Artikel zu "Moderne" und "Bauhaus"

  • Zum 1.1. ist in der NZZ ein nachdenklicher Artikel zu Walter Gropius und dem Bauhaus - und dem, was davor war - erschienen:

    Historische Verwerfungen: Wie das Neue Bauen begann | NZZ

    Wenn das so stimmt, dann hat das Bauhaus eigentlich recht wenig zu der Architektur beigetragen, die wir heute damit assoziieren - das waren eher die Holländer ("de Stijl") und Frank Lloyd Wright. Was die Bauhäusler hatten, war eine große Klappe - aber sie waren zumindest nicht die ersten, die den neuen Stil ("neue Sachlichkeit" und Artverwandtes) hervorbrachten.

  • A New European Bauhaus

    100 Jahre Bauhaus und Internationaler Stil reichen offensichtlich noch nicht -

    keine gute Nachrichten für unser aller Anliegen.

    "Heute starten wir ein neues europäisches Bauhaus - ein ökologisches, wirtschaftliches und kulturelles Projekt für Europa, um das #EUGreenDeal zum Leben zu erwecken und eine Ästhetik für den grünen Übergang zu entwickeln

    Diese Initiative wird eine Brücke zwischen der Wissenschaft und der Kulturwelt sein. Ein Denk-und Experimentraum für eine grünere, schönere und humanere Zukunft ???"


    Facebook:

    https://www.facebook.com/Creat…15956197/3457541217617695

    mit PDF:

    https://ec.europa.eu/commission/pre…QU62oFF3J_UObog

  • Bedrohlich und gefährlich angesichts dessen, was das Bauhaus und der Internationale Stil unter "schön" und "human" verstanden haben wollen sowie der auf dieser Ideologie berufenden, baulichen Entgleisungen, welche Baukultur ab adsurdum führte und damit das Erscheinungsbild der Städte und Dörfer teilweise komplett entstellte.

    "Grün" erscheint mir bei diesem Pamphlet daher auch eher als politischer Kampfbegriff, denn als eine Rückbesinnung auf sinnvolle und gestalterisch harmonische Begrünungen des öffentlichen Raums.

  • Warum hört sich das so bedrohlich an?

    Weil es natürlich Neusprech ist. Die Schuldenunion garantiert eine "stabile Währung", der Hartz IV-Empfänger mit Vollbart und Kaftan wird zur "Fachkraft", Randalierer werden zur "Party- und Eventszene", das Bombardement wird zur Friedensmission, die Mundschutzmaske zu einem "Instrument der Freiheit" (Söder), die Rente ist sicher und das Neo-Bauhaus mit Dachgrün garantiert "eine grünere, schönere und humanere Zukunft"... ^^

  • „Cool & clever – Abkühlung für die City“

    Quelle: https://www.zdf.de/gesellschaft/p…clever-102.html

    Mit enormem technischem Aufwand, extremem Wasserverbrauch und einem Grün, das in seinem Schnittmuster ins Korsett der modernistischen Kuben gezwungen wird, scheinen mir solche Versuche zur Klimatisierung der Städte in Summe kurzsichtig und unausgegoren, von fehlender Nachhaltigkeit und tatsächlichem Mehrwert für die Umwelt ganz zu schweigen.

    Genau solche ideologischen Experimente dürften jedoch unter diesem „Neuen Europäischen Bauhaus“ zu verstehen sein.

    Sofern die modischen, hässlichen Fassaden hinter dem Grün allesamt verschwänden, müsste man das Anliegen sogar noch unterstützen, doch die Erfahrung lehrt, dass solch eine ideologisch aufgeladene Agenda vorrangig in den alten Stadtkernen umgesetzt werden „muss“, und nicht dort, wo es schon sehr lange hätte realisiert werden können, z.B. durch eine gesetzliche Vorschrift alle Flach- und flach geneigten Dächer in Industrie- sowie Gewerbegebieten intensiv zu begrünen. Da sollen dann erst einmal die Stuck-, Naturstein- , Fachwerk- und Putzfassaden in den Altstädten alternativ zur Wärmedämmung radikal hinter Rankwerk verschwinden. Das wäre dann die 2.Welle der systematischen, dogmatischen Zerstörung von historischen Hausfassaden nach dem Dämmwahn mit mehrheitlich bedenklichen Materialien.

    Auf solche Erscheinungsbilder historischer Fassaden kann in dieser Radikalität mit Umwandlung zu einer grünen Hölle wahrlich verzichtet werden:

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a1/Schömberg_Kneipe_Kanone.jpg

    zuvor:

    https://www.bilder-upload.eu/bild-def709-1603019393.jpeg.html

  • Streng genommen gibt es ja keinen "Bauhaus-Stil", zwar galt die Architektur beim Bauhaus als höchste Kunstform ("Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau."), aber es gab keine spezielle Architektenausbildung (Nachtrag: gab es ab 1927 zu meiner Überraschung doch), sondern ging eher um die Zusammenführung von Kunst und Handwerk. Letzteres als Gegenbewegung zu den industriell hergestellten Ornamenten des Historismus ("Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück!").

    Entstanden sind dann Bauten im damals schon vorherrschenden modernen Stil, dessen verschiedene Ausprägungen dann in verschiedenen Schubladen wie Funktionalismus, Neues Bauen, Neue Sachlichkeit usw. einsortiert wurden.

    Das Bauhaus hat diese Stile aber weder entwickelt noch wesentlich geprägt. Das Argument, man habe dadurch preisgünstigen Wohnraum bereitstellen wollen, wurde zwar auch vom Bauhaus selbst vorgetragen, aber mit den eigenen Entwürfen nie umgesetzt.

    sou perfeito porque / igualzinho a você / eu não presto

  • Im APH-Forum hat es zu dem AfD-Vorstoß auch eine Diskussion gegeben, wie ich gerade gesehen habe. Ich finde der Beitrag "Leonhards" bringt einige wichtige Aspekte zur Sprache, weshalb ich ihn zum Teil mal hier zitieren möchte:

    Zitat

    Und dann: wir reden hier über Architektur und nicht über Möbel oder Design. Und die angeblich positiven Dinge der Architektur des Bauhaus, die Du hier ansprichst wie Sauberkeit etc. haben wenig bis nichts mit dem Baustil zu tun, eine anständige Bereitstellung von Hygiene und Licht wäre auch in äußerlich ansprechenderen Formen möglich gewesen und wurde um den 1. Weltkrieg herum bereits auch in traditionelleren Formen realisiert: es gibt so einige große Wohnsiedlungen aus den 1910er und 1920er Jahren, die ein traditionelles, aber geschmackvoll reduziertes klassisches Aussehen aufweisen (in München z.B. die Borstei oder die Wohnanlage an der Pötschnerstraße, die ich hier vorgestellt habe). Auch gründerzeitliche Zinshäuser konnte man später problemlos mit fließend Wasser, Strom und Heizung ausrüsten, dafür braucht man kein Bauhaus. (...)

    Man könnte auch sagen: ohne diese Ideen wäre ein gewinn- und konsummaximierter Alltag bei weltweiter Produktion unter Ausnützung von billigen Arbeitskräften in der 3. Welt schlichtweg nicht möglich. Und das wäre ja jammerschade, wenn wir unsere Billigmöbel und Gebrauchsgegenstände nicht mehr bei IKEA oder Home24 für spottbilliges Geld kaufen könnten, bei deren Preisen unter normalen Umständen nicht mal der Materialwert abgedeckt ist!

    Abschließend: ich möchte dem Bauhaus nicht völlig seine künstlerische Bedeutung absprechen, es hat hier sicher, wie auch in anderen Stilrichtungen, interessante und gute Resultate gegeben. Aber es ist in meinen Augen mehr als berechtigt, hier sehr kritisch zu sein und die Rolle des Bauhaus zu hinterfragen.

  • Ich wollte mich eigentlich auf keine Diskussion mit Tegula mehr einlassen, weil er wie eine Gummiwand niemals nachgibt und eine Diskussion mit ihm letztlich sinnlos ist. Aber mich ärgert dieses Messen mit zweierlei Maß dermaßen, dass ich nicht an mich halten konnte, als ihm Kontra zu geben. Er, der immer vehement fürs Differenzieren eintritt, ist selber dazu überhaupt nicht willens, wenn es um Meinungen der Gegenseite geht - das ist diese typisch linke Verlogenheit.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Im Stadtbild-Forum wurde auf folgendes Interview Bezug genommen:

    Bauhaus-Expertin Barbara Steiner kritisiert AfD: «Reinstes Moderne-Bashing»
    Die AfD hat das Bauhaus als Irrweg der Moderne bezeichnet, der eine «menschenfeindliche» Architektur hervorgebracht habe. Barbara Steiner, Direktorin der…
    www.nzz.ch

    Darauf schrieb "East_Clintwood" (und es dürfte sich womöglich eine weitere Forumsdebatte daraus entspinnen):

    Zitat

    Wer die Bauhaus-Architektur ablehnt, fordert einen Fokus auf das völkische Kulturerbe, also die deutsche Kultur insgesamt, die wieder einmal als einziger Irrweg dargestellt werden soll. Es wird immer absurder. Diese Hysterie ist wie schon oft gesagt einmalig. Alles, wofür wir hier stehen, wird über Nacht „völkisch“, weil eine missliebige Partei dasselbe fordert. Da können wir unsere Anliegen auch gleich begraben. Kulturelles Erbe? Völkisch! Die Rekonstruktion von Kirchen und Schlössern? Völkisch! Barocke Palaisarchitektur? Völkisch! Die Ablehnung des sogenannten „internationalen Stils“? Völkisch! Dieses Wörtchen, das heute so inflationär verwendet wird, wie einst das Wort „undeutsch!“ (bei beidem geht es um die Ausgrenzung missliebiger ästhetischer Vorlieben, die Parallelen fallen für deutsche Ohren offensichtlich gar nicht mehr auf), macht eine ordentliche Karriere. Der Deutsche ändert sich wohl niemals. Immer hat er ein passendes Wort zur Hand, um andere zu diskreditieren und im Sinne der jeweiligen Obrigkeit Positionen und die jeweilige Kulturpolitik zu festigen. Unangenehm, diese Methoden erneut beobachten zu müssen, wenn man aus einem liberalen Land kommt.


    Ich sehe das etwas anders. "Clintwood" geht immer noch davon aus, dass es so etwas wie Teilhabe gäbe, im Diskurs oder in den demokratischen Entscheidungen. Dabei zeigt das Interview doch einmal mehr, dass sämtliche Institutionen von einer fast identisch argumentierenden Kaste, von Personen mit einer ganz spezifischen Haltung, durchsetzt sind. Sie alle teilen den Konsens, dass die Geschichte der deutschen Nation ein Irrweg war, dass man diese Nation möglichst auflösen, mindestens streng einhegen müsse, dass das Land der exakte Negativabzug der NS-Zeit sein müsse, also mit einer möglichst dunkelhäutigen Bevölkerung, am besten mit einem transsexuellen Roma als Bundeskanzler, mit möglichst unhistorischen, futuristischen Gebäuden, mit Offenheit gegenüber allen globalen (bzw. amerikanischen) Kulturtendenzen und mit möglichst viel außenpolitischer Servilität gegenüber dem Hegemon.

    Das ist einfach eine klare Position, und Leute wie Steiner (die schon optisch sofort als Teil eines spezfischen Kultur-Milieus auszumachen ist) und viele andere offenbaren diese doch ganz mit herrlicher Offenheit.

    Insofern kann man solche Vorstöße wie die der AfD gar nicht hoch genug schätzen. Sie zerstören nämlich die Illusion, alles würde gut, wenn man nur die Füße ruhig hält und hofft, Fördergelder für die Rekonstruktion des Glockenturms eines kleinen Barockkirchleins zu erhalten. Nein, nichts wird gut. Es gibt kein Mittun. Es gibt ein wahres Leben im Falschen. Es ist wunderbar, dass man als Traditionalist ausgegrenzt wird, denn das ermöglicht dem Traditionalist, seine Position zu erkennen und zu schärfen. Und es macht ihm klar, dass eine Gesundung erst eintreten kann, wenn die Positionen der herrschenden Kaste deutlich in die Defensive gedrängt wurden.

    Diese Kaste soll in ihrer Fixierung auf NS-Zeit und "Nazis" und in ihrem globalistischen Werk einfach weitermachen. Auch sie wird altern, verfallen, der Verachtung anheim fallen. Sie werden weiter zerstören, aber nach ihnen entsteht die Luft für etwas gänzlich neues.

  • Ich glaube, Ihr widersprecht Euch aber gar nicht, East_Clintwood sagt im Endeffekt ja, dass es Teilhabe nur dann gibt, wann man auf Linie ist. D.h. es gibt eine Teilhabe nur für systemkonforme Leute, nicht für andere.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Doch, denn dabei berief und beruft man sich auf deren ursächliche Ideologie. "Form follows function" musste, einmal etabliert und massenhaft angewandt*, zwangsläufig zu den städtebaulichen Missständen führen, die wir heute beklagen. Ich hätte eigentlich erwartet, dass dir das auch bewusst ist.

    Um vielleicht mal ein gutes Beispiel für "form follows function" zu bringen - wobei ich zugeben muß, daß dieses Konzept meist nicht sinnvoll ist, insbesondere nicht in der Architektur (denn was würde daraus für z. B. ein Einfamilienhaus folgen? identische Gestaltung aller Häuser?).

    Ich habe mir bei Mono zwei kleine Bestecksätze der Serie V bestellt, entworfen von Mark Braun. Wobei das eine reine Liebhaberei ist und die Bestecke schon leichte Gebrauchsspuren aufweisen, im Gegensatz zu den günstigen "WMF"-Bestecksätzen für 14 Euro (made in China), die ich zuvor hatte und die nach Jahren makellos sind.

    Das Ziel (quasi die Funktion): geringer Materialeinsatz, kein Walzen, nur Stanzen in der Produktion

    Die Form: für maximale Festigkeit V-förmiger Querschnitt (ähnlich Einwegbesteck), speziell beim Löffel sieht man auch, daß durch die Herstellungsmethode keine großen Vertiefungen oder Biegungen möglich sind - und als weiteren Pluspunkt der Gestaltung läßt sich durch die V-Form das Besteck stapeln:

    Ich denke, das ist im besten Fall gemeint - das Design ist eine Folge des Konzepts.

    Was nun das Bauhaus betrifft, so kann ich die Bedeutung für Gebrauchsgegenstände und Design nicht einschätzen. Im Bereich der Architektur wird das Bauhaus meines Erachtens aus unerfindlichen Gründen völlig überschätzt, es gibt auch keine spezielle "Bauhaus-Architektur".

    Vor allem ist es auch nicht so, daß man bis zum Aufkommen des Bauhauses traditionell und mit Ornament gebaut hätte, bis dann plötzlich die gesamte Bauproduktion quasi über Nacht zu diesem neuen und zuvor niemals dargewesenen Stil gewechselt sei.

    Dazu dann im nächsten Beitrag noch weitere Gedanken.

    sou perfeito porque / igualzinho a você / eu não presto

  • An anderer Stelle schon geschrieben:

    Irgendwie ist das "Bauhaus" inzwischen so eine Art von Mythos oder "Markenbegriff" geworden, fast wie Apple, einem Unternehmen, von dem man heute irgendwie annimmt, es habe die grafischen Benutzeroberflächen vor 40 Jahren erfunden (dabei gab es damals Amiga, Atari ST mit GEM, Geos usw. - wobei alle bei Xerox geklaut haben).

    Tatsächlich gehen doch die diversen neuen Ideen einer neuen Ästhetik oder der Zusammenführung von Kunst und Handwerk schon auf das 19. Jahrhundert zurück (vgl. z. B. John Ruskin) und führten schon 1907 zur Gründung des Deutschen Werkbunds in München - Mitbegründer Henry van de Velde war ja später am Vorläufer des Bauhauses in Weimar tätig (der Kunstgewerbeschule, deren Gebäude er ja auch entworfen hatte).

    Die damals in Deutschland vorherrschenden Baustile waren Heimatschutzstil und vor allem Neues Bauen, wobei das Bauhaus ebenso wie der Werkbund letzteres bevorzugten. Es ist aber nicht so recht ersichtlich, inwiefern hier vom Bauhaus selbst wesentliche Impulse für die Architektur ausgingen.

    Sozialen Wohnungsbau gab es damals vielerorts, und meist in sehr viel größerem Umfang als in Dessau. Auch das industrielle Bauen ist keine Erfindung des Bauhauses, sondern war Anfang der 20er quasi Gemeingut, wenn ich Architektur aktuell Glauben schenken darf:

    Die weitgehend industrielle Produktion von Gebäuden mittels verschiedenster Vorfertigungs-Technologien ihrer (auf der Baustelle handwerklich zusammengebauten) Elemente existierte indes schon lange vor ihrer „Entdeckung“ durch die Avantgarde des 20. Jahrhunderts.

    (…)

    Beim Holzbau hatte die Vorfertigung von Holzelementen für großangelegte Kolonisierungskonzepte sogar schon Jahrzehnte vorher begonnen: Das Londoner Unternehmen Manning lieferte ab 1820 derartige Systeme für 5 000 englische Siedler in der südafrikanischen Kap-Provinz und in den 1830er Jahren auch für Australien. Die zügige Besiedelung des amerikanischen Westens wurde ebenfalls wesentlich von vorfabrizierten Holz- und Eisenpaneel-Systemen ermöglicht. So werden in der Literatur vorwiegend englische und amerikanische Beispiele für eine frühe und auf Siedlungen beschränkte Bau-Industrialisierung vor 1900 genannt. Einige Systeme dieser Ära – wie etwa jene des englischen Unternehmens Calway and Co., des Liverpooler Ingenieurs J. A. Brodie und des New Yorker Architekten Grosvenor Atterbury – basierten bereits auf Betonpaneelen, während das deutsche Unternehmen Christoph & Unmack seit 1882 Holzelemente für die Baracken des preußischen Militärs produzierte.

    Und in Teil 2 dieser Mini-Serie lesen wir:

    Anfangs lieferte die Rationalisierungsobsession der Avantgarde auch irrationale Planungsergebnisse. Ein erstes Beispiel derartiger Konflikte von technischen Standardisierungen mit realen Nutzerbedürfnissen bot die Siedlung in Dessau-Törten 1926–28, wo Gropius identische Häuser – nur um eine „rationale Fließbandherstellung“ zu demonstrieren – wegen der gewählten Produktionsmethode entlang zweier paralleler Reihen durch die Grundriss-Spiegelung in verschiedene Himmelsrichtungen orientieren musste: Damit opferte er eine wesentliche funktionale Anforderung bewusst einem „höheren Ziel“.

    In praktisch allen derartigen frühen „Industrialisierungs“-Projekten waren die Baukosten wegen der neuen Technologie und der geringen Anzahl an Produktionseinheiten höher als bei etablierten handwerklichen Bautechniken, da diese längst keine Entwicklungskosten mehr verursachten: Die enorme Anfangsinvestition für die neue Produktionstechnik hätte erst in ferner Zukunft durch den Absatz großer Produktionsmengen zurückverdient werden können.

    Es gab doch damals riesige Projekte des Sozialen Wohnungsbaus - denken wir nur an das Neue Frankfurt (mit der Entwicklung der standardisierten, auf Effizienz getrimmten Frankfurter Küche), die vermutlich auch günstiger realisiert werden konnten.

    Im übrigen habe ich mich noch kundig gemacht, im Bauhauskolloquium schreibt Joachim Stahr zum Thema "Industrielles oder handwerkliches Bauen" folgendes (als PDF mit Google sicher auffindbar):

    Er unterscheidet drei Bauformen:

    1. Die althergebrachte rein handwerkliche, individuelle Art der Einzelbauherstellung.

    2. Der gleichzeitige Bau zahlreicher gleichartiger Wohneinheiten in Serie an einem Bauplatz mit Hilfe von Baumaschinen.

    3. Der serienmäßige, rein fabrikatorische Bau von Montagehäusern.

    Das Projekt in Törten gehört indes zu Methode 2:

    Zitat

    Noch dem zweiten Prinzip wurde die Siedlung Dessau-Törten 1926 entwickelt und gebaut. 8 Steinmaschinen lieferten 2000 Stück Hohlblöcke am Tag. Freigespannte Betonrapidbalken wurden mit Baukran auf den Brandwänden abgesetzt.

    Pionier des industriellen Bauens war hier das Neue Frankfurt mit Ernst May:

    Zitat

    Ernst MAY, den wir in diesen Tagen besonders ehren, ließ 1927/1928 in Frankfurt am Main bereits Häuser montieren, deren Elemente aus Bimsbeton in der Fabrik vorgefertigt wurden und 3,00X 1,10X 0,20 m groß waren.

    Quasi ein Vorläufer der DDR-Großblockbauweise ... entsprechend nahm die DDR mit ihrer industrialisierten Bauproduktion später auch gern darauf Bezug, nachdem Bauhaus ja zuvor jahrzehntelang verpönt war.

    Letztlich habe ich schon den Eindruck, daß das Bauhaus stark überschätzt wird, während vieles andere heute in der breiten Öffentlichkeit vergessen ist (man danke nur an die Arbeiten von Bruno Taut in Magdeburg und Berlin). Jedenfalls hat das Bauhaus weder die schmucklosen Fassaden noch die industrielle Fertigung erfunden oder wesentlich vorangebracht.

    Abgesehen davon gab es doch schon vor dem Ersten Weltkrieg die Erkenntnis, daß prächtige Fassaden wenig bringen, wenn dahinter dunkle Wohnungen mit schlechten hygienischen Bedingungen liegen. Entsprechend entstanden ja schon neue Lösungen wie die Gartenstädte oder Reformarchitektur.

    Übrigens war ja Gropius gar kein Architekt, er hatte sein Studium nicht abgeschlossen und konnte auch überhaupt nicht zeichnen.

    Siehe auch hier.

    Zitat

    Ein zweiter Fall, in dem Gropius’ Ambition der Durchbruch zum Massenmarkt verwehrt blieb, war sein Beitrag zur Werkbund-Ausstellung von Modellhäusern in Stuttgart 1927. Das Haus Nr. 17, das dort buchstäblich im Schatten der Häuser von Le Corbusier stand, war als Stahlgerüst mit Füllwänden aus 8 cm starken Expansitkorkplatten und Asbestschieferplatten konstruiert. Winfried Nerdinger zieht auch für diesen Prototyp eine ernüchternde Bilanz: „Nicht nur Kritiker sprachen vom Barackenmäßigen der Bauten, sondern auch die Bauhausstudenten waren enttäuscht über ihren Direktor und meinten, so etwas wie Le Corbusiers Bauten hätte aus Dessau kommen müssen"

    sou perfeito porque / igualzinho a você / eu não presto

  • Wenn ich das alles so lese, bekomme ich den Eindruck, daß "Bauhaus" inzwischen einfach als Logo für den schmucklosen Stil mit den 1000 Namen ("Internationaler Stil", "Neues Bauen", "Moderne", "Sezessionsstil", "Neue Sachlichkeit", "Funktionalismus", "Brutalismus" usw. usf.) benutzt wird, obwohl diese Institution weder Pionier noch Hauptträger dieser Bauweise war, sondern nur auf der damaligen Architekturwelle mal mehr, mal weniger erfolgreich mitschwomm. Die Massen an Genossenschaftsbauten in diesem Stil wurden nicht von Bauhäuslern gebaut, und die ersten Künstler, die sich zum Bauhaus zusammentaten, kamen eher vom Jugendstil her. Mir ist das noch reichlich mysteriös, weshalb das Bauhaus so eine Art quasireligiöse Überhöhung erfährt, denn die tatsächliche gestalterische Auswirkung scheint mir gering zu sein bzw. von anderen zu stammen, nur stets dem Bauhaus gutgeschrieben zu werden, warum auch immer. Es scheint eher ein medialer Mythos zu sein als irgendetwas Reales.