In der Wiener Innenstadt hat man ein Bürogebäude aus den 60er Jahren vollständig umgebaut und modernisiert. Im Vergleich zu vorher eine meilenweite Verbesserung. In seiner neuen Erscheinung erinnert es ein bisschen an die Bauhaus-Gebäude in Tel Aviv.
Wien (Allgemeines)
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Ja, diese Art der Moderne spricht mich an. Es geht doch nichts über geschwungene Linien.
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Zur Debatte um das Haus Bognergasse 11
Das Haus wurde von Leonhard im Kellerquiz präsentiert:
In der Lerchenfelderstraße (Josefstadt befindet sich ein ganz ähnliches Haus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lerchenfe…%C3%9Fe_039.jpg
Auch auf dieses Beispiel am Neuen Markt kann verwiesen werden:
https://commons.wikimedia.org/…_Markt,_Wien,_Austria.jpg
Daraus entspann sich folgende Debatte:
Ich sage das selten, aber: dieses Haus finde ich richtig kitschig.
Neuschwanstein ist an der Grenze zum Kitsch, aber dieses Haus ist darüberhinaus.
Diese weit oben angebrachten Fensterdächlein, wie hochgezogene, aufgemalte Augenbrauen!
Dieser Bleistiftturm!
Alles in allem finde ich es ziemlich "affig".
Ja, das Haus ist ungewöhnlich und man kann es sicher kitschig nennen. An sich schau ich mir sowas aber nicht ungern an, lieber jedenfalls als die Neue Mitte Ulm
An der Stelle ist es aber tatsächlich ein Fremdkörper, es passt überhaupt nicht zum Barock und Klassizismus (und auch ein bissl was an Nachkriegsarchitektur...) des Platzes Am Hof.
Ursus, wie siehst du das? Was stand eigentlich vorher an der Stelle?
Na ja, das soll es ja auch schließlich sein. Eine derartige Wirkung ist ja gerade die künstlerische Intention. Natürlich wusste der Architekt, dass "hier nichts stimmte", dass alle stilistischen Bezüge arg verfremdet bzw ins Groteske übersteigert wurden. Darin liegt auch der Reiz.
Das schwache Nachbarhaus rechts substituierte palaisartige Barockhäuser, hier wird es nicht viel anders gewesen sein. Besser, man fragt da nicht so genau nach:
https://www.bildergipfel.de/highlights_der…graphie_um_1890
alles irgendwie von der Geschlossenheit der Großen Meissner oder Rampischen...dieses Viertel hat natürlich extrem gelitten. stellenweise hat die Gründerzeit zu Verlusten geführt wie woanders die WC-Geschwader.
Für den einmaligen oder seltenen Besucher mag dieses Haus attraktiv und sehenswert sein. Aber beim Stadtbild geht es für mich um die Bewohner der Stadt, um die, um derentwillen es die Stadt und damit auch dieses Haus gibt. Und die werden sich recht bald daran sattgesehen haben. Daher meine ich, es liegt nahe der Kitschgrenze, aber schon jenseits davon. Aber natürlich hundertmal besser als die "NMU", die ja nun wirklich abstoßend ist ohne Ende.
Das Schloss Neuschwanstein hat ganz andere Rahmenbedingungen, schon allein die Alleinlage. Wenn es auch nicht sooo weit von der Kitschgrenze entfernt liegt, so würde ich es doch nie primär als kitschig bezeichnen. Dafür ist es mir zu nahe, zu vertraut, und vor allem zu sehr ein Meisterwerk der Neuromanik, als dass man darüber herziehen könnte.Was ihr immer mit der NMU habts… fast schon traumatisch. Mit dieser hat das Haus allenfalls den Umstand gemein, dass es sich um "extreme" und qualitativ eher hochwertige Architektur handelt.
Und nein, dieses Haus ist definitiv nicht kitschig, sondern grotesk, da es sich aller "Fragwürdigkeiten" bewusst scheint und diese auf die Spitze treibt. Verfremdung und Übersteigerung sind sein Wesen und keineswegs Trivialisierung. Neuschwanstein ist diesbezüglicher kritischer zu sehen als dieses Haus, das ja wohl von Neuschwanstein inspiriert erscheint, jedenfalls mehr als von "richtiger" Gotik (oder vielmehr "Renaissance"?). Damit sei jetzt nix gegen das ungleich naivere, aber durchaus liebenswerte Neuschwanstein gesagt.
In dieser Hinsicht - nicht in den Details!- kann man das Haus mit einem Werk Gaudìs vergleichen:
https://pixabay.com/de/photos/gaud…-palast-174147/
Als stimmiges architektonisches Werk ist dieses Haus jedenfalls beachtlich und erhebt sich turmhoch über etlichen gründerzeitlichen Einheitsbrei, der in Wien leider recht häufig anzutreffen ist. Auch wenn man dem Historismus als Ganzem ambivalent gegenübersteht, muss man solche Leistungen anerkennen und auch achten. Sie als Kitsch abzutun verkennt das Wesentlichste.Ich glaube, dass naiv nicht das richtige Wort ist: Neuschwanstein ist absolut ernst gemeint, es ist der Gipfelpunkt der romantischen Illusion des 19. Jh. Niemand sonst hat es gewagt, seine eigenen Träume dermaßen kompromisslos in die Realität umzusetzen wie Ludwig II. Die Architektur ist dabei nicht zu trennen von der geographischen Ambientation, von den von verschiedenen Sagen und Opern inspirierten Innenräumen und vor allem nicht von der Idee der romantischen Weltflucht, die sich all dies erdacht hat. Dies alles zusammen ergibt ein Gesamtkunstwerk, dass nüchtern betrachtet vielleicht als kitschig betrachtet werden muss, aber eigentlich der Ausdruck einer absolut authentischen und tiefsinnigen Seele ist. Man tut dem Ganzen unrecht, wenn man sich auf "kitschige" Details und auf architektonische "Unechtheit" versteift und diese belächelt; dem Ganzen haftet ein zu großer Zauber an und es steht eine zu außergewöhnliche Seele dahinter, als dass man ihr einen gewissen Wert absprechen könnte. Wer ihn noch nicht kennt, schaue sich bitte den beeindruckenden Film "Ludwig" von Visconti an, der vieles von der Person Ludwigs verständlich macht.
Zitat von ursus c.ad Leonhard: "ist absolut ernst gemeint, es ist der Gipfelpunkt der romantischen Illusion des 19. Jh."
Na ja, aber ist das nicht gewissermaßen naiv? Wirklich ohne Häme oder sonstiges.
Zumindest verglichen mit dem Wiener Versuch, NSS zu "historisieren", denn darum handelt es sich ja in erster Linie. Der Historismus ist eben alles andere als naiv, wie jeder "Meta-Stil" auch.
ad Leonhard: "geschmackliche Grenzfälle wie das oben gezeigte Haus in der Bognergasse doch eher selten sind."
mE kein geschmacklicher Problemfall, sondern Historismus, wie er leibt und lebt und sicher eines der anspruchsvollen Beispiele.
Was sagt ein Experte und Liebhaber wie Königsbau dazu?
Das Problem mit dem Historismus bei uns ist überhaupt keine geschmäcklerische Frage des Einfügens. Das merkt man sofort dann, wenn historistische Bauten verloren gegangen sind und durch moderne ersetzt werden müssen wie vor der Kirche Maria am Gestade oder noch prominente am Stephansplatz. Das Problem liegt darin, was er alles verdrängt hat wie zB die Bognergasse.
Hier sieht man, was dieses Haus im Stadtraum einer engen Altstadtgasse leistet, nämlich an Anpassung:
https://www.google.at/maps/@48.21033…!7i13312!8i6656
Da die alte Parzellenstruktur eingehalten wurde, kommen die pseudomittelalterlichen (eigentlich: pseudoneuschwansteinesken) Züge perfekt zur Geltung.
https://www.google.at/maps/@48.21017…!7i13312!8i6656
Hier der Zwilling in der Lerchenfelderstraße:
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Ja ok, es ist ein Eckhaus, und auf einem sehr kleinen Grundstück, und muß einen Abschluß zu hohen Häusern bilden - keine einfachen Aufgaben. Aber ich finds trotzdem furchtbar affig. Das liegt, glaube ich, größtenteils am Dekor, das sich selbst nicht ernst nimmt, und daherkommt wie eine Barbiepuppenstube oder eine Schwulenbar.
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Eher Schwulenbar als Barbiepuppenstube… Naiv ist es mE nämlich nicht. Und was sagst zum "Zwilling"?
https://www.google.at/maps/place/Jos…581!4d16.345356
Etwas maßvoller, oder?
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Vintage Oida!
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Dasselbe in Disney. -
Ich tendiere bei der Einordnung der Optik ja auch eher zum Tuntenschloß, Barbie war nur wegen der maniristischen Überlängungen, die das Haus ohne Zweifel hat.
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Und was sagst zum "Zwilling"?
Mir gefällt´s besser als der entstuckte (?) graue Bau auf der anderen Straßenseite.
Angesichts der aktuellen Bausituation sich über diesen beiden, zweifellos etwas unpassenden, aber phantasievollen Häuschen auszulassen, hat natürlich etwas von Luxusproblem.
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Warum "auslassen"? Mir gefallen sie ja.
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Noch was zum Zwilling - auch er stammt, wie wohl nicht nur von mir richtig erraten - allzuviel stilistisches Gefühl gehört da ja wohl nicht dazu, vom aus Neutra stammenden Architekten Emil Schnizer.
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Ginzelmayer-Hof
Moderation: vielleicht könnte man die Beiträge absondern in einen neuen Strang über Emil Schnizer?
Weitere Beispiele könnten noch folgen.
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Porzellangasse 45 ist nicht Besonderes:
https://www.google.at/maps/@48.22332…84!8i8192?hl=de
ein Frühwerk ohne ausgeprägten Stil, noch dazu gemeinsam mit einem anderen Architekten namens Dick.
Ebenfalls unausgeprägt Bennogasse 8, ein Spätwerk der Zurücknahme:
https://www.google.at/maps/@48.21240…!7i13312!8i6656
Lange Gasse 11 werden wir endlich fündig, was den "Trilling" betrifft:
https://www.google.at/maps/@48.20747…!7i16384!8i8192
zumindest ansatzweise, ganz kann dieser Bau wieder auch nicht mithalten.
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Dafür gibt es in der Wipplingerstraße Ecke Tiefer Graben ein Super Beispiel:
http://cityabc.at/index.php/Date…ra%C3%9Fe_a.jpg
Das Werk des Meisters braucht nicht lange gesucht zu werden, es sticht sogleich ins Auge!
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Das Haus in der Langen Gasse goutiere ich, das finde ich gelungen.
Aber in der Wipplinger kitscht er wieder furchtbar rum.
Der scheint sich ja auf diesen Eckhaustyp eingeschossen gehabt zu haben?
Edit: Porzellangasse finde ich sehr schön, wirklich sehr gelungen und harmonisch die Fassade. Bennogasse ist langweilig, der Versuch mit Klassizismus war nicht ergiebig.
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Kurzum: du scheinst nur den FRÜHEN Schnizer zu mögen.
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Anscheinend.
Seine Mittelphase finde ich zu exaltiert und zu kitschig, und zum Schluß wurde er langweilig (vielleicht wollte er nochmal was anderes probieren, kam dabei aber nicht so weit, daß er nochmal eine richtig gelungene Fassade hinbekam. Wobei, häßlich ist auch die Bennogasse nicht, nur eben arg durchschnittlich - Würzburg Standard aus einem anderen Jahrzehnt, sozusagen).
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Hier noch was Artverwandtes aus dem Alsergrund:
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Oh yeah! ist das auch aus seiner mittleren Periode? Der Dekor weist einige auch in den obigen Straßen vorkommende Elemente auf, auch die Flacherker sehen so ähnlich aus. Naja, auf den megakitschigen Rundturmerker hat er mangels Ecke wohl verzichtet.
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http://www.architektenlexikon.at/de/1435.htm
war nix zu finden...
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Der Architekturführer nennt das "altdeutsch". Au weia. Die kitschigen Bleistifttürme in hellgrau sind doch eher verhungerte Loireschlösserremineszenzen. Jedenfalls waren die Architekturmoden zur Jahrhundertwende - zumindest dem Namen nach - anscheinend ähnlich oft wechselnd wie sonst nur in den USA.
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"Altdeutsch" heißt bei uns eine spezifische, romantisierende Historismusform.
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