St. Gallen (CH) - Einführung

  • Nun möchte ich ein neues Projekt starten, und zwar soll dieses eine Mischung nach dem Vorbild von hollandas Strassburg-Galerien, Wikipedia und herkömmlichen Galerien sein. Ich werde dazu einzelne Quartiere meiner Heimatstadt St. Gallen vorstellen.

    Als Einstieg plane ich, die ersten planmässig angelegten Überbauungen ausserhalb der Altstadt ab etwa 1800 baugeschichtlich aufzuarbeiten. Da immer wieder neue Bilder - seien es aktuelle Fotos oder historische Ansichten - dazukommen werden, wird jede Überbauung einen eigenen Strang bekommen. Somit ist es möglich, neue Erkenntnisse und Verfeinerungen kontinuierlich anzuhängen, damit die Beiträge nicht verzettelt voneinander zu finden sind. Ziel ist es, den denkmalpflegerischen Zustand zu analysieren und auch den Ist-Zustand zu dokumentieren. Der Fokus wird hier vor allem auf dem 19. Jahrhundert liegen, also Klassizismus, Historismus bis hin zum Jugendstil (in der Schweiz benennen wir die Architekturepoche zwischen 1900 und 1914 allgemein Jugenstil, da der Begriff "Gründerzeit" bei uns nicht verwendet wird. Als Reformstil betrachten wir die noch konservativen Stile ab den 1910/20er Jahren).

    Möglich ist auch die Vorstellung einzelner gewachsener Quartiere. Ich denke da an das Bahnhofquartier, Stickereiquartier, Museumsquartier oder die spätmittelalterlichen Vorstädte. Ein Leckerbissen für Gründerzeitfans wird das 2 km lange Villenviertel am Rosenberg sein.

    Eine sehr tolle Voraussetzung für die baugeschichtliche Erforschung ist die Verfügbarkeit aktueller und historischer Stadtpläne. Diese sind sehr exakt übereinandergelegt, sodass man mit wenigen Klicks zwischen den Epochen hin- und herswitchen kann. Diesen tollen Service habe ich in diesem Ausmass noch von keinem andern Ort gesehen! Auch historische Ansichten aus den diversen Archiven und Bibliotheken sind weitgehend digitalisiert öffentlich einsehbar. Als Ergänzung kommen noch Literaturhinweise dazu (auch wenn ich davon ausgehe, dass sich niemand aus St. Gallen in diesem Forum anmelden wird). Aber es hat ja keinen Sinn, dass ich alles neu erforsche, was teilweise bereits ausgiebig dokumentiert ist.

    Hier geht's zum Stadtplan; am besten gleich selber mal auskundschaften:

    Stadtplan St.Gallen Internetversion

    (als Navigationshilfe zum Einstieg: rechts unten auf "Basispläne" klicken, wodurch alle andern Plankategorien erscheinen, darunter auch "historische Pläne".)

    Ich werde hier vor allem folgende Pläne verwenden und Ausschnitte davon einstellen:

    - Zuberplan 1828

    - 1. Stadtvermessungsplan 1863

    - Stadtplan 1903 (auf der Grundlage der 2. Stadtvermessung in den 1880er Jahren, die heute noch gültig ist)

    - aktueller Stadtplan.

    Als Beispiel erstelle ich gleich einen zweiten Strang zur ersten planmässig angelegten Überbauung ausserhalb der Altstadt entlang der Rorschacher Strasse ab 1791. Dort werde ich den Text aber noch später ergänzen und viele Fotos und historische Abbildungen kontinuierlich einstellen.

    In diesem Strang hier werde ich später allgemeine Beiträge zur Stadt einstellen.

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (27. September 2018 um 13:57)

  • Bevor ich einzelne Quartiere mit Bildern vorstelle, folgt zuerst noch ein bisschen Grundlagenmaterial, um die spezielle Topographie der Stadt kennenzulernen. Auch eine Planfolge aus dem 19. Jahrhundert veranschaulicht sehr gut das Wachstum der Stadt in jener Zeit.


    hoehenkurvenplan-besiedelt.jpg

    schwarz = Kloster und Stadt vom 10. bis 14. Jh., gestrichelt = Stadterweiterung ab E. 14. Jh., grau = heutige Bebauung, Äquidistanz der Höhenkurven = 20m (Grafik: Riegel)

    Ein Höhenkurvenplan, in welchem das besiedelte Gebiet grau unterlegt ist, veranschaulicht die Lage der Stadt in einem von West noch Ost verlaufenden Tal. Die Landschaft fällt im Norden flach ab Richtung Bodensee. Im Süden spürt man schon das voralpine Gebiet mit vielen Tälern, Schluchten und Hügelzügen.


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    Zuberplan 1828.

    Johannes Zuber, ein Privatmann, hatte aus freien Stücken 1828 als erster das ganze Stadtgebiet trigonometrisch vermessen. Wenn er auch nur mit einfachsten Hilfsmitteln ausgestattet war, so besitzen wir mit dem Zuberplan eine wertvolle Quelle zum Baubestand im vorindustriellen Zeitalter. Die nächst älteren Stadtpläne sind erst die "Stadtprospekte" aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

    Die Talsohle ist hellgrün dargestellt und die Hügelzüge - egal ob besonnt oder beschattet - dunkelgrün. Die Altstadt (Obere Altstadt mit nördlicher Erweiterung) liegt quer im Tal. Die Vorstädte hatten sich dementsprechend in Längsrichtung nach Westen und Osten ausgedehnt. Im Westen und Süden erkennt man braune Ackerflächen. Hierbei handelt es sich um 1818 geschaffene Gartenparzellen, die den Bürgern als Folge der Hungerjahre 1810/11 und 1816/17 abgegeben wurden. Vorher dienten die Flächen im Westen der Bleichung von Leinwand. St. Gallen lebte ja vom Mittelalter bis 1800 massgeblich vom Handel und der Leinwandproduktion. Hierzu wurden grosse Flächen benötigt, um die gewobenen Tuchbahnen an der Sonne zum Bleichen auszulegen. Gegen Osten bestanden die letzten Bleichen offenbar noch bis in die Zeit Zubers. Einige Quartiere der Stadt sind heute noch nach diesen Bleichen benannt: Kreuzbleiche, Davidsbleiche, Geltenwilen, Webersbleiche... aber auch Strassen wie zum Beispiel die Brühlbleichestrasse.


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    Bauliche Entwicklung 1830.

    Für die Landesausstellung 1883 in Zürich schuf das Gemeindebauamt eine dreiteilige Planfolge, die das Wachstum der Stadt zwischen 1830 - 1860 und 1860 - 1880 veranschaulicht. Diese Pläne wurden vor eingen Jahrzehnten als Faksimile herausgegeben. Auch der im ersten Beitrag angegebene Link zum Stadtplan umfasst diese drei Pläne. Viele Forscher wissen jedoch nicht, dass diese nicht zeitgenössisch sind, sondern erst im Nachhinein nach 20 bzw. 50 Jahren so aufgearbeitet wurden. So gibt es einige Fehler, weshalb sie für die Detailforschung keinesfalls herangezogen werden dürfen!

    Der erste hier gezeigte Plan ist wohl eine Umzeichnung des Zuberplanes von 1828 mit allenfalls einigen Ergänzungen und Korrekturen, aber auf der Basis der ersten Stadtvermessung von 1863. Für die Forschung verwende ich ausschliesslich den Zuberplan, auch wenn dieser infolge von Verzerrungen und Ungenauigkeiten schwerer lesbar ist. Aber als zeitgenössisches Dokument ist er viel glaubwürdiger.


    stadtplan-1863-ausschnitt.jpg

    1. Stadtvermessungsplan 1863 von Fierz und Eugster. Ausschnitt mit der östlichen Altstadt, Linsebühl und Lämmlisbrunnen.

    1863 erfolgte die erste amtliche Vermessung der Stadt. Nur schon für den Betrachter sind die einzelnen Messtischblätter mit den eingetragenen Gartenanlagen ein Kunstwerk. Wohnbauten und rein gewerblich genutzte Bauten sind mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet.


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    Bauliche Entwicklung 1860.

    Auf der Basis des Vermessungslanes von 1863 entstand der zweite Plan zur baulichen Entwicklung.

    Die mittelalterlichen Stadtbefestigung wurde vor allem in den 1830/40er Jahren aufgegeben, die Stadtgräben aufgefüllt und darüber die Grabengärten angelegt. Die Pflanzböden im Westen der Altstadt bestanden noch, während diejenigen am Südhang damals wieder aufgegeben worden waren. Die während den letzten drei Jahrzehnten dazu gekommenen Bauten sind rot dargestellt. Mittlerweile hatte auch die Eisenbahn die hochgelegene Stadt erreicht und zerschnitt mit ihrer Linienführung fortan das Tal im Westen diagonal - ein Umstand, der sich bis heute im Stadtbild auswirkt.


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    Bauliche Entwicklung 1880.

    Der dritte Plan zur baulichen Entwicklung ist zeitgenössisch, kurz bevor zwischen 1883 und 1894 die zweite amtliche Stadtvermessung erfolgte.


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    Stadtplan 1913.

    Der Stadtplan von 1913 kennzeichnet den Abschluss des Baubooms zwischen 1880 und dem 1. Weltkrieg. In dieser Zeit entstand vor allem das Bahnhofquartier grösstenteils neu, ebenso das Stickereiquartier. Der nördlich gelegene Rosenberghang wurde mit einem ausgedehnten Villenquartier überbaut, der Südhang, mit Freudenberg und Bernegg, erhielt hingegen eine dichtere Bebauung für den Mittelstand und die Arbeiterschicht.


    Mit diesen Plänen ist nur das Zentrum der Stadt vorgestellt. 1918 erfolgte die Eingemeindung von Straubenzell im Westen und Tablat im Osten zur heutigen Gemeinde St. Gallen. Meine Vorstellungen werden wich aber vor allem auf das ursprüngliche Stadtgebiet beschränken. Wer noch mehr über die Geschichte der Stadtvermessung erfahren will, erhält durch folgenden Link detaillierte Auskunft.

    Geschichte Stadtvermessung