Frankfurt am Main - Fachwerkbauten

  • Inhaltsverzeichnis und Literaturliste


    Die Links führen jeweils zum ersten Beitrag über ein Objekt. Aus der nachfolgenden Diskussion können sich aber weitere Erkenntnisse zu einem Haus ergeben, weshalb es sich empfiehlt, auch die nachfolgenden Posts zu einem Beitrag zu besuchen. Sollte einige Seiten später nochmals auf ein bereits behandeltes Haus zurückgekommen werden, so ist dies im Inhaltsverzeichnis mit "(Teil 1)", "(Teil 2)" etc. vermerkt.

    Im Inhaltsverzeichnis sind teilweise auch schon Häuser aufgelistet, welche für eine Behandlung hier erst vorgesehen sind, und daher in schwarzer Schrift erscheinen.


    Alte Mainzergasse 27
    Alte Mainzergasse 29 "Aldenburg"
    Alte Mainzergasse 29, 31, 33

    Alter Markt 5 "Goldene Waage"
    Alter Markt 7

    Alter Markt 27 "Kleines Paradies"

    Alter Markt 31 "Kellertür"
    Alter Markt 33 "Dracheneck"

    Bendergasse 26 "Pesthaus"
    Bethmannstr. 20 "Heydentanz"

    Börnestr. 26 (Judengasse 147/148) "Rothschild-Haus"
    Fahrtor 1 "Wertheim"
    Goldhutgasse 2 "Widder"
    Grosse Fischergasse 14 "Roseneck"

    Grosse Fischergasse 18 "Rosenbusch"
    Hinter dem Lämmchen 10 "Mohrenkopf"
    Höllgasse 7, 9, 11

    Judengasse 147/147 "Rothschild-Haus"

    Judengasse 150/151

    Judengasse, Hausteilungen

    Limpurger Gasse 2 "Silberberg"

    Karpfengasse 2
    Kleiner Kornmarkt 19 "Grünau"
    Rapunzelgasse 6 (Hinterhaus von "Gross Laubenberg")
    Römerberg 12 "Schwarzer Stern"
    Römerberg 14 "Fleischer"

    Römerberg 27 "Salzhaus"

    Römerberg 28 "Grosser Engel"
    Schmidtstube 1 "Kleine Münze"
    Schnurgasse 15 "Steinheimer"
    Töngesgasse 61 "Grosse Weinrebe"


    (aktualisiert am: 23.5.2023)
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    Literaturliste von Büchern, deren Studium ich sehr empfehle, wenn man sich eingehend mit dem Fachwerkbau befassen möchte.

    Als Einführung in den Fachwerkbau Deutschlands:

    Manfred Gerner I, Fachwerk Entwicklung, Gefüge, Instandsetzung, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979

    Die beiden wichtigsten Bücher über den Fachwerkbau Frankfurts:
    Heinrich Walbe, Das hessisch-fränkische Fachwerk, Hrsg. Heimatbund für Hessen und Nassau, L. C. Wittich Verlag, Darmstadt 1942
    Walter Sage, Das Bürgerhaus in Frankfurt a. M. Hrsg. Deutscher Architekten- und Ingenieurverband, Verlag Ernst Wasmuth, Tübingen 1959

    Für denjenigen, der sich weiter in die Materie vertiefen möchte, empfehle ich die folgenden Bücher:
    Manfred Gerner II, Farbiges Fachwerk Ausfachung, Putz, Wärmedämmung, Farbgestaltung, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1983
    G. Ulrich Großmann, Der spätmittelalterliche Fachwerkbau in Hessen, Hrsg. Verlag Karl Robert Langewische Nachfolger Hans Köster, Königstein im Taunus 1983 (Reihe "Die blauen Bücher")
    Carl Schäfer, Deutsche Holzbaukunst, Hrsg. P. Kanold, Gerstenberg Verlag, Hildesheim 1980 (Neudruck der Aufl. Dresden 1937)
    Manfred Gerner III, Fachwerk in Frankfurt am Main, Hrsg. Frankfurter Sparkasse von 1822, Verlag Dr. Waldemar Kramer, Frankfurt a. M. 1979
    Hans Lohne, Frankfurt um 1850. Frankfurt um 1850. Nach Aquarellen und Beschreibungen von Carl Theodor Reiffenstein [...], Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt a. M. 1967

    Die Bücher findet man nur noch antiquarisch (diejenigen von Gerner und Grossmann evtl. noch in Buchhandlungen), bspw. bei ZVAB - Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher.

  • Haus "Zum Fleischer", Römerberg 14


    Eine Fotografie von 1869, welche den Zugang vom Samstagsberg zum Fünffingerplätzchen zeigt, hält eine Gebäude-Konglomerat fest, welches mein spezielles Interesse geweckt hat. 1873 wurde dort ein Haus abgerissen, welches mit dem Schwarzen Stern, Römerberg 12 und dem Hinterhaus von Bendergasse 30 durch einen Überbau verbunden war. Es handelte sich um das Haus "zum Fleischer", Römerberg 14. Mehr dazu s. hier.

    roem1869x.jpg

    Foto von 1869 von Carl Friedrich Fay mit wegretouchiertem Zwischenbau von Römerberg 14.

    Dieses kleine Gebäude ist mir unter den Hunderten von verschwundenen Altstadtgebäuden an diversen Details besonders aufgefallen. Der Frankfurter Maler Carl Theodor Reiffenstein hat es nicht nur zeichnerisch festgehalten, sondern dazu auch noch baugeschichtliche Beobachtungen während des Abbruchs getätigt. Pläne gibt es leider keine. Aussergewöhnlich ist das Mass der seitlichen Auskragungen der beiden Obergeschosse; hingegen bestanden an der Hauptfassade keinerlei Vorkragungen. Auch die Verteilung der Fenster und deren Form ist bemerkenswert: sie machen weder einen ursprünglichen Eindruck aus der Zeit der Gotik (der Entstehungszeit des Hauses) noch einen barocken/klassizistischen Eindruck (der grösste Teil aller gotischen Häuser hatte im 18./19. Jahrhundert eine Veränderung der Fensteranordnung erlebt).

    Die Rekonstruktion von Fachwerk, auch die zeichnerische, ist ja eine sehr hypothetische Sache. Trotzdem habe ich mich spontan mal an dieses Haus herangewagt, ohne jetzt schon genauere Erläuterungen dazu abzugeben. Die meisten Gebäude verraten an gewissen Details noch vieles über ihre Baugeschichte, auch wenn sie schon sehr stark umgebaut und überformt worden sind.

    Die Fachwerkforschung beruhte ja seit jeher darauf, die ältesten bekannten Beispiele aufzuspüren und miteinander zu vergleichen. Diese Reihe wurde dann mit jüngeren Bauten fortgesetzt, sodass man die (regionale) Entwicklung des Fachwerks bis um die Zeit um 1400 zurückverfolgen konnte. Heute ist man bereits ins 13. Jahrhundert vorgestossen!

    Nun mal zu einem ersten spontanen Vorschlag für die Rekonstruktion von Römerberg 14:

    fw.roem14var1x.jpg

    Auffallen mögen hier die drei durchgehenden Ständer vom Erdgeschoss bis in die Dachkonstruktion hinauf (die sie unterbrechenden Fenstersimse sind nur von vorne aufgesetzt). Man wird sich wohl mehr Verstrebungen vorstellen müssen; rein theoretisch würde aber dieses Fachwerkgerüst halten, da es mit den Erdgeschossarkaden, den Bügen unter den Vorkragungen, sowie mit Hilfe des Dachdreiecks genügend ausgesteift wäre.

    Durch mehrere Geschosse verlaufende Ständer waren vom 13. bis 15. Jahrhundert üblich, konnten aber in Frankfurt nirgends mehr nachgewiesen werden. Das Erdgeschoss, die Fensteranordnung im 1. und 2. Obergeschoss, sowie die Vorsprünge der Mittelpfetten des Dachstuhls verleiteten mich mal zu dieser gewagten Annahme.

    Ein von der Konstruktion her ähnliches Gebäude stand bis 1940 in Heppenheim (Haus des Siebenbürger Hofes), welches Walbe auf Tafel 43-45 vorstellt. Dieses hatte auch nur auf den Traufseiten eine Vorkragung, und in den Giebelwänden keine (der Normalfall ist eher umgekehrt). Sodann konnten in den Giebelwänden drei durch mehrere Geschosse durchlaufende Ständer festgestellt werden, wobei die äussern beiden leicht zueinander geneigt waren! Dieses Beispiel steht bisher alleine da, und es ist eigentlich unzulässig, von einem Einzeltyp auf andere Hauskonstruktionen zu schliessen. Deshalb ist mein erster Vorschlag als sehr hypothetisch zu betrachten!

    heppe.jpg

    Haus des Siebenbürger Hofes. Aus: Heinrich Walbe, Das hessisch-fränkische Fachwerk.

    Ein zweiter Vorschlag basiert auf Grund des Fachwerktyps, welcher in Frankfurt im 15. Jahrhundert vorherrschte, wie ihn Walbe und Sage mehrfach dokumentierten:

    fw.roem14var2x.jpg

    Das Erd- und 1. Obergeschoss sind geschossweise konstruiert, und bedürfen deshalb einer eigenen Austeifung mit Streben und Bügen. Das 2. Obergeschoss und den Dachstuhl habe ich konstruktiv zusammengefasst, aber auch hier mehrere Austeifungen angenommen. In ähnlicher Manier ist auch Römerberg 18 auf dem Samstagsberg rekonstruiert worden, allerdings mit der Annahme eines Fachwerkgerüsts aus dem 15. Jahrhundert, aber unter Berücksichtigung der im 18./19. Jahrhundert vergrössterten Fenster.


    Edit. 30.12.2019:

    Gemäss einem Plan über die Ausgrabungen auf dem Römerberg war Nr. 14 vor Jahrhunderten noch kein Kopfbau, denn westlich von ihm führte die Zeile in gleicher Tiefe noch weiter. Die Giebelwand war demnach ursprünglich wohl eine Haustrennwand. Dies erklärt, weshalb sie keine Auskragungen aufwies. Die Theorie mit über mehrere Geschosse verlaufenden Ständern wird somit wahrscheinlicher, da im frühen hessischen Fachwerkbau Wandständerkonstruktionen meistens in den Seitenwänden zu finden sind.

    Römerberg 14 war ursprünglich wohl ein traufständiges Reihenhaus aus dem 15. Jahrhundert oder früher, mit starken Auskragungen zu beiden Traufseiten hin, aber mit einer Wandständerkonstruktion in den giebelständigen Haustrennwänden.

    Fortsetzung siehe hier.

  • Haus "Grünau", Kleiner Kornmarkt 19, Teil 1


    gruenau_sage_ganz.jpg

    Kleiner Kornmarkt 3-19 ca. 1920/30. (Bild aus: W. Sage, Das Bürgerhaus in Frankfurt, S. 31.)

    Walter Sage hat in seinem Buch (Das Bürgerhaus in Frankfurt a. M.) den Fachwerkbau des 15. bis 19. Jahrhunderts minutiös beschrieben und erforscht. Die behandelten Gebäude sind chronologisch geordnet, sodass man einen sehr guten Überblick über die Entwicklung des Fachwerks erhält. An zwölfter Stelle von 101 erwähnten Fachwerkbauten steht das Haus "Grünau".

    Heinrich Walbe, sein Zeitgenosse, hat kurze Zeit vorher sein Werk "Das hessisch-fränkische Fachwerk" herausgegeben. Drin enthalten sind fünf Frankfurter Fachwerkbauten aus dem 15. Jahrhundert, darunter wiederum die "Grünau". Spätere Autoren erwähnen dieses Haus auch als Beispiel, ohne aber irgendwelche Neuigkeiten zu schreiben.

    Über dem im 19. Jahrhundert vollständig erneuerten Erdgeschoss kragten das 1. Und 2. Obergeschoss stark vor, während die beiden Dachgeschosse keine Vorkragungen besassen. Das einheitliche Fachwerk, das Fehlen jeglicher Architekturgliederung wie Erker, Türmchen etc., sowie die noch aus der Bauzeit des Hauses stammenden Reihenfenster gaben diesem Haus ein stattliches, besonders altertümliches Gepräge. Nur schon durch seine Breite war es unter den freigelegten Fachwerkbauten aufgefallen. Das Besondere: da das 2. Obergeschoss und die beiden Dachgeschosse in einer Ebene lagen, konnte man die senkrechten Balken durch mehrere Geschosse laufen lassen; Walbe hat dies bereits festgestellt, ohne aber genauere Angaben dazu zu machen. Sage gibt sich da schon genauer: "... Der Mittelpfosten läuft von der Schwelle des zweiten Stockes bis zum First durch. Auch die äussersten Zwischenpfosten steigen bis zum Dach auf, wo sie die "Schwelle" (der Konstruktion nach Riegel) des zweiten Dachgeschosses tragen. Wir haben hier einen Rest der altertümlichen Firstsäulen-Konstruktion..."

    Diese Konstruktionsform kam im Laufe des 15. Jahrhunderts allmählich ausser Gebrauch, und bisher ist mir dieses nicht unwichtige Detail noch an keinem anderen Haus in Frankfurt begegnet (ausser an Schellgasse 8 in Sachsenhausen). Walbe und Sage datieren das Haus ins ausgehende 15. Jahrhundert. Über das Innere des 1944 zerstörten Hauses konnte ich in der Literatur nichts finden.

    Der Vergleich eines Planes der Altstadtaufnahme von 1943 mit Photos zeigt schnell, dass ersterer für die weitere Erforschung unbrauchbar ist. Wie kommt man nun aber zu einem massstabsgerechten Plan mit dem aus den Photos ersichtlichen Detaillierungsgrad? Ich zeige mal, wie man mit einfachen Mitteln zu so einer Grundlage kommt (mir standen keine Originalphotos zur Verfügung, sondern nur die Drucke in den Büchern). Als erstes scannt man einen Ausschnitt mit der Fassade möglichst feingradig ein. Diesen Ausschnitt entzerrt man dann so weit, bis die Horizontalen und Vertikalen wieder rechtwinklig zueinander erscheinen. Das Breiten-/Höhenverhältnis erhält man aus der Altstadtaufnahme:


    gruenau_walbe_orig+entz.jpg

    li: Ausschnitt aus Walbe, Tafel 41, ca. 1920/30; re: derselbe Ausschnitt nach dem Entzerren.

    (Die Polarisationsmuster entstehen durch mehrfaches Entzerren und Vergrössern einer Fotografie in Klischeedruck.)


    Die unterschiedlich stark vorkragenden Fassadenebenen sind somit nun noch seitlich verschoben, und müssen anschliessend ausgeschnitten, vergrössert und verschoben wieder eingesetzt werden:


    gruenau_walbe_rek+altstadtaufnahme.jpg

    Links: "Fotographische Planansicht" nach dem Vergrössern und Verschieben des Erd- und 1. Obergeschosses ; rechts: Altstadtaufnahme 1943: Kl. Kornmarkt 15-19.


    Mit Durchpausen kommt man so zu einem Plan, in welchen die aus Photos oder Skizzen erkennbaren Details eingetragen werden können. Auf diese Weise sind die folgenden Ansichten des Hauses "Grünau" entstanden:


    gruenau_farbex+strukturx.jpg

    Links: Planansicht nach der Photographie gezeichnet; rechts: Primärstruktur des Giebelfeldes.


    Nicht erkennbare Details, insbesondere durch Schattenwurf (Dachvorsprung!) und Fensterrahmenverkleidungen, werden im Plan offen gelassen, und können später evtl. mit Hilfe anderer Photos ergänzt werden. Aber immerhin ist dieser Plan schon um einiges genauer als die Altstadtaufnahme von 1943, welche in erster Linie ganze Hausabfolgen darstellt. Spannend wird es aber erst durch die genaue Betrachtung des Planes! Nicht nur der Mittelpfosten und die beiden äussersten Zwischenpfosten laufen bis zum Dach durch, sondern die dazwischen vorhandenen Pfosten liefen einst ebenfalls durch, allerdings nachträglich unterbrochen durch Veränderung der beiden Fenster im 1. Dachgeschoss (in der Ansicht werden alle Pfosten durch die horizontalen Brustriegel unterbrochen. Diese sind aber lediglich vor die Pfosten aufgesetzt, sodass die durchgehenden Pfosten nicht sofort als solche erkannt werden können). Der besseren Übersichtlichkeit halber sind die Pfosten rot dargestellt, und die auf ihnen abgestützten Bodenkonstruktionen blau.

    Ein weiteres baugeschichtliches Detail: Beim rechten Eckpfosten des 2. Obergeschosses ist irgendetwas mal passiert. Vergleicht mal die Photographie, die Planansicht und die Primärstruktur. Findet es jemand heraus?

    Auf diese Weise lässt sich heute noch Fachwerkforschung an längst untergegangenen Häusern betreiben! Für den Laien mag diese Feststellung mit durchlaufenden Pfosten nicht so relevant erscheinen; hingegen für den Fachwerkforscher schon, da dieses Haus ein wichtiges Bindeglied zwischen zwei Fachwerkepochen (Mittelalter, Übergangszeit) darstellt.

  • Haus "Grünau", Kleiner Kornmarkt 19, Teil 2


    Eigentlich wollte ich mich jetzt mit weiteren Fachwerkbauten beschäftigen, doch einige Diskussionen im APH-Forum gestern Abend über moderne Architektur kontra Rekonstruktionen liessen mich an einen Satz erinnern, wie er an den Architekturschulen schon von Anfang an eingetrichtert wird:

    form follows function

    Kann dieser Leitsatz nicht auch auf 500-jährige Fachwerkbauten angewendet werden? Nebst der weiter oben gezeigten Primärstruktur des Hauses "Grünau" haben auch alle andern Balken eine Funktion. Die Aussteifung gegen Umkippen der Primärstruktur wird durch die Streben, Büge, Bänder etc. bewerkstelligt; sogar die Dachsparren haben eine austeifende Wirkung. Wandöffnungen wie Fenster und Türen werden durch die Sekundärstruktur gebildet. Kein einziger Balken bleibt so funktionslos. Also schon die Zimmerleute vor 500 Jahren haben diesem Leitsatz nachgelebt! :biggrin:Vielleicht ist es das, was mich an diesem Haus so fasziniert...

    gruenau_analyse.x.jpg

  • Haus "Grünau", Kleiner Kornmarkt 19,Teil 3


    Dank einem Beitrag von RMA im APH mit einer hochauflösenden Fotografie möchte ich diese nun genauer betrachten:

    gruenau-raw-thumbh3d.jpg

    (ins Bild klicken zum Vergrößern)


    Die Erforschung von untergegangenen Gebäuden basiert oft auf Fotografien und Planaufnahmen. Fotos zeigen allerdings nur den letzten Zustand und dokumentieren damit selten den ursprünglichen Zustand eines Hauses. Es gilt daher, speziell die jüngsten baulichen Eingriffe unter die Lupe zu nehmen. Insbesondere bei damaligen Restaurierungen/Rekonstruktionen muss deren Qualität geprüft werden, bevor man baugeschichtliche Rückschlüsse vornimmt. Diese Frage stellte sich auch bei der Erforschung des Hauses "Kellertür", Markt 31, wo mich speziell interessiert hatte, ob bei der Freilegung des Fachwerks einige Rekonstruktionsergänzungen vorgenommen wurden.

    Vom Haus "Grünau" gibt es auch Fotos vom Zustand vor der Fachwerkfreilegung, auf denen man erkennen kann, dass die Fensteranordnung vorher anders war. Durch ein Übereinanderprojizieren eines Fachwerkplans und der Fotografie kann man leicht sehen, welche Partien eine Rekonstruktion erfuhren und was noch ursprünglich war:


    akklkor19.jpg

    Werbeansichtskarte, gelaufen1925, Verl. Bradenstein, Vertr. Rob Fleischbein, Frankfurt, M.


    gruenau-verputzt.jpg . gruenau-ueberl.jpg . gruenau-rek.jpg

    Links: entzerrter Ansichtskartenausschnitt; Mitte: Projektion mit der Fachwerkaufnahme nach 1938; rechts: dunkelbraun = Originalbestand, hellbraun = 1938 rekonstruiert.


    Auf der Fotografie von RMA im sind diese Ergänzungen nicht auszumachen. Die neu eingebauten Balken wurden also von der Oberfläche her völlig den alten angeglichen! Anhand der original erhaltenen Brüstungen konnte die ursprüngliche Fensterteilung wohl eindeutig rekonstruiert werden. Besonders erwähnen möchte ich den Verputz, welcher nicht schokoladetäfelchenartig über die Balken vorsteht, sondern glatt abgestrichen ist. Sehr wahrscheinlich wurde bei der letzten Restaurierung ein Kalkputz verwendet (in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es üblich, die Gefache mit einem Zementputz zu überziehen. Da dieser mindestens 3 bis 4 cm dick sein musste, entstanden vorstehende Putzfelder, welche dem historischen Aussehen nicht entsprachen. Kalkputze können viel dünner aufgetragen werden).

  • Alter Markt 7, das rechte Nachbarhaus der Goldenen Waage


    Anlässlich der letzten im Ansichtskarten-Thread im APH vorgestellten Ansichtskarte mache ich nun einen Schritt ins 18./19. Jahrhundert, dem Ende der Sichtfachwerk-Epoche, und werfe dabei einen Blick auf die Nachbarhäuser der "Goldenen Waage":

    Zitat von "RMA"

    Zum Abschluß noch ein fantastisches Foto von Paul Wolff aus den späten 30er Jahren, das ich vor einiger Zeit auf eBay ersteigert habe. Es zeigt sehr schön, wie auf für heutige Zeit unvorstellbar aufwändige Weise jedes Detail ausgeführt wurde - ob die Schnitzarbeiten der Eckständer zum Markt, die Steinmetzarbeiten an den Arkaden und Kragsteinen des Erdgeschosses oder die Schlosserarbeiten in den Oberlichtern der Arkaden - ein ganzer Schlag Kunsthandwerker war mit der Verzierung dieses Gebäudes aus der Blütezeit des Fachwerkbaus beschäftigt...

    Zitat von "Riegel"

    Auf dieser Ansichtskarte erkennt man auch recht gut, dass das Fachwerk des westlich an die "Goldene Waage" anschliessenden Nachbarhauses; Alter Markt 7, lediglich auf den Verputz aufgemalt war; also illusionistisches Fachwerk, oder modern ausgedrückt, Pseudo-Fachwerk. Solche Scheinfachwerke waren um 1900 auch andernorts in der Altstadt anzutreffen, worauf ich mal im Fachwerk-Thread zurückkommen werde.

    Zitat von "RMA"

    Das Haus (Markt 7) hieß übrigens Weißer Bock und stammte laut der Dreysse-Studie aus dem 16. Jahrhundert:

    Urkundliche Erstnennung: 1467. Das Gebäude mit drei Vollgeschossen stand giebelständig an der Gasse und schloss mit einem doppelstöckigen, steilen Dach ab. Die Vollgeschosse hatten sechs Fenster pro Geschoss. Das Erdgeschoss erfuhr im Lauf des Bestehens zwei Umbauten. Das 18. Jahrhundert wechselte das Fachwerk aus, und im späten 19. Jahrhundert wurden die barocken Bogenstellungen samt Konsolsteinen durch Eisenstützen für neue Ladeneinbauten ersetzt.

    Der Dokumentationszustand wird dort (sicher wie so oft fälschlich) als sehr schlecht angegeben. Es ist wichtig, das zu widerlegen, um zu verhindern, dass man dort einen modernen Füllbau hinstellt, der die Wirkung der Goldenen Waage völlig verhunzt - was sicher Wunschtraum eines manchen modernen Architekten ist. ;)

    Vielleicht kannst du den Bau ja in deinen Thread zu Fachwerk-Rekonstruktionen in Frankfurt aufnehmen?


    goldw2.jpg
    Von links nach rechts: Höllgasse 9, 11, Goldene Waage, Markt 7, 9, 11 (Bildquelle: Kunstanstalt Lautz & Balzar, Darmstadt, ca. 1900).


    Das Fachwerk der Goldenen Waage wurde 1898 freigelegt. Auf frühesten Ansichtskarten aus jener Zeit (sie zeigen anstelle der späteren Stützmauer zur Höllgasse noch eine Böschung mit Holzgeländer) zeigt das westliche Nachbarhaus, Markt 7, ebenfalls Fachwerk. Auf späteren Abbildungen ist dieses Fachwerk aber verschwunden, oder wie in der oben "zitierten" Ansichtskarte nur noch rudimentär erkennbar. Eindeutig handelte es sich hier um aufgemaltes Fachwerk, wie es um die Jahrhundertwende an verschiedenen Orten so zu sehen war. Die gegenüberliegende Fassade von Markt 10 (hier nicht sichtbar) sowie die spätbarocke/klassizistische Fassade von Höllgasse 9 wurden damals ebenfalls mit illusionistischem Fachwerk "historisiert".

    Das späte 18. Und frühe 19. Jahrhundert war jene Epoche, während derer praktisch alle Fachwerke verputzt wurden. Dies hatte aber keine Bauvorschriften als Ursache, sondern war eher eine Frage des Geschmacks jener Zeit (erst 1809 wurde der Fachwerkbau in Frankfurt verboten, was aber eher nur für Neubauten galt; ich denke kaum, dass diese Bauvorschrift auch das Verputzen der bestehenden Altbauten betraf). Dadurch erhielt das Stadtbild den Charakter einer steinernen Stadt. Erst der Historismus entdeckte den Fachwerkbau wieder; vielmehr aber seine dekorative Bauform als denn seine Konstruktionsform. Dies führte dann zu einer eigentlichen Welle von illusionistischen Fachwerkfassaden, wobei eigentliche Restaurationen bis in die 1930-er Jahre die Ausnahme blieben.


    akgoldwkellnerthumb.jpg zoom.gif
    Von links nach rechts: Höllgasse 7, 9, 11, Goldene Waage, Markt 7, 9, 11... (Bildquelle: Verlag von Emil Hartmann, Mannheim, ca. 1940)


    Zu Markt Nr. 7: Die starken Vorkragungen der beiden Obergeschosse sowie die die ganze Hausbreite einnehmenden Reihenfenster verraten den verputzten Fachwerkbau. Bei einem massiv gebauten Gebäude müssten neben den Fenstern noch Mauerpartien vorhanden sein, welche die grösere Last tragen konnten. Beim viel leichteren Fachwerkbau war dies nicht mehr nötig, und statisch genügte es, wenn die ganze Wand in einzelne Pfosten aufgelöst wurde (auf aussteifende Streben konnte verzichtet werden, da man mit der Standhaftigkeit der Nachbarhäuser rechnete...). Es interessiert aber, ob die Fensteröffnungen noch die ursprünglichen sind, oder das Resultat eines Umbaus. Ob das Haus aus dem 15., 16. oder 17. Jahrhundert stammte, kann aus den Abbildungen nicht ersehen werden. Die oben zitierte Dreysse-Studie gibt als Bauzeit das 16. Jahrhundert an.

    Giebelständigkeit, das steile Dach mit Nasengiebel sowie die beiden Vorkragungen (ab 1719 durfte bei Neubauten nicht mehr als eine Vorkragung erstellt werden) unterstützen diese Altersangabe; jedenfalls gehört das Haus der Epoche mit Sichtfachwerk an. Die Reihenfenster, welche das Haus auf den Fotos aufwies, schlossen im 1. Obergeschoss mit geraden Stürzen, im 2. Obergeschoss hingegen mit stichbogigen Stürzen, was auf eine Veränderung hinweist. Meist ging das Verputzen von Fassaden mit einer Vergrösserung der Fenster und deren regelmässigen Anordnung einher. Wann diese Veränderung in der Fensterdisposition stattfand, kann nur mit datierten Vergleichsbeispielen geschätzt werden:


    goeth159xx.jpg kllim.jpg
    links: Goethehaus, Fensterform von 1755 mit Stichbogen und Schlussstein;
    rechts: Klein Limpurg; Fensterform von 1806 mit geradem Sturz.


    Einen ersten Anhaltspunkt gibt uns das Goethehaus, dessen Fassade dem Umbau von 1755 zu Grunde liegt. Dort schliessen die regelmässig angeordneten Einzelfenster auch in einem Stichbogen ab, mit einem "Schlussstein" in Scheitelmitte. Einen weitern Anhaltspunkt gibt die Fassade des Hauses "Klein Limpurg", Römerberg 17, welches 1806 grundlegend umgebaut wurde. Seine Einzelfenster wiesen einen geraden Sturz auf, aber ohne Schlussstein. Bei Neubauten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts schliesslich kommen nur noch Fenster mit geraden Stürzen vor.

    Auch wenn bei Markt 7 Reihenfenster statt Einzelfenster vorhanden waren, darf man aus dem voran geschriebenen als Annahme schliessen, dass seine Fassade in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts umgebaut und verputzt wurde. Es hatte auch Stichbogenfenster, aber keine Schlusssteine mehr; zeitlich dürften die Fenster also zwischen die beiden Beispiele einzuordnen sein. Dies könnte mit der Angabe in der Dreysse-Studie zum Erdgeschoss (Das 18. Jahrhundert wechselte das Fachwerk aus, und im späten 19. Jahrhundert wurden die barocken Bogenstellungen samt Konsolsteinen durch Eisenstützen für neue Ladeneinbauten ersetzt), übereinstimmen. Woher die Angabe stammt, dass das Erdgeschoss einst auch aus Fachwerk bestanden haben soll, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Die Grösse resp. Höhe der Fenster ist ab 1600 bereits möglich (s. Goldene Waage, Schwarzer Stern, Haus Wertheim, alle um ca. 1600). Die Fenstersimsen liegen im 2. Obergeschoss allerdings etwas tiefer als im ersten; offenbar wurden diese im 18. Jahrhundert tiefer gesetzt. Eingriffe ins ursprüngliche Sichtfachwerk haben also sicher stattgefunden. Wohl im Anschluss an die Renovation der Goldenen Waage 1898 erhielt die Fassade die Bemalung mit einem Pseudo-Fachwerk.

  • Höllgasse 7-11, die linken Nachbarhäuser der Goldenen Waage


    Alle drei Häuser (s. Abbildungen im vorangehenden Beitrag) stehen, wie auch die Goldene Waage, traufständig zur Höllgasse. Zudem weisen sie eine Vorkragung über dem Erdgeschoss auf, im Obergeschoss hingegen nicht. Trotz der dominierenden barocken/klassizistischen Architektur der einzelnen Häuser (Mansardendächer, Fensteranordnung) erweckt die Häusergruppe einen altertümlicheren, lebhafteren Eindruck, wie er eher den gotisch geprägten Gassenräumen eigen ist; allerdings auch durch die Höhenstaffelung bedingt.

    Um der Baugeschichte auf die Spur zu kommen, beginne ich mit dem ältesten erkennbaren Baudetail, den Vorkragungen:

    Bauvorschriften, zitiert nach Walbe:

    1418 wird die Zahl der zulässigen Überhänge auf zwei beschränkt

    1433 verbietet der Rat ohne Sondererlaubnis die Überhänge in schmalen Gassen ganz

    1711 wird die Errichtung massiver Erdgeschosse verlangt

    1719 verbietet der Rat mehr als nur einen einzigen Überhang von einem Fuss (ca. 30 cm) Breite bei Neubauten

    1809 erfolgt das allgemeine Verbot für Fachwerkbau sowie die Anlage von Überhängen und "Belverderchen"

    Solche Vorschriften galten jedoch nur für Neubauten; bei Umbauten (und diese waren ja häufiger) konnte man die Vorschriften umgehen. Die Abschaffung der Überhänge gelang also nicht. Somit überlebten die aus gotischer Zeit stammenden Vorkragungen häufig die späteren Umbauten im 18. Und 19. Jahrhundert, was offensichtlich auch bei den Höllgasse-Häuser zutraf.


    Höllgasse 11: Das überhohe Erdgeschoss (mit einem Mezzaningeschoss) springt sofort ins Auge. Ob dieses seinen Ursprung in der Angleichung an die Goldene Waage hatte, oder schon älter als letztere war, kann ich nicht bestimmen. Auf Grund der schlanken Bauweise scheint es aus Holz konstruiert zu sein, wobei aber auch eine Eisenkonstruktion des 19. Jahrhunderts in Frage kommen könnte. Das 1. Obergeschoss besticht durch das Zweier- resp. Dreierfenster. Das Fensterformat gleicht wieder solchen an Häuser um 1600 (Goldene Waage, Schwarzer Stern, Haus Wertheim). Hier kann also mit unverändertem, ehemals sichtbarem Fachwerk gerechnet werden. Das Gurtgesims darüber kaschiert eine wenige Zentimeter starke Vorkragung. Im 2. Obergeschoss sitzen vier Einzelfenster mit stichbogigem Sturz ohne Scheitelstein, und darüber folgt ein Mansarddach (welches durch einen Quergiebel und daran sich anschmiegende Dachgauben praktisch aufgelöst ist). Also auffallende Stilmerkmale, wie wir sie vom Goethehaus und Klein Limpurg her kennen. Als Arbeitshypothese nehme ich mal an, dass das Haus um 1600 als Sichtfachwerkhaus neu gebaut worden ist, und um 1800 ein Um-/Neubau des 2. und des Dachgeschosses stattfand, anlässlich welchem das Fachwerk verputzt wurde. Ein noch älterer Kern (Keller, Erdgeschoss) ist im Innern nicht auszuschliessen.


    Höllgasse 9: Das Erdgeschoss scheint kein Zwischengeschoss zu verfügen, und zeigt eine typische, in Stützen aufgelöste Ladenfront aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Über der Vorkragung folgen zwei identische Obergeschosse mit je drei stichbogenförmigen Fenster. In der Mitte wiederum ein Gurtgesims, welches hier aber nur eine Zierfunktion übernimmt. Wie beim Nachbarhaus Nr. 7 bedeckt ein Mansarddach mit breitem Quergiebel das Haus, hier aber ohne seitliche Gauben. Die Stilmerkmale der Obergeschosse weisen wiederum in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ältere Bausubstanz ist von aussen her nicht erkennbar, sodass lediglich die starke Vorkragung einen älteren Kernbau verrät. Jedenfalls handelte es sich auch hier um einen Fachwerkbau, dessen letzte Fassadengliederung aber mit einem Verputz rechnete. Die Restaurierung der goldenen Waage 1898 dürfte auch hier den Ausschlag zu einer illusionistischen Fachwerkbemalung gegeben haben, welche sehr selten auf Fotos zu sehen ist (s. grosses Bild im vorangehenden Beitrag).


    Höllgasse 7: Dieses zurückversetzte Gebäude war ein grosses Eckhaus am Krautmarkt und an der Einmündung des Tuchgadens in die Bendergasse. Die Architektur entspricht völlig jener von Höllgasse 9, nur ist sie viel reicher ausgestaltet (Girlanden auf den Fensterbogen, Ecklisenen). Anhand der Vorkragung kann geschlossen werden, dass die Obergeschosse in Fachwerk konstruiert sind. Die Girlanden machen einen sehr steifen Eindruck, weshalb sie eher dem Klassizismus als dem Barock zuzuordnen sind. Auch hier nehme ich mal als Arbeitshypothese an, dass dieses Haus Ende des 18. Jahrhunderts mindestens ab dem 1. Obergeschoss als verputzter Fachwerkbau neu errichtet worden ist.

  • Grosse Fischergasse 18, "Rosenbusch"


    Mit seinem steilen, dreigeschossigen Giebel dominierte das Haus Grosse Fischergasse 18 das Plätzchen am "Roseneck". 1935 erfolgte eine grössere Renovation, bei welcher das Fachwerk teilweise freigelegt wurde. Viele Abbildungen des Hauses vor und nach der Renovation finden sich hier.

    Bei dieser Renovation wurde am Fachwerk einiges verändert, was eine bauhistorische Betrachtung sehr erschwert, wenn man sich lediglich Fotos von nach der Renovation anschaut. Planaufnahmen sind mir keine bekannt, hingegen findet sich bei W. Sage eine kleine Abbildung, welche die Fassade mit abgeschlagenem Verputz zeigt. Sicher wird das Original der Fotografie noch vorhanden sein, doch für einen ersten Versuch begnügte ich mich mit dieser relativ unscharfen Abbildung.


    grfis18_sage.jpg akrosen5ax.jpg
    links: Abb. aus W. Sage "Das Bürgerhaus in Frankfurt" Tafel 33a, 1935 / rechts: Ausschnitt einer Ansichtskarte vom Postkartenverlag M. Jacobs, Frankfurt a. M., geschrieben 1940


    Augenfällig handelte es sich um ein sehr uneinheitliches Fachwerk, doch leicht lässt sich links ein dreigeschossiger Kernbau mit scheinbar gekapptem Giebel herausschälen. Dieser Kernbau zeigt eine enge Verwandtschaft zum weiter oben beschriebenen Haus "Grünau" am Grossen Kornmarkt 19: Vorkragungen über dem Erd- und 1. Obergeschoss, überkreuzte Fuss- und Kopfstreben sowie das vierteilige Reihenfenster im 2. Obergeschoss. Hingegen fehlen die Viertelkreisstreben, und es besteht auch kein konstruktiver Zusammenhang mehr zwischen dem 2. Obergeschoss und den Dachgeschossen.

    Dieser Fachwerktyp findet sich vom Ende des 15. Jahrhunderts an bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts, als sich die Verstrebungsart wesentlich weiterentwickelte, aber noch nicht zur "Mannfigur" gedieh. Nicht umsonst nennt man diese Epoche der Fachwerkentwicklung "Übergangszeit".

    Später wurde das Haus verbreitert oder mit seinem Nachbarhaus vereinigt, und mit einem neuen, mächtigen Satteldach versehen, wobei Teile des alten Dachstuhles weiter verwendet wurden. Eine zeitliche Einordnung dieses Umbaus ist sehr schwierig, da keinerlei bautechnischen Details sichtbar sind. Ausschliesslich waagrechte und senkrechte Balken sowie kleine, uneinheitliche Fenster gab es über Jahrhunderte hinweg. Einzig der steile Giebel gibt ein Indiz, dass dieser spätestens im 17. Jahrhundert entstanden sein wird.

    Als dritte wesentliche Bauetappe sind diverse Ausbrüche und Erweiterungen von Fensteröffnungen anzusehen, insbesondere durch tiefer gelegte Fensterbrüstungen. Erst diese Veränderungen der Fensteröffnungen gaben der Fassade ihr unruhiges Bild. Wahrscheinlich erfolgten sie zu der Zeit, als das Fachwerk um 1800 verputzt wurde.


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    Bauetappenplan der Westfassade (ohne Erdgeschoss) von Grosse Fischergasse 18, gezeichnet auf Grund der beiden oben abgebildeten Fotos.

    Anhand dieses "Aufnahmeplanes" gestaltet sich eine zeichnerische Rekonstruktion des ursprünglichen Baus (braun) immer noch als sehr schwierig. Insbesondere die Balkenverbindungen und -überkreuzungen konnten nicht überall genau erkannt werden. Man darf nun nicht versucht sein, Fehlendes gemäss der Fassade von Haus "Grünau" zu ergänzen.

    Erdgeschoss: Wie bei letzterem ist auch bei Grosse Fischergasse 18 die Erdgeschossfassade komplett ersetzt worden. Ob ursprünglich ebenfalls Fachwerk oder Mauerwerk bestand, lässt sich nicht eruieren.


    Im 1. Obergeschoss gehören lediglich die sich überkreuzenden Fuss- und Kopfstrebe und der Bundständer zum Kernbestand; die Schwelle, Eckständer und Rähm (= oberer Wandabschlussbalken) dürften ebenfalls noch aus der Erbauungszeit stammen. Holznagellöcher, welche die Zapfenverbindungen zusammenhielten, sind keine ersichtlich. Anhand solcher hätte man den ursprünglichen Balkenverlauf weiter bestimmen können. Die grossen Fenster sind klassizistischen Ursprungs, und haben bei ihrem Ausbruch im 19. Jahrhundert das ursprüngliche Fachwerk grösstenteils zerstört.


    Im 2. Obergeschoss hat mehr originale Substanz überdauert. Auch hier wiederum überkreuzte Fuss- und Kopfstreben, diesmal aber an den Eckpfosten, dafür aber am Bundpfosten nicht! Interessanterweise stehen die Eckpfosten nicht auf der Schwelle, sondern stehen direkt auf den auskragenden Deckenbalken, sodass die Schwelle zwischen die Eckpfosten eingezapft ist. Diese Ecklösung erstaunt hier sehr, da eine solche eher dem 13. und 14. Jahrhundert eigen ist! Unter dem rechten Eckpfosten befand sich eine schlanke Knagge, welche auch keine baugeschichtlichen Hinweise mehr gibt. Könnte es nicht, wie im ersten Obergeschoss, auch am Bundpfosten überkreuzte Strebenpaare gegeben haben? Wenn es solche je gegeben hätte (wie W. Sage es vermutete), dann hätte wohl das rechte Strebenpaar überdauert, denn die rechte Wandhälfte mit dem Vierer-Reihenfenster scheint ebenfalls noch original zu sein. Ein Entfernen des Strebenpaars wäre demnach ja sinnlos gewesen, oder es hätte mindestens noch Spuren in den Gefachfüllungen oder Holznagellöcher hinterlassen. Das ursprüngliche Aussehen der linken Wandhälfte muss offen bleiben; eine symmetrische Ergänzung mit einem weiteren Vierer-Reihenfenster ist fraglich, da von einem solchen mindestens noch der linke Fensterstiel nahe bei den Streben hätte überdauern müssen. Auch von allfällig vorhanden gewesenen Viertelkreisstreben hätten in den grösstenteils intakt gebliebenen Fensterbrüstungen einzelne Exemplare überdauern müssen (oder Holznagellöcher davon).


    1. Dachgeschoss: Wie bereits erwähnt, ist dieses konstruktiv nicht mehr mit dem 2. Obergeschoss verbunden, obwohl beide in einer Ebene lagen. Bemerkenswert ist das vollständige Fehlen von Streben. Die einzige Störung scheint der Ausbruch einer Aufzugsöffnung zu sein, welche später zu einem Fenster verkleinert wurde. Das Fenster links zeigt mit seinem "Kreuzstock" eine sehr altertümliche Form, sodass ich auch dieses dem Kernbestand zuordne (die rechte Hälfte nachträglich zugemauert). Die drei vorstehenden Balkenköpfe unter dem Kehlbalken (auf den Photos oben nicht sichtbar, dafür aber auf einer Zeichnung Reiffenstein's festgehalten) verraten die Dachkonstruktion mit einem dreifach stehenden Stuhl.


    Das Giebelfeld darüber wurde offenbar bei der Errichtung des grösseren Dachstuhles gekappt, denn die beiden vorstehenden Balkenköpfe der oberen Mittelpfetten gehören zu letzterem. Der Einbau der linken Pfette wäre unter Belassung des ursprünglichen Firsts sehr aufwändig gewesen, und macht deshalb keinen Sinn.


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    Rekonstruktionsvarianten für den Kernbau: links Rekonstruktion mit zurückhaltenden Ergänzungen; rechts mit weitergehenden Ergänzungen, wie sie auch W. Sage in Textform vorschlägt.


    Mit einigen Hypothesen, Vergleichsbeispielen und bautechnischen Überlegungen lässt sich eine Vorstellung vom ursprünglichen Aussehen des Kernbaus gewinnen. Wohl handelte es sich um ein einfacheres Gebäude als die "Grünau", aber trotzdem haben beide einige Details gemeinsam. Die konstruktive Trennung der Geschosse war bei Grosse Fischergasse 18 fortschrittlicher, hingegen die Eckpfostenlösung altertümlicher als bei der "Grünau". Die Fensterform ist bei beiden identisch, ebenso die Art der Verstrebung, auch wenn bei Grosse Fischergasse 18 nirgends Viertelkreisstreben vorhanden waren, was aber auf deren einfachere Bauweise zurückgeführt werden kann. Die tatsächliche Gestalt des Hauses dürfte irgendwo zwischen den beiden Rekonstruktionsversuchen zu finden sein.

  • Haus "Kellertür", Alter Markt 31, Teil 1


    Meine Faszination für dieses Haus hat verschiedene Ursachen; einerseits durch die Menge des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials, andererseits durch die bessere Auswertungsmöglichkeit, da das Haus kurz vor seiner Zerstörung im März 1944 noch restauriert worden war. Auch lotete ich an ihm die Möglichkeiten von Photoshop bis an dessen Grenzen aus, ohne übermässig viel Bites hineinpacken zu müssen. All dies schlägt sich in der Länge dieses Berichtes nieder.

    Es handelte sich um ein viergeschossiges Fachwerk-Eckhaus, welches an der Ecke bei der Einmündung der Goldhutgasse in den Alten Markt stand, schräg gegenüber des heute noch bestehenden "Steinernen Hauses". Das Erdgeschoss nahm eine Grundfläche von lediglich vier auf acht Meter ein! Die schmale Hauptfassade schaute gegen Norden, und eine Seitenfassade gegen Osten. An den andern beiden Seiten war es mit Nachbarhäusern zusammengebaut.


    zu den Bildquellen:

    Zuerst stelle ich mal alle Bildquellen vor, welche ich in der Literatur und im Internet finden konnte, sowie aus meiner eigenen Sammlung. Archivarbeit, wie die Sichtung allfällig vorhandener Pläne und Originalphotos, führte ich bisher noch keine aus. Diese würde mich in einer zweiten Bearbeitungsphase weiter bringen, aber es reizte mich mal, das Maximum an Forschungsarbeit aus der Ferne herauszuholen!


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    Alter Markt 31 und 33, links: Abb. aus Walbe, T. 41; mitte: Abb. aus http://www.altfrankfurt.com; rechts: Abb. aus Gerner III, S. 18


    Das beste Bild, das sich für die Auswertung resp. Entzerrung eignete, fand ich bei H. Walbe (s. Literaturliste am Anfang dieses Stranges). Obwohl nur als Klischeedruck vorhanden, ist es das einzige, welches die Hauptfassade vom Sockel bis zum First vollständig zeigt. Details wie Holzverbindungen und Balkenüberkreuzungen sind aber nicht erkennbar.


    Eine Aufnahme in http://www.altfrankfurt.com zeigt das Haus leicht angeschnitten, aber schärfer.
    Eine dritte Ansicht der Hauptfassade, aufgenommen vom Portal des Steinernen Hauses aus, findet sich bei M. Gerner III, und ebenfalls in schlechter Qualität. Die Originale aller drei Abbildungen würden natürlich wesentlich mehr hergeben!


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    Links: Rekonstruktionsskizze aus Walbe, T. 41; rechts: Alter Markt 25 - 33, Altstadtaufnahme 1943, aus Sage, S. 63.


    Die Rekonstruktionsskizze von H. Walbe sei hier auch wiedergegeben, da ich diese ebenfalls einer kritischen Betrachtung unterzog (bei den über hundert Beispielen, welche Walbe bearbeitete, konnte er natürlich nicht bis ins letzte Detail gehen). Die Altstadtaufnahme von 1943 ist nicht vermasst, leistete mir aber wertvolle Dienste für das Breiten/Höhenverhältnis bei der Entzerrung der Fotografien. Details dürfen aber aus diesen Aufnahmen keinesfalls herausgelesen werden!


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    Links: Ausschnitt aus einer Ansichtskarte vom Kunstverlag C. Lukow, Saarbrücken, ca. 1940; Mitte: Privataufnahme 1938 (Sammlung Riegel); rechts: Abb. aus Sage, T. 28,b.


    Eine weitere Ansicht zeigt eine Ansichtskarte, allerdings aus grösserer Distanz, und damit mehr von der Seite. Dafür ist hier aber die dritte Dimension am besten erkennbar, was für die Eruierung der Auskragungen dienlich war. Insbesondere dank ihr liess sich auch nachweisen, dass sogar das Giebelfeld leicht auskragte! Auch sie musste für eine Entzerrung hinhalten, um die Qualität der Entzerrungsmethode nachzuprüfen, und lieferte erstaunlicherweise dasselbe Ergebnis wie aus Walbe's Ansicht.


    Eine private Fotografie zeigt das Erd- und 1. Obergeschoss der Seitenfassade zur Goldhutgasse hin, nach der Freilegung des Fachwerks.
    Schwach erkennbar ist die Seitenfassade, allerdings vor der Freilegung des Fachwerks, auch auf einer Abbildung bei W. Sage. Diese Ansicht eignete sich nicht für eine weitgehende Untersuchung, aber sie zeigt am deutlichsten das Erdgeschoss mit den Ladenerker, sowie die Knaggen und Büge an der Gebäudeecke.


    zur Literatur:

    H. Walbe (Das hessisch-fränkische Fachwerk) schreibt lediglich, dass das Haus nach 1500 erbaut, und die Fenster verändert worden seien. Zudem fügt er die oben abgebildete Rekonstruktionsskizze der mutmasslich ursprünglichen Form bei.

    W. Sage (Das Bürgerhaus in Frankfurt a. M.) beschreibt es als Bestes der bis vor dem Krieg erhaltenen Fachwerkbauten der Übergangszeit in Frankfurt. Das Erdgeschoss ist stark verändert, lässt aber die Anlage mit starken Holzpfosten noch erkennen. Die Verriegelung unter den weit vorkragenden Deckenbalken erfolgt mittels lang heruntergezogener, einfach gebogener Büge. Unter dem zweiten Obergeschoss finden sich überlange Knaggen (offensichtlich hat er hier die Begriffe "Büge" und "Knaggen" verwechselt). Während das erste und zweite Stockwerk auf langen Knaggen und Bügen vorkragen, ist das dritte "aufgekämmt", d. h., die Deckenbalken liegen nicht mehr einfach auf dem Rähm auf und werden durch Knaggen festgehalten, sondern sie greifen mit einer Nut in den Rähm ein, und deshalb sei keine weitere Verriegelung mehr nötig, und demnach auch keine Vorkragung mehr. Diese Konstruktionsweise kommt wie die wandhohen Streben in der Übergangszeit auf, und verdrängt im 16. Jahrhundert die Knaggenverriegelung. Das Fachwerk ist in allen drei Obergeschossen gleich, zeigt aber überall Veränderungen an den Fenstern. Nur im ersten Obergeschoss haben die drei mittleren Fenstern noch die alte Breite. Nach Walbe's Rekonstruktion sind die Eckpfosten mit "Männern" in der Übergangsform mit gebogenen Hölzern verstrebt, und die beiden Zwischenpfosten mit je zwei im Viertelskreis gebogenen Streben abgestützt. In den obersten beiden Geschossen wurden diese Gruppen anscheinend bei der Veränderung der Fenster zusammengeschoben. Beide Strebenformen sind an Fachwerkhäusern aus der Zeit um 1500 in der Gegend typisch. Im ersten Stock sind noch die ursprünglichen schmalen Fenster zu sehen, nur dass diese einst unter einem besonderen Sturzriegel endeten. Im zweiten Obergeschoss sind noch - ganz an den "Mann" herangedrückt - die Gewändepfosten der ursprünglichen äussersten Fenster zu sehen. Weiter verweist Sage auf die benachbarten Häuser Nr. 27 und 33, welche ebenfalls Fachwerk der beschriebenen Art besitzen.

    M. Gerner (Fachwerk in Frankfurt am Main) schliesslich gibt nur eine kurze Zusammenfassung von Sages Beschreibung wieder, verweist ebenfalls auf die Verriegelung des ersten und zweiten Obergeschosses, sowie auf das aufgekämmte dritte Obergeschoss. Die Viertelkreisfussstreben seien nur schmückend angeordnet.


    zur Auswertung:

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    Entzerrte Ausschnitte; links: Walbe; Mitte: Ansichtskarte; rechts: Privataufnahme.


    Das Resultat der entzerrten Fotografien braucht nicht gross kommentiert zu werden, da ich diese nur für die Umzeichnung in Planform benötigte (das Vorgehen ist im Beitrag zum Haus "Grünau" näher beschrieben). Details werden dann aus der Sichtung aller vorhandenen Abbildungen nachträglich eingetragen. Die Umzeichnung der Seitenfassade ergab bis jetzt noch kein brauchbares Resultat, da mir dazu zu wenig Anhaltspunkte wie Masse, Form der ganzen Fassade etc. bekannt sind. Aus einer skizzenmässigen Umzeichnung des Ausschnitts im Verhältnis zur Hauptfassade resultiert erst eine Haustiefe von knapp sechs Meter, statt der aus dem Stadtplan herausgemessenen acht Meter. Es ist möglich, dass das Haus einmal in der Tiefe erweitert oder stark umgebaut worden ist. Die auf der Seitenansicht sichtbaren Details liefern aber weitere wertvolle Hinweise zur Konstruktion des Hauses.


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    Links: Umzeichnung der entzerrten Abb. aus Walbe; rechts: Rekonstruktionsvorschlag des ursprünglichen Zustandes.


    Erst der umgezeichnete Fassadenplan, welcher das Haus in seinem letzten Zustand um 1944 festhält, kann als Grundlage für eine zeichnerische Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes dienen.
    Obwohl das Erdgeschoss starke Änderungen erfuhr, kann sein statisches Grundgerüst anhand der tief hinab reichenden Knaggen bestimmt werden. Ein Teil der Knaggen scheint stark abgeschrotet worden zu sein, weil sie offenbar im Weg waren. Die seitliche Aussteifung muss man sich ebenfalls mit Knaggen (oder Bügen) in Form einer Arkade vorstellen.
    Die Fenster im 1. Obergeschoss sind auf die ursprüngliche Breite und Höhe reduziert, wobei die Verringerung der Höhe mittels eines Sturzriegels auf analogen Beispielen beruht. Ebenfalls ist das rechte Strebenpaar ergänzt.
    Das 5-teilige Reihenfenster im 2. Obergeschoss ergibt sich aus den beiden noch erhaltenen, nahe an die Streben gedrückten Gewändepfosten, unter der Voraussetzung, dass die Breite eines einzelnen Fensters jener im 1. Obergeschoss entspricht. Hier ergibt sich bereits der erste Unterschied zu Walbes Rekonstruktion. Durch die zweimalige Auskragung hat das Geschoss gegenüber dem Erdgeschoss in der Breite und Tiefe einen Meter dazugewonnen, was einer 1.4-fachen Flächenzunahme entspricht!
    Beim 3. Obergeschoss sind keine älteren Gewändepfosten mehr vorhanden, weshalb ich wieder ein 4-teiliges Reihenfenster annehme. Denkbar wäre auch eine geringere Anzahl Fenster, aber aufgrund der beiden verschobenen Zwischenpfosten mit den Viertelkreisfussstreben nehme ich ersteres an.
    Die Dachgeschosse habe ich wiederum nach Vergleichsbeispielen frei ergänzt. Als sicher gelten nur die beiden Mittelpfetten. Die Verschieferung der Dachgeschosse nahm gemäss historischen Abbildungen erst im 17. Jahrhundert ihren Lauf, sodass ich bei Bauten bis ins 16. Jahrhundert generell freiliegendes Fachwerk an den Giebelwänden annehme.

    Bezüglich der im 2. Und 3. Obergeschoss vorhandenen Viertelkreisfussstreben an den offensichtlich verschobenen Zwischenpfosten mache ich ein Fragezeichen. Sage schreibt zwar, dass diese Gruppen anscheinend bei der Veränderung der Fenster zusammengeschoben wurden. Aus meiner Erfahrung kenne ich aber nur Befunde, wo bei Veränderungen die Bänder ersatzlos entfernt worden waren, und nur die übrig gebliebenen Pfosten allein verschoben wurden. Ist es denkbar, dass diese Fussbänder bei der letzten Restaurierung als Kompromiss neu eingesetzt wurden, nach dem Vorbild der noch erhaltenen im 1. Obergeschoss? Auf den Photos kann ich dies leider nicht erkennen.

    Zum Schluss möchte ich noch auf die rekonstruierte Rathaus-Apotheke in Aschaffenburg hinweisen, welche auffallende Ähnlichkeit mit dem Haus "Kellertür" besitzt!

  • Haus "Kellertür", Alter Markt 31, Teil 2


    Während ich den ersten Teil zur Rekonstruktion von Alter Markt 31 schrieb, blieb ein altes Ansichtenwerk über Frankfurt in meinem Büchergestell unbeachtet. Darin sind zwei weitere Fotos dieses Hauses enthalten, welche mir nun erlaubten, auch zur Seitenfassade einen Bestandesplan zu zeichnen. Während ich auf Grund des Ravensteinplans von 1861 für das Erdgeschoss eine Grundfläche von ca. vier auf acht Meter heraus mass, entnehme ich dem Stadtplan von 1944 ein Seitenverhältnis von 2 : 3. Nur schon der Vergleich der Verhältnisse der Fassadenbreiten von Nr. 31 und 33 zeigt klar, dass der 44-er Plan genauer ist als der Ravenstein-Plan. Es wäre natürlich ein leichtes, in einem Archiv die genauen Grundmasse zu erfahren.


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    Links: Ansicht der Seitenfassade zur Goldhutgasse, 1915; rechts: Ladenfront zum Alten Markt, mit übereck laufendem Schaufenstererker, 1905. Beide Fotos von Carl Abt, abgebildet in "Das schöne Gesicht von Frankfurt am Main", R. Binding, 1924.


    Auf beiden Abbildungen ist zu sehen, dass trotz mehrmaliger Umbauten des Erdgeschosses die tragenden Hauptpfosten samt Bügen (und nicht Knaggen, wie im ersten Teil angenommen) überdauert hatten. Bemerkenswert ist vor allem, dass sogar der Eckständer samt Bugbündel noch erhalten war, und der Ladenerker lediglich um ihn herum gebaut worden war! Bei genauem Hinsehen kann man ihn im Schaufenster sehen.


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    Zustand bis 1944: links: östliche Seitenfassade zur Goldhutgasse; mitte: nördliche Hauptfassade zum Alten Markt; rechts: westliche Trennwand zu Nr. 33.


    Auch die Seitenfassade hatte, mindestens im Bereich des Fenstererkers im 1. Obergeschoss, Veränderungen erfahren. Wertvoll ist aber der Nachweis der drei Büge im selben Geschoss, wobei der mittlere weiter hinab reichte als alle anderen. Seine Lage, genau in derselben Axe wie von jenem am Erdgeschoss, lässt somit die primäre Tragstruktur dieser beiden Geschosse definieren. An der Hauptfassade waren die Büge nicht zwingend übereinander angeordnet, da bestimmt nur ein Raum die ganze Hausbreite einnahm. Möglicherweise bestanden bereits auch wandhohe Streben, was an Bauten des 15. Jahrhunderts durchaus schon vorkommen kann (bei der Strebe links des Fenstererkers könnte es sich um eine Eckstrebe analog der Hauptfassade handeln, oder, falls sie wirklich wandhoch war, erst beim Anbau desselben hinzugekommen sein; jedenfalls war die Schwelle in diesem Bereich nachträglich aufgedoppelt worden, was eher auf eine Veränderung schliessen lässt).

    Über die Seitenfassade kann ich nun nichts Weiteres mehr sagen. Mich würde nun mal die innere Konstruktion interessieren. Vielleicht gibt's ja noch irgendwelche Grundrissaufnahmen, anhand derer die ursprüngliche Tragstruktur abgeleitet werden könnte. Analogien zu bekannten, ähnlichen Häuser könnten ebenfalls weiterhelfen, z. B. die Richtung der Deckenbalken oder sogar den Dachstuhl zu bestimmen. Die Quergiebelchen (Disposition aus Luftaufnahmen) könnten noch einen Hinweis auf die Sparreneinteilung des Satteldaches geben.

  • Haus "Kleines Paradies", Alter Markt 27


    In der Zwischenzeit ist mir eine weitere Ansichtskarte in die Finger geraten, welche noch mehr von der Seitenfassade vom Haus "Kellertür", Alter Markt 31 zeigt. Die Frage nach der Fensterveränderung beantwortet sie aber auch nicht; interessant ist jedenfalls das Fenster mit Mittelpfosten im 3. Obergeschoss, und demnach wohl das einzige original erhaltene.

    Zwei Häuser weiter östlich bestand ein Haus mit einem merkwürdigen Knick in der Fassade bis zum 2. Obergeschoss. Von der Literatur erfährt man, dass hier einst ein weiteres Gässchen vom Fünffingerplätzchen her in den Markt eingemündet haben soll. Baugeschichtlich betrachtet könnte das heissen, dass zuerst ein schmaler, dreigeschossiger Kernbau bestand, welcher dann bei der Aufgabe des Gässchens bis zum Nachbarhaus verbreitert wurde. Beim Kernbau dürfte es sich um die linke Hälfte handeln, da deren Fassade parallel zur Gasse verläuft. Die Erweiterung wurde dann bis an beide benachbarten Hauskanten vorgezogen, sodass die neue Fassade schiefwinklig zur Gasse zu stehen kam.


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    Alter Markt 25-35 gegen Westen, Ansichtskarte vor 1944 (ohne Verlagsangabe).


    Das 3. Obergeschoss und die beiden Dachgeschosse zeigen diesen Knick nicht mehr und sind deshalb als spätere Aufstockung zu werten, die gleichzeitig mit der Erweiterung oder noch später erfolgte. Bei diesen beiden Geschossen wurde kurz vor 1944 ebenfalls das Fachwerk freigelegt (beim 1. Und 2. Obergeschoss waren die Fensteröffnungen zu stark verändert). Die Wände sind wie bei der "Grünau" und "Kellertür" mit gebogenen Fuss- und Kopfstreben ausgesteift, aber Viertelkreisstreben kommen nicht mehr vor. Mich interessierte hier vor allem die Ausbildung des Hausgerüsts bezüglich vertikaler Pfosten, um Rückschlüsse auf die Dachstuhlkonstruktion zu erhalten. Aus Aufnahmen aus entgegengesetzten Blickwinkeln wird ersichtlich, dass auch die Giebelwand leicht auskragte. Eine Verbindung der Geschosse durch mehrgeschossige Ständer wie bei der "Grünau" war hier also nicht vorhanden. Es bestünde noch die Möglichkeit, dass die beiden Dachgeschosse durch einen Firststud (Firstständer) konstruktiv verbunden waren, doch ein an seinem vorstehenden Kopf erkennbarer Unterzug unter dem Kehlgebälk hätte einen solchen zu stark geschwächt. Auf den Fotos erkennt man nur schwer, dass die Mittelpfetten des Daches in Dachneigung abgedreht sind, was auf eine liegende Stuhlkonstruktion hindeutet. Tatsächlich sind die liegenden Stuhlsäulen im Fachwerk sichtbar!

    Das Haus ist meistens aus einem sehr steilen Winkel aufgenommen worden, sodass es für eine Fassadenumzeichnung extrem entzerrt werden musste.


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    Alter Markt gegen Osten, Fotografie von Paul Wolff, ca. 1940.
    Das "Kleine Paradies" ist am Fachwerkgiebel erkennbar.


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    Entzerrter Ausschnitt aus der Abbildung oben.

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    Umzeichnung des Fachwerks.


    Die Balkenverbindungen gehen aus der Photographie nicht genau hervor, sodass ich sie in Analogie zu ähnlichen Bauten übernommen habe. Bei den Kreuzungspunkten mit dem Brustriegel sind jeweils zwei Holznägel eingeschlagen, sodass ich annehme, dass er aus einzelnen, eingezapften Balken bestand, und nicht auf die ganze Länge von vorn aufgeblattet worden ist. Das Fachwerk zeigt keinerlei Zierformen, und ist noch einfacher gestaltet als bei den bisher betrachteten Fachwerkbauten. Deshalb, und des liegenden Dachstuhls wegen, würde ich das Haus in die Spätphase der Übergangszeit einordnen. Das Fensterformat hilft bei der Datierung auch nicht weiter, da es unklar ist, ob sie noch die originale Höhe aufwiesen, oder ursprünglich nur bis auf die Höhe der seitlich angeordneten Halsriegel reichten. Denkbar ist auch ein durchgehender Halsriegel mit Oblichtern über diesem, sodass ein typisches Kreuzstockfenster entstünde. Um sich ein vollständiges Bild zu machen, muss man sich noch Fensterläden dazu vorstellen, welche jedoch nur die Hauptöffnungen verschlossen, nicht aber die Oblichter .

    Die Fachwerkgeschosse werden spätestens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden sein. Von ihrem Aufbau her entspricht die obere Fassadenhälfte dem Bautypus, welcher bis ins 17. Jahrhundert die gesamte Altstadt prägte, aber mit immer sich wandelndem Fachwerkbild.


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    Alter Markt 25 - 33, Altstadtaufnahme 1943, aus Sage, S. 63.


    Der Plan der Altstadtaufnahme von 1943 kann für die Rekonstruktion des Fachwerks nicht verwendet werden, da die Balkenverbindungen ungenau und die Fensteröffnungen in der Giebelwand falsch wiedergegeben werden. Einzig die Fassadenproportion wurde von diesem Plan übernommen.


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    Rekonstruktionsvorschlag: links mit niedrigen Fenstern; rechts mit Fenstern mit Oblichtern.

  • Haus "Dracheneck", Alter Markt 33


    Wohl gleichzeitig mit seinem Nachbar "Kellertür", Alter Markt 31, wurden auch die Fassaden dieses Hauses kurz vor seinem Untergang restauriert. Hier stechen wieder die gebogenen Fuss- und Kopfstreben ins Auge, am linken Eckpfosten des 1. Obergeschosses sogar in Kombination mit einer Viertelkreisstrebe. Dieses Detail ist viel mehr in Städten Hessens zu beobachten als denn in Frankfurt selber. Die Auskragungen sind nicht mehr so beträchtlich wie beim Haus "Kellertür", und deren Unterstützung erfolgt nicht mehr mit hohen Bügen (oder Knaggen), sondern mit kleineren, geschnitzten Knaggen.


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    Alter Markt 31 und 33, Abb. aus Gerner III, S. 18.


    Auch tritt hier feingliedriges Zierfachwerk auf. Unschwer ist aber am 2. Obergeschoss zu erkennen, dass dieses eine jüngere Zutat (18. Jahrhundert?) war. Damals wurde das Fenster unter Beschneidung der Fussstreben verbreitert, und auch der Brustriegel tiefer gesetzt. Die gebogenen Rauten nahmen auf letzteren Bezug. Sage weist die Andreaskreuze im 1. Obergeschoss ebenfalls diesem Umbau zu, da er ein Hinausziehen dieser Zierglieder bis an den rechten Eckpfosten (anstelle eines Fuss- und Kopfstrebenpaars) für die Übergangszeit noch als unmöglich erachtet. Da aber die Balkenstärken der Andreaskreuze jenen des ursprünglichen Baues entsprachen, und auch der Brustriegel auf der ursprünglichen Höhe sass, würde ich diese Teile dennoch als zum Kernbau gehörig betrachten. Licht war schon in früheren Jahrhunderten in den engen Gassen ein kostbares Gut, und so halte ich es für durchaus möglich, dass man bei der Errichtung von Bauten mal vom Schulbuch abwich. Die Schieferverkleidung ab dem 3. Obergeschoss lässt keine Rückschlüsse mehr auf seine Konstruktion zu, auch nicht, ob es nachträglich aufgestockt worden ist oder nicht.

    In der Literatur findet man als Erbauungsdatum 1531, doch ein Beleg hierzu liess sich nirgends finden. Relativchronologisch hielt Sage dies für möglich.

  • Haus "Aldenburg", Alte Mainzergasse 29


    Anlässlich eines Beitrags im APH von Kardinal möchte ich nun dieses Haus vorstellen. Es handelt sich um ein dreigeschossiges Eckhaus an der Alten Mainzergasse gegenüber der Nordwestecke der Leonhardskirche, dessen oberstes Geschoss Fachwerk der Übergangszeit zeigt, wie bei den meisten in diesem Strang bisher vorgestellten Fachwerkbauten. Eine Spezialität zeigt das Schmuckfachwerk, weshalb dieses schon längere Zeit mein spezielles Interesse weckte.


    planleonhardskirche.jpg
    Ausschnitt aus dem Ravensteinplan von 1861. Die Alte Mainzergasse verläuft
    von links leicht nach rechts oben


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    links: Abb. aus Sage, T. 31b, ca. 1935/40; rechts: Photomontage mit rekonstruierter Fensterteilung (nach Riegel)


    In der Literatur hat das Haus bisher nur Walter Sage in "Das Bürgerhaus in Frankfurt" (S. 67f.) beschrieben. Er beschreibt es allerdings als einen "Bau mit zwei Untergeschossen aus Stein und einem Fachwerkstock. [...] Das Fachwerkgeschoss kragt nicht allzuviel über den Steinunterbau vor." Wenn man nun die schlanken Fensterpfosten im 1. Obergeschoss sowie die schlanken Mauerpfeiler zwischen den Fenstern im Erdgeschoss betrachtet, kann es sich unmöglich um einen massiven Unterbau gehandelt haben. Vielmehr muss auch bei diesen Geschossen eine Fachwerkkonstruktion vorhanden gewesen sein, welche infolge starker Veränderungen nicht wie das oberste Geschoss freigelegt worden war. Die rechte Gebäudeecke (Nordostecke) war allerdings durch einen Mauerpfeiler, welcher vor die Fassadenflucht vorsprang, verstärkt worden.

    Dasselbe Bild gilt auch für die nördliche Giebelfassade, von der ich allerdings nur eine rudimentäre Ansicht gefunden habe:

    amainz29isgbild.jpg
    Bild: http://www.ifaust.de/isg
    Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (S7A1998, Sig: 2.339)


    Das Fachwerkgeschoss ist an den Eck- und Bundständer mit geschosshohen Fusstreben und über dem Brustriegel ansetzenden Kopfstreben ausgesteift. Typisch für die Frankfurter Bauten der Übergangszeit sind darunter keine Viertelkreisstreben angeordnet. Wie schon Sage vermutete, muss man sich als ursprüngliche Fensteranordnung zwei sechsteilige Reihenfenster vorstellen, was man anhand einzelner Fensterpfosten und den Vietelkreisstreben ablesen kann. Anders als bei den Häuser "Kleines Paradies" und "Kellertür" am Alten Markt und am Haus "Grünau" am Kornmarkt sind beim Haus "Aldenburg" je zwei Viertelkreisstreben nach aussen geöffnet, was eine härtere Trennung von den geschosshohen Wandflächen und den Brüstungsflächen bewirkt. Bei den vorher erwähnten Bauten, wo die abwechslungsweise Neigungsrichtung der Streben eine harmonische Reihung ergibt, wird hier der Rhythmus gestört, indem (von links beginnend) die erste Strebe und die folgende Viertelkreisstrebe nach links geneigt sind. Diese Eigenheit könnte ein Hinweis auf eine Weiterentwicklung des Fachwerks der Übergangszeit sein, indem die Brüstungen ein "Eigenleben" entwickelten, und sich stärker von den geschosshohen Wandpartien abhoben. Vergleichbares Fachwerk wies nur noch die "Kleine Münze" an der Schmidtstube 1 auf; dort allerdings vermute ich (wie auch Sage schon), dass die Rekonstruktion ungenau erfolgte.

    Sage erwähnt Bautätigkeiten am Hinterhaus im Jahre 1503. Da der Bauherr anscheinend vermögend war, und nichts gegen eine Datierung des Fachwerkstocks in diese Zeit spricht, hält Sage es für möglich, dass auch dieser 1503 oder bald danach entstanden sein könnte. Einen plausiblen Zusammenhang sehe ich hier allerdings nicht, aber relativchronologisch würde ich die Errichtung dieses Fachwerks ebenfalls ins beginnende 16. Jahrhundert setzen. Die drei Zwerchgiebel auf dem Satteldach sind eine Zutat um 1700.

    Zitat von Kardinal

    Damit wäre der Standort des spätgotischen Gebäudes Haus Aldenburg betroffen.
    Ich habe einen Aufmaßplan mit dem durch Untersuchungen 1935 festgestellten Fachwerk. Alle drei Häuser wiesen demnach eine Figur der Übergangszeit auf.


    Hier interessiert natürlich, welche Partien dieser Aufmassplan zeigt! Zeigt er das 2. Obergeschoss oder die beiden verputzten, unteren Geschosse? Ist auch die Giebelwand aufgenommen worden? Und welche Häuser meinst Du mit "alle drei Häuser"?

  • Edit. 15.5.2008: Aufgrund einer zuerst falschen Leseart des folgenden Planes bitte ich, diesen Beitrag mit Vorsicht zu lesen, da ich den Plan zuerst den falschen Häuser zugeordnet habe. Er zeigt die Gebäude Alte Mainzergasse 29, 31 und 33, und nicht wie von mir beschrieben die Nrn. 25, 27 und 29. Bei der Interpretation als "Idealplan" bleibe ich allerdings dabei und schaue ihn weiterhin nicht als baugeschichtlich auswertbaren Aufnahmeplan an.


    Nachdem mir Kardinal verdankenswerterweise umgehend diesen Aufmassplan übermittelt hat, gebe ich hier meine Interpretation zu diesem ab. Zuerst hoffte ich, auf die originalen Baustrukturen des Erd- und 1. Obergeschosses von Alte Mainzergasse 29 schliessen zu können, doch der Plan entpuppte sich (leider für Bauforschungszwecke) lediglich als Idealplan. Doch seht zuerst mal selber:


    fassadenplan-leonhardstor-klein.jpg Vergrösserung

    "Maßstäbl. Aufnahme der Fachwerksbauten am Leonhardstor zu Frankfurt a. Main"
    Plan: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (S8-1, Sig: 3.569)


    Der Plan zeigt die Ostfassaden der Häuser Alte Mainzergasse 25, 27 und 29. Die Nrn. 25 und 27 standen nicht direkt an der Gasse selbst, sondern gegenüber der Westfassade der Leonhardskirche, also am Durchgang zum ehemaligen Leonhardstor. Es fällt auf, dass bei allen drei Häusern Fachwerk der Übergangszeit eingezeichnet ist.

    Das Fachwerk der "Aldenburg" weicht dabei wesentlich vom Bestand auf der Photographie ab; insbesondere fehlt die Verstrebungsfigur in Fassadenmitte. Auch ist der mittlere der drei Zwerchgiebel anders dargestellt (abgesehen davon, dass alle drei Zwerchgiebel eine spätere Zutat waren). Das Fachwerk des mittleren Hauses Nr. 27 wurde ebenfalls 1935 freigelegt. Seine Dachtraufe und First lagen in Wirklichkeit aber höher als jene der "Aldenburg"; im Fassadenplan ist es gerade umgekehrt... Bei der Nr. 25, dem Eckhaus zum Mainufer hin, ist ebenfalls ein Fachwerkhaus dargestellt. Tatsächlich stand hier aber zur Zeit der Fassadenaufnahme 1935 bereits seit ca. 100 Jahren ein klassizistischer Neubau, welcher wahrscheinlich nach Abbruch der Leonhardspforte (ca. 1840?) errichtet wurde.

    Zur Veranschaulichung des Zustands um 1935/1940 vergleiche man mit folgenden beiden Fotografien:


    amainz29isgbilds7a1998.2.343.jpg

    Alte Mainzergasse 27 und 29, ca. 1935.

    Foto: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (S7A1998 Sig. 2.343)


    amainz29isgbilds7a2001.127.jpg

    Alte Mainzergasse 25, 27 und 29, ca. 1940
    Foto: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (S7A2001 Sig. 127)


    Für die Interpretation des Planes ist die Legende rechts unten von Interesse:

    Zitat

    . . . . . . . . . . . . . . Diese Zeichnung ist eine Rekonstruktion
    Heute/im Jahre 1935/wurde der/links/Eckbau freigelegt, die 2 anderen Bauten blieben,
    bezw. wurden/leider/neu verputzt. Nach unseren Studien werden diese Häuser ungef
    so ausgesehen haben/oder noch schöner. Das Eckhaus/in dieser Gestalt ist ebenfalls
    eine Rekonstruktion/der heutige Zustand ist/durch alberne Umbauten entstellt/nicht gut.

    Frankf. a. M. im heißen Sommer 1935.
    aufgen. u. gez. Gottf. Beuschlim . . . . Leitung: Prof. F. Schad.


    Dieser Text ist auf historisch getrimmtes Deutsch verfasst, sowohl optisch als auch für's Ohr; zudem ist er auch fehlerhaft!
    1. wurde das Fachwerk des rechten Eckhauses freigelegt, und nicht jenes des linken
    2. wurden zwei Fachwerke freigelegt (auch jenes des mittleren)
    3. beim Eckhaus, welches als Rekonstruktion bezeichnet wird, handelt es sich um das linke Haus.

    Trotzdem werfe ich einen weiteren Blick auf den Plan:

    Haus Nr. 25: Die hier dargestellte Ostseite war bis ins 19. jahrhundert von der Leonhardspforte verstellt. Zu (spät-)gotischer Zeit bestand hier also sicher keine freiliegende Fassade mit Fensteröffnungen. Die Rekonstruktion wird auch gegen die Mainseite hin mit Fachwerk und Auskragungen dargestellt, was sicher nicht der Wirklichkeit früherer Jahrhunderte entsprochen haben kann, da hier die Mainfront eine Schutzfunktion wie die Stadtmauer inne hatte, und mindestens in den unteren Geschossen durchgehend gemauert war.

    Haus Nr. 27: Auch dieses Gebäude ist eine freie Rekonstruktion! In keinerlei Hinsicht (Geschosshöhen, Verstrebungsart) entspricht es dem bis 1944 existierenden Haus. Sein Quergiebel ist viel grösser dargestellt als der Bestand; sein Fachwerk entspricht genau jenem des mittleren Quergiebels der "Aldenburg", und wurde offensichtlich von dort übernommen!

    Haus Nr. 29 "Aldenburg": Das Fachwerk weicht ebenfalls vom Bestand ab. Allerdings war dieses im 18./19. Jahrhundert verändert worden. Die Verstrebungsfigur in Fassadenmitte sehe ich aber als Originalbestand an, und diese fehlt auf dem Plan. Die Brüstungen zeigen überkreuzte Viertelkreisstreben; der Bestand hingegen nur eine Reihung von solchen. Es wäre theoretisch möglich, dass diese Viertelkreisstreben erst bei der Renovation 1935 eingesetzt resp. rekonstruiert wurden, was ich hier aber für sehr unwahrscheinlich halte (dieselbe Vermutung hatte ich bereits beim Haus "Glissmud" Alter Markt 31). Weshalb der Planverfasser das mittlere Zwerchhaus durch ein kleineres ersetzte, und dieses auf das Nachbarhaus verpflanzte, ist unklar.


    Der Plan entpuppt sich also weder als ein massstäblicher Aufnahmeplan oder eine auf bauarchäologischen Erkenntnissen beruhende Rekonstruktionsansicht, sondern lediglich als Idealplan! Dies unterstreicht auch seine Darstellungsweise mit verschiedenen Schraffuren und den Legenden in Zierschrift. Um dem Wesen dieses Planes auf die Spur zu kommen, lohnt sich ein Blick auf den zeitgenössischen, geschichtlichen Hintergrund. Ich stütze mich dabei auf die hier schon besprochene Magisterarbeit von Olaf Cunitz "Stadtsanierung in Frankfurt am Main 1933-1945" (1996). Insbesondere das Kapitel 6. "Die öffentlich Debatte und die Reaktionen der Betroffenen" (Seite 84) beschreibt den damaligen Zeitgeist wohl sehr treffend. Die Stadt Frankfurt ihrerseits wollte damals die Altstadt durch Zwangsumsiedlungen der Bewohner, Zwangsenteignungen und anschliessende Flächensanierungen sanieren. Andere Gruppierungen (v.a. der "Bund tätiger Altstadtfreunde") und betroffene Privatpersonen wehrten sich gegen solche Radikalpläne. Bauvorhaben der Stadt sollten möglichst lange geheim gehalten werden, um nicht die Bodenspekulation anzukurbeln und die Angst vor Umsiedlungen früh zu schüren. "Die Stadt versuchte ihrerseits, die anstehenden Projekte und später die durchgeführten Arbeiten als grosse Erfolge propagandistisch zu verwerten.

    Es stellt sich nun die Frage nach dem Auftraggeber des Planes. Als Verantwortlicher unterzeichnete Prof. F. Schad (Gottf. Beuschlim wird ein Schüler von ihm gewesen sein). Der Name von Prof. Schad begegnet einem oft, wenn man sich mit Bauforschung in Frankfurt beschäftigt, beispielsweise beim Haus "Mohrenkopf" (Hinter dem Lämmchen 10) und Haus "Landeck" (Römerberg 8 ). Die wissenschaftliche Auswertbarkeit seiner Darstellungen ist jedoch höchst unterschiedlich, was mich bei der Interpretation unseres Planes hier als "Idealplan" zusätzlich unterstützt. Welcher Seite er angehörte, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls hatte dieser Plan seine Wirkung als propagandistisches Anschauungsmaterial sicher nicht verfehlt - ob auf Seite Stadt oder Seite Gegner einer radikalen Altstadtssanierung - ich lasse das hier offen stehen. Es wäre aber durchaus interessant, andere solche Pläne ob ihres Hintergrundes genauer zu erforschen.

    Zitat von RMA

    Nicht ganz zustimmen kann ich allerdings bezüglich der Annahmen für das Untergeschoss. Zweifellos sehen wir auf dem Bild einen sehr stark veränderten Zustand vor uns, aber ich bin mir relativ sicher, dass es entweder massiv oder zumindest eingewölbt war und sich über Arkaden zur Straße öffnete.

    Topographisch betrachtet war das Haus nämlich Teil des alten Frankfurter Buchhändlerviertels, wo es eine ganze Reihe von Häusern dieses Typs gab, die sich mit solchen Gewölben gegen die Feuergefahr versicherten. Das Jahr 1503 fällt dabei mitten in die absolute Blütezeit des Frankfurter Buchhandels, als die Stadt über Jahre die bedeutendste Buchmesse Europas besaß, und es wäre nur logisch, dass man hier einen Neubau eben zur Teilnahme an diesem Handel errichtete.

    Weshalb bist Du dir da so sicher? Nur weil das Haus tatsächlich in besagtem Buchhändlerviertel lag, heisst das noch lange nicht, dass alle Häuser desselben einen massiven Sockel oder ein Warengewölbe besitzen mussten. Arkaden können sich auch in einem Holzbau gegen die Strasse öffnen. Zudem sprechen die niedrigen beiden Geschosse gegen einen ursprünglichen Massivbau. Das Jahr 1503 gibt nur Hinweise auf Bauarbeiten am Hinterhaus, nicht aber auf einen Neubau des Vorderhauses. Es wäre aber denkbar, dass in den Jahren um 1503 das 2. Obergeschoss auf einen älteren Kernbau aus Fachwerk aufgestockt worden ist.

  • Ich muß zugeben, daß ich mich bei dem Plan ein wenig vertan habe. Ich nahm an, daß die gesamte Front am Leonhardstor dargestellt ist (hieße Aldenburg rechts), allerdings wird im Plan gesagt, daß nur daß linke Haus vollständig freigelegt wurde...und es gibt auch ein paar ungenauigkeiten, weshalb ich immer noch nicht restlos sicher bin.

    Kardinal und ich hatten über dieses Problem ebenfalls diskutiert und waren eigentlich zu der Auffassung gelangt, dass auf dem Plan nicht die Häuser Alte Mainzer Gasse 25-29, sondern 29-33 dargestellt sind. Demnach wäre Aldenburg tatsächlich links der Eckbau und wir hätten hier die Südseite der Alten Mainzer Gasse vor uns. Ich hab das mal im Stadtplan ausgemessen; die Längen der Grundlinien von den Häusern stimmen überein. So gäbe auch der Satz, dass die beiden anderen Gebäude wieder verputzt wurden, einen Sinn. Und schließlich liegt mir eine SW-Aufnahme vor, die zeigt, dass die Auskragungen der Häuser 29-33 in der Alten Mainzer Gasse mit denen des Plans übereinstimmen. Nr. 31 wäre demnach gegenüber des Planes nachträglich um ein III.OG aufgestockt worden, und die Giebel von Nr. 33 sind sicher dazuphantasiert, genauso wie das Fachwerk des I.OG des linken Eckhauses (Aldenburg). Was sagst du dazu?

    Eure Version hat natürlich etwas an sich, und das würde verschiedene Fragen klären. Die niedrigen Geschosse des linken Hauses beispielsweise, welche ja auch dem Haus "Aldenburg" eigen waren... oder das im Plan fehlende Bodengefälle zum Main hin... die Alte Mainzergasse verlief ziemlich eben, was mit dem Plan übereinstimmen würde. Ich habe mich auch von den mit Bleistift eingezeichneten Hausnummern "25, 27 und 29" verleiten lassen.

  • Alte Mainzergasse 27


    Das Fachwerk dieses Hauses wurde wohl gleichzeitig mit jenem des Hauses "Aldenburg" 1935 freigelegt. Leicht kann man sehen, dass es sich aber grösstenteils um ein Konstruktionsfachwerk handelte, welches nicht für eine Sichtbarmachung bestimmt war. Dennoch zeigte es einige Unregelmässigkeiten, welche auf einen älteren Bauzustand hinweisen.

    amainz27s7a2001.128.jpg
    Bild: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (S7A2001, Sig: 128).


    Ins Auge springen die Brüstungsstreben, welche abwechslungsweise nach links und nach rechts geneigt sind. In der mittleren Fensterachse besteht nur ein Brüstungspfosten. Die Fenster im 2. Obergeschoss schliessen in einem leichten Stichbogen; im 1. Obergeschoss sind sie gerade. Die Anordnung der Brüstungsstreben sowie die stichbogigen Fenster entsprechen genau dem Goethe-Haus, dessen Gestalt aus dem Jahr 1755 stammt (siehe auch den Beitrag über Alter Markt 7). Stichbogige Fenster kamen im Verlauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der Mode, und so wird man nicht fehl gehen, wenn man die Fassadenumgestaltung in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts datiert. Wohl damals erst wurde das ursprüngliche Sichtfachwerk verputzt.

    Nun fallen aber in der rechten Fassadenhälfte leicht konkav geschwungene Streben mit Kopfwinkelhölzern auf. Diese Verstrebungsart zeigt auch das Haus "Wertheim" am Fahrtor 1, dessen Erbauung um 1600 angenommen wird, ebenso die "Goldene Waage" von 1618. Das "Salzhaus" (errichtet ca. 1595/1600) weist im 2. Obergeschoss ebenfalls leicht konkave Streben auf, aber ohne Kopfwinkelhölzer.

    amainz27kernbau.jpg
    Einzeichnung des noch bis 1944 erhaltenen ursprünglichen Sichtfachwerks (entzerrter Ausschnitt aus der Fotografie oben).


    Das Erdgeschoss bestand vermutlich von Anfang an aus Stein, was die beiden Konsolen an den Fassadenkanten verraten. Merkwürdigerweise bestand rechts zur "Aldenburg" hin keine Brandmauer, links gegen die Nr. 25 hin hingegen schon. Für die weitere Erforschung müsste man die Originalphotos nach weiteren Spuren betrachten (evtl. abgebeilte Profile an den Schwellen, geschnitze Eckpfosten, Form der Tragkonsolen über dem Erdgeschoss).

    Ich nehme somit als Hypothese an, dass das Haus um 1600 neu gebaut worden war und in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Fassadenumgestaltung erfahren hatte.

  • Das "Salzhaus" am Römerberg


    Ich habe mich über's Wochenende nun auch wieder mal hinter die Salzhausfassade gesetzt. Dabei war mir das Material aus RMAs Link Salzhaus – Wikimedia Commons sehr hilfreich, vielen Dank Dir nochmals! Hier noch ein empfehlenswerter Link zum Diskussionsstrang im APH über das Salzhaus, wo viel Wissenswertes und Abbildungen zum Schicksal des Salzhauses und seines Nachbarhauses 'Frauenstein' zu finden sind.

    Zum Salzhaus: deine Antwort verwundert mich insofern ein bisschen, als man bereits auf besseren Fotos wie diesem...

    image:frankfurt_am_main-roemer-salzhaus-front-carl_hertel-vor_1887.jpg

    ...recht deutlich ein Fachwerkgefüge erkennen kann, auch wenn dessen Schnitzereien verblüffend gut mit den geschnitzten Gefachfüllungen verblendet sind. Auch die Schalbretter, die Schwelle, Balkenköpfe und Rähm eines jeden Stockwerks verblenden, sind deutlich zu erkennen. Anhand der Aufnahme des Hochbauamts von 1890 hatte ich mich mal an einer Rekonstruktion des Gefüges versucht, bin da aber nicht besonders weit gekommen. :wink:

    Frankfurt_Am_Main-Roemer-Salzhaus-Fassade_ill-Fachwerkgefuege_thumb.jpg
    (Klicken zum Vergrößern)

    Auf demselben Plan sind mir die Gefügelinien im Giebelbereich auch schon aufgefallen, aber das war mir bisher zu wenig, mich ernsthaft mal zu deren Studium dahinter zu setzen. Bei deinem Versuch ist mir aber aufgefallen, dass Du zwischen dem 1. und 2. Obergeschoss eine Balkenlage eingezeichnet hast. Ich kann aber nirgendwo Anzeichen dafür finden, auch auf guten Photos nicht. Weiter bemerkte ich die Strebenform, welche nicht den sichtbaren Spuren auf der Fotografie entspricht. Also ist für mich sofort klar geworden, dass dieser genaue, lithographierte Fassadenplan für die bauarchäologische Auswertung nicht in Frage kommen konnte, insbesondere auch deshalb, da ja eine hochaufgelöste Fotografie von vor der Restaurierung 1887/88 zur Verfügung steht.

    Zwei Ratschläge von mir, wenn Du weitere Bauforschungen betreibst:
    - Evaluation der auszuwertenden Grundlagen
    - nur eindeutige Befunde aufzeichnen; in einem ersten Schritt keinesfalls Ergänzungen hinzu fantasieren (Balkenlage!)

    Ich habe nun in die erwähnte Fotografie alle sichtbaren Fugenlinien eingezeichnet; dort, wo ich unsicher war, habe ich nichts eingetragen! Natürlich habe ich die Fotografie in viel höherer Auflösung in meinem Computer, aber um die Ressourcen des Servers zu schonen, und auch die Ladezeit hier zu verringern, gibt's nur eine starke Verkleinerung. Schon während des Einzeichnens stellte sich die Frage, welches denn Schwellen, Rähme und Kehlbalken sind, und welches Schalbretter. Auch sind zu diesem Zeitpunkt die enormen Schäden links im 1. Dachgeschoss aufgefallen, welche bis zur Restaurierung 1887/88 bestanden (komme später darauf zurück). So sollte in dieser Frage eine Überblendung des "Foto-Fugenplans" mit dem Schnitt weitere Klarheit schaffen (was allerdings im obersten Kehlbalkenbereich nicht mit Gewissheit gelang). Hier das Resultat des ersten Versuchs:


    salzhaus-fachwerk.jpg salzhaus-schnitt.jpg
    Salzhaus; links: Photographie vor 1887 mit eingezeichneten Fugen; rechts: Überblendung der Abb. links mit dem Schnittplan.


    salzhaus-fachwerk-ausschnitt.jpg
    Vergrösserter Ausschnitt aus der Abbildung oben.


    Auf dieser Vergrösserung sind die Schäden links im 1. Dachgeschoss deutlich sichtbar. Aus der Literatur weiss man, dass die Fassade schon früher einmal repariert worden war. Eine geschnitzte Jahrzahl zwischen dem 2. Ober- und 1. Dachgeschoss (1702 oder 1707) belegt diese Massnahme. Auch für den Laien ist leicht erkennbar, dass die Schnitzereien in diesem Bereich deutlich derber (ungelenker, unförmiger) ausgeführt waren, wenn man sie mit den entsprechenden Schnitzereien darüber und vor allem rechts vergleicht. Ganz offensichtlich galt dies für die zusammengedrückte Spirale in der Mitte des Dreiecks, oder für die Ranke auf der Schwelle darunter. Im Vergleich mit späteren Fotografien war diese Partie dann 1887/88 wieder komplett erneuert worden, aber diesmal von einem begabteren Holzbildhauer, sodass sich die Reparatur kaum mehr vom Original unterschied!

    Eine weitere Feststellung betrifft die Streben im 2. Obergeschoss. Im Gegensatz zur Fassadenlithographie waren diese leicht konkav gebogen, und reichten weiter hinauf, sodass die Wandriegel höher zu liegen kamen.

    Was ich nicht genau feststellen konnte, waren die Überkreuzungen der Fensterpfosten mit den Brüstungsriegeln (von vorn eingesetzte durchgehende Brustriegel oder zwischen die Pfosten eingezapfte Brustriegel). Für die Zeit um 1600 ist die zweite Lösung zwar die Regel.

    Noch eine weitere Bemerkung zur Balkenlage zwischen dem 1. und 2. Obergeschoss: Die Auskragung des 2. Obergeschosses war gegen die Seitenfassade beträchtlicher als bei der Giebelfassade. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass die Balkenlage parallel zur Giebelfassade verlief, und zu dieser hin nur ein Stichgebälk bestand.

    In einem weiteren Punkt bin ich auch noch unsicher, und zwar betrifft dies das möglicherweise Durchstossen von Unterzügen jeweils auf Rähmhöhe in der Mittelachse der Fassade. Genau gesagt, lagen diese Punkte allesamt leicht nach rechts verschoben, was mich erst verwunderte. Dies könnte aber den Ursprung darin haben, dass der Hausgrundriss ein stark verschobenes Viereck umschrieb, und somit geringe Verschiebungen durchaus möglich waren. Weiter stellt sich nun aber die Frage, weshalb denn die Mittelpfetten des Dachstuhls nirgendwo sichtbar sind... Möglicherweise verzichtete man hier auf ein Vorholz (ca. 10-15 cm herausragendes Pfettenende, welches zimmermannstechnisch notwendig und üblich ist), um die Bohlen für den geschwungenen Giebelabschluss ohne Einschnitte direkt an den Randsparren befestigen zu können. Diese Frage lasse ich nun mal offen im Raum stehen, denn vielleicht ergibt sich die Antwort bei einer Weiterbearbeitung von selbst.

    Für eine Weiterbearbeitung, und zwar die Frage nach dem Zusammenhang von Dachstuhl und Fassade, interessierte mich die Lithographie dennoch. Die Überlagerung der Fotografie mit dem Schnitt ergab noch nicht die gewünschte Klarheit, aber vielleicht würde etwas aus der Überlagerung der Lithographie mit dem Schnitt resultieren. Bei der Lithographie ging ich als Arbeitshypothese davon aus, dass die Gesamtmasse sowie die eingezeichneten Schnitzereien genau sind. Die eingetragenen Fugenlinien entsprechen nachweisbar nicht dem Bestand, wie wir weiter oben gesehen haben, aber diese waren für die damalige Darstellung wohl nicht so von Interesse. Der Schnittplan musste allerdings in der Breite noch gestaucht werden, da er im Bereich vor der westlichen Rückwand aufgenommen wurde, und nicht unmittelbar hinter der Fassade, wo das Haus schmaler war.

    Diese Überlagerung ergab nun auch mehr Klarheit bei der obersten Kehlbalkenlage (2./3. Dachgeschoss), indem diese eindeutig, wie ein Geschoss tiefer, auf der Höhe des oberen der beiden profilierten Balken der Fassade lag. Man könnte nun aber einwenden, dass auf dieser Überlagerung die Sparren beim First über die Fassade hinauslaufen, und demnach die Höhen nicht eindeutig sind. Hier müsste ich aber entgegnen, dass die Höhenlagen der Unterzüge wiederum übereinstimmen.

    Ich verwendete die Lithographie mit den Eintragungen RMAs, um aufzuzeigen, wie auf schnelle Art und Weise ein interessanter Konstruktionsplan entstehen kann:

    salzhaus-rma-schnitt.jpg
    Überblendung der Fassadenlithographie (mit den Fachwerkeintragungen RMAs) mit dem Schnittplan

  • Nachdem die "Dreysse-Studie 2" zu den "Spolien der Frankfurter Altstadt nun veröffentlicht wurde, kann ich auch noch einen Nachtrag zu der obigen Darstellung bringen, nämlich einen Plan, auf dem ich, einer wesentlich kleineren Abbildung in der Studie folgend, einmal die heute noch erhaltenen Teile des Salzhauses eingezeichnet habe. Dies ist insofern interessant, als die geretteten Teile ganz offensichtlich die sein müssen, die keine konstruktiven Elemente des Gebäudes waren, was nicht überall damit übereinstimmt, was man vermuten würde:

    453px-Frankfurt_Am_Main-Roemer-Salzhaus-Aufmass-Roemerberg-Erhaltene_Teile.png

    (Klicken zum Vergrößern)

    Dies trifft insbesondere auf den kleinen Stiel links im ersten Dachgeschoss zu, sowie die Verkleidungen im zweiten Obergeschoss, die trotz der hindurchgehenden Streben offenbar vollständig entfernt werden konnten. Möglicherweise hat man diese gar abgebeilt?

    Seltsam auch im ersten Obergeschoss, dass die große Verkleidung mit der antikisierenden Vase links gerettet werden konnte, während dies bei der kleineren, aber ansonsten identisch erscheinden Platte rechts offenbar nicht der Falll war. Beim Mittelteil des ersten Obergeschosses scheint es sich ferner tatsächlich um beschnitzte Hölzer gehandelt zu haben, die eine statische Funktion erfüllten - ein Stiel und drei ziemlich massive Ständer. Dies verwundert aufgrund der wohl enormen Last des gewaltigen Dachstuhls auch kaum.R

    Zu den Verkleidungen im 2. Obergeschoss: Gemäss dem Plan handelt es sich aber um je zwei trapezförmige Platten links und rechts der Strebe. Ich vermute, dass der Bereich der Strebe selbst am Haus verblieb und heute fehlt.

    Dass die Spolien des Salzhauses in der Spolien-Studie nicht vorgestellt wurden, wunderte mich schon bei deren Erscheinen. Zu gerne hätte ich diese wenigstens im Bild sehen wollen. Auf Seite 7 der Einleitung heisst es hierzu:

    Zitat

    Die in der öffentlichen Debatte immer wieder erwähnten hölzernen Fassadenreliefs des Salzhauses sind in diesem Katalog nicht aufgenommen worden, weil sie als herausragende Spolien in den Neubau des Historischen Museums eingearbeitet werden sollen und deshalb für eine anderweitige Verwendung nicht zur Verfügung stehen. Weiterer Grund, die Holzpaneele nicht in den Katalog aufzunehmen, ist das an Ort und Stelle erhaltene Erdgeschoss des Salzhauses mit seiner räumlichen Präsenz, das keinen anderen Einbauort zulassen würde

    Eine Studie, oder besser gesagt hier eine Liste, sollte doch neutral bleiben, nicht?

  • Grosse Fischergasse 14, Gasthaus “Zum Roseneck“


    Nun folgt ein weiteres Haus, das sehr prägend für die Altstadt von Frankfurt war und entsprechend oft auf Abbildungen erschien. Allerdings kann ich jetzt schon vorausschicken, dass es nicht gelingen wird, das Fachwerk darzustellen, da bei Renovationsmassnahmen wohl keine Aufzeichnungen erfolgten.

    Es gäbe nun die Möglichkeit, die Frankfurter Fachwerkbauten weiter nach Fachwerktypen systematisch zu untersuchen (wie im entsprechenden Nürnberger Strang) oder einfach wahllos weitere Einzelgebäude genauer anzusehen. Da es sich hier um ein Diskussionsforum handelt, habe ich mich für letzteres entschieden. In Nürnberg sind auch viel mehr Sichtfachwerke bekannt und zugänglich, sodass dort die Recherche nach Fachwerktypen weit ergiebiger ist.

    Das Wirtshaus "zum Roseneck" war Teil eines oft abgelichteten Gebäudeensembles, und ist daher wenigstens am Äusseren sehr gut dokumentiert. Sichtbare Stein- und Holzkonsolen und eine Fotografie nach dessen Zerstörung ergeben Hinweise zur Tragstruktur des Gebäudes. Die Suche nach (kunst-)geschichtlichen Abhandlungen verlief nur spärlich, ergab aber dennoch wertvolle Hinweise.


    Zur Situation verweise ich auf den Beitrag über das gesamte Gebäudeensemble "Roseneck" im APH-Strang Frankfurt in alten Ansichten sowie auf das in diesem Strang bereits behandelte Haus Grosse Fischergasse 18. Die hier verwendeten Bildausschnitte stammen zumeist von den bereits dort verwendeten Ansichtskarten.

    In einem ersten Schritt verschaffe ich einen groben Überblick über das Aussehen des Hauses im 20. Jahrhundert bis zu seiner Zerstörung. Daraus sollen auch die grössten baulichen Veränderungen in dieser Zeitspanne ermittelt werden.
    In einem zweiten Schritt wird die Literatur zu geschichtlichen und baugeschichtlichen Aspekten zusammengetragen.
    In einem dritten Schritt versuche ich dann die Struktur des Gebäudes zu ermitteln, um so bisher unbekannte Aspekte zur Baugeschichte des Hauses eruieren zu können.


    1. Vorstellung des Hauses anhand historischer Ansichtskarten:
    (alte Photographien, welche mehr Details preisgeben könnten, wurden wegen der umständlicheren Beschaffung nicht verwendet; solche müssten dann aber bei einer baugeschichtlichen Vertiefung, bspw. bei einer Rekonstruktion, unbedingt beigezogen werden!)


    akrosen3x.jpg
    Ansichtskarte (Ausschnitt), Vereinigte ...(?) Metz & Lautz M.B.H. Darmstadt, 1912 gelaufen.

    Die traufständige Hauptfassade ist gegen Norden gerichtet. Über einem gemauerten Erdgeschoss folgen drei teils verputzte, teils verschieferte Fachwerkgeschosse, von denen das erste und zweite allseitig sehr stark auskragen. Die Materialisierung der Fassaden kann anhand der Konsolen ermittelt werden - Sandstein am Erdgeschoss und Holz am 1. Obergeschoss. Im Dachgeschoss liegen zwei Querhäuser Schulter an Schulter nebeneinander.

    In der linken Fassadenhälfte ist eine starke Bodensetzung auszumachen, wobei im Vergleich mit andern Abbildungen berücksichtigt werden muss, dass es sich nicht nur um eine Setzung handelt, sondern auch um eine leichte Abwinklung des linken Fassadenviertels. In diesem Bereich ist die Erdgeschossfasssade bis auf die Flucht des 1. Obergeschosses vorgemauert. Die Fensteranordnung an der ganzen Fassade ist sehr uneinheitlich.

    Die Seitenfassade schliesst mit einem geschwungenen Giebel in Zwiebelform ab. Dort ist der Schieferschirm ein Geschoss weiter hinunter als auf der Hauptfassade gezogen.

    In diesem Zustand zeigen alle Photos bis ca. 1920 das Wirtshaus "zum Roseneck".


    akrosen9x.jpg akrosen10x.jpg
    links: Ansichtskarte, Verlag für Volks- und Heimatkunde Weimar, Lichtbild von Günther Beyer, Weimar, ca. 1920; rechts: Ansichtskarte (Ausschnitt aus der Seitenfassade), "Ropsh“ (?), 1928 gelaufen.

    Ab ca. 1920 bis in die Dreissigerjahre wiesen die Fassaden eine Bemalung auf, wie sie zu dieser Zeit vor allem vom "Bund tätiger Altstadtfreunde" initiiert worden waren. Bauliche Unterschiede sind nicht festzustellen, was die Fensteranordnung, Konsolen, Verschieferung etc. betrifft. Der linke Eckpfosten (gegen Nordwesten) ist teilweise freigelegt, und zeigt eine Schnitzerei.


    akrosen5bx.jpg akrosen5axx.jpg
    links: Ansichtskarte (Ausschnitt), Verlag von Emil Hartmann, Mannheim, nach 1935; rechts: Ansichtskarte (Ausschnitt aus der Seitenfassade), M. Jacobs, Postkartenverlag Frankfurt a. M., 1940 geöaufen.

    Spätestens 1933 muss ein tiefgreifender Umbau stattgefunden haben, denn Ansichtskarten ab diesem Stempeldatum zeigen das Haus wieder ohne die Fassadenmalerei, dafür mit stark veränderter Fensterteilung und einer vorstehenden Gliederung am Erdgeschoss. Zudem ist die Anordnung der Steinkonsolen an letzterem verändert. Der Eckpfosten gegen Nordwesten ist nun ganz freigelegt, und zeigt auch im unteren Bereich Schnitzwerk. Auf dem kleinen Bild erkennt man zudem genau in der Mitte die Abwinklung innerhalb der Hauptfassade (Fassadenteile zwischen dem Eckpfosten und der Fassade mit den Bemalungen in den Fensterbrüstungen).


    akrosen6.1.jpg
    Ansichtskarte, Walch & Jacobs, Postkartenverlag, Frankfurt a. M., um 1910.

    Entsprechend der ersten Abbildung zeigt diese Ansichtskarte links die südwärts gerichtete, traufständige Rückfassade im Zustand bis ca. 1920 (links). Auch hier ist der Schieferschirm wie an der Seitenfassade bis über das 2. Obergeschoss hinuntergezogen.


    akrosen7.1.jpg
    Ansichtskarte, keine Verlagsangabe, 1943 gelaufen.

    Eine ähnliche Ansichtskarte zeigt die Rückseite, wie sie sich ab den Dreissigerjahren präsentierte. Auch hier ist die Fensterdisposition anders als vorher, und am Erdgeschoss ist wiederum eine vorstehende Gliederung vorhanden, nebst einer Verschiebung der Steinkonsolen. Das Kamin befindet sich nun nicht mehr in Firstnähe, sondern innen an der Südfassade.


    ruinenbild-roseneckx.jpg
    Ansichtskarte, ohne Verlagsangabe, 1944 (offenbar Ausschnitt aus einem Farbdiapositiv von Paul
    Wolff im Historischen Museum Frankfurt, Ph D 100)

    Bemerkenswert ist nun eine Fotografie nach dem Bombardement von 1944, die wie die ersten Abbildungen von Norden aufgenommen worden ist. Während alle Fachwerkbauten rund um das Roseneck vollständig niedergebrannt, und massiv gebaute Häuser weitestgehend eingestürzt waren, blieben vom "Roseneck" ein Stahlgerippe und dicke, massive Innenwände übrig. Während Stahlträger normalerweise bei Brandeinwirkung starke Verformungen erleiden, sind sie hier gerade geblieben. Dies zeigt, wie massiv der Umbau in den Dreissigerjahren ins historische Hausgefüge eingegriffen hatte, der brennbares Holz praktisch nur in den Fassaden, den Decken und oben im Dachstuhl übrig gelassen hatte. Hinter dem Schuttberg im Vordergrund erkennt man noch knapp das Erdgeschoss.


    Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das "Roseneck" ab 1900 im Wesentlichen in drei Bauzuständen überliefert ist:
    - vor 1900 bis ca. 1920 hell verputzt
    - ab ca. 1920 bis in die frühen Dreissigerjahre mit einer Fassadenbemalung
    - ab den frühen Dreissigerjahren stark umgebaut

  • Zitat von Schloßgespenst

    Ich wußte gar nicht, daß es in Ffm Fachwerkhäuser gab, die vor dem Krieg mit Stahlträgern und neuen Innenwänden verstärkt waren. Hier hatte also eine Art Entkernung stattgefunden, die vom eigentlichen Fachwerkhaus mehr oder weniger nur eine Hülle gelassen hatte?

    Es dürfte noch einige Fachwerkhäuser gegeben haben, die mit Stahlträgern verstärkt waren. Am Äussern sieht man es ihnen eben nur nicht an... gemäss Ruinenphotos hatte bspw. auch das Goethehaus zahlreiche Stahlträger. Aber dass ein Haus in dem Mass wie beim "Roseneck" saniert worden war, dürfte eine Ausnahme gewesen sein.

    Ohne jetzt schon allzuviel von den künftigen Beiträgen zum "Roseneck" vorwegnehmen zu wollen, hatte speziell dieses Haus einen Grund für eine solche Massnahme:
    - der Grundriss des Hauses umschrieb ein Rechteck im Verhältnis von 4 : 1 (Breite : Tiefe)
    - das 2. und 3. Obergeschoss hatten durch die Auskragungen beinahe die eineinhalbfache Tiefe wie das Erdgeschoss
    - das Verhältniss von Erdgeschosstiefe : Gebäudehöhe (Traufe) betrug ebenfalls beinahe 1 : 4.

    Das Haus kann demnach fast als eine aufgestellte Scheibe mit Schwerpunkt in der oberen Hälfte verglichen werden - ein wahrhaft waghalsiges Unternehmen schon vor Jahrhunderten! Um sich das vorzustellen, betrachte man nochmals die folgende Ansicht, welche ganz links die Seitenfassade zeigt:

    akrosen6.1.jpg
    Ansichtskarte, Walch & Jacobs, Postkartenverlag, Frankfurt a. M., ca. 1910


    Zitat von Schloßgespenst

    Es ist schon fast zynisch, daß man dann gerade dieses immerhin stehengebliebene Gerippe mit Resten des Erdgeschosses doch abgerissen hat.

    Das Stahlgerippe war natürlich statisch wie geschichtlich wertlos. Für eine Rekonstruktion hätte es wohl nicht mehr herangezogen werden dürfen, da es immerhin einen Brand durchgemacht, und Deformationen - auch wenn nicht sofort sichtbar - erlitten hatte. Erdgeschosse standen noch von einigen zerstörten Bauten; so auch bspw. jenes des "schwarzen Sterns" am Samstagsberg, das wohl bis in die 60/70er Jahre überdauerte, und schliesslich dann doch noch abgebrochen worden war, bis es zwei Jahrzehnte später wieder rekonstruiert wurde...


    Zitat von MunichFrank

    Auch wenn der kunsthistorische Wert der Fassadenbemalung der 1920er Jahre wohl nicht sehr hoch war, setzte diese wohl eine heitere Note, die bald danach aber schon nicht mehr opportun war.

    Die Farbigkeit dieser Fassadenbemalung nähme mich sehr wunder. Es dürfte die grossflächigste aller Fassadenbemalungen jener Zeit gewesen sein. Auch hier kann ich auf einen Beitrag verweisen, welcher weitere solche Bemalungen vorstellt. Bereits in den 30er Jahren waren diese vielerorts wieder verpönt.


    Zitat von RMA

    Das Gebäude als solches war schon sehr wertvoll. Ich vermute mal, ohne jetzt in die Literatur zu gucken, dass es um 1550 erbaut wurde. Was ich an Fotos sowohl von den Bildhauerarbeiten als auch den Schnitzereien gesehen habe, dürfte das so mit das beste und reichste gewesen sein, was neben dem Großen und Kleinen Engel in der Spätgotik in Frankfurt gebaut wurde. Ich nehme an, dass erst die zwei jüngeren, großen Zwerchhäuser auf dem Dach die Statik durcheinander und das Gebäude dann dem Einsturz nahe gebracht haben.

    Ob das Haus wirklich wertvoller als der Durchschnitt war, bezweifle ich. Sandsteinkonsolen, geschnitzte Holzkonsolen und Eckpfosten derselben Qualität gab es noch an vielen anderen Bauten. Und der überwiegende Teil war unter Schieferschirmen und Verputz noch verborgen. Das Haus war eben wegen seiner Lage an einem Plätzchen, und auch wegen seiner extremen Proportionen ein Hingucker, und nicht wegen der künstlerischen Qualität.

    Die beiden Zwerchhäuser müssen nicht unbedingt jünger gewesen sein. Ich halte es sogar für möglich, dass eines der beiden zum Kernbestand gehörte. Und viel Gewicht besassen diese wohl nicht, da ich vermute, dass sie lediglich aus einer unausgemauerten, dafür verbretterten und verschieferten Konstruktion bestanden. Das riesige Querhaus des "Rebstocks" kann auch nicht schwer gewesen sein, da seine Front auf die filigranen Laubengänge, und nicht auf die tragende Fassade, abgestützt war! Bei der kürzlich erfolgten Rekonstruktion des Rebstocks ist das Querhaus fälschlicherweise mit 'ausgemauertem' (Sandwichplatten) Sichtfachwerk errichtet worden.

    An Baudaten habe ich bisher 1545 und 1587 finden können, und beide kommen als Erbauungsdatum in Betracht. Damit werde ich mich noch auseinandersetzen.