Kritische Beiträge zur modernen Architektur

  • Diverse Artikel aus dem Tagesspiegel zum Thema Erdgeschoß, dieser Zone, die aus Wohngebäuden Stadt macht:

    Berlin am Boden: Warum das Erdgeschoss für die Großstadt so wichtig ist - Berlin - Tagesspiegel

    Wie es sich dort lebt:

    Sommerhitze in Berlin: Ein Hoch auf das Erdgeschoss - Berlin - Tagesspiegel

    und hier eher junge Architekten, die zwar modernistisch genossenschaftssubventioniert, sich aber immerhin an belebten Erdgeschossen versuchen:

    Erdgeschosse als Austausch zwischen Privatem und Kollektivem: „Ein Haus muss der Straße was zurückgeben“ - Berlin - Tagesspiegel

  • Ob man nicht überhaupt "dezentrale Büros" einrichten könnte - Ladenbüros als Mittelding zwischen Home-Office und großem Firmenbüro. Das wäre eine mögliche Nutzung für heute nicht mehr in dieser Zahl benötigte klein(er)e Läden. Fünf oder zehn Computerarbeitsplätze für zehn, zwanzig Leute bei relativ geringer Miete. Die Mitarbeiter wohnen dann natürlich idealerweise in der Nähe und fahren beispielsweise nur noch ein-, zweimal die Woche in die Firmenzentrale.

  • Jakob: Mag sien, daß das mit den Ladenbüros wieder kommt. In den 1970ern gab es mW ähnliches schon mal, als West-Berlin ziemlich leer war und die Erdgeschosee kaum nachgefragt waren. Da zogen dann elternorganisierte KiTas in die Läden, und zum Teil wurden sie auch in Wohnungen umgewandelt, wo dann feierfreudige junge Leute, denen es nichts ausmachte, daß die Passanten ihnen auf den Teller gucken konnten, einzogen.

    Es gibt auch heute ganze Straßenzüge, wo die EG-Läden mit Architektenbüros, Physiotherapeuten etc. gepflastert sind. Aber das ist nichts zum Verweilen auch für fremde Passanten, wie es ein Café eben ist, oder zum Reingehen für jedermann wie ein Lebensmittelladen.

  • Ein dpa-Text, der in zahlreichen Presseorganen identisch abgedruckt wurde. Eine Kritik der modernistischen Investorenarchitektur


    Schön und auch bemerkenswert finde ich folgendes Zitat, welches im verlinkten Artikel abgebildet wurde:

    "Ich will aus München eine Stadt machen, die Deutschland so zu Ehren gereicht, dass niemand sagen kann, er kenne Deutschland, wenn er München nicht gesehen hat"

  • Zitat von König Ludwig I. (1786-1868)

    "Ich will aus München eine Stadt machen, die Deutschland so zu Ehren gereicht, dass niemand sagen kann, er kenne Deutschland, wenn er München nicht gesehen hat"

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    Man stellt Vorüberlegungen an, definiert ein ZIel, kommuniziert es und setzt es erfolgreich um. Außerdem denkt man in Jahrzehnten und Jahrhunderten.

    Heute Geschwurbel und Herumeiern, fahren auf Sicht, jähe Änderungen nach Umfragen und Stimmungen des Tages. Pleiten, Pech und Pannen samt explodierender Kosten. Vielen Dank der Königin in Berlin und ihren Schranzen!

  • Ah, bei seltenen Vornamen sollte man googeln. "Turit" war mir bisher noch nicht untergekommen.

    Nein, die Frau Fröbe sieht die Dinge nicht unbedingt so wie wir, aber der "Porträt"-Artikel hat eine ziemlich seltene Qualität: er nähert sich dem Thema "moderne Bausünde" mit einem leisen Humor.

  • Nein, die Frau Fröbe sieht die Dinge nicht unbedingt so wie wir

    Diesen Eindruck habe ich auch. Und angesichts der Sprüche der Modernisten, die die größten Stadtbildzerstörungen als ganz supertoll in den Himmel heben, weiß man nicht, ob man so manches ernstnehmen soll oder ob es Ironie ist. Denn die größte Ironie, das absurdeste Schönreden vom was Hässlichem, könnte ernstgemeint sein!

  • Ich glaube, Frau Fröbe mag einfach gelegentliche Skurrilitäten. Als welche manche in ihrer Zeit moderne Bauten nun wirken. Völlig einheitliche Straßenzüge, ob modern oder Gründerzeit, mag sie vermutlich nicht.

  • Der ungsägliche taz-Artikel neulich über Polizisten, die auf den Müll gehören, wurde ja im Nachhinein als "Satire" verteidigt. Umgekehrt scheint heute manches, was sich tatsächlich wie Satire liest, bitterernst gemeint zu sein. Und ich bezweifle, dass eine Publikation, die sich der "verkannten Moderne" widmet, zu selbstironischem Humor in der Lage ist. Mir scheint es eher als eine neue Taktik, selbst die offensichtlichsten Bausünden als etwas Liebenswertes umzudeuten. Hässlichkeit soll Kult werden. Nachdem man daran gescheitert ist, uns die Nachkriegsmoderne auf intellektuellem Weg näherzubringen, versucht man es jetzt mit emotionaler Mobilisierung, die sich in unserer postfaktischen Zeit ja als besonders wirkungsvoll erwiesen hat.

  • Ach, ich sehe das eher im Zusammenhang mit Moden bzw. modischen Haltungen.

    Es gab schon in den 1980ern so eine Art 1950er-Revival, d.h., die "Waver" hatten eine gewisse Affinität zu schrägem 50er-Jahre-Design und -Architektur (auch -Musik), das war aber eine ausgesprochene Minderheitsposition, und daß das angehalten hat, glaube ich nicht. Andere neigten eher zum Gründerzeitbau und seiner robusten Umnutzungsmöglichkeit.

    Turit Fröbe sehe ich eher in Tradition des Hangs zum Seltsamen, Abseitigen, den ich - nebenbei - manchmal auch bei Zeno am Werk sehe, nur eher auf ländliche Gebäude bezogen. Das ist, glaube ich, eine ganz eigene Haltung, die eben nicht die "Standards" setzt oder setzen will, sondern eher Sinn für das individuell Verbastelte hat.

    Ich selbst habe das selten mal, etwa mit meiner Begeisterung für die Staatsgalerie Stuttgart oder die Kirche Ara Coeli in Rom; im Normalfall möchte ich eher "Standard"-Gebäude, also solche, die von vornherein "passen" und nicht sowas aus Teilen Zusammengesetztes.

    Mit Elogen auf die "moderne Architektur" wurde ja noch nie gespart, insofern sehe ich nicht, daß sich da bzgl. emotionalem Zugang groß was geändert haben sollte - naja, vielleicht daß man an als "kann weg" markierte Gebäude jetzt mitunter Anhänglichkeit zeigt - aber gab es sowas nicht schon immer?

    Ansonsten, daß eine Zeitschrift, die sich der Moderne in der Architektur widmet, vor allem Betonklötze und 70er Jahre bringt, ist jetzt nicht so überraschend.

    Ich sehe das so, daß es seit mehr als 100 Jahren 2 Stränge in der Architektur gibt, die mehr gefällige und die mehr schachtelartige, und beide zu unterschiedlichen Anteilen zu jeder Zeit unterwegs sind. Derzeit wird extrem geschachtelt, aber ab und an gibt es auch was Gefälligeres zu sehen. Der "gefälligere" Strang ist also nicht tot, nur sehr an den Rand gedrängt.

  • Ob es das war, weiß ich nicht mehr, ich hatte was anderes, weniger renoviertes im Kopf, aber ich habe kein photographisches Gedächtnis und kann mich täuschen. Passen tut das Bild jedenfalls aber auch ganz gut.