda : vielen herzlichen Dank für die tolle geschichtliche Übersicht!

    Unsinn bleibt Unsinn. Alte Kapelle, Dominikanerinnenkirche und St. Leonhard haben noch die alten Gewölbe. Und einen Bau mit solchen historischen Innenräumen wie das Dominikanerinnenkloster Regensburg wird man lange suchen müssen. Man könnte es unter "beschädigt" führen, wenn es denn erhebliche Beschädigungen gegeben hat, aber niemals unter "zerstört".

  • 8. Entwicklung von Regensburg in der Nachkriegszeit

    Nach dem Krieg hielten sich zwar die Schäden in Grenzen, durch den Eisernen Vorhang geriet Regensburg aber in eine Randlage und entwickelte sich nicht übermäßig dynamisch.

    Es gab durch den Zuzug von Vertriebenen ein gewisses Bevölkerungswachstum, von rund 100.000 im Jahr 1940 auf rund 120.000 Anfang der 50er Jahre, laut Volkszählung 1987 hatte sich daran in all den Jahren kaum etwas geändert. Gleich in der Nähe entstand in Neutraubling eine Vertriebenenstadt mit dynamischer Wirtschaftsentwicklung, die lag aber schon ganz knapp im Landkreis Regensburg und nicht mehr in der Stadt Regensburg.

    Der größte Industriebetrieb, die Messerschmitt-Werke, nahmen ihre Produktion nicht mehr auf, dafür investierte Siemens 1950 massiv:

    Auch in Regensburg beginnt die Standortgeschichte von Siemens mit einem Technischen Büro, das 1911 eröffnet wird. 1950 gehört das Installationsgerätewerk der Siemens-Schuckertwerke in Regensburg zu den größten Bauvorhaben des Unternehmens nach dem Krieg. Die Produktion wird auf Halbleiterbauelemente umgestellt, und 1987 beginnt Siemens in der oberpfälzischen Stadt mit dem Bau der modernsten Chip-Fabrik Europas. Die rund 180 Millionen Euro umfassende Investition ermöglicht die Fertigung der damals leistungsfähigsten Mikrochips von Siemens.

    1960 wurde der Osthafen eröffnet, erst 1971 erhielt Regensburg einen Anschluß an das Autobahnnetz (Ende der 80er bin ich die Autobahn öfters in Richtung Oberbayern gefahren, die war damals unglaublich leer, teilweise sah man minutenlang keinerlei andere Autos, auch keine LKW).

    In Sachen Bildung tat sich auch etwas - ab 1958 entstand das Johannes-Kepler-Polytechnikum, aus dem ab 1971 die Fachhochschule und heute die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg hervorging, inzwischen mit einem neuen Campus südlich der Universität.

    Zum Thema Universität - dabei handelt es sich um eine komplette Neugründung aus dem Jahr 1962, die dann 1967 den Betrieb aufnahm, sie befindet sich südlich der Innenstadt auf dem Galgenberg, früher neben großen Kasernen auf der grünen Wiese gelegen, heute von Wohnvierteln umgeben.

    Der Campus ist ein Neubau im Stil der damaligen Zeit mit viel Sichtbeton und war schon in den 80ern ein großer Sanierungsfall. Interessant ist vielleicht, daß viele Gebäude auf einer Art von Betonstelzen stehen und sich darunter Zufahrten für Anlieferungen, aber auch Parkplätze befinden. Der Campus liegt also gegenüber der Umgebung etwas erhöht.

    Wirtschaftlich einen großen Schritt nach vorn machte Regensburg mit der Ansiedlung von BMW 1986, damals war das Preisniveau in Regensburg aber noch relativ moderat, dafür die Altstadt aber auch bei weitem nicht in so gutem Zustand wie heute, ich kann mich auch noch erinnern, daß das Theater am Bismarckplatz ziemlich heruntergekommen war, sogar ein Abriß war diskutiert worden.

    Seit der Grenzöffnung nach dem Ende des Kalten Krieges hat sich Regensburg indes zu einer sehr dynamischen und wirtschaftlich erfolgreichen Stadt entwickelt und verzeichnete auch ein Bevölkerungswachstum auf rund 150.000 Einwohner.

    Städtebaulich wirklich schöne Areale entstanden dabei nicht, ob Georgenhof auf dem ehemaligen Güterbahnhof als aktuelles Projekt oder Hochhausviertel wie Königswiesen, vor 50 Jahren durch die Neue Heimat errichtet, etwas besser das Rennplatz-Projekt der 90er auf der ehemaligen Trabrennbahn.

    Dennoch hat Regensburg mit seiner weitgehend erhaltenen Altstadt und kleineren, aber recht schönen Gründerzeitbauten viel zu bieten.

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  • Weder Website des Klosters (das ist nur eine einzige Seite) noch sonstige Internetquellen geben viel her, hat das jemand eine Empfehlung für einen Kunstführer? Ansonsten schaue ich mal beim Pustet vor Ort.

    Ich habe das Standardwerk zu den Kriegszerstörungen in Bayern (Hemmeter, Karlheinz: Bayerische Baudenkmäler im Zweiten Weltkrieg. München 1995), da müsste das drin stehen. Ich bin im Moment nicht zuhause, schau' aber gerne in ein paar Tagen nach.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus