Ein Museum schämt sich
Bußübungen im Zeichen des Postkolonialismus: Wie das Leipziger Grassimuseum für Völkerkunde seine Selbstabschaffung zelebriert.
Da der Artikel hinter der Bezahlschranke ist, zitiere ich ein paar Passagen:
ZitatDen Schluss des Rundgangs bildet ein Rundhaus aus Lehm und Schilf, das von Handwerkern aus der westindischen Region Gujarat vor siebzehn Jahren mit originalen Baumaterialien und Einrichtungsteilen errichtet und ausgestattet wurde. Jetzt will die Museumsleitung mit "Dorfbewohner*innen", "weiteren Akteur*innen" und "Besucher*innen" abklären, ob das Bunga-Haus weiterhin ausgestellt werden soll. Ist ihr das auf jahrtausendealten Kulturtechniken fußende, CO2-neutrale, historisch authentische Bauwerk nicht mehr gut genug?
Die Antwort auf diese und andere Fragen findet man, wenn auch verborgen und im Kleingedruckten versteckt, einen Stock tiefer. Hier hat das Museum eine dreiteilige Raumfolge unter den Stichworten "Aneignen", "Markieren, Kategorisieren, Katalogisieren" und "Sammelwahn" eingerichtet.
ZitatFür das neu aufgestellte Grassimuseum aber ist Weule vor allem eine Galionsfigur des Kolonialismus. Im Raum "Aneignungen" erfährt man, dass der Museumsdirektor über "ein weltweites Netzwerk sogenannter Sammler*innen" verfügte, die sich auch "durch Grabraub" und "bei Plünderungen" Gegenstände aneigneten. Im folgenden Raum werden als Belege für solche Raubzüge einige der mehr als hundert Holzmasken präsentiert, die Weule von einer Forschungsexpedition in die Makonde-Region zwischen Tansania und Kenia zurückbrachte und für das Museum katalogisierte. Auf Details der Expedition, von der Weule auch gut zweitausend Fotos und Negative sowie Filme und Phonogramme mitbrachte, legen die Kuratoren dabei so wenig Wert wie auf die Geschichte der Makonde-Kultur selbst. Ihnen genügt es, die Masken als Beutestücke und Bezugspunkte postkolonialer Empörung vorzuzeigen.
Im letzten Raum trennt sich das Museum endgültig von seinen historischen Wurzeln. In restaurierten Vitrinen der Zwanzigerjahre stehen hundertzwanzig Objekte aus Afrika, Asien und Ozeanien. Sie sollen "von einer europäischen Sicht auf die Welt" und dem "ungleichen Machtverhältnis" bei ihrer Erwerbung zeugen. Da sie aber weder beschriftet noch sortiert sind, bezeugen sie nur den Unwillen der Kuratoren, sie zu erforschen. In künftigen Ausstellungen, heißt es, würden die Exponate ohnehin "nicht mehr regional unterteilt". So wird eingeebnet, was den Kern jeder Kulturleistung bildet: der Unterschied, die Besonderheit, der einzigartige Ausdruck.
Dann geht es um den Geograph Hans Meyer, der von einer Expedition 1889 angeblich die Bergspitze des Kilimandscharo mitgebracht hätte, von der noch eine Hälfte im Besitz eines österreichischen Kunsthändlers existiere.
ZitatUm diese Hälfte zu kaufen und nach Tansania zu restituieren, hat das deutsche Künstlerkollektiv Para im Grassimuseum eine Art Steinfabrikation eingerichtet. In einer Vitrine werden Bruchstücke vom Sockel einer abgeräumten Karl-Weule-Büste mit dem Presslufthammer zerkleinert und anschließend zu neuen Gesteinsbrocken verbacken. Die Kunststeine, "Skrupel" getauft, können Besucher in einem Automaten für zwanzig Euro erwerben. Falls die benötigten zweitausend Käufer nicht zusammenkommen, hat das Kollektiv noch einen Trumpf in der Hinterhand, ein Stück Stein vom Gipfel der Zugspitze, das es in einer penibel gefilmten Aktion im September erbeuten konnte.
Tja, plemm-plemm könnte man sagen, wenn man freundlich sein möchte. Oder man sagt, wenn man ein böser, reaktionärer Kulturpessimist ist: Eine Gesellschaft, die so etwas gebiert, ist einfach reif, mit Schmerz und Tränen unterzugehen.
So oder so: Tansania möge bitte kommen und sich aus den Museen und Kunstsammlungen einfach alles holen, was es will. Und gleichzeitig Museumsleitungen, die solche Kuratoren und Polit-"Künstlerkollektive" finanzieren, bitte ganz schnell arbeitslos machen.